Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die Witwe des am 28. September 1989 verstorbenen Ernst S*****, der bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt versichert war. Da die Klägerin beim Tod ihres Ehegatten schon im 66. Lebensjahr stand, der Versicherte bei der Eheschließung am 27. Mai 1988 bereits einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension hatte und im § 258 Abs 3 ASVG genannte Umstände nicht vorlagen, gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 2. Jänner 1990 nach den Absätzen 1 und 2 leg cit eine Witwenpension bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monats des Todes des versicherten Ehegatten, also für die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis 31. März 1992. Dieser Bescheid enthält folgende Belehrung:
"Die mit diesem Bescheid zuerkannte Pension gebührt über den Wegfallzeitpunkt hinaus, wenn zu diesem Zeitpunkt Invalidität vorliegt. Der Weitergewährungsantrag muß spätestens binnen einem Monat nach dem Wegfall der Pension eingebracht worden sein. Ein verspätet eingebrachter Antrag muß abgelehnt werden."
Mit einem bei der Beklagten am 29. Mai 1992 eingelangten Schreiben vom 26. Mai 1992 fragte die Klägerin an, warum die Pension nicht mehr überwiesen werde. In einem weiteren Schreiben vom 22. Juni 1992 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei davon ausgegangen, daß die Pension nicht mit 31. März 1992 eingestellt würde, weil sie die Beklagte im Dezember 1991 davon verständigt habe, daß sie im Mai und Oktober 1992 Sonderzahlungen erhalten werde.
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung der Witwenpension mit Bescheid vom 5. August 1992 ab, weil diese frühestens in dem am 29. Mai 1992 eingelangten Schreiben vom 26. Mai 1992 beantragt worden sei.
Das in der rechtzeitigen Klage erhobene Begehren richtet sich auf Weitergewährung der Witwenpension ab 1. April 1992. Es stützt sich darauf, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Ablaufs der seinerzeitigen Zuerkennungsfrist als dauernd invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG anzusehen wäre. Daß die Klägerin die Weitergewährung der Pension nicht spätestens innerhalb eines Monats nach deren Wegfall beantragt habe, sei darauf zurückzuführen, daß ihr die Beklagte im Dezember 1991 schriftlich mitgeteilt habe, daß sie infolge der Pensionsanpassung ab 1. Jänner 1992 eine monatliche Pension vom 1.972,30 S und im Mai und Oktober dieses Jahres je eine Sonderzahlung von 3.752,20 S erhalten werde. Wegen der ausgewiesenen Sonderzahlungen habe die Klägerin von der Weitergewährung der Witwenpension ausgehen können und (zunächst) keinen Anlaß für einen Weitergewährungsantrag gesehen. Der von der Beklagten gesetzte Rechtsschein könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen und müsse unter Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den verspäteten Weitergewährungsantrag zur Weitergewährung der Pension führen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren mangels eines fristgerechten Weitergewährungsantrages abzuweisen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Weitergewährung der Pension entgegen § 258 Abs 2 ASVG nicht spätestens innerhalb eines Monats nach deren Wegfall beantragt worden sei. Diese Frist wäre im Verfahren vor dem beklagten Versicherungsträger einzuhalten gewesen. Für dessen Verfahren würden nach § 357 Abs 1 leg cit ua die §§ 71 und 72 AVG über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten. Nach § 71 AVG könne der Versicherungsträger auf einen bei ihm einzubringenden Antrag der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist für den Weitergewährungsantrag verhindert war. Ob die bisherigen Schriftstücke der Klägerin bei sozialer Rechtsanwendung als Wiedereinsetzungsanträge aufzufassen seien, habe der Versicherungsträger zu entscheiden. Das Gericht sei zur Entscheidung über einen solchen Wiedereinsetzungsantrag nicht zuständig, weil es sich dabei um eine Verwaltungssache handle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, in der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde, nicht Folge.
