OGH 1Ob573/94

OGH1Ob573/9422.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernestine S*****, vertreten durch Dr. Harry Fretska, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausfolgung eines Aufzugsschlüssels, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 24. November 1993, GZ 48 R 897/93-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. März 1993, GZ 55 C 68/92v-8a, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2.4.1946 mietete der im Jahre 1991 verstorbene Gatte der Klägerin, Ing.Helmut S*****, die im 4. Stock des Hauses S*****gasse 6 in Wien ***** gelegene Wohnung top.Nr. 12. Nach dem Tod des Ing.Helmut S***** trat die Klägerin in diese Mietrechte ein.

§ 3 Z 1 des Mietvertrags vom 2.4.1946 (Beilage B) lautet:

„Der Mietzins besteht während der Dauer der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung aus dem jeweils gesetzlich festgelegten oder durch Instandsetzungsarbeiten veranlaßten erhöhten Hauptmietzins, dem verhältnismäßigen Anteil an den Betriebskosten, sonstigen Aufwendungen für das Haus (Aufzug, Sammelheizung udgl.) und den öffentlichen Abgaben...“.

Die Beklagte ist seit dem Jahre 1990 Eigentümerin des Hauses Wien *****., S*****gasse 6. Dieses Haus verfügte seit jeher über einen Aufzug, der bis Juli 1982 in Betrieb war. Die Klägerin und deren Gatte hatten stets zwei Aufzugsschlüssel zur Verfügung. Sie benutzten den Aufzug bis zu dessen Außerbetriebsetzung, die im Juli 1982 aus Sicherheitsgründen bis zur Behebung von festgestellten Mängeln erfolgte. Zur Behebung der Mängel wären die Erneuerung der Türschalter, der Verriegelungen und Drähte sowie des Triebwerks und die Instandsetzung der Triebwerksraumtüre erforderlich gewesen. Dies hätte im Jahre 1982 einen Aufwand von S 200.000,-- bis S 300.000,-- erfordert. Die Reparatur erschien den Hauseigentümern aber nicht wirtschaftlich.

Der von den Ehegatten S***** zu entrichtende Mietzins wurde entsprechend der Vorschreibung stets bezahlt. Die Genannten verzichteten nie ausdrücklich auf die Aufzugsbenützung. In der Zeit zwischen Juli 1982 und 1988 nahm das Ehepaar S***** mehrfach telefonisch und schriftlich Kontakt mit der Vertreterin der Hauseigentümerin bzw. der Hausverwaltung auf, um abzuklären, ob bzw. wann der Lift wieder instandgesetzt werde. Nach einem Eigentümerwechsel im Jahre 1988 wurde das Haus von der Hausverwaltung T***** verwaltet. Dieser gegenüber brachten die Ehegatten S***** nie zum Ausdruck, sie seien an der Aufzugsbenutzung nicht interessiert. Ob sie die Instandsetzung des Aufzugs bei der genannten Hausverwaltung urgierten, ist nicht feststellbar. Jedenfalls wurden behördliche Schritte hinsichtlich der Instandsetzung oder Erneuerung des Aufzugs von seiten der Eheleute S***** nicht unternommen.

Im Jahre 1990 wurden seitens der Beklagten sämtliche Mieter des Hauses S*****gasse 6 kontaktiert, um den Abschluß einer freiwilligen Vereinbarung zum Zwecke der Haussanierung zu erwirken. Im Zuge dieser Kontaktaufnahme sprach die Klägerin einen Beauftragten der Beklagten im Herbst 1990 mehrmals darauf an, was mit dem Lift geschehe, bzw. wann der Lift eingebaut werde. Die Beklagte beabsichtigte nämlich die Herstellung eines neuen Liftes unter Verwendung der noch brauchbaren Teile. Der Lift selbst hätte zwar repariert werden können, die Holztramdecke, an welcher der Lift aufgehängt war, entsprach aber nicht mehr den statischen Vorschriften. Die Benützungsbewilligung sowie die baubehördliche Bewilligung wäre bei einer bloßen Reparatur des Lifts nicht erteilt worden.

