OGH 1Ob19/94

OGH1Ob19/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Kurt F*****, Angestellter, und 2.) Hedwig F*****, Gewerbetreibende, *****, beide vertreten durch Dr.Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Dr.Josef Posch und Dr.Eva-Maria Posch, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 134.919,66 s.A. infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23.Februar 1994, GZ 3 R 29/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.Dezember 1993, GZ 18 Cg 204/93-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.358,14 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 893,02 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger führen in ihrem Haus ein Pflegeheim mit zwölf Betten. 1990 beantragten sie beim Bürgermeister der beklagten Gemeinde die Baubewilligung für die Errichtung eines Pflegeheims mit insgesamt dreiundzwanzig Betten und einer Dienstwohnung als Erweiterung des schon bisher bestehenden Heims. Der neue Bau sollte aus Keller-, Erd- und Dachgeschoß sowie eingebauter Garage und Holzlege bestehen. Als Gesamtbaukosten war ein Betrag von etwa S 10,280.000 vorgesehen.

Der abweisliche Bescheid des Bürgermeisters vom 10.8.1990 wurde infolge Berufung der Kläger mit Bescheid des Gemeindevorstands vom 14.12.1990 behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bürgermeister zurückverwiesen.

Die zuständigen Organe der beklagten Partei blieben in der Folge untätig, weshalb der Klagevertreter namens der Kläger am 27.6.1991 und am 7.1.1992 Devolutionsanträge stellte und, nachdem auch diese Anträge nicht erledigt worden waren, am 20.7.1992 eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof richtete.

In der Folge wies der Gemeinderat der beklagten Partei den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 31.3.1993 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Klagevertreter namens der Kläger die Vorstellung an die Tiroler Landesregierung, die mit Bescheid vom 13.5.1993 den bekämpften Bescheid ersatzlos behob. Am 21.5.1993 beantragten die Kläger beim Verwaltungsgerichtshof die Wiederaufnahme des wegen Klaglosstellung eingestellten Verfahrens, dem dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 24.6.1993 stattgab.

Bei Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von S 300.000 (§ 5 Z 4 lit b AHR) sind die weiter oben genannten, vom Klagevertreter ausgeführten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe unter Bedachtnahme auf den Einheitssatz (50 %), den Streitgenossenzuschlag (10 %), die Umsatzsteuer und die Barauslagen sowie unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 5.160 mit S 66.981,90 abzugelten.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei im Amtshaftungswege zum Ersatz ihrer mit S 134.919,66 errechneten Kosten des Einschreitens ihres Vertreters. Sie brachten vor, der Klagevertreter habe ihnen als seinen Auftraggebern seine Leistungen nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz und den Allgemeinen Honorar-Richtlinien abgerechnet. Gemäß § 5 Z 4 AHR sei in Bausachen bei Großprojekten eine Bemessungsgrundlage von 2,5 Mio S angemessen, soweit sich nicht auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein höherer Wert ergebe. Da das Bauvorhaben ein Investitionsvolumen von zumindest 10 Mio S erfordere, hätten die Leistungen des Klagevertreters auch auf einer entsprechend höheren Bemessungsgrundlage abgerechnet werden können. Während etwa einfache Einfriedungen oder kleinere Garagen als geringfügige Bausachen und Einfamilienhäuser als solche mittlerer Größe zu beurteilen seien, sei das sowohl nach Umfang als auch nach Kostenaufwand darüber weit hinausgehende Bauvorhaben der Kläger zweifellos als Großprojekt anzusehen.

Die beklagte Partei wendete vor allem ein, die Kostenansätze seien überhöht und entsprächen nicht dem Rechtsanwaltstarif. Zu Unrecht sei eine Bemessungsgrundlage von 2,5 Mio S herangezogen worden, die nach den Allgemeinen Honorar-Richtlinien nur für Großprojekte angemessen sei. Für den vorliegenden Fall sei eine Bemessungsgrundlage von S 300.000 maßgeblich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 66.981,90 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 67.937,76 s.A. ab.

