Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang des Abspruches über das Feststellungsbegehren aufgehoben und die Rechtssache auch in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die von den Streitteilen am 15.10.1986 geschlossene Ehe wurde über einvernehmlichen Antrag gemäß § 55a EheG am 2.10.1990 vom Bezirksgericht St.Pölten zu 1 Sch 55/90 geschieden. Der dabei geschlossene Vergleich hat folgenden Wortlaut:
"Obsorge: Die Obsorge (§ 144 ABGB) für das minderjährige Kind Karina K*****, geboren am 16.7.1988, kommt nur der Mutter Maria Theresia K***** zu.
Besuchsrecht: Das Besuchsrecht wird der freien Vereinbarung der Eltern vorbehalten.
Kindesunterhalt: Der Vater verpflichtet sich, ab 1.10.1990 jeweils am Monatsersten im vorhinein seinem Kind Karina K*****, geboren am 16.7.1988, zu Handen der Mutter folgende monatliche
Unterhaltsbeiträge zu zahlen: 2.000 S.
Dieser Unterhaltsvereinbarung liegen folgende Umstände zugrunde:
monatliches Nettoeinkommen des Vaters (Sonderzahlungen anteilig dazugerechnet) ca 18.500 S, monatliches Nettoeinkommen der Mutter (Sonderzahlungen anteilig dazugerechnet) ca 8.200 S
Die Mutter ist überdies sorgepflichtig für Birgit B*****, geboren am 6.1.1977
Ehegattenunterhalt: Mann und Frau stellen einvernehmlich fest, daß zwischen ihnen - auch im Fall der Not, geänderter Verhältnisse oder geänderter Rechtslage - kein Unterhaltsanspruch besteht.
Vermögensaufteilung: Das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen
Ersparnisse werden wie folgt verteilt: Soweit in diesem Vergleich nicht anders geregelt, behält jeder, was er hat. Der Mann erhält Schlafzimmer komplett, Wohnzimmer komplett, Stereoanlage, Videorecorder, Fernseher, Küche komplett inklusive Mikrowellengerät und Brotschneidemaschine, Bügeleisen, Bügeltisch, Schreibtisch, Bausparverträge (Maria, Carina).
Die Frau erhält: Zwei Kinderzimmer, Waschmaschine, Wäschetrockner, Bügelautomat, Nähmaschine, Fernseher, Küchenmaschine, Folienschweißgerät, komplettes AMC-Geschirr inklusive Besteck, Tuppergeschirr komplett, Gläser je halb/halb, Breikristall alles bis auf blaue Vase, Standuhr, Bettwäsche wird aufgeteilt, Koffer einmal weiß, einmal blau, einmal Beautycase, ein Fondueset komplett, Radiowecker, Beleuchtungskörper aus den Kinderzimmern.
Ehewohnung: Das Eigentumsrecht an der Ehewohnung ***** steht künftig dem Mann allein zu. Dies gilt auch als Erklärung des Rechtsüberganges. Die Frau verpflichtet sich, die Ehewohnung bis zum 31.10.1991 zu räumen und dem Mann zu übergeben.
Kraftfahrzeug: Der Mann erhält das Fahrzeug Type Mazda 626, Kennzeichen N 783.071.
Liegenschaftsbesitz: Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich folgender
Liegenschaften bleiben unverändert: Einlagezahl ***** Katastralgemeinde *****.
Schulden: Der Mann übernimmt folgende Schulden zur Zahlung:
Gläubiger: BAWAG Kreditnummer 2764/015054, offener Betrag ca 110.000 S. Der Mann verpflichtet sich, die zur Zahlung übernommenen Schulden allein termingemäß zu zahlen und der Frau alles zu ersetzen, was sie wegen Verletzung der Vereinbarung zahlen muß (sie schad- und klaglos zu halten).
Ausgleichszahlung: der Mann verpflichtet sich, an die Frau spätestens am 31.8.1991 einen Ausgleichszahlungsbetrag von S 50.000 zu zahlen. Er- und Ablebensversicherung ist von Maria auf Carina K***** umzuschreiben.
Generalklausel: Mit diesem Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Ehegatten wie sie bis zum heutigen Tag bestehen oder aus Anlaß der Scheidung entstehen, verglichen."