Die Mitteilung der Beklagten vom Dezember 1991 habe sich, obwohl darin - ungeachtet des Ablaufes der befristeten Witwenpension mit 31. März 1992 - noch Sonderzahlungen für Mai und Oktober (1992) erwähnt worden seien, ausdrücklich auf die Pensionsanpassung und damit auf die Höhe der Pension bezogen. Daß damit die bescheidmäßig festgelegte Befristung dieser Leistung aufgehoben würde, sei diesem Schreiben der Beklagten nicht zu entnehmen. Deshalb hätte die Klägerin dies nicht einfach annehmen dürfen. Es wäre ihr zumutbar gewesen, sich in den rund vier Monaten bis zum Ablauf der Weitergewährungsfrist bei der Beklagten zu erkundigen. Da die letzte Pensionszahlung am 4. März 1992 erfolgte, hätte die Klägerin spätestens Anfang April 1992 erkennen müssen, daß die Pension nicht mehr ausgezahlt werde. Sie hätte dann noch bis Ende dieses Monats die Weitergewährung beantragen können. Sofern der Beklagten überhaupt ein Verstoß gegen Treu und Glauben anzulasten wäre, könnte dieser den eingeklagten Anspruch nicht begründen. Über den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Weitergewährungsantrag habe die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 1993 abschlägig entschieden.
In der unbeantwortet gebliebenen Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 258 Abs 2 vorletzter Satz ASVG wäre der Klägerin die Witwenpension nur dann ab 1. April 1992 für die weitere Dauer der Invalidität zuzuerkennen, wenn sie im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, für die die Pension zuerkannt wurde, in sinngemäßer Anwendung der §§ 254 Abs 1 Z 1 bzw. Z 2 und 255 Abs 3 leg cit als dauernd oder vorübergehend invalid anzusehen wäre (einzige materielle Leistungsvoraussetzung) und die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb eines Monats nach deren Wegfall beantragt hätte (einzige formelle Leistungsvoraussetzung). Da die Klägerin diese Frist versäumte, wurde das Klagebegehren von den Vorinstanzen zutreffend ohne Prüfung der materiellen Leistungsvoraussetzung abgewiesen (sa MGA ASVG 49. ErgLfg 1329 FN 1.2.1.).
Bei der Beurteilung von Anträgen durch den Sozialversicherungsträger muß zwar im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorgegangen, d.h. der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden. Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrages läßt sich allerdings auch aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 2/52; 4/21 und 22; 5/35; Oberndorfer in Tomandl, SV-System 6. ErgLfg 685 mwN).
Da sich die Klägerin bis zum Ablauf der Weitergewährungsfrist überhaupt nicht an die Beklagte gewendet hat, läßt sich bis dahin aus dem erwähnten Grundsatz kein Weitergewährungsantrag fingieren.
Zur von Oberndorfer aaO FN 8 im Zusammenhang mit seiner Kritik an der E des OLG Wien 26. März 1962, 15 R 51/62 SVSlg 11.633 und 12.602 geäußerten Meinung, daß der aus einer erbetenen Auskunft zu erschließende Wille des Versicherten zur Antragstellung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben für die Annahme eines Antrages ausreiche, wenn ein solcher wegen einer falschen Auskunft des Versicherungsträgers nicht ausdrücklich gestellt worden sei, muß hier nicht näher Stellung genommen werden. Die Klägerin hat sich nämlich erst etwa einen Monat nach Ablauf der Weitergewährungsfrist mit einem Auskunftsersuchen an die Beklagte gewendet, das übrigens von der Beklagten ohnehin als - allerdings verspäteter - Weitergewährungsantrag gewertet worden ist.
Auch aus den Ausführungen Oberndorfers aaO 652, wegen des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben dürfe ein durch falsche Auskünfte des Sozialversicherungsträgers hervorgerufenes Verhalten einer Partei, zB eine falsche Antragstellung nicht zu Lasten des Auskunftswerbers gehen, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen.
