OGH 15Os67/94

OGH15Os67/949.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Muhamer S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG, § 12 StGB, und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22.Dezember 1993, GZ 4 Vr 1326/93-158, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Muhamer S***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG iVm § 12 StGB (1) sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit b FinStrG iVm § 11 FinStrG (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 29.Juni 1992

(zu 1) zu der von den abgesondert verfolgten Zoran G***** und Luca S***** begangenen strafbaren Handlung, die im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter am 29.Juni 1992 beim slowenisch-österreichischen Grenzübergang Bad Radkersburg anläßlich ihrer Einreise mit dem von Dusko P***** gelenkten PKW der Marke BMW mit dem kroatischen Kennzeichen ST 202-620 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25fache der großen Menge erreichenden Menge, nämlich 937 Gramm Heroin, welches in Österreich hätte in Verkehr gesetzt werden sollen, bandenmäßig einführten, dadurch beigetragen, daß er im Hotel E***** in G***** Kontakte zur Abnehmergruppe aufnahm und die abgesonderten verfolgten Zoran G***** und Luca S***** beauftragte, sich jeweils ca die Hälfte der insgesamt 937 Gramm Heroin an die Unterschenkel zu kleben und sich im PKW von Dusko P***** ohne dessen Wissen um das Suchtgiftgeschäft nach G***** zur Suchtgiftübergabe bringen zu lassen sowie

(zu 2) anläßlich der zu 1) beschriebenen Handlung dazu beigetragen, daß 937 Gramm Heroin vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen werden, indem er Zoran G***** und Luca S***** anwies, in der oben beschriebenen Weise 937 Gramm Heroin in das österreichische Bundesgebiet zu verbringen (strafbestimmender Wertbetrag: 226.120 S), wobei er die Tat als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung zweier anderer Bandenmitglieder, nämlich von Zoran G***** und Luca S***** beging.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

In der Verfahrensrüge (Z 4) erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Unterlassung der beantragten Einvernahme der Zeugen Luca S*****, Dusco P***** und Zoran G***** vor dem erkennenden Gericht sowie durch die Unterlassung der Verständigung des Verteidigers von der Einvernahme des (in Deutschland inhaftierten) Zeugen Borislav K***** im Rechtshilfeweg in seinen Verteidigungsrechten verkürzt.

Hiezu ist vorweg auszuführen, daß die Hauptverhandlung, in der das bekämpfte Urteil verkündet wurde, gemäß § 276 a StPO neu durchgeführt wurde (S 430/IV). Im Falle einer derartigen Neudurchführung der Verhandlung verlieren früher gestellte Beweisanträge ihre Wirksamkeit, wenn sie nicht in der neu durchgeführten Hauptverhandlung wiederholt werden; eine Verlesung des Protokolls über die frühere Hauptverhandlung, in der ein Beweisantrag gestellt wurde, ersetzt nicht die Wiederholung dieses Antrags (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 4 E 30, 31, 32).

In der neu durchgeführten Hauptverhandlung am 22.Dezember 1993 hielt der Verteidiger den Antrag auf Einvernahme der Zeugen S***** und K***** vor dem erkennenden Gericht aufrecht, "zumal diese Zeugen den Angeklagten belasten und nur durch eine Gegenäußerung geklärt werden kann, welche der beteiligten Personen die Gegebenheiten der Wahrheit gemäß schildert" (S 437/IV).