Mit Klage vom 11.6.1992 begehrte die Klägerin die Feststellung, daß der vor dem Bezirksgericht St.Pölten am 2.10.1990 zu 1 Sch 55/90 geschlossene Vergleich in seinen Punkten "Ehegattenunterhalt" und "Ehewohnung" wegen Arglist nichtig sei, in eventu, daß der gesamte Vergleich nichtig sei sowie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 120.000 samt 11,75 % Zinsen seit Klagstag. Sie brachte im wesentlichen vor, der Scheidungsvergleich sei durch List im Sinne des § 870 ABGB zustande gekommen. Die Ehe mit dem Beklagten sei harmonisch verlaufen, wenn man davon absehe, daß der Kläger aus beruflichen Gründen viel im Ausland gewesen sei. Dieser habe für die Klägerin völlig überraschend im Sommer 1990 von ihr die Scheidung nur mit der Begründung verlangt, er sehe keinen Sinn mehr in der Fortsetzung der Ehe, weil sich die Partner auseinandergelebt hätten. Die Klägerin habe intensiv versucht, den wahren Scheidungsgrund zu erfahren, insbesondere, ob eine andere Frau im Spiel sei. Dies habe der Beklagte entschieden in Abrede gestellt. Nur weil der Beklagte eine Fortsetzung der Ehe dezidiert abgelehnt habe, sei sie, ausgehend von mangelnden schwerwiegenden Eheverfehlungen ihres Mannes, mit einer einvernehmlichen Scheidung und dem Abschluß des Vergleiches in der vorliegenden Form einverstanden gewesen. Erst nach Rechtskraft der Scheidung habe der Beklagte ihr gestanden, daß er seit Jahren eine außereheliche Beziehung mit einer Polin unterhalte und mit dieser während aufrechter Ehe zwei Kinder gezeugt habe. Bei Kenntnis dieser Sachlage hätte die Klägerin einer einvernehmlichen Scheidung niemals zugestimmt und insbesondere den für sie nachteiligen, vom Beklagten formulierten Vergleich in den Punkten Unterhaltsverzicht und Räumung der Ehewohnung niemals abgeschlossen. Der Beklagte habe durch die bewußte Verheimlichung und das Abstreiten der Tatsache einer außerehelichen Beziehung mit Nachkommenschaft die Klägerin bewußt getäuscht und zu dem für sie nachteiligen Vergleichsabschluß veranlaßt. Der ihr in der Zeit von Oktober 1990 bis Juni 1992 aufgrund des hohen Einkommens des Klägers und ihres geringen Einkommens entgangene Unterhalt, den sie auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf den gesetzlichen Unterhalt und auch auf Schadenersatz stütze, betrage zumindet S 120.000.
Der Beklagte bestritt alle Begehren und wandte ein, beide Teile seien scheidungswillig gewesen; der Vergleich sei einvernehmlich ohne Täuschung abgeschlossen worden. Eine rechtliche Verpflichtung, die Ehefrau über außereheliche Beziehungen aufzuklären, bestehe nicht. Die Anfechtung eines Vergleiches über die Scheidungsfolgen im Sinne des § 55a EheG sei unzulässig. Überdies treffe die Klägerin, die sich geweigert habe, dem Beklagten ins Ausland zu folgen und Geld nicht für eheliche Zwecke ausgegeben habe, das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe.
Das Erstgericht stellte fest, daß der vor dem Bezirksgericht St.Pölten geschlossene Vergleich vom 2.10.1990, 1 Sch 55/90, in den Punkten "Ehegattenunterhalt" und "Ehewohnung" gemäß § 870 nichtig sei und wies (mit Ergänzungsurteil) das Zahlungsbegehren von S 120.000 sA ab. Es legte seiner Entscheidung folgende wesentlichen Feststellungen zugrunde:
Schon vor der Eheschließung war der Klägerin bekannt, daß der Beklagte in Ausübung seines Berufes als Baustellenleiter der VÖEST überwiegende Zeit im Ausland verbringen werde. Sie war anfangs auch grundsätzlich bereit, ihn zu den häufig wechselnden Baustellen im Ausland zu begleiten. In der Folge verbrachte die Klägerin ihre Urlaube beim Beklagten im Ausland, verlegte jedoch ihren Wohnsitz n icht an den jeweiligen Arbeitsort, weil ihre Tochter aus erster Ehe in Wien die Schule besuchte und sie selbst in Wien berufstätig war. Das eheliche Intimleben war aus Sicht der Klägerin bei ihren Besuchen im Ausland und während der Aufenthalte des Beklagten in Wien in Ordnung. Finanzielle Unregelmäßigkeiten sind der Klägerin nicht nachzuweisen.