Im Jahre 1991 ließ die Beklagte eine neue Aufzugsanlage unter Weiterverwendung vorhandener, optisch bestimmender Teile errichten. Die Schachttüren und die Holzkabine wurden weiterverwendet, das Antriebssystem, die Führungsschienen und die Sicherheitseinrichtungen abgetragen. Seit dem Frühjahr 1992 ist der Lift in Betrieb. Die Beklagte folgte der Klägerin trotz Aufforderung keinen Aufzugsschlüssel aus, weil die Klägerin die Bezahlung eines (gesonderten) Benützungsentgelts für den Aufzug verweigerte.

Der Lift wurde aus Eigenmitteln der Beklagten finanziert, da eine Hauptmietzinsreserve nicht vorhanden war. Die Hauptmietzinsabrechnung für die Zeit vom 1.1.1983 bis 31.12.1991 ergibt einen Negativsaldo von S 4,472.917,99. Ergebnisse der Hauptmietzinsabrechnungen aus der Zeit vor dem 1.1.1983 lassen sich nicht feststellen.

Unter Hinweis auf den Mietvertrag vom 2.4.1946 und den Umstand, daß der seit jeher vorhanden gewesene Lift bis zum Jahre 1982 von den Ehegatten S***** ständig benützt worden sei, begehrte die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr einen Schlüssel zu dem im Haus S*****gasse 6 befindlichen Personenaufzug auszufolgen. Die Beklagte wendete ein, daß die Aufzugsanlage aus Eigenmitteln komplett erneuert und nicht nur instandgesetzt worden sei. Das Mietverhältnis zwischen den Streitteilen sei, was die Aufzugsmitbenutzung betreffe, gemäß § 1112 ABGB aufgelöst worden. Die Klägerin habe auf die Benützung der Aufzugsanlage verzichtet.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin einen Schlüssel zu dem im Haus Wien *****., S*****gasse 6, 1. Stiege, befindlichen Personenaufzug auszufolgen. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte daraus, daß die Klägerin schon aufgrund des Mietvertrags zur Benutzung des bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses im Hause befindlichen Aufzuges berechtigt sei. Es handle sich beim Aufzug um eine Gemeinschaftsanlage, hinsichtlich derer die Vermieterin erhaltungspflichtig sei. Der Lift sei bloß unbenützbar geworden, aber nicht im Sinne des § 1112 ABGB untergegangen. Eine einvernehmliche Auflösung des Mietvertrages oder ein Verzicht auf die Liftbenützung sei nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Da im Juli 1982 eine Aufzugsreparatur möglich gewesen wäre, könne nicht von einem Untergang der Bestandsache im Sinne des § 1112 ABGB gesprochen werden. Die Beklagte habe nicht einmal behauptet, daß im Falle der Behebung der Mängel eine baubehördliche Bewilligung bzw. eine Benützungsbewilligung nicht erteilt worden wäre. Die Beklagte sei daher schon aufgrund des Inhalts des Mietvertrags verpflichtet, der Klägerin die Benützung des Lifts durch Ausfolgung eines Schlüssels zu ermöglichen. Auf die Liftbenützung habe die Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Gemäß § 1112 ABGB wird ein Bestandvertrag aufgelöst, wenn die in Bestand gegebene Sache zugrundegeht. Nach Lehre und Rechtsprechung bewirkt nur die vollständige Zerstörung des Bestandgegenstandes die Auflösung des Bestandvertrages. Es ist aber auch ein nur teilweises Erlöschen des Bestandvertrages möglich, wenn ein räumlich selbständiges Objekt (zB Aufzug) vorliegt und die Voraussetzungen des § 1112 ABGB nur für dieses zutreffen (MietSlg. 34.241; 23.173).

