OGH 8ObA224/94

OGH8ObA224/9417.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt Retzer und Dr. Richard Warnung als weitere Richter in der Arbeits‑ und Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. F.M. Z*****, ***** 2. "D*****" *****, 3. "f*****" *****, 4. "f*****" *****, und 5. K*****, ***** sämtliche vertreten durch Dr. Georg Schima und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "Zentralbetriebsrat im Unternehmen f*****" (so die Eigenbezeichnung) zu Handen des Vorsitzenden F***** F*****, c/o D*****, ***** vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt‑Dörring, Rechtsanwältinnen in Wien, wegen Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Anfechtung einer Zentralbetriebsratswahl (Streitwert für RATG S 1,000.000), infolge Revision der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. November 1993, GZ 5 Ra 210/93‑14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 17. Juni 1993, GZ 34 Cga 5/93m‑10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Revisionsbeantwortungen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien sind rechtlich selbständige Gesellschaften (Personen‑ bzw. Kapitalgesellschaften), die zur sogenannten "Z*****‑Unternehmensgruppe" gehören. Gegenstand des von ihnen betriebenen Unternehmens ist im wesentlichen der Lebensmittelhandel in Märkten bzw. Großmärkten unter der Geschäftsbezeichnung "f*****" bzw. unter der "früher verwendeten" Geschäftsbezeichnung "D*****". Die "f*****" Handelsgesellschaft AG betreibt anders als die anderen klagenden Parteien keinen Lebensmittelmarkt oder Großmarkt, sondern führt das Großhandelslager in W***** sowie in D*****.

Bis zum 1. März 1993 war Dkfm. M***** Z***** Eigentümer der Lebensmittelhandelsunternehmensgruppe. Am 1. März 1993 übernahm die Schweizerische M***** Genossenschaft die aus den klagenden Parteien bestehende f*****‑Gruppe zu 100 %.

Die klagenden Parteien verfolgen einen einheitlichen kaufmännisch‑wirtschaftlichen Zweck, nämlich den Lebensmittelhandel und stehen im wesentlichen unter einer einheitlichen kaufmännisch‑wirtschaftlichen Leitung. Das Führungspersonal der gesamten Gruppe ist überwiegend bei der erstklagenden Partei angestellt.

Im Jahre 1975 wurde der erste f*****‑Verbrauchermarkt in D***** eröffnet, im Jahre 1991 waren es bereits 100 Märkte mit Standorten in allen neun Bundesländern Österreichs. Die neu errichteten bzw. erworbenen Märkte wurden jeweils in der Rechtsform einer eigenen Gesellschaft organisiert. Dies geschah primär aus steuerlichen Zwecken bzw. aus Gründen der Kapitalaufbringung. Die Organisation der Unternehmensgruppe erfolgt durch klare Strukturen und Bereichszuständigkeiten. An der Spitze der Hierarchie standen bis zur Übernahme durch M***** Dkfm. M***** Z***** und Geschäftsführer Mag. J***** S*****. Den verschiedenen Bereichen ist jeweils ein Bereichsleiter zugeordnet:

Vertrieb‑Prokurist F***** G*****

Fleisch‑Prokurist J***** P*****

Marketing/Einkauf‑Prokurist H***** M*****

Organisation/Logistik‑Revision‑Prokurist Mag. J***** M*****

Recht/Expansion‑Prokurist Mag. E***** G*****

Personal‑Prokurist R***** G*****

Buchhaltung‑Prokurist A***** F*****

Finanzen‑Prokurist N***** B*****

EDV‑Prokurist N***** R*****

Controlling - W***** G*****.

Steuerlich bestehen bei den klagenden Parteien keine Organschaften, sondern lediglich zwei Unternehmereinheiten in bezug auf die Umsatzsteuer. In diesen Unternehmereinheiten sind insgesamt 11 Firmen erfaßt, wobei die (ursprünglich) dritt‑, sechst‑, siebent‑ und achtklagende Partei der Gruppe 1 und die fünftklagende Partei der Gruppe 2 angehören. Weitere 35 Firmen der gesamten Unternehmensgruppe f***** sind auch umsatzsteuerlich getrennt erfaßt.

Für den Vertrieb ist Prokurist F***** G***** zuständig. Sämtliche Lebensmittelmärkte werden von den Großlagern in W***** und D***** aus mit einer eigenen 38‑Tonnen‑LKW‑Flotte, zum Teil mit Kühlaggregaten ausgestattet, beliefert. Das Trockensortiment wird dreimal wöchentlich zugestellt, Aktionsware zusätzlich einmal. Wurst und Käse wird viermal wöchentlich ausgeliefert, Obst und Gemüse in die kleineren Märkte fünfmal, in die f*****‑Großmärkte sechsmal wöchentlich. 60 % der Ware war über die Zentrale bezogen, 40 % über Direktbezug. Die Bestellungen erfolgen durch die zuständigen Marktleiter.

Dem für den Vertrieb zuständigen Bereichsleiter F***** G***** sind drei Verkaufsleiter, zuständig für die Region West, die Region Ost und für die Großmärkte unterstellt. Diesen Verkaufsleitern sind jeweils 10 Gebietsverkaufsleiter zugeteilt, welche die Aufgabe haben, die "Filialen" bzw. "Märkte" zu betreuen, denen wiederum jeweils ein Marktleiter vorsteht.