Im Sommer 1990 begehrte der Beklagte von der Klägerin, für diese völlig überraschend, die Zustimmung zu einer einvernehmlichen Scheidung. Auf die Frage nach dem Grund erklärte er nur, er wolle seine Freiheit wieder haben, das Schreien der kleinen gemeinsamen Tochter störe ihn, er halte ein Familienleben nicht mehr aus. Da dies der Klägerin unglaubwürdig schien, befragte sie ihn intensiv auch nach Beziehungen zu einer anderen Frau, die der Beklagte jedoch entschieden in Abrede stellte. Sie konnte von ihm immer nur die Antwort hören, er wolle weg und geschieden sein. Da der Beklagte versprach, sie auch in Zukunft nach Kräften, insbesondere auch bei einer Wohnungssuche, zu unterstützen und sie, wenn die Ehe schon nicht aufrechtzuerhalten war, ein friedliches Auseinandergehen und ein weiteres freundschaftliches Verhältnis auch im Hinblick auf das gemeinsame Kind ermöglichen wollte, stimmte sie schließlich nach Einholung einer anwaltlichen Auskunft nicht nur der Scheidung, sondern auch den vom Beklagten in ein bei Gericht besorgtes Formular eingefügten Vergleichspunkten zu. Sie wußte, daß sie bei Verschulden des Beklagten mehr, insbesondere die Ehewohnung und grundsätzlich auch Unterhalt hätte verlangen können und daß sie mangels eines entsprechend gravierenden Verschuldens auf ihrer Seite dem Scheidungsbegehren nicht hätte zustimmen müssen.
Der Beklagte verbrachte den Heiligen Abend 1990 nach der Scheidung vom 2.10.1990 bei der Klägerin und dem gemeinsamen Kind. Als er dieses für einen weiteren Tag zu sich nehmen wollte, weil er Besuch hatte, verweigerte die Klägerin dies und fragte, ob der Besuch seine neue Freundin sei. Das Kind müsse die Scheidung erst verkraften. Der Beklagte erklärte, nunmehr könne er ja die ganze Wahrheit sagen, die Freundin sei nicht neu, er habe sie schon seit dreieinhalb Jahren und habe mit ihr bereits ein Kind, das nur ein Jahr jünger sei als das gemeinsame Kind mit der Klägerin (ein weiteres Kind sei unterwegs). Die Klägerin war über diese Mitteilung so geschockt, daß sie ärztlicher Behandlung bedurfte und mehrere Tage krank war.
Die Klägerin hat ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 13.000 vierzehnmal jährlich.
Rechtlich folgerte das Erstgericht aus dem Sachverhalt, die Scheidung im Einvernehmen habe zur Voraussetzung die völlige Zerrüttung der Ehe und mindestens sechs Monate Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, einen einvernehmlichen Antrag und eine Vereinbarung über die im Gesetz taxativ aufgezählten Scheidungsfolgen. Die Geltendmachung von Eheverfehlungen sei ausdrücklich ausgeschlossen. Die abzuschließende Vereinbarung sei nicht notwendig eine einheitliche; sie könne auch hinsichtlich verschiedener Teilbereiche zu verschiedenen Zeiten geschlossen werden. Jeder Teil sei ein eigener, für sich anfechtbarer Vertrag, so daß auch eine Anfechtung nur in Teilbereichen erfolgen könne; dies müsse sogar so sein, wenn die Anfechtungsgründe nur für einzelne Teilbereiche vorlägen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß schon mit Rücksicht auf die vielen Auslandsaufenthalte des Beklagten die Zuweisung der Obsorge für das gemeinsame Kind an die Mutter erfolgt wäre, dies unabhängig von einem Verschuldensausspruch im Rahmen einer Scheidung nach § 49 EheG. Auch wenn die Klägerin von den ehewidrigen Beziehungen ihres Mannes gewußt hätte, wäre keine andere Vereinbarung denkbar gewesen. Gemeinsame Schulden seien zumindest in einer nennenswerten Höhe nicht vorhanden gewesen und auch nicht zur Sprache gekommen. In diesem Bereich wäre eine wesentliche Verschiebung zugunsten der Klägerin auch nicht denkbar gewesen. Auch hinsichtlich der Fahrnisse sei - zumindest aus der Sicht der Klägerin - eine Veränderung der Aufteilung auch im Falle der Scheidung aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden des Mannes weder zu erwarten noch für die Klägerin wesentlich gewesen. Dagegen sei die Frage der Zuweisung der Ehewohnung für die Frau trotz der Beteuerungen des Beklagten, ihr bei der Wohnungssuche zu helfen, nicht unbedeutend gewesen. Sie habe tatsächlich Zeit dafür über den vereinbarten Räumungstermin hinaus benötigt. Überdies habe der Beklagte für die Zeit der Weiterbenützung ein Benützungsentgelt eingeklagt und die Räumung begehrt. Das Interesse der Klägerin an der Überprüfung der Zuweisung der Ehewohnung sei daher jedenfalls zumindest in Höhe dieser Forderung samt Prozeßaufwand zu sehen. Da die Ehewohnung jenem Teil zuzuweisen sei, der den höheren Wohnbedarf habe - dies sei zum Zeitpunkt der Scheidung jedenfalls die Klägerin mit ihrer Tochter gewesen -, habe sie ein Interesse an der Anfechtung dieses Punktes.
