OGH 10ObS75/94

OGH10ObS75/9414.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Ing. Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Robert Eheim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef S*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Gabriela Auer-Welsbach, Rechtsanwältin in Klagenfurt. wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 1993, GZ 7 Rs 92/93-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20. August 1993, GZ 34 Cgs 113/93a-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungs- anstalt der Arbeiter vom 5.4.1993 wurde der Antrag des Klägers vom 3.12.1992 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt, weil er nicht invalid sei.

Das Erstgericht wies das dagegen auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.1.1993 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger sei von 1972 bis 1980 als Maurerlehrling und als Maurer und von 1982 bis 1983 als Isolierer - all dies mit Unterbrechungen - beschäftigt gewesen. Vom 14.7.1980 bis 1.1.1988 habe er als Vorarbeiter bei Tunnelausbruchsarbeiten gearbeitet und sei auch bei Betonarbeiten eingesetzt gewesen. Als Inhaber eines Sprengbefähigungsscheines sei er darüber hinaus für die Durchführung von Untertagesprengarbeiten verantwortlich gewesen. Der am 25.9.1955 geborene und daher am Stichtag erst 37 Jahre alte Kläger könne trotz verschiedener gesundheitsbedingter Einschränkungen noch leichte und mittelschwere, fallweise auch schwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen verrichten, wobei das Heben und Tragen von Lasten mit 15 Kilogramm begrenzt sei. Die Tätigkeit eines Maurers entspreche nicht mehr dem medizinischen Leistungskalkül, weil bei dieser Tätigkeit Lasten über 15 Kilogramm gehoben und getragen werden müßten, jedoch sei der Kläger auf Tätigkeiten in der Betonfertigteilerzeugung verweisbar, wie etwa Finisharbeiter oder Retuscheur; diese Tätigkeiten entsprächen noch seinem medizinischen Leistungskalkül. Daraus folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, daß der Kläger nicht als invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG anzusehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Beobachtungszeitraum nach § 255 Abs 2 ASVG (15 Jahre vor dem Stichtag) erstrecke sich auf die Zeit vom 1.1.1978 bis 31.12.1992. Der Kläger habe unstrittig in den Jahren von 1972 bis 1980 zunächst als Maurerlehrling und dann als gelernter Maurer gearbeitet, so daß er in diesem erlernten Beruf auch im Beobachtungszeitraum gearbeitet habe. Sei ein Versicherter in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig gewesen, gelte er nach § 255 Abs 1 ASVG als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken sei. Gehe man davon aus, daß der Kläger auch nach 1980 überwiegend eine qualifizierte und den Berufsschutz erhaltende Tätigkeit ausgeübt habe, so könne er auf jeden im Beobachtungszeitraum ausgeübten erlernten oder angelernten Beruf verwiesen werden, auch wenn er ihn nur kurzzeitig ausgeübt habe. Demnach sei eine Verweisung des Klägers als gelernter Maurer auf Verweisungsberufe zulässig, die in bezug auf diesen Beruf adäquat seien; er könne daher auf die Tätigkeiten eines Finisharbeiters oder eines Retuscheurs in der Betonfertigteilerzeugung verwiesen werden. Sollte der Kläger seit dem Jahr 1980 nicht in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig gewesen sein - der Sprengbefugte oder Mineur sei nach herrschender Rechtsprechung kein angelernter Beruf - so hätte er keinen Berufsschutz und wäre nach § 255 Abs 3 ASVG auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar, was noch eine Reihe weiterer Verweisungsmöglichkeiten ergeben würde. Es bedürfe daher keiner weiteren Feststellungen darüber, welche Tätigkeit der Kläger seit dem Jahr 1980 im Tunnelbau ausgeübt habe und ob diese Tätigkeit der eines Mineurs entspreche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache macht der Kläger geltend, die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, daß er im Beobachtungszeitraum auch als Drittelführer (Vorarbeiter) bei Tunnelausbruchsarbeiten und bei Betonarbeiten eingesetzt, darüber hinaus aber auch als Sprengmeister wie auch "im kaufmännischen Bereich" tätig gewesen sei. Was nun zunächst kaufmännische Tätigkeiten betrifft, so finden sich hiefür nach dem Akteninhalt überhaupt keine Anhaltspunkte. In seiner Klage behauptete der Kläger, zum Großteil den Beruf des Maurers ausgeübt zu haben und Drittelführer bzw. Vorarbeiter gewesen zu sein. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, übt ein Mineur und Drittelführer im Tunnelbau auch dann keinen angelernten Beruf aus, wenn er über alle Kenntnisse und Fähigkeiten eines Sprengbefugten verfügt und zur selbständigen Durchführung von Sprengungen befugt ist (SSV-NF 6/95). Nach der im Akt erliegenden Arbeitsbestätigung war der Kläger auf Tunnelbaustellen als Drittelführer (= Vorarbeiter) bei Tunnelausbrucharbeiten und bei den Betonarbeiten eingesetzt; darüber hinaus war er als Inhaber eines Sprengbefähigungsscheins verantwortlich für die Durchführung von Untertage-Sprengarbeiten. Voraussetzung für die Erlangung des Sprengberechtigungsscheines war unter anderem eine vorangehende Ausbildung als Sprenghelfer. Selbst wenn man also von der Richtigkeit dieser Bestätigung ausgeht, ändert sich nichts an der rechtlichen Beurteilung, daß der Kläger im Beobachtungszeitraum unter anderem als gelernter Maurer tätig war, was sich unter anderem auch daraus ergibt, daß er nach dem im Akt liegenden Lehrbrief bereits am 8.7.1975 die Lehrabschlußprüfung mit Erfolg abgelegt hatte. War der Kläger aber während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in mehreren erlernten Berufen tätig, so ist er nur dann invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit nicht nur im zuletzt ausgeübten oder im überwiegend ausgeübten, sondern in jedem dieser Berufe auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (SSV-NF 6/19, 5/65, 4/143 ua). Gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Verweisbarkeit des Klägers innerhalb des Maurerberufes wird in der Revision nichts vorgebracht. Er führt dagegen nur ins Treffen, daß die von den Vorinstanzen genannten Verweisungstätigkeiten einen völligen Berufswechsel und gleichzeitig einen sozialen Abstieg bedeuten würden, der dem Kläger nicht zugemutet werden könne. Da der Kläger jedoch den Maurerberuf erlernt und auch tatsächlich durch geraume Zeit ausgeübt hat, stellt eine Verweisung auf verwandte Tätigkeiten in Wahrheit gar keinen Berufswechsel dar. Worin durch die Tätigkeit in den Verweisungsberufen ein sozialer Abstieg gelegen sein soll, ist nicht ersichtlich.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach dem Akteninhalt auch nicht ersichtlich.

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