Auch der Einkauf erfolgt zentral und ist gegliedert in die Bereiche Frischwaren, "Non‑Food" und Trockensortimente. Jedem dieser Bereiche ist wiederum ein Abteilungsleiter zugeordnet, welche ihren Arbeitsplatz in der Zentrale in D***** haben. Den Abteilungsleitern untergeordnet sind die Sortimentmanagementleiter. Die Einkaufspreise werden durch Prokuristen H***** M***** - Angestellter der viertklagenden Partei ‑ ausgehandelt. Die Ware wird in der Folge entweder an die Zentrallager oder im Falle einer Direktbestellung durch den Marktleiter direkt dem Markt zugestellt. Auch im zuletzt beschriebenen Fall erfolgt der Warenbezug zu den vom Prokuristen M***** ausgehandelten Preisen. Beim Direktbezug hat der Marktleiter aber noch die Möglichkeit, bessere Konditionen auszuhandeln.

Für die Lieferung vom Zentrallager an die einzelnen Märkte werden keine Transportkosten in Rechnung gestellt. Diese Kosten sind Teil der Zentralkosten, die von den einzelnen Märkten in einem Schlüssel, der im wesentlichen vom Umsatz abhängig ist, getragen werden. In diesen "Zentralkosten" sind insbesondere auch die Verwaltungskosten der Zentrale enthalten, soferne sie Verwaltungsaufgaben für die Märkte leistet.

Auch die Preisgestaltung erfolgt zentral. Die Marktleiter haben lediglich die Möglichkeit, Aktionspreise auf ein bestimmtes Produkt zu geben.

Die Verwaltung der Finanzmittel erfolgt gleichfalls zentral in D*****. Zuständig dafür ist Prokurist A***** F*****, Angestellter der erstklagenden Partei, die die Verwaltung der gesamten Unternehmensgruppe innehat. Die fünftklagende Partei betreibt die f*****‑Märkte in Vorarlberg, ca. 20 an der Zahl.

Die Tageslosungen der einzelnen Lebensmittelmärkte werden von diesen auf ein Konto einbezahlt, das auf den Namen der betreffenden Gesellschaft lautet, die den Markt betreibt. Verfügungsberechtigt über diese Konten ist die erstklagende Partei. Bei ihr gehen auch die Rechnungen der diversen Märkte ein. Von dort werden sie bezahlt. Der einzelne Marktleiter hat keine Verfügungsberechtigung über diese Konten und hätte somit auch nicht die Möglichkeit, das Geld anderweitig anzulegen. Er kann lediglich über das Wechselgeld disponieren. Für jeden Markt wird eine eigene Bilanz erstellt.

Die Personaleinstellung erfolgt im sogenannten "4‑Augen‑Prinzip". Wird in einem Markt ein neuer Mitarbeiter eingestellt, so unterbreitet der Marktleiter seinem Vorgesetzten einen entsprechenden Vorschlag, der in der Regel seine Zustimmung findet. Die Inserateneinschaltung erfolgt von der Zentrale in D***** aus. Wird zum Beispiel ein Verkaufsleiter eingestellt, so hat in Anwendung des "4‑Augen‑Prinzips" der Prokurist F***** G***** als Leiter der Abteilung Vertrieb dies der Geschäftsleitung zur Kenntnis zu bringen, welche wiederum ein Vetorecht hätte.

Prokurist R***** G***** ist ebenfalls Angestellter der erstklagenden Partei. Er ist zuständig für die Personaladministration im Bereich der gesamten Z*****gruppe in ganz Österreich, somit auch für alle klagenden Parteien. Ob Prokurist G***** Personalhoheit über die Mitarbeiter in den verschiedenen Märkten bzw. deren Leiter hat, kann nicht festgestellt werden. In schwierigen Personalfragen, insbesondere bei Auftreten von arbeitsrechtlichen Problemen, erfolgt seitens der Marktleiter in Personalangelegenheiten eine Rücksprache mit dem Prokuristen G***** in der Zentrale in D*****.

Die Lohnverrechnung für alle Mitarbeiter der Z*****gruppe wird ebenfalls zentral in der Abteilung des Prokuristen G***** durchgeführt. Auch in der Gehaltsstruktur wird weitgehend ein Gleichklang österreichweit angestrebt.

Für Investitionsvorhaben ist die Kompetenz genau festgelegt. Über Investitionen bis zu einem Betrag von S 5.000,‑- kann der betreffende Marktleiter entscheiden, bis zu S 20.000,‑- der Gebietsleiter und bis zu S 50.000,‑- der Verkaufsleiter. Über alle darüber hinausgehenden Investitionen wird von der Zentrale aus entschieden. Die Betriebsratsumlage in jenen Märkten, in denen Betriebsräte eingerichtet sind, wird von der Zentrale aus durch Prokurist R***** G***** einbezahlt.

Mag. J***** M***** ist im Bereich der zentralen Verwaltung zuständig für Organisation, Revision und Logistik. Stichprobenartig führt er Kontrollen in den einzelnen Märkten durch. Die Überprüfungen erfolgen in den Bereichen Gesundheitsuntersuchungen, Ablaufdaten, Zeiterfassung (Stempelkarten), Kassaführung und Abrechnung.