Der Beklagte habe die Klägerin nicht nur im unklaren über seine ehebrecherische Beziehung, der ein Kind entstammte, gelassen, sondern auch ihre leisen Zweifel durch dezidierte Erklärungen zerstreut. Er habe die Klägerin dadurch schuldhaft und zu ihrem Nachteil in Irrtum geführt. Hätte die Klägerin bei Scheidung der Ehe nach § 49 EheG aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden die Weiterbenützung der Ehewohnung begehrt, hätte ihr diese entweder gegen eine Ausgleichszahlung nach billigem Ermessen ins Eigentum überlassen oder unter Festsetzung eines Mietzinses in Bestand gegeben werden müssen. Durch den aus der Irreführung entstandenen Vergleich sei die Klägerin daher ganz wesentlich in ihren Rechten beschnitten und geschädigt, so daß der abgeschlossene Vergleich im Punkt "Ehewohnung" im Sinne des § 870 ABGB nichtig sei.
Bei einer Scheidung nach § 49 EheG mit Ausspruch des Verschuldens des Beklagten wäre der Klägerin selbst für den Fall, daß zum Zeitpunkt der Scheidung - rechnerisch - kein Unterhaltsanspruch bestanden hätte, ein allfälliger Anspruch in Zukunft gewahrt geblieben. Der vom Beklagten anläßlich des Vergleiches listig erwirkte und im Irrtum über mangelnde Eheverfehlungen abgegebene Unterhaltsverzicht sei daher ebenfalls nach § 870 ABGB nichtig. Berücksichtige man, daß der Beklagte neben der grundsätzlichen Unterhaltspflicht für die Klägerin noch für seine nunmehr zweite Ehefrau und für drei minderjährige Kinder - zwei mit der neuen Ehefrau und ein Kind aus der Ehe mit der Klägerin - Unterhalt zahlen müsse und die Klägerin selbst ein monatliches Einkommen von rund S 13.000 14mal jährlich beziehe, aus welchem sie ihren Lebensunterhalt decken könne, verbleibe für sie kein Unterhaltsanspruch mehr, so daß das Zahlungsbegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen das Feststellungsbegehren keine Folge, hob jedoch über Berufung der Klägerin die Abweisung des Zahlungsbegehrens auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Vergleich über die Scheidungsfolgen nach § 55a Abs 2 EheG wegen Willensmängel angefochten werden. Die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses bleibe davon unberührt. List sei die rechtswidrige vorsätzliche Täuschung des Vertragspartners über die Umstände, welche diesen zum Abschluß des konkreten Geschäftes bewegten, also nicht nur über die Vertragsgrundlagen oder einzelne Vertragspunkte, sondern auch über Vertragsmotive, die für den Vertragsabschluß kausal seien. Der Beklagte habe bei den festgestellten Scheidungs- und Vergleichsgesprächen nicht nur seine bereits dreieinhalb Jahre bestehende ehebrecherische Beziehung zu einer anderen Frau verschwiegen, sondern durch die Verneinung der Frage, ob eine andere Frau im Spiele sei, unmittelbar - von seinem Freiheitswunsch abgesehen - seine eherechtliche Unschuld am Scheitern der Ehe beteuert. Diese Auskunft sei in einer für den Beklagten evidenten Weise zur Vergleichsbasis seitens der Klägerin geworden, zumal diese den streitgegenständlichen Vergleichspunkten schließlich nur deshalb zugestimmt habe, weil sie aus ihrem Mann keine plausible Antwort herausgebracht und mit ihm wenigstens ein freundschaftliches Verhältnis habe aufrechterhalten wollen. Die vom Beklagten wider besseres Wissen abgegebene Beteuerung sei auch nach seinem Wissensstand für die Klägerin der Beweggrund für den Abschluß des angefochtenen Scheidungsvergleiches gewesen. Es liege daher Arglist im Sinne des § 870 ABGB und deren Kausalität für den Scheidungsvergleich vor. Der Anspruch auf Anfechtung verjähre innerhalb von 30 Jahren.
