OGH 1Ob547/94

OGH1Ob547/9419.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner, Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wider die beklagte Partei ***** Bauträger Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Stüger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen S 70.510,-- s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 23. September 1993, GZ R 861/93-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 20. August 1993, GZ 2 C 515/92-16, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.971,84 (darin S 1.328,64 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger lieferte der Beklagten, die ihren Sitz in Deutschland hat, am 4.10.1991 bestellungsgemäß verschiedene Waren. Der Geschäftsführer der Beklagten unterfertigte nach Überprüfung der Ware den gleichzeitig mitübersandten Lieferschein. Dieser enthielt am unteren Rand kleingedruckt unter anderem die Klausel „Gerichtsstand: Frankenmarkt“.

Mit seiner am 16.9.1992 beim Bezirksgericht Frankenmarkt eingebrachten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten die Zahlung des Entgeltes für diese Lieferung. Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit stützte er sich auf den Vermerk im unterfertigten Lieferschein, welcher eine rechtswirksame Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 104 JN darstelle.

Die Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Vermerk auf dem Lieferschein nicht zur Kenntnis genommen. Er habe damit auch nicht rechnen müssen, da der Lieferschein grundsätzlich nur zur Bestätigung der Warenübernahme diene.

Das Gericht erster Instanz wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Textteile außerhalb des Unterschriftsbereiches, die somit auch nicht unterzeichnet werden, seien nicht geeignet, eine Zuständigkeitsvereinbarung zu begründen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es die vom Beklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verwarf. Die Klausel habe sich in gut leserlicher Größe unmittelbar unter dem für die Unterschrift des Auftraggebers vorgesehenen freien Raum befunden, sodaß sie bei Unterfertigung der Urkunde habe auffallen müssen. Der Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, die Klausel nicht gelesen zu haben und wäre, wollte er das Zustandekommen einer Vereinbarung verhindern, gehalten gewesen, diese auszustreichen. Es sei zulässig, eine Zuständigkeitsvereinbarung erst bei Lieferung der Ware zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Lieferscheine sind ebenso wie Rechnungen oder Gegenscheine schon ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt, Anbote eines Vertragspartners auf Abänderung eines bereits abgeschlossenen Auftrages aufzunehmen (SZ 55/106; SZ 55/134; Kramer in Straube HGB § 346 Rdz 50). Einem Lieferschein kommt daher auch unter Vollkaufleuten nicht ohneweiteres die Bedeutung eines Vertragsantrages zu (Schlegelberger, HGB5 IV 123). Ohne Vorliegen besonderer Umstände, zB einer dauernden Geschäftsverbindung, sind in Lieferscheinen enthaltene Vertragsanbote wirkungslos und bedürfen auch keiner Zurückweisung oder Durchstreichung (HS 12.765; HS 16.761; HS 14.618). Die Beklagte ist daher im Recht, wenn sie vorbringt, daß der Lieferschein seiner Funktion nach nicht dem Abschluß von Gerichtsstandsvereinbarungen dient, weshalb er nicht auf das Vorhandensein entsprechender Klauseln untersucht werden muß. Da somit schon aus diesem Grunde eine Zuständigkeitsvereinbarung nicht wirksam zustandegekommen ist, erübrigt es sich, auf das vom Erstgericht gebrauchte Argument, der am unteren Rand des Lieferscheines gedruckte Vermerk sei von der Unterschrift nicht umfaßt, näher einzugehen.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der erstinstanzliche Beschluß wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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