OGH 10ObS61/94

OGH10ObS61/9422.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Randus (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter T*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Karl Ludwig Breit, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. August 1993, GZ 34 Rs 62/93-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. März 1993, GZ 14 Cgs 118/92-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6.6.1951 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt; die Tapeziererlehre hat er nicht beendet. In den letzten 15 Jahren war er als Druckereiarbeiter und Graphikhelfer beschäftigt. Auf Grund verschiedener gesundheitsbedingter Einschränkungen ist der Kläger nur mehr in der Lage, leichte und mittelschwere Tätigkeiten, jedoch nicht im dauernden Gehen, dauerndem Stehen oder dauerndem Sitzen auszuüben. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, an erhöhten und exponierten Stellen sowie in Kälte und Nässe.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsver- sicherungsanstalt der Arbeiter vom 5. Mai 1992 wurde der Antrag des Klägers vom 17. Februar 1992 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt, da er nicht invalid sei.

Das Erstgericht wies das dagegen auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.3.1992 gerichtete Klagebegehren ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in mehrere Berufe verweisbar sei wie z. B. Portier, Material- und Werkzeugausgeber. Diese Verweisungsberufe seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl vorhanden, wobei außer Betracht bleiben müsse, ob Stellen frei oder besetzt seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Im Rahmen des allein geltend gemachten Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache rügt der Kläger, daß das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, seine Rechtsrüge in der Berufung sei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen und daher nicht gesetzmäßig ausgeführt gewesen. Hat das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - die rechtliche Beurteilung der Sache abgelehnt, weil die Berufung seiner Meinung nach eine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge nicht enthielt, so muß dies als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bekämpft werden (SSV-NF 5/18 ua). Einen solchen Mangel macht der Kläger inhaltlich geltend, wobei die unrichtige Benennung des Revisionsgrundes gemäß § 84 Abs 2 ZPO unerheblich ist.

Dem Kläger ist im Ergebnis darin beizupflichten, daß seiner Berufung die Ausführung einer Rechtsrüge zu entnehmen war. Soweit er dort nämlich im Hinblick auf die Unterlassung der Einholung eines berufskundlichen Gutachtens die Unvollständigkeit der Sachverhaltsgrundlagen wegen Fehlens von Feststellungen über die Anforderungen in den Verweisungsberufen bemängelte, führte er unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens inhaltlich (§ 84 Abs 2 ZPO) eine Rechtsrüge aus (10 Ob S 340/90, 10 Ob S 15/91, 10 Ob S 33/91, 10 Ob S 315/91 uva), die allerdings auch vom Berufungsgericht erledigt wurde:

Es hielt der Berufung entgegen, die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens sei nur dann erforderlich, wenn der Versicherte auf eher unübliche Berufe verwiesen werden solle, die dem Gericht aus seiner amtlichen Tätigkeit nicht bekannt seien oder wenn das ärztliche Leistungskalkül des Versicherten eine Vielzahl von Einschränkungen aufweise, die eine Verweisbarkeit auf den Arbeitsmarkt als zweifelhaft erscheinen lasse. Seien aber die Anforderungen in den Verweisungsberufen offenkundig, dann bedürfe es keiner weiteren Feststellungen; dies gelte nicht nur für die Anforderungen in den einzelnen Verweisungsberufen, sondern auch grundsätzlich zur Frage des Vorliegens einer ausreichenden Anzahl von solchen Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Da also die Berufung Feststellungsmängel geltend gemacht hatte, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind (SSV-NF 4/128 ua), und das Berufungsgericht das Vorliegen der genannten Feststellungsmängel verneinte, enthält sein Urteil eine überprüfbare rechtliche Beurteilung, so daß es nicht schadet, wenn es in der Folge ausführte, die Rechtsrüge des Klägers sei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen und daher nicht gesetzmäßig ausgeführt worden.

Im übrigen ist aber die in der Revision enthaltene Rechtsrüge nicht berechtigt. Angesichts des medizinischen Leistungskalküls des Klägers, wonach leichte und mittelschwere Arbeiten in allen Körperhaltungen im wesentlichen lediglich unter Ausschluß des dauernden Gehens, dauernden Stehens oder dauernden Sitzens möglich sind, ist offenkundig, daß der Kläger zumindest den Verweisungsberuf eines Portiers ausüben kann, bei dem auch nicht zweifelhaft ist, daß wesentlich mehr als hundert Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Anforderungen in weit verbreiteten Verweisungstätigkeiten, die sich zum Teil unter den Augen der Öffentlichkeit abspielen und deren Anforderungen allgemein bekannt sind, müssen als offenkundig iS des § 269 ZPO gelten, so daß es weiterer Feststellungen dazu nicht bedarf; solche Tatsachen sind von den Gerichten ihren Entscheidungen von Amts wegen zugrunde zu legen (SSV-NF 5/96, 6/87 ua). Ob der Kläger überdies auch auf die Tätigkeiten eines Material- und Werkzeugausgebers verwiesen werden kann, braucht bei dieser Sachlage nicht mehr geprüft zu werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich. Bemerkt sei allerdings, daß die Kostenbemessungsgrundlage nicht S 200.000,--, sondern gemäß § 77 Abs 2 ASGG nur S 50.000,-- beträgt.

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