OGH 13Os136/93

OGH13Os136/9316.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag.Herfried W***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Leoben vom 7.Juni 1993, GZ 10 Vr 386/92-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden

1. der dem Schuldspruch zugrunde liegende Teil des Wahrspruches,

2. der Schuldspruch sowie

3. der Straf- und Kostenausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Bezirksgericht Bruck an der Mur verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag.Herfried W***** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen, welche nach Verneinung der aklagekonform gestellten Hauptfrage nach § 3 g VG ihnen gestellte Eventualfrage gemäß § 330 Abs. 2 StPO nur teilweise bejaht hatten, des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er im Zeitraum 1988 bis Ende 1990 in Kapfenberg als AHS-Lehrer des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums Kapfenberg öffentlich im Rahmen des Physik- und Chemieunterrichtes gegen Angehörige einer Rasse und eines Volkes durch die Äußerungen, Juden und Neger hätten keine Lebensberechtigung, er habe nichts gegen Neger, jeder sollte sich einen halten; wenn einem Neger kalt ist, sollte man ihm halt einen brennenden Reifen umhängen; einem Menschen könne nichts Ärgeres passieren, als Neger und Jude zugleich zu sein, Neger könnten auf Grund ihrer Erbanlagen keinen so hohen Intelligenzgrad wie Europäer erreichen, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und verächtlich zu machen gesucht.

Der auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt, soweit sie unter Relevierung des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 die Rechtsbelehrung zur Eventualfrage als unrichtig rügt, Berechtigung zu.

Zutreffend weist nämlich die Beschwerde der Sache nach (auch) darauf hin, daß die Rechtsbelehrung eine ausreichende Darlegung des Vorsatzbegriffes vermissen läßt. Diese begnügt sich vielmehr dazu mit dem Hinweis, daß "nach § 5 StGB zur Begehung der unter Anklage gestellten strafbaren Handlungen laut Hauptfrage I Vorsatz erforderlich sei" und dies "auch bei eine allfälliger Bejahung der Eventualfrage" (nach § 283 Abs 1 und/oder Abs 2 StGB) gelte (S 320 f) und erklärt nach Darstellung des Inhaltes des § 3 g VG unter gleichzeitiger Bezugnahme auf die Eventualfrage, daß "in beiden Fällen zur Tatbildverwirklichung bedingter Vorsatz gemäß § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB" genüge. Eine schriftliche Belehrung über den (unbedingten und bedingten) Vorsatz wurde jedoch nicht erteilt, und zwar auch nicht durch die (an sich ausreichende) Wiedergabe des Gesetzestextes (des § 5 StGB).

Damit leidet aber die Rechtsbelehrung an einer der Unrichtigkeit gleichzusetzenden Unvollständigkeit (12 Os 4/83), die jedenfalls - unabhängig von den möglichen Auswirkungen - den (absoluten) Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 8 StPO verwirklicht. Sie zwingt zur Aufhebung des (angefochtenen) Teiles des Wahrspruches der Geschworenen und des darauf beruhenden Schuldspruches sowie zur Anordnung der Verfahrenserneuerung in diesem Umfang vor dem zuständigen Gericht.

Im Hinblick darauf, daß im erneuerten Verfahren die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der Entscheidung mit zugrunde zu legen sind (§ 349 Abs. 2 StPO) ist nur mehr über das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Vergehens nach § 283 Abs 2 StGB abzusprechen. Nach der hiefür angedrohten Sanktion (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) war die Sache gemäß §§ 288 a, 344 StPO an das nunmehr zuständige Bezirksgericht Bruck an der Mur zu verweisen (§ 9 Abs 1 StPO nF iVm StrÄG 1993, BGBl 1993/526, Art IV Abs 8).

Nur der Vollständigkeit halber sei beigefügt:

Verfehlt ist die Instruktionsrüge (Z 8), soweit sie eine unrichtige Rechtsbelehrung über den Begriff der Öffentlichkeit behauptet. Der Beschwerdeauffassung zuwider ist nämlich eine Wiederholung der bereits bei Erläuterung des Tatbildes des Abs 1 des § 283 StGB rechtsrichtig dargestellten Ausführungen zum Merkmal der Öffentlichkeit bei der Erörterung des - ebenfalls nur öffentlich begehbaren - Tatbildes nach dem Abs 2 dieser Gesetzesstelle nicht mehr erforderlich.

Die unter dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO gerügte sprachliche Ungenauigkeit der Formulierung der Eventualfrage ("... schuldig .... beschimpft oder verächtlich zu machen versuchte" statt richtig versucht zu haben) stellt schon auf Grund ihrer Offenkundigkeit den Bedeutungsinhalt der Frage nicht in Zweifel und konnte demnach eine Beirrung der Geschworenen von vornherein nicht bewirken.

Im Unrecht befindet sich die Beschwerde auch, soweit sie sich gegen die verkürzte Form der Eventualfrage wendet, weil diese neben der Wiedergabe des wesentlichen Gesetzeswortlautes des § 283 StGB ohnehin zur Tatbeschreibung auf die in der Hauptfrage wiedergegebene Darstellungen ausdrücklich Bezug nimmt.

Mit seinen übrigen Einwendungen ist schließlich der Beschwerdeführer ebenso wie mit seiner Berufung, mit dieser auch die Staatsanwaltschaft, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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