Zur Problematik der Teilanfechtung habe der Beklagte in erster Instanz keinen Einwand erhoben; den Ausführungen des Erstgerichtes sei zuzustimmen. Die Teilanfechtung bewirke auch eine Reduzierung der im Vergleich enthaltenen Generalklausel.
Der Berufung der Klägerin gegen das Ergänzungsurteil komme hingegen Berechtigung zu. Zur Problematik des Unterhaltsbegehrens seien nur zwei divergierende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes veröffentlicht. Während in SZ 58/192 = JBl 1986, 778 ausgesprochen worden sei, daß bei Wegfall einer Vereinbarung gemäß § 55a EheG Unterhalt analog § 69 Abs 3 EheG nach Billigkeit begehrt werden könne, werde die Möglichkeit einer solchen Analogie in SZ 58/43 verneint. Das Berufungsgericht schließe sich der erstgenannten Entscheidung an. Die Tatsachengrundlagen für eine Unterhaltsbilligkeitsentscheidung reichten jedoch noch nicht aus, weil die Einkommensverhältnisse des Beklagten im fraglichen Zeitraum, für den Unterhalt begehrt werde, nicht geklärt seien und es daher weiterer Feststellungen bedürfe.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Feststellungsbegehrens S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision ebenso zulässig sei wie der Rekurs an den Obersten Gerichtshof hinsichtlich des aufhebenden Teiles der Entscheidung (Zahlungsbegehren), weil über die Möglichkeit einer Teilanfechtung eines Scheidungsvergleiches und die analoge Anwendung des § 69 Abs 3 EheG auf Unterhaltsansprüche nach Aufhebung eines Unterhaltsvergleiches keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Revision und Rekurse sind zulässig; die Revision des Beklagten ist auch berechtigt.
Ein vor Gericht geschlossener Vergleich über die Scheidungsfolgen ist wie jeder gerichtliche Vergleich auch ein Rechtsgeschäft, dessen materielle Gültigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beureilen ist. Er kann daher wegen Willensmängel oder Sittenwidrigkeit angefochten werden; dadurch wird aber die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses nicht berührt (SZ 58/43 mwN). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend geprüft, ob dem Beklagten durch sein Verhalten List im Sinne des § 870 ABGB anzulasten ist, die zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes führt. List nach dieser Gesetzesbestimmung fordert nicht Schädigungsabsicht, wohl aber rechtswidrige vorsätzliche Täuschung. Das Verhalten des Täuschenden und der damit verbundene Irrtum des Vertragspartners müssen für den Vertragsabschluß kausal sein, wobei auch Motivirrtum die Anfechtung rechtfertigt. Die Täuschung kann auch durch Unterlassung erfolgen, wenn eine Aufklärung geboten war (Rummel ABGB2 Rz 2 bis 4 zu § 870 mvN). Zutreffend sind die Vorinstanzen zu dem Schluß gelangt, daß dem Beklagten nach diesen Grundsätzen List zur Last zu legen ist und die Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten den Scheidungsvergleich in der vorliegenden Form, insbesondere was die Ehewohnung und den Unterhaltsverzicht betrifft, für den Beklagten durchaus erkennbar und berechenbar, nicht geschlossen hätte (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zutreffend weist der Beklagte allerdings darauf hin, daß die Vorinstanzen die Frage der Teilanfechtung des Vergleiches unrichtig gelöst haben. Da der Beklagte im Verfahren erster Instanz die Möglichkeit einer Anfechtung sowohl hinsichtlich des Hauptbegehrens als auch des Eventualbegehrens zur Gänze mangels Vorliegens der Voraussetzungen bestritten und die bewußte einvernehmliche Regelung ohne Irrtum behauptet hat, kann nicht davon ausgegangen werden, er sei der bloßen Teilanfechtung nicht entgegengetreten. Eine Teilanfechtung ist nur insoweit möglich, als ein Vertrag quantitativ und qualitativ teilbar ist (EvBl 1966/255 ua). Der Irreführende, der List zu verantworten hat, kann