Im Frühjahr 1992 wurde bei den klagenden Parteien das sogenannte MCS (Märkte‑Communication‑System) eingeführt. Die Kommunikation zwischen "Filialen und Zentrale" geschieht nunmehr papierlos. Die Verwaltungsarbeit in den Märkten soll dadurch auf ein Minimum reduziert werden. Das Artikelsortiment ist elektronisch gespeichert, die Versorgung mit aktuellen Daten erfolgt zentral über eine Datenfernübertragung aus der Zentrale, beispielsweise ob Artikel oder Preise geändert werden müssen.

Auch die Bewerbung des Lebensmittelhandels erfolgt durch ein einheitliches, in der Zentrale in D***** ausgearbeitetes Konzept unter dem einheitlichen Slogan "f*****, besser billiger" und in einem einheitlichen Erscheinungsbild. Je nach Jahreszeit und Geschäftstyp gibt es aber im einzelnen unterschiedliche Bewerbungen von Artikeln, wobei als Werbeträger entweder das Flugblatt, die Tagespresse oder der Rundfunk dient. Die letzte Entscheidungskompetenz über die Art der Bewerbung liegt beim Prokuristen H***** M*****.

Im Herbst 1991 wurden die Verwaltung und die Logistik der beiden Betriebszweige f***** und D***** zusammengeschlossen, um die "innerbetrieblichen Synergieeffekte zu nützen und durch Erreichung einer idealen Unternehmensgröße die Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt in Blickrichtung EG zu erhöhen".

In diesem Zusammenhang erging an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Aussendung vom 11. September 1991, in welcher ‑ sowie auch in anderen betriebsinternen Schriften, so z.B. der f*****‑Mitarbeiterzeitung - von "unser(em) Unternehmen" die Rede ist. Auf der für den f*****‑Markt in B***** angefertigten Fototasche wird der angeführte Markt mit "f*****" bezeichnet.

Am 31. Dezember 1990 kam es zwischen dem Betriebsrat der D***** Warenhandelsgesellschaft mbH & Co KG, ***** und der "F.M. Z***** GesmbH Personaldienst‑Zentralverwaltung" ‑ letztere vertreten durch Prokuristen R***** G***** - zu einer Betriebsvereinbarung, deren 5. Punkt lautet:

"Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen jeglicher Art bedarf prinzipiell der Zustimmung der Geschäftsleitung (Dkfm. M. Z*****, Hr. A***** F.). Der Hausleiter ist prinzipiell nicht befugt, Betriebsvereinbarungen alleine abzuschließen. Bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarungen bleiben davon unberührt."

Über Initiative von F***** F***** kam es im Juni 1992 zu einer mehrstündigen Zusammenkunft der Betriebsräte von D*****, bei welcher der Grundsatzbeschluß zur Durchführung einer Zentralbetriebsratswahl im Herbst 1992 gefaßt wurde. Das Landessekretariat N***** der Gewerkschaft der Privatangestellten berief mit Schreiben vom 24. September 1992 die Betriebsräte sämtlicher "f*****" bzw. "D*****" zur Vorbereitung der geplanten Wahl zu einer Versammlung am 7. Oktober 1992 in V***** ein. Anfang November 1992 erfolgte in L***** die Wahl des Wahlvorstandes. Gleichzeitig wurde der Termin für die Wahl für den 1. Dezember 1992 in der Zentrale in D***** festgelegt. Eine Bereitschaft seitens der klagenden Parteien zur Unterstützung dieser Zentralbetriebsratswahl war nicht gegeben. Auch war es nicht möglich, von ihnen die für die Größe des Zentralbetriebsrates relevante Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer zu erfahren. Ausgehend von der Aufstellung in der "Mitarbeiterzeitung der F.M. Z*****gruppe Nr. 1", die die Zahl der f*****- bzw. D*****‑Arbeitnehmer bereits im Jahre 1991 mit mehr als 2.500 ausweist, wurde die Zahl der Zentralbetriebsratsmitglieder mit 8 festgelegt.

Die in den Betrieben der erstklagenden und fünftklagenden Parteien tätigen Betriebsräte nahmen schließlich an der Zentralbetriebsratswahl nicht teil.

Die Zahl der Arbeitnehmer jener Gesellschaften, deren Betriebsräte sich an der Wahl des Zentralbetriebsrates beteiligten, betrug im Zeitpunkt der Wahl bzw. am Tag der Wahlausschreibung durch den Wahlvorstand 1.144. In der gesamten, ehemals Dkfm. Z***** gehörenden, Lebensmittelhandelsunternehmensgruppe waren zu diesem Zeitpunkt mehr als 2.500 Arbeitnehmer beschäftigt.

Da aus V***** Sicht kein Interesse an der Durchführung dieser Zentralbetriebsratswahl bestand, schied M***** T***** aus dem Wahlvorstand aus und es wurde die Wahl von D***** nach L***** verlegt. Am 1. Dezember 1992 wurde dort der Zentralbetriebsrat, bestehend aus acht Mitgliedern, gewählt. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1992 wurde das Ergebnis der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Zentralbetriebsrates der Geschäftsleitung zu Handen Mag. J***** S***** mitgeteilt.