Im vorliegenden Fall liegt nämlich eine falsche Auskunft des beklagten Versicherungsträgers nicht vor. Die Klägerin wurde im seinerzeitigen Bescheid über die Zuerkennung der mit 31. März 1992 befristeten Witwenpension im Sinn des § 258 Abs 2 vorletzter Satz ASVG zutreffend und allgemein verständlich über die beiden Voraussetzungen der Weitergewährung der Pension, darunter auch über die Befristung des Weitergewährungsantrages und die Folgen einer Versäumung dieser Frist belehrt.
In der richtigen Mitteilung vom Dezember 1991 über die durch die Pensionsanpassung bewirkte Erhöhung der Witwenpension ab 1. Jänner 1992 ist keine Auskunft dahin zu erblicken, daß der Klägerin die mit 31. März 1992 befristete Witwenpension - ohne Erfüllung der im seinerzeitigen Zuerkennungsbescheid eingehend dargestellten Weitergewährungsvoraussetzungen - ab 1. April 1992 weitergewährt werde. Es mag sein, daß die erwähnte Mitteilung, die keinen Hinweis darauf enthält, daß die angepaßte Witwenpension mit 31. März 1992 befristet ist, und in der auch die durch die Pensionsanpassung bewirkte Erhöhung von Pensionssonderzahlungen zu in den Monaten Mai und Oktober (1992) gebührenden Pensionen erwähnt wird, für sich allein betrachtet bei einem sozialversicherungsrechtlichen Laien den Anschein erwecken kann, daß die Pension jedenfalls noch bis Oktober 1992 ausgezahlt werde. Die Klägerin, die von der Beklagten im nur rund zwei Jahre zurückliegenden Zuerkennungsbescheid über die Voraussetzungen der Weitergewährung der bis 31. März 1992 befristeten Witwenpension belehrt worden war, durfte aber bloß auf Grund der Mitteilung über die Pensionsanpassung ab 1. Jänner 1992 nicht darauf vertrauen, daß die Witwenpension ungeachtet der bescheidmäßigen Befristung und ohne Erfüllung der im Zuerkennungsbescheid zutreffend dargestellten Weitergewährungsvoraussetzungen ab 1. April 1992 weitergewährt werde. Diesen offenbaren Widerspruch zwischen dem Zuerkennungsbescheid und der von ihr behaupteten unrichtigen Auslegung der Mitteilung über die Pensionsanpassung ab 1. Jänner 1992 hätte die Klägerin nicht bis Ende Mai 1992 auf sich beruhen lassen dürfen, zumal ihr ab April dieses Jahres die Witwenpension nicht mehr ausgezahlt wurde.
Entgegen der Meinung der Revisionswerberin liegt also weder ein gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des beklagten Versicherungsträgers noch ein Verstoß gegen die Pflicht nach § 13a AVG vor, der damals nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretenen Klägerin die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen .... zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
Gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Weitergewährung einer befristeten Witwenpension ist die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht möglich, weil es sich dabei um keine verfahrensrechtliche Frist iS des AVG handelt. Die zit Gesetzesstelle bietet keine Abhilfe gegen die Folgen der Versäumung solcher Fristen, innerhalb deren ein materiellrechtlicher Anspruch oder Antrag bei sonstigem Verlust des dem Anspruch oder Antrag zugrundeliegenden Rechts geltend gemacht werden muß (sa VwGH 3. März 1950 VwSlgNF 1291 A; VwGH 3. Juli 1951 VwSlgNF 2174 A; VwGH 1. Dezember 1955 VwSlgNF 3904 A; VwGH 25. Juni 1968 VwSlgNF 7376 A ua). Bei der Frist für den Antag auf Weitergewährung einer befristeten Witwenpension handelt es sich um eine Frist des materiellen Sozialversicherungsrechtes. Wird dieser Antrag nicht bis zum Ablauf der Frist gestellt, kann die Witwenpension nicht für die weitere Dauer der Invalidität zuerkannt werden (vgl. 30. Juni 1993 SSV-NF 7/64 zu § 32 Abs 3 B-KUVG).
Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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