dem Begehren des Vertragspartners auf Vertragsanpassung - und nichts anderes bedeutet das Begehren auf nur teilweise Nichtigerklärung eines Generalvergleiches - die Einwendung, daß er den Vertrag anders nicht geschlossen hätte, nur zum Schutz begründeter wesentlicher Interessen entgegensetzen, nicht aber, um den listig herausgelockten Vorteil zu behalten (SZ 59/126). Durch die hier von den Vorinstanzen vorgenommene Teilung in aufrechtbleibende und nichtige Vertragsteile werden aber begründete wesentliche Interessen des Beklagten berührt: Es mag sein, daß beide Vertragsteile die Obsorgeregelung für das gemeinsame Kind und allenfalls auch die Aufteilung der Fahrnisse für den Fall einer Scheidung nach § 49 EheG in gleicher Weise vereinbart hätten, obwohl schon hier bei einer anderen Regelung über die Ehewohnung erhebliche Bedenken bestehen müssen. Keinesfalls aber geht es an, die Vereinbarung über die Schuldentragung und einer Ausgleichszahlung unabhängig von der Vereinbarung über die Ehewohnung und einen Unterhaltsverzicht außer Betracht zu lassen, denn alle diese Punkte bilden eine untrennbare Einheit und müßten bei einer allfälligen Rückabwicklung, die hier allerdings nicht begehrt wird, miteinbezogen werden. Das Feststellungsbegehren erweist sich daher noch nicht als spruchreif. Im fortgesetzten Verfahren wird mit den Parteien zu erörtern sein, ob alle Punkte im Sinne des Eventualbegehrens von der Nichtigkeit umfaßt sein sollen oder ob eine teilweise Aufrechterhaltung einzelner Punkte, diesfalls aber jedenfalls unter Behebung der Generalklausel, auch unter Berücksichtigung der Interessen des Beklagten möglich ist.
Die Klägerin hat weder ein Rückabwicklungsbegehren noch ein Begehren auf laufenden Unterhalt und im übrigen auch kein solches auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Nachteile, die ihr aus der List des Beklagten erwachsen werden, gestellt, sondern lediglich aus dem Titel des Schadenersatzes jenen Unterhaltsbetrag ziffernmäßig begehrt, der ihr, wäre eine Scheidung aus dem Alleinverschulden oder dem überwiegenden Verschulden des Beklagten erfolgt, im Zeitraum vom Oktober 1990 bis Juni 1992 zugestanden wäre und der ihr wegen des durch List abgeschlossenen Unterhaltsverzichtes im Vergleich entgangen ist. Ein solches Schadenersatzbegehren ist für den Fall der Ungültigkeit eines anläßlich einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG geschlossenen Unterhaltsvergleiches grundsätzlich möglich. Der erkennende Senat vermag die in SZ 58/192 vertretene Rechtsansicht nicht zu teilen, daß bei Unwirksamkeit einer nach § 55a Abs 2 EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung in analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehe, sondern schließt sich der in JBl 1986,777 ausgesprochenen Rechtsmeinung aus den dort genannten Gründen an.
Zur Beurteilung des Schadenersatzbegehrens von S 120.000 war als Vorfrage zu prüfen, ob der Klägerin durch den Abschluß des Scheidungsvergleiches überhaupt ein Schaden entstanden ist: Dazu haben die Vorinstanzen zutreffend Feststellungen getroffen, die rechtlich so zu beurteilen sind, daß das Alleinverschulden, zumindest aber das überwiegende Verschulden im Falle einer Scheidung nach § 49 EheG dem Beklagten anzulasten gewesen wäre. Der der Beklagten entstandene Schaden ist daher mit jenem Betrag zu ermitteln, der ihr im angegebenen Zeitraum gemäß § 66 EheG zugestanden wäre. Zur Ermittlung dieses Betrages bedarf es aber noch ergänzender Feststellungen über die genauen Einkommensverhältnisse beider Streitteile im angeführten Zeitraum, so daß die Aufhebung des abweislichen Teiles des Ersturteiles zu Recht erfolgte und den Rekursen der Streitteile keine Folge zu geben war.
Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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