Mit der am 4. Jänner 1993 zur Post gegebenen und am 7. Jänner 1993 bei Gericht eingelangten Klage begehren die klagenden Parteien die Feststellung, daß diese Wahl nichtig sei. Hilfsweise fechten sie diese Wahl als unwirksam an. Die klagenden Parteien gehen im wesentlichen davon aus, daß ein Zentralbetriebsrat nur in einem Unternehmen gebildet werden könne. Voraussetzung für das Bestehen eines Unternehmens sei aber eine eigene Rechtspersönlichkeit. In diesem Sinne gebe es kein die f***** bzw. f***** betreibendes Unternehmen, sondern zahlreiche, verschiedene Gesellschaften, die zu einer Unternehmensgruppe zusammengefaßt seien. Die Bildung eines "unternehmensübergreifenden" Zentralbetriebsrates sei dem Gesetz fremd. Dieses kenne auf unternehmensübergreifender Ebene bloß die Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im Konzern als Belegschaftsorgan. Da aufgrund des offenen Firmenbuches die Verifizierung des selbständigen Unternehmens leicht möglich sei, sei die Bildung eines Zentralbetriebsrates im vorliegenden Fall derart willkürlich, daß die Wahl nicht nur anfechtbar, sondern nichtig sei.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein:

Nach der neueren Rechtsprechung könnten auch mehrere Unternehmen gemeinsam einen Betrieb bilden. Der Umstand, daß zwei selbständige juristische Personen als Unternehmen auftreten, schließe nicht unter allen Umständen das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes aus. Insbesondere dann nicht, wenn sich diese Rechtspersonen zur Erreichung eines gemeinsamen Betriebszweckes zusammengeschlossen hätten, wie dies im vorliegenden Fall zutreffe. Dabei sei es nicht erforderlich, daß eine Personengemeinschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gebildet werde. Die Bildung eines Zentralbetriebsrates sei im vorliegenden Fall auch deshalb geboten, da ansonsten durch die gesellschaftliche Verselbständigung der einzelnen Betriebe die Belegschaft gehindert wäre, ihre unternehmensbezogenen Mitwirkungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten ungestört und effektiv auszuüben. Tatsächlich stünden alle Betriebe der klagenden Parteien unter einer zentralen Verwaltung und bildeten eine wirtschaftliche Einheit mit einem wesentlich engeren Zusammenhalt als bei einer bloßen Konzernverflechtung. Daß es den klagenden Parteien darauf angekommen sei, durch rechtliche Verselbständigung der einzelnen Betriebe die wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte der Unternehmensbelegschaft auszuhöhlen, gehe bereits aus der vorliegenden Klage hervor. Eine selbständige unternehmerische Entscheidungsbefugnis sei bei den einzelnen klagenden Parteien nicht gegeben.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt‑ als auch das Eventualbegehren ab. Es vertrat den Standpunkt, die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl liege nur dann vor, wenn über die Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze hinaus die elementarsten Grundsätze einer Wahl im allgemeinen und der Betriebsratswahl im besonderen außer acht gelassen worden seien. Es müsse sich daher um krasse Verstöße handeln, die in ihrem Gewicht und in ihrer Gesamtheit über die Verletzung leitender Grundsätze der Wahl soweit hinausgingen, daß nicht einmal die Merkmale einer Wahl erkennbar seien und die Wahl nur mehr als "Zerrbild" einer solchen bezeichnet werden könne. Die Anfechtungsgründe seien sehr umfassend konzipiert, so daß es der Absicht des Gesetzgebers entspreche, Nichtigkeitsgründe nur mehr auf einen sehr kleinen Bereich einzuschränken. Der Fehler, daß die Wahl ihrer Art nach nicht durchzuführen gewesen wäre, falle demnach nur unter die Anfechtungsgründe im Sinne des õ 59 ArbVG. Parallel dazu könne die Verkennung des Unternehmensbegriffes auch nur als Anfechtungs‑, nicht aber als Nichtigkeitsgrund angesehen werden, so daß das Hauptbegehren nicht berechtigt sei.

