Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei den Kinderzuschuß zur Alterspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.8.1992 bis 28.2.1994 weiter zu gewähren. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wird abgewiesen."
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 2.7.1992 wurde entschieden, daß der Kinderzuschuß für die am *****1966 geborene Tochter des Klägers Isabella H*****ab 1.8.1992 nicht gebührt.
Der Kläger begehrt, zur Alterspension ab 1.8.1992 den Kinderzuschuß weiter zu gewähren. Seine Tochter habe das Studium der Veterinärmedizin aufgrund der bereits kurz nach Beginn des Studiums aufgetretenen Allergie gegen Pollen und Tierhaare im Sommersemester 1989 beenden müssen. Seit diesem Zeitpunkt studiere sie Publizistik. Die Schul- bzw Berufsausbildung sei durch die Allergie verzögert worden.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte seine Abweisung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, daß die Tochter des Klägers nach der Matura im Jahr 1985 ab dem Wintersemester 1985/1986 bis inklusive Sommersemester 1988, insgesamt somit sechs Semester Veterinärmedizin studierte. Bereits mit etwa 17 Jahren entwickelte sich bei ihr eine Empfindlichkeit auf Katzen. Im Lauf des Studiums mußte sie feststellen, daß sie dann, wenn sie sich mit einer Tierart länger beschäftigte, auf diese allergisch wurde. In der ersten Zeit des Studiums konnte sie auftretende Probleme mit Medikamenten erfolgreich behandeln. Diese halfen im Laufe der Zeit immer weniger, weshalb sie zunehmend mehr Tabletten nahm und sich dann entschloß, nach der Voraussage einer Asthmaerkrankung durch einen Arzt, im Sommersemester 1988 das Studium der Veterinärmedizin abzubrechen. Sie leidet an einer Allergie auf Katzen- und Hundehaare. Der Abbruch des Studiums war aus medizinischer Sicht notwendig. Ein Kontakt mit den krankheitsauslösenden Noxen hätte bei Fortführung des Studiums nicht vermieden werden können, es wäre zu einer Verschlechterung der Allergie mit Entwicklung eines irreversiblen Asthmas gekommen. Seit dem Wintersemester 1988/1989 studiert die Tochter des Klägers Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Das Studium besteht aus zwei Studienabschnitten von je vier Semestern. Die Mindeststudiendauer beträgt acht Semester. Die durchschnittliche Studiendauer liegt bei 10,7 Semestern. Die Tochter des Klägers hat den ersten Studienabschnitt nach neun Semestern abgeschlossen und befindet sich derzeit im ersten Semester des zweiten Abschnittes.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß aufgrund des zögernden Studienfortganges eine Berufsausbildung, die die Arbeitskraft der Tochter des Klägers überwiegend beanspruche, nicht vorliege. Selbst wenn man diese Voraussetzung bejahte, seien an das Kriterium der Unüberwindbarkeit des Hindernisses im Sinne des § 128 Abs 2 Z 1 GSVG strenge Anforderungen zu stellen. Die Tochter des Klägers hätte spätestens nach drei Semestern erkennen müssen, daß ihr die Ausübung des Berufes einer Tierärztin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein wird. Hätte sie daher bereits im Sommersemester 1987 mit dem Studium der Publizistik begonnen, hätte sie ihr Studium zum 1.8.1992 auch unter Einhaltung der durchschnittlichen Studiendauer von 10,7 Semester beendet gehabt.
Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung des Klägers Folge und sprach ihm den Kinderzuschuß zur Alterspension ab 1.8.1992 unbefristet zu.
Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß die Tochter des Klägers neben ihrem Studium eine andere Tätigkeit ausübe, so daß davon auszugehen sei, daß ihre Arbeitskraft durch die Schul- und Berufsausbildung jedenfalls überwiegend beansprucht werde. Der verzögerte Studienfortgang beim Publizistikstudium ließe einen gegenteiligen Schluß nicht zwingend zu. Es ergäbe sich weiters kein Anhaltspunkt, daß die Tochter des Klägers bereits nach drei Semestern erkennen hätte müssen, daß ihr die Ausübung des Berufes einer Tierärztin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein werde. Es sei auch die durchschnittliche Studiendauer nicht vor dem Ende des Wintersemesters 1993/1994 überschritten worden. Die Allergie auf Katzen- und Hundehaare sei im sozialversicherungsrechtlichen Sinn als Krankheit anzusehen, so daß für den Zeitraum Wintersemester 1985/1986 bis einschließlich Sommersemester 1988 ein unüberwindbares Hindernis vorlag, das die Schul- und Berufsausbildung um diesen Zeitraum tatsächlich verzögert habe. Die Kindeseigenschaft der Tochter des Klägers bestehe derzeit daher noch weiter.