In rechtlicher Hinsicht meinte es, der Anspruch der Kläger auf Ersatz der Kosten ihrer Verfahrenshandlungen sei grundsätzlich zu bejahen. Das Bauvorhaben sei aber ein solches mittlerer Größe.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, die Kläger hätten in erster Instanz vorgebracht, daß die Abrechnung der Leistungen des Klagevertreters auf einer entsprechend höheren Bemessungsgrundlage hätte erfolgen können, daß aber im vorliegenden Fall dieser seine Leistungsabrechnung auf der Bemessungsgrundlage von 2,5 Mio S vorgenommen habe. Der durch das Klagsvorbringen „abgesteckte Streitgegenstand“ sei daher allein die Frage der Anwendbarkeit des § 5 Z 4 AHR und nicht das erst nun in der Berufung primär geltend gemachte Interesse im Sinne des Einleitungssatzes des § 5 AHR. Im übrigen könne das Interesse eines Bauwerbers an der verzögerungsfreien Durchführung eines Bauvorhabens bzw an der ehestmöglichen positiven Erledigung seines Bauansuchens nicht mit den Kosten des Bauvorhabens gleichgesetzt werden. Dabei handle es sich um Aufwendungen, die sich der Bauwerber - überspitzt formuliert - erspare bzw die er anderweitig fruchtbringend anlegen könne, solange mit dem Bau noch nicht begonnen worden sei. Allein deshalb könne das oben dargestellte Interesse eines Bauwerbers beispielsweise einen Nutzungsentgang bzw allenfalls Mehrkosten der Bauführung bei verzögertem Baubeginn umfassen; ein so verstandenes Interesse des Bauwerbers im Sinne des § 5 AHR könne jedenfalls beträchtlich unter den präliminierten Baukosten liegen. Es sei im Berufungsverfahren nicht mehr strittig, daß die beklagte Partei den Klägern die angemessene Entlohnung für die von ihrem Vertreter eingebrachten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe schulde. Angemessen sei das Entgelt, das sich unter Bedachtnahme auf alle Umstände und auf das, was unter ähnlichen Umständen geschieht oder geschehen ist, ergebe. Soweit ein besonderer Tarifansatz bestehe, sei regelmäßig dieser als angemessenes Entgelt anzusehen. Wiewohl den Allgemeinen Honorar-Richtlinien kein normativer Charakter beizumessen sei, stellten sie doch ein kodifiziertes Sachverständigengutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen dar. Ein Objekt mit fünfundzwanzig Betten bzw einer Bausumme von rund 10 Mio S könne weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch in der Fachsprache als Großprojekt bezeichnet werden. Das gelte auch für ein Fremdenheim mit 25 Betten. Mit einer derartigen Bausumme könne beim gegenwärtigen Preisniveau etwa ein Zweifamilienhaus errichtet werden. Als Großprojekte seien nur solche zu bezeichnen, die 100 Mio S übersteigende Kosten erforderten. Nur zur Illustration sei angeführt, daß beispielsweise § 3 Abs. 14 der Technischen Bauvorschriften für Tirol (LGBl 1985/38) als Kleingaragen solche mit einer Nutzfläche bis 100 m2, als Mittelgaragen solche mit mehr als 100 m2 Nutzfläche und als Großgaragen (Großanlagen) solche mit einer Nutzfläche über 1.000 m2 bezeichneten. Die Kläger seien jedenfalls nicht beschwert, soweit das Erstgericht die anwaltlichen Leistungen ihres Vertreters auf einer Bemessungsgrundlage von S 300.000 abgerechnet bzw zugesprochen habe. Davon abgesehen seien bei der Bemessung eines Anwaltshonorars immer auch die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der weder nach Umfang noch nach Inhalt aufwendigen Schriftsätze erscheine das vom Erstgericht als angemessen erachtete Honorar mehr als ausreichend. Auf Grund der Teilrechtskraft des Ersturteils sei nicht mehr näher zu prüfen, ob im Verhältnis zwischen den Klägern und dem Klagevertreter überhaupt die Geltung der Allgemeinen Honorar-Richtlinien vereinbart worden sei und nach welchem Tarif insbesondere die Säumnisbeschwerde und der Wiederaufnahmeantrag an den Verwaltungsgerichtshof abzugelten seien.