Gemäß õ 40 Abs 4 ArbVG sei, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe umfasse, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten und vom Unternehmen zentral verwaltet würden, unter anderem ein Zentralbetriebsrat zu bilden. Voraussetzung für die Wahl und Errichtung eines Zentralbetriebsrates sei demnach das Bestehen mehrerer Betriebe, die zusammen eine wirtschaftliche Einheit bildeten und von einem Unternehmen verwaltet würden. Das von den klagenden Parteien gebildete Konglomerat verschiedener juristischer Personen könne als ein Unternehmen im Sinne des õ 40 Abs 4 ArbVG qualifiziert werden. Dieses Konglomerat verfolge einen einheitlichen kaufmännisch‑wirtschaftlichen Zweck, nämlich den Lebensmittelhandel in Märkten bzw. Großmärkten unter der Geschäftsbezeichnung "f*****" bzw. unter der früher verwendeten Geschäftsbezeichnung "D*****". Es könne auch von einer einheitlich‑kaufmännisch‑wirtschaftlichen Leitung dieses Konglomerates gesprochen werden, sodaß die klagenden Parteien insgesamt als ein Unternehmen zu qualifizieren seien. Die von den einzelnen GesmbH, Aktiengesellschaften und GmbH & Co KG betriebenen Einheiten seien als Betriebe im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes und nicht als rechtlich selbständige Unternehmen anzusehen. Handelsrechtlich betrachtet seien die klagenden Parteien als formal selbständige Einheiten zu beurteilen. Der betriebsverfassungsrechtliche Begriff des Unternehmens sei jedoch mit dem handelsrechtlichen nicht völlig deckungsgleich. Die als formal selbständige Einheiten konstruierten Teile des Konglomerates seien für sich betrachtet weit von der Verfolgung eines eigenständigen kaufmännisch‑wirtschaftlichen Zweckes entfernt, wie er für die Bejahung eines Unternehmens erforderlich wäre. Die kaufmännisch‑wirtschaftliche Leitung des gesamten Konglomerats werde einheitlich von der erstklagenden Partei aus durchgeführt. Die Beziehungen innerhalb des Konglomerates seien sowohl quantitativ als auch qualitativ intensiver, als dies bei einem Zusammenschluß mehrerer selbständiger Unternehmen im Rahmen eines Konzerns der Fall sei. Die klagenden Parteien gingen selbst davon aus, daß die von ihnen betriebenen Unternehmen nicht durch Betriebs‑ bzw. Unternehmensaufspaltungen entstanden seien, sondern vielmehr neu errichtete bzw. erworbene Märkte eben in der Rechtsform einer eigenen Gesellschaft organisiert worden seien. Diese Vorgangsweise sei primär aus steuerlichen Gründen bzw. zur besseren Kapitalaufbringung gewählt worden. Beim betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriff sei aber der kaufmännisch‑wirtschaftliche Zweck entscheidend und damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise naheliegend, sodaß die für die bestehende Aufsplitterung des Konglomerats angeführten Gründe keine Rolle spielten. Gegen die Annahme eines Unternehmens spreche die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1977. Das Erstgericht schließe sich jedoch dieser formalistischen Betrachtungsweise nicht an, da es seiner Ansicht nach für den Unternehmensbegriff des Arbeitsverfassungsgesetzes nicht darauf ankomme, ob auch eine Einheit im Sinne des Handelsrechtes gegeben sei. Die von den klagenden Parteien ins Treffen geführte deutsche Judikatur und Literatur sei nur bedingt aussagekräftig, da es in Deutschland zusätzlich zum Gesamtbetriebsrat auf Unternehmensebene noch auf Konzernebene den Konzernbetriebsrat gebe. In Österreich sei hingegen vorerst nur die Arbeitsgemeinschaft von Betriebsräten auf Konzernebene vorgesehen. Die Unterscheidung zwischen Konzern und Unternehmen habe somit in Deutschland im praktischen Ergebnis wesentlich weniger Bedeutung als derzeit noch in Österreich, da allfällige Mitwirkungsdefizite auf Unternehmensebene auf Konzernebene ausgeglichen werden könnten.

Der einheitliche kaufmännisch‑wirtschaftliche Zweck und die letztlich auch einheitliche kaufmännisch‑wirtschaftliche Leitung der gesamten f*****‑Gruppe lasse es zu, die klagenden Parteien in ihrer Gesamtheit als ein Unternehmen und die von den einzelnen Gesellschaftern betriebenen Einheiten als Betrieb im Sinne des ArbVG zu qualifizieren. Bezeichnend für diese Ansicht sei auch die von Dkfm. M***** Z***** gewählte Diktion, wonach er immer wieder von "unserem Unternehmen" spreche. Aus diesen Gründen sei davon auszugehen, daß die Voraussetzungen für die Wahl eines Zentralbetriebsrates bei den klagenden Parteien zu bejahen seien. Demnach sei auch das Eventualbegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien dahin teilweise Folge, daß es die Zentralbetriebsratswahl im Unternehmen "f*****" für unwirksam erklärte und die Abweisung des Feststellungsbegehrens, diese Wahl sei nichtig, bestätigte. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,‑- übersteige und begründete seine Entscheidung wie folgt:

Bei den von den klagenden Parteien gewählten gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen handle es sich nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht um "Mißbrauchskonstruktionen", um arbeitsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte zu beschneiden oder einzuschränken. Nach õ 40 Abs 4 ArbVG sei, "wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe umfaßt, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden", unter anderem ein Zentralbetriebsrat zu wählen. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei liege hierin keine Definition des Unternehmensbegriffes, vielmehr werde ausschließlich dargelegt, für welche Unternehmen ein Zentralbetriebsrat zu wählen sei. Den klagenden Parteien sei darin zu folgen, daß nach der fast einhelligen Lehre in Österreich als Voraussetzung für ein Unternehmen im Sinne des ArbVG die rechtliche Selbständigkeit verlangt werde. Für diese Ansicht sprächen die vom Berufungsgericht angeführten zahlreichen Belegstellen aus der österreichischen und deutschen Literatur. Die beklagte Partei gehe in ihrer Argumentation davon aus, daß unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Führung eines gemeinsamen Betriebes durch mehrere Unternehmen auch ein Unternehmen bei gleichzeitiger Führung durch mehrere Unternehmer gegeben sei. Da der Betriebsbegriff aber auf die organisatorisch‑technischen Gegebenheiten abstelle, sei diese Übertragung nicht ohne weiteres möglich, es müsse zumindest eine rechtliche Einheit vorliegen. Diese rechtliche Einheit liege aber unabhängig von der wirtschaftlichen und personellen Verflechtung zwischen den klagenden Parteien nicht vor. Eine rechtliche Verflechtung könne noch im vertikalen Bereich zwischen der erstklagenden Partei und den übrigen klagenden Parteien durch die zentrale Verwaltung angenommen werden. Vollkommen fehle aber der rechtliche Zusammenhang im horizontalen Bereich zwischen den übrigen Parteien, mit Ausnahme der erstklagenden Partei. Die enge Verknüpfung durch die Eigentumsverhältnisse und die personelle Verknüpfung seien für die Annahme eines einheitlichen Unternehmens nicht ausreichend. Das Erstgericht gehe davon aus, daß infolge mangelhafter Ausbildung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte im Konzern ein Mitbestimmungsdefizit bestehe, so daß für das vorliegende Firmenkonglomerat die Bestimmungen über den Zentralbetriebsrat anzuwenden seien. Richtig sei, daß nach der für die Beurteilung in diesem Verfahren maßgeblichen Fassung des ArbVG auf Konzernebene gemäß õ 88 a ArbVG nur eine Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte gebildet werden könne. Die Neuregelung der Konzernvertretung trete erst mit 1. Juli 1993 in Kraft (richtig 1. Jänner 1994). Es sei nicht strittig, daß es sich bei der Firmenkonstruktion der klagenden Parteien um einen Konzern handle und zwar in Form eines Unterordnungskonzernes. Das betriebsverfassungsrechtliche Mitwirkungsdefizit dürfe auch nicht durch Analogie behoben werden. Voraussetzung für die Ausfüllung einer festgestellten Gesetzeslücke durch einen Analogieschluß sei, daß eine planwidrige Unvollständigkeit vorliege. Gehe man davon aus, daß es schon seit vielen Jahren ein Anliegen der Arbeitnehmervertretung sei, eine ausreichende Mitbestimmung auch auf Konzernebene zu erreichen, so zeige sich, daß keine planwidrige Lücke des Gesetzes vorliege, sondern eine für die Gesetzwerdung erforderliche politische Willensbildung nicht möglich gewesen sei. Das vom Erstgericht festgestellte "Mitwirkungsdefizit" könne daher nicht durch analoge Anwendung der Bestimmungen über den Zentralbetriebsrat behoben werden. Mangels Vorliegens eines Unternehmens sei die Zentralbetriebsratswahl anfechtbar, nicht aber nichtig.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richten sich die Revisionen der klagenden Parteien und des beklagten Zentralbetriebsrates jeweils aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung; die beklagte Partei beantragt, es abzuändern und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, die klagenden Parteien beantragen die Abänderung dahin, daß die Nichtigkeit der Zentralbetriebsratswahl ausgesprochen werde; hilfsweise stellen beide Revisionswerber Aufhebungsanträge.

Rechtliche Beurteilung

Infolge einer Umstrukturierung der vormals Dkfm. M***** Z***** gehörenden Lebensmittelhandels‑Unternehmensgruppe in die Schweizer Genossenschaft M***** - Einbringung von Kommanditanteilen der dritt, sechst‑, siebent‑ und achtklagenden Parteien in die zweitklagende Partei ‑ verminderte sich durch Gesamtrechtsnachfolge die Zahl der klagenden Parteien von bisher acht im Revisionsverfahren auf fünf klagende Parteien. Dieser von ihnen geltend gemachte Sachverhalt wird von der beklagten Partei in ihrer nur auf diese fünf Kläger bezogenen Revisionsbeantwortung nicht bestritten, so daß im Revisionsverfahren von dieser Gesamtrechtsnachfolge auszugehen ist (õ 267 ZPO).

Die klagenden Parteien führen in ihrem Rechtsmittel aus, die Wahl der beklagten Partei sei wegen Fehlens eines rechtlich einheitlichen Unternehmens nichtig; die beklagte Partei hingegen führt aus, für die Zwecke der betrieblichen Mitbestimmung sei ein mehrere Unternehmen (Betriebe) umgreifender Unternehmensbegriff maßgeblich.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtig ist, genügte es, auf die zutreffende Begründung hinzuweisen (õ 48 ASGG). Wegen des zur Stützung der gegensätzlichen Standpunkte jeweils erbrachten Argumentationsaufwandes der Revisionswerber und der erwarteten Beispielswirkungen ist es zweckmäßig, ergänzend zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.

