OGH 10ObS83/94

OGH10ObS83/9426.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Edith Söllner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Martin Pohnitzer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton K*****, ohne Beschäftigungsangabe, ***** vertreten durch Dr.Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Dezember 1993, GZ 32 Rs 157/93-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 29. Juni 1993, GZ 17 Cgs 550/92-15, teilweise bestätigt und abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß der stattgebende Teil (Abs 1 des Spruches) des in seinem abweisenden Teil (Abs 2 des Spruches) unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Urteils wiederhergestellt wird.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der damals bei einem burgenländischen Dienstgeber als Installateur beschäftigte und deshalb beim beklagten Träger der Unfallversicherung versicherte Kläger erlitt am 13.10.1987 einen Unfall, der einen Bruch des rechten Sprungbeines nach sich zog.

Mit Bescheid vom 14.10.1992 anerkannte die Beklagte diesen Unfall als Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 1 ASVG, stellte die Bemessungsgrundlage gemäß § 179 Abs 2 leg cit mit 174.347,17 S fest, gewährte dem Kläger unter Berufung auf die §§ 86 Abs 4, 195, 203 bis 207, 209 Abs 1 iVm § 252 ASVG vom 21.11.1991 "d.i. Tag der Antragstellung" an eine Dauerversehrtenrente von 20 vH der Vollrente, und zwar bis 31.12.1991 monatlich 1.832,80 S und ab 1.1.1992 monatlich 1.906,10 S, und lehnte die Gewährung einer Rente für die Zeit vom 15.3.1988 bis 20.11.1991 ab. Den ablehnenden Teil des Spruches begründete sie damit, daß die Unfallsanzeige nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet worden sei, so daß die Leistung erst mit dem 21.11.1991 als Tag der Antragstellung anfalle.

In der zunächst auf eine Versehrtenrente von 40 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß ab 14.4.1988 gerichteten Klage und bei seiner informativen Befragung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.6.1993 behauptete der Kläger zum Leistungsanfall, er wisse nicht, ob sein damaliger Dienstgeber den Arbeitsunfall gemeldet habe. Der Genannte habe der Ehegattin des Klägers auf deren Anfrage mitgeteilt, dieser müsse die Meldung selbst machen. Er habe daher vier bis fünf Monate nach dem Ende seines Krankenstandes, glaublich im Frühjahr 1988, in der Unfallversicherungsanstalt telephonisch nachgefragt, ob er nach dem Unfall vom 13.10.1987 eine Rente bekomme. Als Grund des Anrufes habe er angegeben, daß es ihm schon zu lange dauere. Daraufhin sei ihm gesagt worden, daß Erhebungen manchmal lange dauerten und er noch etwas Geduld haben müsse. Er könne zwar nicht sagen, mit wem er telephoniert habe, jedenfalls nicht (nur) mit der Vermittlung oder dem Portier, weil er verbunden worden sei. Er habe sich erst am 19.11.1991 schriftlich an die Beklagte gewendet. Wäre ihm bei dem erwähnten Telephonat gesagt worden, daß er sich schriftlich an die Beklagte wenden solle, hätte er dies schon früher getan. Deshalb gebühre ihm die Versehrtenrente nicht erst vom 19.11.1991 an. Im in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18.5.1993 vorgetragenen Schriftsatz vom 27.11.1992 ON 8 brachte der Kläger vor, sein Dienstgeber habe - allerdings gegenüber der Burgenländischen Gebietskrankenkasse - angegeben, daß der Kläger am 13.10.1987 einen Arbeitsunfall erlitten habe. In der genannten Tagsatzung änderte der Kläger das Klagebegehren auf eine Versehrtenrente von 30 vH (der Vollrente) vom 15.3.1988 bis 13.10.1989 und von 20 vH (der Vollrente) ab 14.10.1989, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.6.1993 auf eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab Ende des Krankenstandes.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete zum Leistungsanfall ein, daß der Kläger erstmals (mit dem) am 21.11.1991 (eingelangten Antrag vom 19.11.1991) Ansprüche aus dem Unfall geltend gemacht habe. Eine Unfallsanzeige sei bei ihr nicht eingelangt. Im aufgetragenen und in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.6.1993 verlesenen Schriftsatz vom 19.5.1993 ON 12 ergänzte die Beklagte, bei ihr sei (nur) ein einseitiger Bericht des Krankenhauses Eisenstadt eingetroffen, der zu keiner amtswegigen Einleitung des Verfahrens geführt habe. Dieses sei erst mit dem am 21.11.1991 eingelangten Antrag des Klägers eingeleitet worden.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.6.1993 stellten die Parteien außer Streit, daß der (unfallbedingte) Krankenstand am 14.3.1988 endete. Hinsichtlich der Höhe der Leistung gestand die Beklagte für die Zeit vom 15.3.1988 bis 12.10.1989 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 25 vH und ab 13.10.1989 von 20 vH auf Dauer zu.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.10.1987 eine Versehrtenrente in der Höhe von 30 vH der Vollrente vom 15.3.1988 bis 13.10.1989 und von 20 vH der Vollrente ab 14.10.1989 als Dauerrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren (Absatz 1 des Spruches). Ein Mehrbegehren auf eine Versehrtenrente in der Höhe von 40 vH der Vollrente ab 14.4.1988 wies es ab (Absatz 2 des Spruches).