Die Vernehmung der Zeugen Dusko P***** und Zoran G*****, deren Ladung im übrigen vorgenommen worden war (S 3gg vs in ON 1), deren Erscheinen aus dem Ausland - hier Kroatien - jedoch nicht erzwingbar ist (§ 72 Abs 1 ARHG, § 48 Abs 1 ARHV), wurde in der Hauptverhandlung vom 22.Dezember 1993 nicht beantragt, sodaß der Angeklagte zur Relevierung der Verfahrensrüge in bezug auf diese Zeugen nicht legitimiert ist. Gleiches gilt für die monierte Unterlassung der Verständigung des Verteidigers von der Einvernahme des Zeugen K***** im Rechtshilfeweg. Eine derartige Verständigung hat der Beschwerdeführer weder in der Hauptverhandlung vom 7.Juli 1993 nach Verkündung des Beschlusses auf Vertagung der Hauptverhandlung zur Einvernahme der Genannten im Rechtshilfeweg begehrt - insoweit wird eine Unrichtigkeit des Gedächtnisprotokolls über das in Verstoß geratene Verhandlungsprotokoll (S 297 f/IV) nicht behauptet -, noch in der neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 22.Dezember 1993 ein Antrag auf Wiederholung der Vernehmung unter Beteiligung des Verteidigers gestellt. Voraussetzung für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ist aber, daß über einen Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde.

Demnach kann sich der Angeklagte im Rahmen seiner Verfahrensrüge nur durch die Unterlassung der in der Hauptverhandlung am 23.Dezember 1993 beantragten Vernehmung des Zeugen S***** vor dem erkennenden Gericht für beschwert erachten; dies jedoch zu Unrecht.

Das Schöffengericht hat den Antrag auf Vernehmung des Zeugen S***** vor dem erkennenden Gericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 2 StPO mit der Begründung abgewiesen, daß dieser Zeuge sich derzeit in der Strafvollzugsanstalt Landsberg in Deutschland befinde und seine Vorführung von dort einerseits mit einem erheblichen Zeitaufwand, der zum erwartenden Ergebnis in keinem Verhältnis steht, und andererseits mit einem zu großen Sicherheitsrisiko verbunden wäre (S 439/IV).

Durch die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Luca S***** wurden im Ergebnis Grundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, nicht hintangesetzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorführung des in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech inhaftierten Luca S***** mit erheblichem Zeitaufwand und Sicherheitsrisiko verbunden wäre. Da aber der Genannte ohnedies am 13.Juli 1993 ausführlich im Rechtshilfeweg zum Sachverhalt vernommen worden ist, wobei er den Beschwerdeführer insofern belastet hat, als er dezidiert deponierte, der Angeklagte habe ihm das "Paket" übergeben und gemeint, es wäre am besten, "das Paket" mit Klebebändern am Unterschenkel zu befestigen (S 283/IV), hätte es zur Dartuung der Relevanz des Beweisantrages schon bei dessen Stellung eines zusätzlichen Vorbringens bedurft, aus welchen Gründen Luca S***** vor dem erkennenden Gericht andere Angaben als vor dem Rechtshilfegericht machen sollte. Darüber hinaus war es dem Beschwerdeführer ohnedies unbenommen, eine "Gegenäußerung" zur Aussage des S***** abzugeben, die inhaltlich seiner Prozeßerklärung - die Tatsache, daß er vom Genannten belastet wird, räumt er dabei ein - der einzige Zweck der beantragten Einvernahme vor dem Prozeßgericht sein sollte. Ohne eine Erklärung, welche Änderungen in den Beweisgrundlagen zu erwarten seien, läuft der Beweisantrag im Ergebnis auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, sodaß durch die Nichteinvernahme des Genannten vor dem erkennenden Gericht Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden.

Auch der Mängelrüge (Z 5) kommt keine Berechtigung zu.

Sofern der Beschwerdeführer die Urteilsannahme, er hätte S***** und G***** das Suchtgift zum Schmuggeln nach Österreich übergeben, als durch den Akteninhalt nicht gedeckt annimmt, weil G***** in der Hauptverhandlung am 25.Februar 1993 ausgesagt hatte, er hätte das Suchtgift von S***** erhalten, übergeht er sowohl die unmittelbar darauf folgenden Angaben des Genannten, wonach der Beschwerdeführer Initiator dieser Übergabe eines Teiles des Suchtgiftes von S***** an G***** war und den Letztgenannten über den Zweck des Transportes nach Österreich informierte (S 168), als auch die Angaben des Zeugen S***** vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech vom 13.Juli 1993 (vgl ON 138 und 141), wonach der Angeklagte ihm das Suchtgift übergeben hat. Sonach hat dieser das Suchtgift unmittelbar dem Luca S***** und mittelbar durch diesen dem Zoran G***** übergeben, sodaß die bekämpfte Urteilsfeststellung in den Ergebnissen des Beweisverfahrens durchaus Deckung findet.