Das Arbeitsverfassungsgesetz kennt in seinem II. Teil, Betriebsverfassung, drei verschiedene Organisationsstrukturen, nämlich den Betrieb, das Unternehmen und den Konzern (vgl. õ 40 ArbVG). Nur der Betrieb ist als entscheidendes Substrat für die Arbeitnehmermitbestimmung durch Betriebsräte näher definiert (õ 34 ArbVG); der Kreis an Betrieben kann durch Gleichstellungen von Arbeitsstätten ausgeweitet werden (õ 35 ArbVG). Der Unternehmensbegriff (õõ 40 Abs 4, 80 ArbVG) ‑ die Unterteilungen in Haupt‑ und Nebenbetriebe (õ 9 Abs 2 ArbVG) bzw. von Betriebsteilen (õõ 62 b, 62 c ArbVG bzw. õ 3 ArbVG) sind hier nicht von Belang ‑ ist auch im Arbeitsverfassungsgesetz nicht selbständig definiert, so daß nur grundsätzlich auf die ihn voraussetzende Bestimmung des õ 1409 ABGB zu verweisen ist (Straube‑Straube, HGB, Rz 25 ff Vor õ 1). Hinsichtlich des Konzernbegriffes wird jewiels (õõ 40 Abs 4 a, 88 a Abs 1 ArbVG) auf die inhaltlich gleichlautenden Begriffsbestimmungen des õ 15 AktienG und des õ 115 GesmbHG verwiesen.

Durch das Bundesgesetz vom 3. Juli 1986, BGBl. Nr. 394, wurde ab 1. Jänner 1987 die Möglichkeit zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften von Betriebsräten in Konzernen eröffnet (Art I Z 9).

Nach dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz ändernden Bundesgesetz, BGBl 460/1993 kann in einem Konzern im Sinne des õ 15 des Aktiengesetzes 1965 oder des õ 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in dem in mehr als einem Unternehmen Betriebsräte bestehen, eine Konzernvertretung ......... errichtet werden (õõ 88 a und 88 b ArbVG, Art I Z 15). Gemäß Art I Z 37 leg cit treten diese Bestimmungen gleichzeitig mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft (õ 171 Abs 4 ArbVG); gemäß Z 50 der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Rechtsvorschriften, die gleichzeitig mit dem "Abkommen über den EWR" in Kraft treten, BGBl.Nr. 917/1993, erfolgte dies mit dem 1. Jänner 1994 (insoweit hat das Berufungsgericht irrig den 1. Juli 1993 angenommen).

Die beklagte Partei wurde am 1. Dezember 1992 als "Zentralbetriebsrat" im Unternehmen "f*****" gewählt. Zu diesem Zeitpunkt konnte in Konzernen (nur) eine Arbeitsgemeinschaft von Betriebsräten gebildet, nicht aber ein Zentralbetriebsrat gewählt werden.

Wenn die beklagte Partei in ihrer Revision versucht darzutun, daß die mehreren klagenden Parteien nach Art eines einheitlichen Unternehmens zusammengefaßt seien, weshalb der Konzern infolge seiner zentralen Leitung ein Unternehmen bilde, so ist dem entgegenzuhalten, daß bei der klaren Unterscheidung im Arbeitsverfassungsgesetz zwischen Unternehmen und Konzern keine Veranlassung besteht, für den Bereich des ArbVG diesen Begriffen einen vom Handels‑ bzw. Gesellschaftsrecht abweichenden Begriffsinhalt zu geben, um die Interessenvertretungsaufgabe des Betriebsrates gemäß õ 39 ArbVG rechtlich durchzusetzen. )Zur Ablehnung eines "Rechtsträgerübergreifenden Unternehmens" im österreichischen Betriebsverfassungsrecht siehe G. Schima, RdW 1994, 81; a M Grießer, Betriebsverfassungsrecht: Unternehmen und Konzern ecolex 1994, 36.)

Es ist der beklagten Partei zuzugeben, daß die Schaffung einer Konzernvertretung einem Anliegen der Arbeitnehmerinteressenvertretung entspricht, das zunächst in bescheidenem Umfang durch die Bildung von Arbeitsgemeinschaften ab 1. Jänner 1987 ermöglicht wurde, während erst ab 1. Jänner 1994 über die Arbeitsgemeinschaft hinausgehend eine mit weitergehenden Befugnissen ausgestattete Konzernvertretung gebildet werden kann.

Es ist nicht Aufgabe des Gerichtes, eine Gesetzesänderung dadurch vorwegzunehmen, daß zur Ermöglichung einer Arbeitnehmerinteressenvertretung die mehreren selbständigen Unternehmen der klagenden Parteien als einheitliches Unternehmen der erstklagenden Partei gedeutet werden; das Berufungsgericht hat schon zutreffend das Vorhandensein einer planwidrigen Lücke als Voraussetzung für eine durch Anwendung der Gesetzesanalogie mögliche Legitimierung der beklagten Partei bezeichnet und diese Anwendung abgelehnt. Einer solchen Rechtsfortbildung hat sich das Gericht zu enthalten, die Forderung nach "sozialer Rechtsanwendung" berechtigt nicht dazu, künftige Gesetzesänderungen vorwegzunehmen oder einen Sozialpartnerkompromiß zu berichtigen (vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre 597 in Ablehnung von Strasser, Juristische Methodologie und soziale Rechtsanwendung DRdA 1987, 85, insbesondere 93).

Ausgehend von der rechtlichen Selbständigkeit der klagenden Parteien bilden diese nicht ein einziges Unternehmen, sondern einen Konzern, in dem bis 1. Jänner 1994 eine Konzernvertretung in Form eines Zentralbetriebsrates nicht geschaffen werden durfte.