Das Erstgericht traf folgende Tatsachenfeststellungen:

Die Unfallsanzeige über den Arbeitsunfall des Klägers langte am 16.10.1987 bei der Beklagten ein und wurde am 21.10.1987 in die Unfallstatistik eingegeben. Die Anzeige wurde ausdrücklich mit "Erstbericht Arbeitsunfall" überschrieben. Als Unfallzeit war "13.10.1987, 11.45 Uhr", als Unfallsort "in der Firma", als Diagnose "Frakt.Tali Dext" angegeben. Der Unfallshergang war mit "Der Patient verletzte sich während der Arbeit den rechten Fuß" beschrieben.

Weiters war angeführt: "1. Am 13.10.1987, N/USSG für 6 Wochen - 24.11., GIWE in einer Woche - Geschl. Gips - 3 Monate entlasten - 13.1.1988, Pat lehnt OP ab. Befund: H/BO/Pat. wird sitzend in die Amb. gebracht. Schwellung und Hämatomverf. sowohl in der vord. Bandgrube als auch über dem Chorpart'tschen Gel. Deutl. Supinationsschmerzen ohne verstärkte Aufklappbarkeit, Fersenbein, Tub. D.V.MFK, Außenknöchel frei, DB Sens. o.B. Röntgenbefund am 13.10.1987, 13.10. Re Sprunggel. re Fußwurzel: Querbruch d. Talus ohne wesentl. Disloc. der Gelenksfläche". Ein geschulter Beamter der Beklagten hätte auf Grund dieser Anzeige unschwer erkennen müssen, daß keine Bagatellverletzung, sondern eine schwere Verletzung vorlag. Er hätte auch erkannt, daß ein Unterschenkelspaltgips für sechs Wochen, nach einer Woche ein geschlossener Unterschenkelliegegips bis 13.1.1988 angelegt werden sollte. Diese Behandlung wurde auch durchgeführt, nach Abnahme des Gipsverbandes auch eine heilgymnastische Behandlung. Am 26.2.1988 wurde die freie Beweglichkeit des rechten Sprunggelenks festgestellt. Der Krankenstand endete am 14.3.1988. Im Frühjahr 1988 rief der Kläger bei der Beklagten an. Dabei wurde er vermittelt und sprach offensichtlich mit einem Referenten. Dieser fragte ihn nach seinem Namen und erklärte, auf den Arbeitsunfall angesprochen, daß "das Ganze noch dauere". Da er von der Beklagten keinen Bescheid erhielt, meinte der Kläger zunächst, daß ihm keine Rente zustehe. Erst durch einen Arbeitsunfall seines Freundes wurde er wieder auf seinen eigenen Arbeitsunfall aufmerksam und verfaßte am 19.11.1991 an die Beklagte folgendes Schreiben, das dort am 21.11.1991 einlangte: "Mein

Unfall ist bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt bekannt:

AV. 13.10.1987 - 14.3.1988, W 72283/87 vom 13.10.1987. Hiemit

beantrage ich, die mir zustehenden Leistungen." ... Die

unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit wird vom 15.3.1988 bis

13.10.1989 mit 30 vH und ab 14.10.1989 mit 20 vH auf Dauer

eingeschätzt.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist der Anruf des Klägers bei der Beklagten im Frühjahr 1988 in Verbindung mit der Unfallsanzeige als Antrag auf Feststellung des Anspruches zu werten. Dies umsomehr, als die Unfallsanzeige die amtswegige Einleitung des Verfahrens zur Feststellung des Anspruches angezeigt erscheinen lasse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, die sich ungeachtet der Berufungserklärung nur gegen den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils richtete und in der inhaltlich nur eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, teilweise Folge. Es änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagte lediglich verurteilte, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.10.1987 ab 21.11.1991 eine Versehrtenrente in der Höhe von 20 vH der Vollrente als Dauerrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Das auf Gewährung einer Versehrtenrente in der Höhe von 30 vH der Vollrente vom 15.3.1988 bis 13.10.1989 und von 20 vH der Vollrente vom 14.10.1989 bis 20.11.1991 gerichtete Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß der Anspruch des Klägers innerhalb von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall vom 13.10.1987 nicht von Amts wegen festgestellt wurde. Nach § 86 Abs 4 ASVG komme es daher nur darauf an, ob in diesem Zeitraum ein Antrag des Klägers vorliege. Nach stRsp könnten die Erstattung einer Unfallsanzeige durch den Dienstgeber und eine vom Versicherten auf dem vom Versicherungsträger aufgelegten Vordruck erstattete Unfallsanzeige den Antrag des Versicherten auf den Leistungsanspruch nicht ersetzen. Das müsse auch für eine Verständigung der Unfallversicherungsanstalt durch ein Krankenhaus gelten. Die den Betrieben oder anderen Stellen, wie Ärzten oder Spitälern, zur Pflicht gemachten Unfallsanzeigen sollten es den Unfallversicherungsträgern nur ermöglichen, von Amts wegen vorzugehen. Solche Meldungen könnten aber die Anmeldung des Anspruchs bzw den Antrag iS des § 86 Abs 3 (richtig wohl 4) bzw § 381 (richtig wohl 361) Abs 1 Z 2 und Abs 2 ASVG nicht ersetzen, weil sie einer vollkommen anderen Aufgabe und Interessenabwägung entsprängen (SSV 2/57). Die (in den erstgerichtlichen Feststellungen als Unfallsanzeige bezeichnete) Mitteilung des Krankenhauses Eisenstadt vom 16.10.1987 stelle daher keine Unfallsanzeige iS des § 86 Abs 4 ASVG dar, die ein Zurückwirken des Anspruchs auf Versehrtenrente zur Folge hätte. In der Unfallversicherung stehe es dem Versicherungsträger frei, einen Rentenanspruch von Amts wegen festzustellen oder einen Antrag des Rentenwerbers abzuwarten. Ein solcher Antrag könne zwar formlos gestellt werden, müsse jedoch ein Leistungsbegehren enthalten. Ein solches sei vom Kläger erstmals im bei der Beklagten am 21.11.1991 eingelangten Schreiben vom 19.11.1991 und damit außerhalb der Zweijahresfrist des § 86 Abs 4 ASVG gestellt worden. Deshalb sei die Rente erst mit 21.11.1991 angefallen.

Gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision des Klägers. Er macht unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend und beantragt, den angefochtenen Teil des Berufungsurteils im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder ihn allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist berechtigt.

(Paragraphen ohne Gesetzesangaben sind solche des ASVG.)

Gemäß § 86 Abs 4 idF der 50. ASVGNov BGBl 1991/676 fallen Leistungen aus der Unfallversicherung, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt wurde, mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens an, das zur Feststellung des Anspruches führt. Wird eine Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet, so gilt der Zeitpunkt des Einlangens der Unfallsanzeige beim Unfallversicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens, wenn dem Versicherten zum Zeitpunkt der späteren Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens noch ein Anspruch auf Rentenleistungen zusteht.

Nach § 547 Abs 4 idF der 50. ASVGNov gilt § 86 Abs 4 idF dieser Nov auch für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1955 eingetreten sind, also auch für den vorliegenden Versicherungsfall des Arbeitsunfalls, der nach § 174 Z 1 mit dem Unfallereignis am 13.10.1987 als eingetreten gilt.