Gegen das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Gemäß § 128 Abs 2 Z 1 GSVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 13. GSVG-Novelle (BGBl 1987/610) (Linseder-Teschner GSVG 45.ErgLfg 339; SSV-NF 3/59, 5/89, 6/36) besteht die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres, wenn und so lange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens jedoch bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres; zur Schul- oder Berufsausbildung zählt auch ein angemessener Zeitraum für die Vorbereitung auf die Ablegung der entsprechenden Abschlußprüfungen und auf die Erwerbung eines akademischen Grades. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis verzögert worden, so besteht die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum. Nach dieser Gesetzesfassung kommt es für das Bestehen der Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres nur darauf an, ob sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Wenn und solange diese Voraussetzung zutrifft, besteht die Kindeseigenschaft bis zu der in § 128 Abs 2 Z 1 GSVG aF festgesetzten Altersgrenze weiter (SSV-NF 5/77). Ob das Kind vor der Schul- oder Berufsausbildung bereits in anderen Schul- oder Berufsausbildungen oder im Erwerbsleben stand, ist unerheblich (SSV-NF 2/51; 5/77, 5/89).
Im vorliegenden Fall studiert die Tochter des Klägers seit der Matura im Jahr 1985, hat jedoch nach dem Sommersemester 1988 einen Studienwechsel vollzogen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen (Allergie) das zuerst gewählte Studium der Veterinärmedizin nicht weiterführen konnte.
Ob dieser Verzögerung des Studiums ein unüberwindbares Hindernis im Sinne des § 128 Abs 2 Z 1 GSVG aF zugrunde lag, hängt davon ab, ob die Allergie auf Katzen- und Hundehaare verhinderte, daß die Tochter des Klägers das Studium rechtzeitig begann oder vollendete und dieses Hindernis, gleichgültig worin es bestand, trotz Aufbietung aller Anstrengungen nicht beseitigt werden konnte. Verzögerungen im Studium, die ihre Ursache in einer Willensentscheidung haben, können nicht unter den Begriff des unüberwindbaren Hindernisses fallen. An das Kriterium der Unüberwindbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Es sind nur vom Willen des Betroffenen unabhängige in dessen Person gelegene Hindernisse, die trotz aller Bemühungen nicht beseitigt werden können, als die Kindeseigenschaft verlängernde Umstände anzuerkennen. Die Wehrpflicht, den Zivildienst und die Krankheit hat der Gesetzgeber diesem unüberwindlichen Hindernis gleichgestellt (SSV-NF 3/7, 4/134).
Die Allergie auf Katzen- und Hundehaare bildete im vorliegenden Fall ein unüberwindbares Hindernis, weil sie trotz Behandlung nicht beseitigt werden konnte. Das Fehlschlagen der Behandlung ist von einer Willensentscheidung unabhängig, so daß die Verzögerung der Berufsausbildung durch ein in der Person des Betroffenen vom Willen unabhängiges Hindernis verursacht wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Tochter des Klägers von vornherein ein anderes Studium (Publizistik und Kommunikationswissenschaft) hätte wählen können, bei dem die Allergie bedeutungslos gewesen wäre; denn die Schul- oder Berufsausbildung wurde durch die von der Tochter des Klägers nicht als unüberwindbares Hindernis erkennbare und von ihrem Willen unabhängige Allergie verzögert, weshalb die Verzögerung nicht auf eine Willensentscheidung zurückzuführen war.
Es ist aber auch bedeutungslos, daß die Studiendauer für das Fach Publizistik und Kommunikationswissenschaft nach der Studienordnung (BGBl 1983/155 idF BGBl 1988/350) acht Semester beträgt und das Studium seit dem Wintersemester 1988/1989 daher bis zur Vollendung des 26.Lebensjahres im Sommersemester 1992 in der Mindeststudiendauer abgeschlossen hätte werden können. Die Beklagte hat nämlich unbekämpft gelassen, daß die durchschnittliche Studiendauer 10,7 Semester beträgt und macht nicht geltend, daß die Tochter des Klägers das Studium in kürzerer Zeit hätte bewältigen können.
Die Allergie der Tochter des Klägers hat daher zu einer Verzögerung der Beendigung der Berufsausbildung vor Vollendung des 26. Lebensjahres geführt. Das Gesetz normiert aber nicht generell die Verlängerung der Kindeseigenschaft um die effektive Dauer der Behinderung, sondern um einen der Dauer der Behinderung in der Schul-oder Berufsausbildung angemessenen Zeitraum, der je nach der zeitlichen Lagerung des Hinderungsgrundes im Einzelfall durchaus unterschiedlich zu bemessen ist (SSV-NF 3/59). Berücksichtigt man, daß die Tochter des Klägers mit dem zweiten Studium im Wintersemester 1988/89 begann, so hätte sie es unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen bereits mit dem Ende des Wintersemesters 1993/94 beenden können. Daß sie das Studium zu diesem Zeitpunkt nicht beendet hatte, war aber nicht mehr auf eine Behinderung iS des Gesetzes zurückzuführen. Die Kindeseigenschaft verlängerte sich daher nur bis Ende Februar 1994 (vgl SSV-NF 5/86).
Da das Berufungsgericht diesen in seiner Begründung enthaltenen Verlängerungszeitraum von 3 Semestern im Urteilsspruch unberücksichtigt ließ, war das angefochtene Urteil in diesem Umfang spruchgemäß abzuändern.
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