OGH 4Ob530/94

OGH4Ob530/9426.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Dorian P*****, geboren ***** 1982, ***** infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 22. Bezirk, Wien 22., Schrödingerplatz 1, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 27.September 1993, GZ 43 R 580, 657/93-84, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 6.April 1993, GZ 4 P 161/91-68a, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Versäumnisurteil des Amtsgerichtes München vom 26.Jänner 1993, 563 F 6013/92, wurde der Vater des Minderjährigen, Damon P***** als Beklagter verurteilt, "in Abänderung des Vergleichs vom 3.5.1991, AG München, AZ.: 863 F 5411/90" einen monatlich im voraus zu zahlenden Unterhalt von DM 575 beginnend mit dem 1.12.1992 zu leisten. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Auf Grund dieses Unterhaltstitels gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 4.025 (= DM 575, umgerechnet nach § 5 Abs 2 UVG) mit der Begrenzung des § 6 Abs 1 UVG. Den darauf gerichteten Antrag hatte der Minderjährige damit begründet, daß die Führung einer Exekution aussichtslos erscheine, weil der Unterhaltsschuldner im Ausland lebe (ON 68 a).

Das Rekursgericht wies den Antrag des Minderjährigen auf Gewährung von Titelvorschüssen ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Gegensatz zu den Sachverhalten, welche bisher Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 4 Z 1 UVG waren, liege hier kein österreichischer Exekutionstitel vor, der in einem anderen Staat vollstreckt werden muß. Der Unterhaltsschuldner halte sich in München auf; der zu bevorschussende Exekutionstitel stamme vom Amtsgericht München. Schwierigkeiten, die sich sonst bei der Führung einer Exekution über eine Staatsgrenze hinweg ergeben, seien daher diesmal nicht zu erwarten. Aus dem Akt ergebe sich, daß der Minderjährige im Jahre 1991 in München Exekution gegen seinen Vater - offenbar auf Grund des im Versäumungsurteil erwähnten Vergleiches vom 3.5.1991 - geführt hat. Schwierigkeiten, die in den gegebenen Auslandsbezügen ihre Ursache hätten, seien in diesem Zusammenhang nicht hervorgekommen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Minderjährigen ist nicht berechtigt.

In der Entscheidung 6 Ob 648/90 - ÖA 1991, 110 = EFSlg 63.650 hat der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Entscheidung 2 Ob 582/90 - ÖA 1991, 110 = EFSlg 63.651 ausgesprochen, daß dann, wenn Exekution im Ausland geführt werden muß, zwar die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG naheliege, dies aber das Gericht nicht jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthebe. Die allfällige Absicht des Gesetzgebers, den Fall der Notwendigkeit der Exekutionsführung im Ausland der aussichtslos scheinenden Exekutionsführung gleichzustellen (RV 276 BlgNR 15. GP 8) komme im Wortlaut der - durch BGBl 1980/278 novellierten - Vorschrift nicht zum Ausdruck. Die Jugendämter könnten im Rahmen bestehender Rechtshilfeverträge Amtshilfe verwandter Einrichtungen im Ausland in Anspruch nehmen. Dieser Rechtsmeinung schlossen sich auch der 7. und 8. Senat des Obersten Gerichtshofes in

den Entscheidungen 8 Ob 627/90 - ÖA 1991, 111 = EFSlg 63.650/9 und 7

Ob 646, 647/90 - RZ 1991/23 = EFSlg 63.650 im wesentlichen an. Sie

meinten, eine Exekutionsführung im Ausland scheine nicht jedenfalls, sondern nur dann aussichtslos, wenn dies nach Prüfung im Einzelfall anzunehmen sei. In der Bundesrepublik Deutschland sei die rasche und unbürokratische Vollstreckung inländischer Unterhaltstitel anzunehmen. Diese Auffassung wurde auch in 8 Ob 598-601/91 - EvBl

1992/42 = ÖA 1992, 25 = EFSlg 66.591 = ZfRV 1992, 231 und in 2 Ob

533/92 - ÖA 1993, 142 = ZfRV 1993, 215 = EFSlg 69.406 vertreten. In 3

Ob 529/91 - teilweise veröffentlicht in EFSlg 66.591 und 66.594 - wurde diese Frage offengelassen, weil dort die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Königreich der Niederlande auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles angenommen wurde. Nach dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 620/91 - EFSlg

66.592 ausdrücklich an der Rechtsprechung, daß die Notwendigkeit einer Exekutionsführung in der Bundesrepublik Deutschland nicht den Tatbestand des § 4 Z 1 UVG verwirklicht, festgehalten, wenngleich er dort infolge Unbekanntheit von Aufenthalt und Beschäftigung des Unterhaltsschuldners die Aussichtslosigkeit der Exekution bejaht hat.

Mit Recht verweist das Rekursgericht darauf, daß in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt - anders als in den bisher entschiedenen Fällen - nicht auf Grund eines inländischen Exekutionstitels im Ausland Exekution geführt werden muß; vielmehr ist das gegen den Vater des Minderjährigen ergangene Versäumungsurteil des Amtsgerichtes München in München, wo der Vater wohnt, zu vollstrecken. Tatsächlich kann dem Akt entnommen werden, daß dort schon ein Exekutionsverfahren anhängig war (ON 60).

Die Bedenken, die im Schrifttum (Schütz, "Unterhaltsvorschüsse bei gewöhnlichem Aufenthalt des Unterhaltsschuldners im Ausland: Ja oder Nein?", ÖA 1992, 11 f; Knoll, "Aus dem Alltag des Außerstreit- und Familienrichters", 2. Teil, RZ 1992, 271 ff [274 ff]) gegen die nunmehrige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorgetragen wurden, können bei der hier vorliegenden Konstellation keine Gültigkeit beanspruchen. Hier spielt es keine Rolle, daß im Ausland "in aller Regel die Entscheidung eines Fremdstaates nicht so komplikationslos vollstreckbar wie in Österreich" (Knoll aaO 275) ist; vielmehr ist eine ausländische Entscheidung in dem selben Land zu vollstrecken. Anhaltspunkte dafür, daß ein Vollzug in der Bundesrepublik Deutschland besonders beschwerlich wäre, fehlen völlig.

Der Rechtsmittelwerber führt gegen diese Rechtsansicht ohnehin nicht ins Treffen. Er meint nur, daß eine Exekutionsführung gegen den Vater des Minderjährigen deshalb aussichtslos erscheine, weil dieser - wie aktenkundig - als Tänzer keinen ständigen Dienstgeber habe, so daß eine Exekution nach § 291 c EO nicht in Frage komme, obwohl sein Wohnsitz bekannt und der Exekutionstitel vollstreckbar sei. Er übersieht dabei, daß zur Hereinbringung von Unterhaltsforderungen nicht nur die Lohnpfändung in Frage kommt. Daß aber jede andere Exekution - zB eine Fahrnisexekution - gegen den Unterhaltspflichtigen aussichtslos erscheint, hat der Minderjährige nicht behauptet; dies ist auch dem Akt nicht zu entnehmen. Der Umstand allein, daß der Vater jeweils nur ein geringes Einkommen behauptet und im Jahre 1991 ersucht hat, die in Exekution gezogene Unterhaltsschuld in Raten von DM 200 abstatten zu dürfen (ON 60) läßt noch nicht den Schluß zu, daß er tatsächlich vermögenslos ist.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

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