Die Einfügung des 2. Satzes des § 86 Abs 4 durch die 50. ASVGNov geht nach der in MGA ASVG 55. ErgLfg 520/6 wiedergegebenen Begründung der RV 284 BlgNR 18. GP auf eine Anregung der Volksanwaltschaft zurück. Die Änderung habe jene Fälle im Auge, in denen trotz einer Unfallsanzeige ein Verfahren zur Feststellung einer Leistung weder auf Antrag noch von Amts wegen eingeleitet wurde. Eine amtswegige Einleitung sei in diesen Fällen nicht erfolgt, weil aus der Unfallsanzeige für den Versicherungsträger wesentliche Unfallfolgen nicht erkennbar gewesen seien. Daß ein schädigendes Ereignis tatsächlich eingetreten ist, sei für den Versicherungsträger erst zu einem viel späteren Zeitpunkt feststellbar gewesen. Trotz eines positiven Verlaufes des Verfahrens zur Feststellung einer Leistung aus der Unfallversicherung könne der Unfallversicherungsträger in solchen Fällen auf Grund der derzeitigen Regelung des § 86 Abs 4 die Leistungen nicht rückwirkend mit dem Eintritt des Versicherungsfalles, sondern nur zwei Jahre zurück zuerkennen. Die vorgeschlagene Änderung habe zum Ziel, Härtefälle dieser Art zu vermeiden, indem sie festlege, daß der Zeitpunkt des Einlangens der Unfallsanzeige beim Versicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens gilt, wenn eine Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet worden sei. Um zu vermeiden, daß Jahre oder Jahrzehnte später noch Ansprüche auf kurzfristige Leistungen ... gestellt werden können, solle der rückwirkende Leistungsanfall nur dann eintreten, wenn zum Zeitpunkt der späteren Feststellung dem Versicherten noch ein Anspruch auf Vesehrtenrente zustehe.

Die vom Kläger begehrte Versehrtenrente fiele als Leistung aus der Unfallversicherung nach § 86 Abs 4 iVm § 204 Abs 1 nur dann mit dem Tage nach dem Wegfall des Krankengeldes, nämlich am 15.3.1988 an, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles (13.10.1987) der Anspruch von Amts wegen festgestellt oder ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt worden wäre (Satz 1), oder wenn innerhalb dieser Zweijahresfrist eine Unfallsanzeige erstattet worden wäre, da dem Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung am 21.11.1991 noch ein Anspruch auf Rentenleistung zustand (Satz 2).

Dafür, daß der Anspruch innerhalb von zwei Jahren nach dem 13.10.1987 von Amts wegen festgestellt worden wäre, fehlt jeder Anhaltspunkt; derartiges wurde nicht einmal behauptet.

Ob der Kläger innerhalb der Zweijahresfrist einen Antrag auf Feststellung einer Versehrtenrente gestellt hat, kann dahingestellt bleiben, weil der erkennende Senat die vom Berufungsgericht verneinte Voraussetzung des 2. Satzes des § 86 Abs 4, nämlich die Erstattung einer Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles, aus folgenden Gründen als erfüllt ansieht:

Nach § 363 Abs 1 haben die Dienstgeber und die sonstigen meldepflichtigen Personen oder Stellen (§§ 33 bis 37, 39) jeden Arbeitsunfall, durch den eine unfallversicherte Person getötet oder mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeitsunfähig geworden ist, längstens binnen fünf Tagen dem zuständigen Träger der Unfallversicherung auf einem von diesem aufzulegenden Vordruck in dreifacher Ausfertigung anzuzeigen. Der Träger der Unfallversicherung hat eine der bei ihm eingelangten Ausfertigungen der Anzeige über

einen Arbeitsunfall ... unverzüglich an das zuständige

Arbeitsinspektorat ... weiterzuleiten (Abs 3 Z 1 leg cit). Er läßt

nach Einlangen einer Unfallsanzeige unverzüglich die Tatsachen feststellen, welche für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung in Betracht kommt, erforderlich sind (§ 364).

Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugestehen, daß es sich bei dem in der (Landesstelle Wien) des beklagten Unfallversicherungsträgers am 16.10.1987 (in einer nicht unterfertigten Ausfertigung) eingelangten, in den erstgerichtlichen Feststellungen näher beschriebenen "Erstbericht Arbeitsunfall" der Unfallchirurgischen Ambulanz des A.Ö.Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt über den Unfall des Klägers vom 13.10.1987 um keine Unfallsanzeige seines Dienstgebers oder einer sonstigen meldepflichtigen Person oder Stelle iS des § 363 Abs 1 handelt.

Schon der Umstand, daß § 86 Abs 4 Satz 2 von der Erstattung einer Unfallsanzeige und nicht von der Erstattung der Unfallsanzeige spricht, also diesbezüglich den unbestimmten und nicht den bestimmten Artikel gebraucht und nicht einmal in einem Klammerausdruck auf den die Erstattung der Unfallsanzeige regelnden § 363 Bezug nimmt, läßt es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob es sich bei einer Unfallsanzeige iS des § 86 Abs 4 Satz 2 um die streng formelle Unfallsanzeige iS des § 363 handeln muß, die von bestimmten Personen oder Stellen binnen einer fünftägigen Frist auf einem bestimmten Vordruck in dreifacher Ausfertigung zu erstatten ist.

