OGH 10ObS80/94

OGH10ObS80/9414.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing.Robert Eheim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Horst F*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Silvia König, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Dezember 1993, GZ 31 Rs 119/93-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.März 1993, GZ 20 Cgs 196/92-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf eine Invaliditätspension ab 1.7.1992 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der am 18.5.1945 geborene Kläger mit dem seit der Antragstellung bestehenden körperlichen und geistigen Zustand unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeit und Arbeitspausen leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten kann. Arbeiten an erhöht exponierten Stellen, Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Feinarbeiten kann er nicht mehr leisten. Er kann unterwiesen und in ein Fabriksmilieu eingeordnet werden; die Anmarschwege sind nicht eingeschränkt. Diese Leistungsfähigkeit reicht für mehrere, vom Erstgericht beispielsweise aufgezählte und beschriebene, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefragte Hilfsarbeitertätigkeiten aus. Der Kläger war (während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag) nicht in einem erlernten Beruf, sondern als Kranfahrer tätig.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes gelte der Kläger, der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG tätig gewesen sei, nicht als invalid iS des Abs 3 leg cit, weil er die ihm zumutbaren Verweisungstätigkeiten wie ein völlig gesunder Versicherter ausüben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es verneinte die geltend gemachten Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, übernahm alle Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht, daß die Frage, ob der Kläger ivalid sei, nicht nach § 255 Abs 1 ASVG sondern nach Abs 3 leg cit zu beurteilen und wegen der zumutbaren Verweisungstätigkeiten zu verneinen sei. Bei der überwiegend ausgeübten Tätigkeit eines Kranfahrers handle es sich um keinen angelernten Beruf iS der Abs 1 und 2 der zit Gesetzesstelle. Diese Tätigkeit, für die nur eine verhältnismäßig kurze Ausbildungszeit erforderlich sei, bestehe lediglich in der Wiederholung von ziemlich gleichen Bedienungshandgriffen. Daß sie ua mit erhöhter Verantwortlichkeit verbunden sei, sei nicht ausschlaggebend.

In der Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben. Er benennt zwar nur den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (der Sache), macht aber inhaltlich auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Der Revisionswerber rügt neuerlich einen schon in der Berufung behaupteten, vom Berufungsgericht aber verneinten angeblichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (Verletzung der Manuduktionspflicht des vor dem Erstgericht nicht vertretenen Klägers). Dies ist nach stRsp des erkennenden Senates auch in einer Sozialrechtssache nicht zulässig (SSV-NF 7/12 und 65 mwN uva).

Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt. Der Kläger vermeint, als Kranfahrer überwiegend in einem angelernten Beruf tätig gewesen zu sein. Er habe nämlich im Jahr 1974 die Kranfahrerprüfung abgelegt und - insbesondere wegen der Gefährlichkeit einer unsachgemäßen Kranbedienung - bedeutend mehr Verantwortung zu tragen gehabt als ein "normaler" Hilfsarbeiter.

Ein angelernter Beruf iS des § 255 Abs 1 ASVG liegt nach Abs 2 leg cit vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welcher jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten sind.

Der erkennende Senat hat in seiner E 21.9.1993, 10 Ob S 166/93 vor allem unter Bezugnahme auf die Verordnung des BMsV 6.6.1975 BGBl 441 über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten eingehend begründet, daß die für das Führen von Kranen notwendigen Fachkenntnisse iS des § 3 Abs 1 der zit V wesentlich geringer sind als die eines ausgelernten Facharbeiters und den Arbeitnehmer nur für bestimmte Arbeiten qualifizieren. Solche Arbeitnehmer sind zwar keine einfachen (Bau)Hilfsarbeiter, aber auch keine gelernten oder angelernten (Bau)Facharbeiter iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG. Sie werden zB im Art 3 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe, sofern sie bestimmte motorisch betriebene Turm- und Derrick-Kräne führen oder Kabelkranführer sind, ebenso wie zB Baggerführer, Drittelführer und Führer von Lkw mit mehr als 10 t Eigengewicht in die Beschäftigungsgruppe IIIa eingereiht und als "angelernte Bauarbeiter" bezeichnet, die als "für besondere Arbeiten qualifizierte Arbeiter" definiert werden. Sie benötigen allerdings noch keine Kenntnisse und Fähigkeiten, die denen eines Facharbeiters gleichzuhalten sind (vgl bzgl eines Drittelführers SSV-NF 6/95). Diese Auffassung wird auch durch die Beschreibung des Berufsbildes eines "Kranführers" im vom österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung verfaßten, vom BMAS herausgegebenen Berufslexikon 2, Ausgewählte Berufe11, 306 bestätigt. Daß die Tätigkeit eines Kranführers mit Verantwortung verbunden ist, qualifiziert sie noch nicht iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG (vgl bzgl eines Sprengbefugten SSV-NF 6/95). Auch das Führen von Staplern (SSV-NF 5/7), wofür ebenfalls nach der zit V BGBl 1975/441 Fachkenntnisse nachzuweisen sind, wurde vom erkennenden Senat nicht als angelernter Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG anerkannt.

Da der Kläger als Kranfahrer nicht überwiegend in einem erlernten (angelernten) Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG tätig war, wurde die Frage seiner Invalidität von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum nach Abs 3 leg cit. geprüft und verneint. Das Verweisungsfeld solcher Arbeiter ist nach stRsp des erkennenden Senates (SSV-NF 6/12 uva) mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident. Die vom Erstgericht beispielsweise genannten einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten, bei denen es sich um keine Bauarbeiten handelt, sind dem Kläger, der überwiegend als ungelernter Bauarbeiter tätig war, nicht unzumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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