Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Dem Kostenrekurs der beklagten Partei gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichtes wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei hat die Kosten dieses Kostenrekurses selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.488,-- (darin S 1.414,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungs- und die mit S 11.094,-- (darin S 849,-- Umsatzsteuer und S 6.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloß mit der Beklagten für die Zeit vom 1.1.1985 bis 1.1.1995 einen Privatvollschutz-Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Kraftfahrrisiko ab. Der Leistungsumfang umfaßte Schadenersatz-Strafrechtsschutz für den Privat- und Berufsbereich, Arbeitsgerichts-, Sozialversicherungs-, Beratungs-, allgemeinen Vertrags- und Lenkerrechtsschutz zu Wasser, zu Lande und in der Luft sowie Fahrzeugrechtsschutz. Eine freie Anwaltswahl wurde nicht vereinbart.
Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Wels vom 8.8.1986 wurde die Ehegattin des Klägers Ernestine Sch***** 1. des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs.1 und 2 StGB, und 2. des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs.1 Z 2 StGB und der Kläger des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs.1 und 2 StGB als Beteiligter nach § 12 StGB 3.Alternative angeklagt. Ernestine Sch***** wurde vorgeworfen, sie habe in der Zeit vom 11.4.1985 bis 18.7.1985 als Inhaberin der nicht protokollierten Firma L***** vorsätzlich einen Bestandteil ihres Vermögens dadurch beiseitegeschafft, daß sie in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit ein Privatdarlehen im Betrag von S 70.000,-- abdeckte, Privatentnahmen im Betrag von S 103.648,80 durchführte und an den Kläger überhöhte Spesen auszahlte, und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen, insbesondere des Rudolf G*****, vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch ihre Tat einen S 100.000,-- übersteigenden Schaden herbeigeführt habe. Dem Kläger wurde vorgeworfen, er habe als leitender Angestellter dadurch zur Ausführung der von Ernestine Sch***** begangenen strafbaren Handlungen beigetragen, daß er im Einvernehmen mit ihr die zu 1. genannten Zahlungen und Entnahmen tätigte und für sich und Ernestine Sch***** verwendete, sowie die genannten Spesen geltend machte und deren Abdeckung in Anspruch nahm. Ernestine Sch***** wurde des weiteren vorgeworfen, sie habe in der Zeit von Mitte April 1958 bis 16. Juli 1985 als Schuldnerin mehrerer Gläubiger in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen dadurch vereitelt oder geschmälert, daß sie Schulden bezahlt und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragt habe. In der Hauptverhandlung vom 4.12.1987 wurde die Anklage gegen die Gattin des Klägers dahingehend modifiziert, daß der erhobene Vorwurf der betrügerischen Krida auch durch Abdeckung eines Privatdarlehens im Betrag von S 70.000,-- zurückgezogen, die Anklage aber wie folgt ausgedehnt wurde:
Ernestine Sch***** habe in der Zeit vom 1.1.1981 bis spätestens Dezember 1984 fahrlässig als Schuldnerin mehrerer Gläubiger ihre Zahlungsunfähigkeit insbesondere dadurch herbeigeführt, daß sie das in der schriftlichen Anklage angeführte Unternehmen ohne ausreichendes Eigenkapital gründete und fortführte, zu hohe Privatentnahmen und überhöhte Personalaufwände tätigte, unverhältnismäßig Kredit benützte sowie den Kläger unzureichend überwachte und dessen Geldgebarung nicht ausreichend kontrollierte; der Kläger habe als leitender Angestellter in der Zeit vom 25.6.1983 bis spätestens Ende Dezember 1984 und von Mitte April 1985 bis 16.7.1985 dadurch zur Ausführung der von Ernestine Sch***** begangenen Tathandlung nach § 159 Abs.1 Z 1 und 2 StGB beigetragen, daß er im Einverständnis mit Ernestine Sch***** zu hohe Privatentnahmen tätigte, überhöhte Gehälter und Spesen in Anspruch nahm und in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit betriebliche Schulden bezahlte. In der Hauptverhandlung am 2.12.1988 wurde der Kläger überdies des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und 2,
2. Fall StGB, mit dem Vorwurf angeklagt, er habe in der Zeit vom 11.4.1985 bis 18.7.1985 ein Gut, welches ihm anvertraut worden war, nämlich den von der Firma A***** aus dem Verkauf von Lederhosen an die Firma Sch***** geleisteten und von der Firma Sch***** anläßlich der mit Rudolf G***** getroffenen Vereinbarungen an diesen abzuführenden Betrag von S 564.000,-- sich dadurch mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, da er diesen Betrag widmungswidrig nicht an Rudolf G***** abführte, sondern zur Deckung anderer Verbindlichkeiten verwendete. In der Hauptverhandlung vom 2.4.1992 wurde die Anklage gegen den Kläger und Ernestine Sch***** hinsichtlich des Vorwurfs der betrügerischen Krida auf eine Schadenssumme von S 300.000,-- ausgedehnt. In der Hauptverhandlung vom 2.4.1992 wurde der Kläger von der wider ihn erhobenen Anklage (zur Gänze) freigesprochen. Dieses Urteil war bei Schluß der Verhandlung erster Instanz rechtskräftig.
