OGH 9ObA87/94

OGH9ObA87/9425.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Manhard und Herbert Wolf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Richard E*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Günther Steiner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei W***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag.Erhard d'Aron, Sekretär der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, Schwarzenbergplatz 14, 1041 Wien, dieser vertreten durch Dr.Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 111.366,17 brutto und S 12.000,-- netto sA (im Revisionsverfahren S 38.237.64 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Jänner 1994, GZ 32 Ra 89/93-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.Dezember 1992, GZ 24 Cga 583/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 1.11.1989 bis 4.3.1992 als Platzvertreter mit Provision beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag erfolgte seine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten Österreichs (kurz Kollektivvertrag). Obwohl er bei seiner Einstellung zutreffend 12 Jahre als Vordienstzeit angegeben hatte, wurde er lediglich auf der Basis von drei Berufsjahren entlohnt. Die Entgeltdifferenz zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt beträgt unter Berücksichtigung der 12 anrechenbaren Berufsjahre für die Zeit von Jänner 1991 bis Dezember 1991 S 38.237,64 brutto. Mit Schreiben vom 20.3.1992 forderte der Kläger die Entgeltdifferenz erstmals ein.

Mit der am 10.6.1992 eingebrachten Klage begehrt der Kläger unter anderem - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - diese sich aus dem Kollektivvertrag ergebende und der Höhe nach unstrittige Nachzahlung.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die eingeklagte Lohndifferenz sei gemäß Punkt XVI des Dienstvertrages verjährt (S 19) bzw verfallen (S 49).

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf insbesondere aus dem Dienstvertrag folgende Feststellungen:

..........XVI Verfall von Ansprüchen

Alle offenen Ansprüche aus dem gegenständlichen Dienstverhältnis sind verfallen, soferne diese nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Arbeitgeber schriftlich mit eingeschriebenem Brief geltend gemacht werden. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleiben die maßgeblichen Verjährungs- und Verfallsfristen gewahrt.

XVII

Im übrigen gelten für das Dienstverhältnis insbesonders die Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Handelsangestelltenkollektivvertrags in der jeweils gültigen Fassung.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kollektivvertrag für Gehaltsansprüche aufgrund von Unstimmigkeiten in der Einstufung eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsehe. Diese Bestimmung könne gemäß § 3 Abs 1 ArbVG durch den Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden, da eine weitere Einschränkung der Geltendmachung von Entgeltansprüchen durch den Arbeitsvertrag für den Dienstnehmer ungünstiger sei als die kollektivvertragliche Regelung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es könne schwerlich bestritten werden, daß die Vereinbarung einer Fallfrist von drei Monaten die Geltendmachung solcher Ansprüche gegenüber dem Standard des Kollektivvertrags erheblich erschwere. Diese Vereinbarung sei daher infolge Verstoßes gegen § 3 Abs 1 ArbVG unwirksam.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Ansicht der Revisionswerberin, daß die Regelung im Kollektivvertrag allein die Verjährung der Ansprüche betreffe, wogegen im Dienstvertrag eine von der Verjährungsfrist völlig verschiedene Verfallsklausel vereinbart worden sei, so daß der Verfall eine Angelegenheit betreffe, die im Kollektivvertrag überhaupt nicht geregelt sei, kann nicht zugestimmt werden.

Nach Punkt 4 der Gehaltsordnung (allgemeiner Teil) im Anhang zum Kollektivvertrag verjähren Gehaltsansprüche aufgrund von Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung mangels Geltendmachung mit Ablauf von zwei Jahren. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB aufrecht. Diese kollektivvertragliche Verkürzung der gemäß § 1502 ABGB dispositiven Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB (Arb 10.578 ua) ist auch für die Berücksichtigung der Berufsjahre in der jeweiligen Beschäftigungsgruppe (Einstufung) beachtlich (Infas 1987 A 64). Es trifft zwar zu, daß zwischen Verfalls- und Verjährungsfristen hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen zu unterscheiden ist (vgl Schwarz-Löschnigg, ArbR4 278 ff), doch dienen beide Fristen einer ähnlichen Zielsetzung. Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen soll jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, wie sie sich gerade bei Arbeitsverhältnissen schon nach relativ kurzer Zeit bei beiden Parteien ergeben. Sie zwingt sowohl den Dienstnehmer als auch den Dienstgeber, allfällige Ansprüche aus dem Dienstverhältnis noch zu einer Zeit geltend zu machen, in der in aller Regel beiden noch die zur Klarstellung des Sachverhalts notwendigen Beweismittel zur Verfügung stehen (Arb 10.174, 10.219, 10.475; 9 Ob A 195/89 = Infas 1990 A 64 ua). Diesem Zweck dienen sinngemäß aber auch die Bestimmungen über die Verjährung; eine scharfe Trennung zwischen Verfall und Verjährung ist diesbezüglich nicht möglich (vgl Koziol-Welser, Grundriß9 I 185 f und 191; Arb 10.889 ua). Soweit daher der Kollektivvertrag ausdrücklich bereits eine kürzere Verjährungsfrist festlegt, ist schon kraft Größenschlusses davon auszugehen, daß den Parteien des Arbeitsvertrages keine Befugnis zur weiteren Verkürzung der Frist zur Geltendmachung dieser Ansprüche mehr zukommt. Daß sich die beklagte Partei dieser nunmehr von ihr als entscheidend hervorgehobenen Differenzierung selbst nicht bewußt gewesen ist, zeigt schon ihr Einwand, daß die Ansprüche des Klägers aufgrund des Punktes XVI des Dienstvertrages "verjährt" bzw "verfallen" seien und die Formulierung im Dienstvertrag, daß bei rechtzeitiger Geltendmachung die maßgeblichen "Verjährungs-" und "Verfallsfristen" gewahrt seien.

Da es nicht zutrifft, daß der Kollektivvertrag keine Regelung im Zusammenhang mit der zeitlichen Befristung solcher Ansprüche enthält, ist im Sinne des § 3 ArbVG ein Günstigkeitsvergleich anzustellen, in dem jene Bestimmungen zusammenzufassen und gegenüberzustellen sind, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Vergleich ergibt aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, daß die dienstvertragliche Verfallsfrist für den Kläger nicht günstiger ist als die kollektivvertragliche Verjährungsfrist.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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