Die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung, von wem das Suchtgift stamme, ist entgegen dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde für die bandenmäßige Tatbegehung nicht entscheidungswesentlich, sodaß diese Konstatierung unterbleiben konnte, ohne daß darin ein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu erblicken wäre.

Da nach den Urteilsfeststellungen der Angeklagte einem verdeckten Fahnder am 24.Juni 1992 in Salzburg zwei Heroinproben übergab und mitteilte, daß "die Gruppe" noch über größere Mengen Heroin, ca 30 kg Marihuana und ca 25 kg Heroin verfüge und dabei als vorläufiger Vertrauenskauf 3 kg Heroin zum Kauf anbot (S 447/IV), konnten die Tatrichter ohne Verstoß gegen die Denkgesetze den vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogenen Schluß ziehen, daß eine fortgesetzte Tatbegehung geplant war. Daß diese zu Einnahmen führen sollte, ist nach dem Gesetz (§ 278 Abs 1 StGB) für die Begehung einer strafbaren Handlung als Mitglied einer Bande nicht Voraussetzung - nur für eine - vom Schöffengericht ausdrücklich nicht angenommene (S 463/IV) - Gewerbsmäßigkeit wäre sie relevant -, sodaß diesbezügliche Ausführungen im Urteil entbehrlich waren.

Das Vorbringen, daß "Beteiligte vom Rauschgift nichts gewußt haben oder nur am Rande informiert gewesen sind" (S 476/IV) ist mangels Substantiierung einer sachbezogenen Entgegnung nicht zugänglich. Nur zur Klarstellung sei ausgeführt, daß das Schöffengericht den Angeklagten sowie Zoran G*****, Borislav K*****, Luca S***** und Kamber K***** als Mitglieder der Bande bezeichnete, die nach den Urteilsfeststellungen teils an der Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich, teils an der versuchten Entgegennahme des Kaufpreises beteiligt waren (S 448/IV).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), welche die Annahme bandenmäßiger Tatbegehung bekämpft, gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht, was stets Voraussetzung für die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes wäre, den gesamten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Indem sie vorbringt, das angefochtene Urteil übergehe, daß Dusko P***** "von der Angelegenheit nichts gewußt hat", übergeht sie ihrerseits die ausdrückliche Urteilsfeststellung, daß dieser vom Suchtgiftgeschäft und Suchtgifttransport keine Kenntnis hatte (S 449/IV) und demnach ohnedies nicht als Bandenmitglied angesehen wurde. Daß Zoran G***** "nur am Rande informiert war", wie der Beschwerdeführer vermeint, steht hingegen in krassem Widerspruch zu der Urteilsfeststellung, daß auch G***** gleich wie S***** das an den Unterschenkeln mit Klebebändern befestigte Heroin nach Österreich eingeführt hat.

Der Einwand schließlich, es sei "auch aus den übrigen Beweisergebnissen" nicht abzuleiten, "daß die Absicht bestanden hätte, aus derartigen Vorgangsweisen eine fortgesetzte Einnahmequelle zu verschaffen" bewegt sich erneut nicht auf der Basis der erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen, weil eine derartige Absicht - wie ausgeführt - im Zweifel zugunsten des Angeklagten ohnedies nicht festgestellt wurde; im übrigen wäre - wie schon zur Mängelrüge ausgeführt - die Verschaffung einer fortgesetzten Einnahmequelle nicht Tatbestandserfordernis bandenmäßiger Tatbegehung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

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