Wenn die Interessenvertretung vor dem 1. Jänner 1994 in Form der rechtlich zulässigen Arbeitsgemeinschaft der beklagten Partei unzureichend erscheinen mag, so berechtigt dieses "Mitbestimmungsdefizit" weder zur Annahme eines Rechtsmißbrauches der rechtlichen Gestaltungsmacht der erstklagenden Partei noch zur Ausweitung der Mitwirkungsrechte über den vom Gesetz gezogenen Rahmen hinaus (vgl. dazu WBl 1993, 292 = Infas 1993 A 110 = Ind 2.198).

Den klagenden Parteien, die für die Nichtigkeit der Zentralbetriebsratswahl in einem "Nichtunternehmen" eintreten, ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Errichtung einer Konzernvertretung nur unzureichend geregelt hat (vgl. G. Schima, Ausbau der Belegschaftsvertretung im Konzern durch die ArbVG‑Novelle 1993, RdW 1993, 308, insbesondere 312); für die unzulässige Bildung von Arbeitsgemeinschaften fehlte überhaupt eine solche Regelung, die nunmehr (ab 1. Jänner 1994) für die Konzernvertretung ansatzweise in õ 88 b Abs 5 Z 5 ArbVG enthalten ist.

Die Verkennung oder falsche Anwendung des Betriebsbegriffes ebenso wie die des Unternehmens‑ oder Konzernbegriffes führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der Wahl, sondern nur zu ihrer Anfechtbarkeit (Joost im Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, 915 mwN bei FN 300; ebenso ZAS 1977/4, 27 = Arb. 9.411 = JBl 1976, 218; Arb. 10.273, 10.866; SZ 63/104 = EvBl 1990/160, 782 = RdW 1991, 54 = Ind. 2.014; BAG 24. Jänner 1964 - 1 ABR 14/63 = AP 6 zu õ 3 Betriebsverfassungsgesetz 1952; G. Müller, Zur Anfechtung der Betriebsratswahl, FS Schnorr von Carolsfeld 367, 393 ff; Dusak, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Betriebsratswahlen in Tomandl, Offene Fragen des Betriebsverfassungsrechts, 16, 24 f). Bei der Abgrenzung der konkurrierenden Bestimmungen der õõ 59 und 60 ArbVG, die gemäß õ 81 Abs 5 ArbVG für die beklagte Partei anzuwenden sind, muß darauf Bedacht genommen werden, daß durch die sehr umfassende Konzeption der Anfechtungsgründe, die dazu dienen soll, auch schwerwiegende Verstöße gegen die Bestimmungen über das Wahlverfahren nach Ablauf der Anfechtungsfrist im Interesse der Rechtssicherheit möglichst zu sanieren, für die Geltendmachung der Nichtigkeit nur mehr ein sehr kleiner Bereich verbleibt. Soll die vom Gesetzgeber verfolgte Absicht, durch eine umfassende Regelung der Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl den Bereich der absoluten Nichtigkeit einer solchen Wahl nach Möglichkeit einzuschränken, nicht vereitelt werden, ist bei der Annahme einer rechtsunwirksamen Wahl besondere Vorsicht geboten (Dusak, aaO, 24 f). Nichtigkeit der Wahl liegt vor, wenn ein derart offensichtlicher und grober Verstoß gegen die wesentlichen gesetzlichen Wahlgrundsätze vorliegt, daß selbst der Anschein einer gesetzmäßigen Wahl fehlt. Bei mehreren Verstößen ist eine Gesamtbeurteilung erforderlich. Die Evidenz ist aus der Sicht einer Person zu beurteilen, der die betrieblichen Wahlvorgänge bekannt sind (Joost aaO, 914; G. Müller aaO 394). Demgemäß bildet daher nur eine willkürliche, d.h. grobe Verkennung des Konzernbegriffes (G. Schima, aaO, 313 FN 45 b) einen Nichtigkeitsgrund. Auch beim Begriff der Evidenz läßt sich ein Kernbereich feststellen, innerhalb dessen die Konsensfähigkeit vernünftigerweise nicht in Zweifel gezogen werden kann, anschließend daran ist ein mehr oder weniger großer "Begriffshof" gegeben, bei dem die Evidenz graduell vermindert, d.h. nicht mehr so stark wie im Kernbereich ist.

Die Abgrenzung zwischen einem Konzern, dem die klagenden Parteien angehören, und einem rechtlich einheitlichen Unternehmen ist hier aber, wie die nicht überzeugenden, aber doch erwägenswerten Ausführungen der beklagten Partei zum vermeintlich einheitlichen Unternehmen zeigen, keineswegs so eindeutig, daß sie die Beurteilung als eines offensichtlichen Nichtunternehmens mit der hieraus hervorgehenden Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl der beklagten Partei gestattet.

Die jedenfalls möglichen Unklarheiten über das Konzernverhältnis (vgl. 9 Ob A 120, 121/93) rechtfertigen es somit, daß die Evidenz voraussetzende Nichtigkeitsfolge nicht eintritt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in õ 43 Abs 1 ZPO, õ 58 Abs 1 ASGG begründet.

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