OGH 11Os74/94

OGH11Os74/949.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Leoben zum AZ 15 Vr 1419/93 anhängigen Strafsache gegen Rudolf W***** wegen des Verbrechens nach § 12 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 5.Mai 1994, AZ 10 Bs 192/94 (= ON 35 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Rudolf W***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Gegen den am 9.November 1993 festgenommenen Rudolf W***** wurde - auf Grund der von der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark erstatteten Nachtragsanzeige - vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Leoben über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 11.November 1993 die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG (3 i) - in der Folge auch wegen des Finanzvergehens der (vorsätzlichen) gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (3 i, 3 r, ON 6) - eingeleitet und über ihn die Untersuchungshaft aus den Haftgründen nach § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit a, b und c StPO verhängt (3 i, ON 6 und 7). Mit den Beschlüssen vom 23.Februar 1994 (ON 20) und vom 19. April 1994 (ON 30) ordnete der Untersuchungsrichter nach jeweils durchgeführter Haftverhandlung (ON 19, 29) die Fortsetzung der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO bis 20. April bzw 19.Juni 1994 an.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Beschuldigten gegen den letztgenannten Beschluß mit der Maßgabe nicht Folge, daß sich dessen Wirksamkeitsdauer bis zum 20. Juni 1994 (offenbar irrtümlich: 1964) verlängere, und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO bis 5.Juli 1994 an. Es bejahte hinsichtlich des Verbrechens nach dem SGG den dringenden Tatverdacht, Rudolf W***** habe im Zeitraum von Frühjahr 1991 bis Februar 1993 von holländischen Staatsangehörigen, darunter dem abgesondert verfolgten Eric de Z*****, bei fünf Lieferungen 38 kg Haschisch zu einem Kilopreis von 40.000 S übernommen und hievon 30 kg in Österreich zum Kilopreis von 60.000 S (an Arnold B*****) weiterverkauft. Es verneinte die Unangemessenheit der bisherigen Untersuchungshaft und sprach aus, daß diese über die Sechsmonatefrist hinaus aufrecht erhalten werden dürfe, da dies wegen des besonderen Umfangs der Untersuchung (internationaler Suchtgifttransfer) im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar sei.

Dagegen richtet sich die vom Verteidiger fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, mit der er die Annahme des dringenden Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr bekämpft und überdies eine Grundrechtsverletzung darin erblickt, daß das Strafverfahren bisher beim örtlich unzuständigen Landesgericht Leoben durchgeführt worden sei, zumal als Tatort "Mondsee in Oberösterreich bzw St.Pölten in Niederösterreich" in Betracht kämen.

Die Grundrechtsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Sie versagt zunächst mit den Einwänden gegen die Annahme des dringenden Tatverdachtes. Denn diesen leitete das Oberlandesgericht zutreffend aus den bisherigen Verfahrensergebnissen, hier insbesondere den belastenden Angaben des Eric de Z***** (ON 21) und Joachim S***** (41, 53; 171, 183) in Verbindung mit der eigenen (zum Teil geständigen) Verantwortung des Angeklagten, ab. Diese Ermittlungsergebnisse vermögen - vorbehaltlich der abschließenden Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren - durchaus die Annahme einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit zu tragen, daß der Angeklagte die ihm angelasteten Tathandlungen begangen hat. Der Einwand, sein - über die im übrigen immer noch teilweise (nämlich hinsichtlich ca 4 kg Haschisch) geständige Verantwortung hinausgehendes - "Pseudogeständnis" vom 9.Dezember 1993 (betreffend 26-38 kg Haschisch - 341 ff) sei ihm von den Sicherheitsbehörden "herausgelockt" worden, vermag daran nichts zu ändern.

Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nahm das Oberlandesgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die wiederholte Suchtgiftdelinquenz des Beschwerdeführers und den sich nunmehr über einen Zeitraum von rund zwei Jahren erstreckenden (umfangreichen) Suchtgifthandel gleichfalls zu Recht an. Schon auf Grund dieser von der Beschwerdeinstanz zutreffend angeführten bestimmten Tatsachen besteht die evidente Gefahr, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weiterhin Suchtgiftdelikte vergleichbarer Art (mit schweren Folgen) begehen. Die dagegen in der Beschwerde vorgebrachten Argumente - Hinweis auf die Lebensgemeinschaft mit einer "ebenfalls nicht suchtgiftsüchtigen Sparkassenbeamtin", Beteuerung, niemals wieder "in dieser Richtung strafbare Handlungen" zu begehen - fallen nicht ins Gewicht, zumal es sich dabei um Gründe handelt, die bereits im mutmaßlichen Tatzeitraum gegeben waren. Dem Einwand längeren Wohlverhaltens hinwieder genügt es zu erwidern, daß der Beschwerdeführer die zuletzt über ihn verhängten Strafen - darunter eine Freiheitsstrafe nach dem SGG von zweieinhalb Jahren - bis November 1987 verbüßt hat. Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr kann daher auch nicht durch gelindere Mittel abgewendet werden. Nach den Umständen des Falles ist aber auch eine Unverhältnismäßigkeit der Haft angesichts der (von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden) Strafdrohung des § 12 Abs 3 SGG - jedenfalls derzeit - nicht gegeben.

Die in der Beschwerde behauptete örtliche Unzuständigkeit sowohl des Landesgerichtes Leoben als auch des Oberlandesgerichtes Graz schließlich kann grundsätzlich nicht Gegenstand eines Grundrechtsbeschwerdeverfahrens sein.

Gemäß § 53 StPO bleibt die (örtliche) Zuständigkeit des Strafgerichtes, welches zuerst von einer in der Republik Österreich verübten strafbaren Handlung Kenntnis erlangt, schon deswegen solange bestehen, bis sich andere Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit nach den Bestimmungen der §§ 51 und 52 StPO ergeben. Vorliegend bestand bei der Anzeigeerstattung ein Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Leoben darin, daß dort bereits die Voruntersuchung (ua auch) gegen Arnold B***** geführt wurde, an den der Beschuldigte den Großteil des Suchtgiftes weiterverkauft haben soll. Daran vermag die am 7.Dezember 1993 (unter Aktenneubildung) erfolgte Ausscheidung des Verfahrens "gemäß § 57 StPO mangels Konnexität" nichts zu ändern. Denn selbst bei zunächst unzutreffender Annahme einer objektiven Konnexität nach § 55 StPO und späterer Ausscheidung eines Verfahrens mangels einer solchen, kann dieses Verfahren gemäß § 58 StPO zwar an das, vom Zusammentreffen mit anderen Strafsachen abgesehen, zuständige Gericht abgegeben werden, doch muß dies nach der Formulierung dieser Kannbestimmung nicht erfolgen. Davon abgesehen sind Untersuchungshandlungen eines örtlich unzuständigen Gerichtes wegen dieser Unzuständigkeit allein nicht ungültig (§ 66 StPO). Daraus ergibt sich, daß - bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen - aus der Haftentscheidung eines örtlich unzuständigen Gerichtes eine Grundrechtsverletzung in der Bedeutung des § 2 GRBG nicht abgeleitet werden kann.

Da somit Rudolf W***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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