Die von den Klägern dagegen erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Rechtsmittelverfahren ist allein noch die Frage strittig, auf welcher Bemessungsgrundlage die Leistungen des Klagevertreters bei der Vertretung der Klägerin im Baurechtsverfahren abzugelten sind; nur in diesem Umfang ist ihnen ein Schaden entstanden, dessen Ersatz sie von der beklagten Gemeinde wegen Verletzung der deren Organen oblegenen Entscheidungspflicht (§ 73 AVG) einfordern können. In erster Instanz brachten die Kläger hiezu vor (ON 6), der Klagevertreter habe ihnen gegenüber seine Leistungen nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz und nach den Allgemeinen Honorar-Richtlinien abgerechnet. Wiewohl die Abrechnung angesichts des geschätzten Investitionsaufwandes (rund 10 Mio S) auch auf „entsprechend höherer“ Grundlage hätte erfolgen können, erscheine die im § 5 Abs. 4 AHR für „Großprojekte“ vorgesehene Bemessungsgrundlage angemessen. Mit Recht hielt ihnen deshalb das Gericht zweiter Instanz entgegen, daß sie ihrem Ersatzanspruch nun nicht im Rechtsmittelverfahren entgegen dem Neuerungsverbot eine andere Berechnungsbasis zugrunde legen könnten.

Gemäß § 5 Abs. 4 AHR - dessen Heranziehung auch die beklagte Partei nicht in Zweifel zieht - sind als Bemessungsgrundlagen für Honoraransätze, soweit sich nicht auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein anderer Wert ergibt, in Bausachen bei geringfügigen Projekten S 80.000, bei mittleren S 300.000 und bei Großprojekten 2,5 Mio S angemessen. Wenngleich die im einzelnen ziffernmäßig angeführten Bemessungsgrundlagen nur dann herangezogen werden sollen, wenn sich nicht schon auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein bestimmter Wert ergibt (vgl hiezu AnwBl 1990, 738), sind doch im vorliegenden Fall die im Abs. 4 dieses Kostenansatzes die nach der Größe des Bauvorhabens ausgewiesenen Bemessungsgrundlagen allein maßgeblich, nicht nur, weil selbst nach dem Vorbringen der Kläger deren Vertreter auf dieser Basis abgerechnet hat, sondern weil sie in erster Instanz auch ein von den betragsmäßigen Ansätzen abweichendes besonderes Interesse nicht behauptet haben. Dieses Interesse des Auftraggebers am geplanten Bauvorhaben kann - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - nicht etwa im voraussichtlichen Kostenaufwand erblickt werden, der den Klägern jedenfalls erwachsen wäre und den sie sich bei endgültiger Versagung der Baubewilligung sogar überhaupt erspart hätten, sondern es kann nur in dem Vorteil bestehen, den die Kläger aus der ohne unnötige Verzögerung erteilten Baubewilligung hätten ziehen können, also in der Vermeidung eines Nutzungsentgangs, von Baukostensteigerungen oder sonstigen Vermögensnachteilen.

Dagegen lassen die präliminierten oder veranschlagten Baukosten schon deshalb Rückschlüsse auf den Umfang des Bauvorhabens zu, weil sich dieser jedenfalls im nötigen Aufwand niederschlägt. Mit dem von den Klägern behaupteten Betrag von etwas mehr als 10 Mio S kann aber lediglich der Aufwand für ein besser ausgestattetes Haus mit zwei bis drei Wohnungen bestritten werden. Ein solches Bauvorhaben ist schon nach allgemeinem Sprachgebrauch kein „Großprojekt“, also ein „Projekt von großen Ausmaßen“ (vgl Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache III 1403), noch viel weniger aber nach dem Verständnis in der Bauwirtschaft; als Großvorhaben können danach wohl nur Wohnhausanlagen mit zahlreichen Stiegen, Betriebsgebäude von Großunternehmen, Kraftwerke oder ähnliche Großanlagen bezeichnet werden. Würde man schon das Bauvorhaben der Kläger mit einem geschätzten Kostenaufwand von rund 10 Mio S als „Großprojekt“ einstufen, bliebe kaum mehr Raum für die darunter liegende Abstufung in geringfügige oder mittlere Projekte.

Bei Bedachtnahme auf diese Erwägungen können sich die Kläger in der Tat - wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannt hat - nicht als beschwert erachten, wenn ihr Bauvorhaben ohnehin als „mittleres“ Projekt eingestuft wurde.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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