Die rechtsfertigt es, bei der Auslegung auf die aus den oben wiedergegebenen Materialien der 50. ASVGNov ersichtliche Entstehungsgeschichte des § 86 Abs 4 Satz 2 und die klare Absicht des Novellengesetzgebers zurückzugreifen.

Die neue Bestimmung sollte in jenen Fällen eingreifen, in denen vom

Unfallversicherungsträger trotz einer Unfallsanzeige nicht von Amts

wegen das Verfahren zur Feststellung von Leistungsansprüchen

eingeleitet wurde, (insbesondere) weil für ihn aus der Unfallsanzeige

wesentliche Unfallfolgen nicht erkennbar waren. Nach § 361 Abs 1 Z 2

sind die Leistungsansprüche von den Versicherungsträgern in der

Unfallversicherung von Amts wegen oder, sofern das Verfahren nicht

auf diese Weise eingeleitet wurde, auf Antrag festzustellen. Bei (auch) amtswegig zu erbringenden Leistungen entsteht die Leistungspflicht (Entscheidungspflicht) des Versicherungsträgers bereits in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn der Versicherungsträger diese kennt (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4, Rz 65; Schrammel in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 146). Diese Kenntnis kann dem Versicherungsträger auf verschiedene Weise verschafft werden. In Frage kommen Meldungen der Leistungsempfänger, Unfallsanzeigen der Dienstgeber, Anzeigen von Berufskrankheiten durch Ärzte, Anträge der Leistungsempfänger etc. Diese Meldungen, Anzeigen und Anträge sind jedoch bei von Amts wegen zu erbringenden Leistungen keine selbständigen formellen Leistungsvoraussetzungen, da die bloße Kenntnis der materiellen Voraussetzungen für das Tätigwerden des Versicherungsträgers genügt und es nicht darauf ankommt, wie er diese Kenntnis erlangt hat (Schrammel in Tomandl aaO). Im Hinblick auf dieses Amtswegigkeitsprinzip ist nicht nur eine formelle Unfallsanzeige iS des § 363, sondern zB auch der im vorliegenden Fall von der Chirurgischen Ambulanz eines allgemeinen öffentlichen Krankenhauses an den Unfallversicherungsträger erstattete "Erstbericht Arbeitsunfall" als (materielle) Unfallsanzeige iS des § 86 Abs 4 Satz 2 anzusehen (sa 15.2.1994, 10 ObS 263/93). Dieser Bericht des Krankenhauses enthält neben den Personaldaten des Patienten einschließlich seines Dienstgebers, Krankenversicherungs- und Unfallversicherungsträgers Angaben über Zeit, Ort und Hergang des (Arbeits)Unfalls, die diagnostizierten Folgen und die vorgesehene Behandlung und beantwortet damit viele Fragen, die auch im vom beklagten Versicherungsträger aufgelegten Unfallsanzeigenvordruck aufscheinen. Dieser "Erstbericht Arbeitsunfall" versetze den Unfallversicherungsträger daher - wie eine formelle Unfallsanzeige iS des § 363 - in die Lage, unverzüglich ein Feststellungsverfahren einzuleiten und die Tatsachen festzustellen zu lassen, die für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung in Betracht kommt, erforderlich sind. Der "Erstbericht Arbeitsunfall" wurde vom beklagten Versicherungsträger übrigens in die Unfallstatistik eingegeben, dann allerdings ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bis zur "eventuellen Anspruchstellung des Versicherten" abgelegt, obwohl daraus wesentliche Unfallfolgen erkennbar waren.

Unter diesen Umständen hat der Zeitpunkt des Einlangens des als Unfallsanzeige iS des § 86 Abs 4 Satz 2 zu wertenden "Erstberichtes Arbeitsunfall" beim beklagten Unfallversicherungsträger, nämlich der 16.10.1987, als Tag der Einleitung des Verfahrens zu gelten, das zur Feststellung des Anspruches führt. IVm § 204 Abs 1 fiel die vom Kläger begehrte Versehrtenrente daher mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengeldes an.

Das angefochtene Urteil ist demnach wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

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