Im vorliegenden Fall war die Benützung der Aufzugsanlage vom Mietvertrag, in den die Klägerin eingetreten ist, mitumfaßt. Im Juli 1982 wurde nach den Feststellungen der Lift aus Sicherheitsgründen außer Betrieb gesetzt. Grundsätzlich ist gemäß § 1096 ABGB ein Bestandgeber verpflichtet, dem Bestandnehmer den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu gewähren und sie in brauchbarem Zustand zu erhalten (EvBl. 1966/302; WoBl. 1991/150; EvBl. 1977/265). Es muß zwischen der bloßen Unbenützbarkeit und dem Zugrundegehen der Bestandsache als Grund für die Auflösung des Bestandvertrages unterschieden werden (MietSlg. 24.157; WoBl. 1991/150; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 1112). § 1112 ABGB ist dahin einschränkend auszulegen, daß das Bestandverhältnis nicht erlischt, soweit den Bestandgeber dem Bestandnehmer gegenüber eine Wiederherstellungspflicht trifft und die Wiederherstellung auch möglich ist. Ist die Wiederherstellung des Mietgegenstandes rechtlich und wirtschaftlich möglich, kann der Mieter die Zuhaltung des Mietvertrages verlangen (WoBl. 1991/150). Die Beklagte brachte vor, daß eine Reparatur des Aufzugs unwirtschaftlich gewesen sei (AS 34), und daß der Aufzug für den Fall der Reparatur - also nicht der Neuerrichtung - aufgrund der baurechtlichen Bestimmungen in Wien nicht wieder hätte in Betrieb genommen werden dürfen (AS 41). Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, es sei nicht einmal behauptet worden, daß im Falle der Behebung der Mängel eine baubehördliche Bewilligung und eine Benützungsbewilligung nicht erteilt worden wären (AS 97), sind aktenwidrig (AS 41). Damit ist aber für die Revisionswerberin nichts gewonnen.

Nach den getroffenen Feststellungen wäre die Reparatur des Aufzugs im Jahre 1982 mit einem Aufwand von S 200.000,-- bis S 300.000,-- möglich gewesen, die Reparatur sei den Hauseigentümern aber nicht wirtschaftlich erschienen (AS 51a). Bei einer „bloßen Reparatur“ ohne Einbeziehung der Holztramdecke, an welcher der Lift aufgehängt war, wäre eine Benützungsbewilligung nicht mehr erteilt worden (AS 53 f). Es besteht aber grundsätzlich die Pflicht zur Wiederherstellung in der Form der Verschaffung der erforderlichen behördlichen Bewilligung (Würth, aaO, Rz 3 zu § 1112, Rz 8 zu § 1096 mwN). Ihre Grenzen hat diese Verpflichtung einerseits in der rechtlichen Unmöglichkeit, soweit sie nicht vom Bestandgeber zu verantworten ist, andererseits in der Unerschwinglichkeit. Der Bestandgeber hat ein nicht von vornherein aussichtsloses Ansuchen an die Behörde zu richten. Wird die Genehmigung dennoch versagt, dann wird die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich (Würth, aaO, Rz 8 zu § 1096). Ein bloß vorübergehender Entzug der baurechtlichen Benützungsbewilligung bewirkt nicht den rechtlichen Untergang der Sache (SZ 63/137). Die Beweislast, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel ausgeschöpft zu haben, um dem Mieter den bedungenen Gebrauch zu verschaffen, trifft den Vermieter. Seiner Beweispflicht hat er im Fall der Nichtanrufung der Baubehörde nur dann genügt, wenn er eine so klare Rechtslage dartut, daß mit Gewißheit eine Verweigerung der baubehördlichen Genehmigung angenommen werden muß (EvBl. 1977/265; SZ 63/137; Würth, aaO). Letzteres ist hier nicht der Fall. Der Vermieter konnte auch nicht beweisen, daß er für den Fall der Reparatur unwirtschaftlich hätte vorgehen müssen, zumal nicht festzustellen war, ob im Jahre 1982 eine Hauptmietzinsreserve vorhanden war (AS 55), bzw. ob eine Mietzinserhöhung zum Zwecke der Durchführung der Reparatur hätte erfolgen können. Den Beweis der Unwirtschaftlichkeit hat aber ebenfalls der Vermieter anzutreten (SZ 63/137; SZ 14/113; EvBl. 1955/398; Würth aaO).

Diese Rechtsausführungen stehen auch nicht im Widerspruch zu der in MietSlg. 20.093 abgedruckten Entscheidung, wonach generell durch das Unbrauchbarwerden eines alten Aufzugs der Mietvertrag, soweit er die Aufzugsbenützung betrifft, gemäß § 1112 ABGB aufgelöst wird. Auch in dieser Entscheidung wird die Auffassung vertreten, daß eine Auflösung des Mietvertrags gemäß § 1112 ABGB im Umfang der Aufzugsbenützung nur dann stattfindet, wenn der alte Aufzug irreparabel oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu reparieren gewesen wäre. Der Beweis für das Vorliegen dieser Umstände obliegt aber dem Vermieter, im vorliegenden Fall der Beklagten; er wurde im vorliegenden Fall nicht erbracht, so daß die Revision erfolglos bleiben mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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