Der Kläger begehrt mit seiner am 27.7.1992 eingebrachten Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von S 100.000,--. Die Beklagte schulde aus dem mit ihr abgeschlossenen Rechtsschutzvertrag Deckung für die Verteidigerkosten im Strafverfahren, weil der Kläger vom Vorwurf der betrügerischen Krida freigesprochen worden sei.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, die Verteidigungskosten aus dem Strafverfahren seien deshalb nicht von der bestehenden Privatrechtsschutzversicherung umfaßt, weil das Strafverfahren Ereignisse "im Betrieb, Gewerbe oder Beruf" des Klägers betreffe, für welches Schadensereignis bedingungsgemäß keine Rechtsschutzdeckung bestehe. Außerdem bestehe unabhängig vom Ausgang des Verfahrens kein Versicherungsschutz für Delikte, die nur vorsätzlich begangen werden können, wie hier die betrügerische Krida und die Veruntreuung. Auch nachträglicher Versicherungsschutz sei nicht gegeben, weil weder der betrügerischen Krida noch der Veruntreuung ein korrespondierendes Fahrlässigkeitsdelikt gegenüberstehe. Das Delikt der betrügerischen Krida nach § 156 StGB sei nicht tatbildident mit dem Delikt der fahrlässigen Krida nach § 159 StGB. Darüber hinaus sei ein allfälliger Deckungsanspruch des Klägers wegen verspäteter Schadensmeldung verjährt, weil der Kläger erst mit anwaltlichem Schreiben vom 12.2.1992 eine Schadensmeldung vom 11.2.1992 vorgelegt habe. Allfällige mündliche Vorsprachen bei der Beklagten seien unwirksam, da Art.16 ARB 1965/82 eine schriftliche Schadensanzeige vorschreibe. Letztlich sei auch deshalb kein Versicherungsschutz gegeben, weil sich der Kläger entgegen Art.4 ARB 1965/82 nicht eines vom Versicherer beauftragten Rechtsanwaltes bedient habe.
Der Kläger entgegnete, der mit der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag umfasse sowohl Privatrechtsschutz als auch Berufs- und Betriebsrechtsschutz. Im Strafverfahren sei das Kridadelikt im Vordergrund, der Vorwurf der Veruntreuung im Hintergrund gestanden. Krida könne sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden. Unmittelbar nach Einleitung des Strafverfahrens habe sich der Kläger an die ***** Geschäftsstelle der Beklagten gewandt und um Aufnahme einer Schadensanzeige ersucht. Dies sei ihm mit der Begründung verweigert worden, daß kein Versicherungsschutz bestehe. Der Einwand der Verjährung sowie der Vorwurf, der Kläger habe eine schriftliche Schadensanzeige unterlassen, seien daher sittenwidrig und gegen Treu und Glauben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß keine Deckung bestehe, weil der Kläger einerseits wegen eines Vorsatzdeliktes angeklagt worden sei und andererseits die inkriminierten Straftaten bei Führung des Geschäftes seiner Gattin begangen worden seien und letztlich, weil sich der Kläger eines selbst gewählten Verteidigers bedient habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Der Versicherungsschutz in der Privatrechtsschutzversicherung umfasse auch die Verteidigung gegen die Anklage von Delikten, die sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden könnten. Das Verbrechen der betrügerischen Krida sei, soweit es das Tatbild allein betreffe, ident mit dem der fahrlässigen Krida, es unterscheide sich von letzterem nur durch die Absicht des Täters, die Gläubiger zu schädigen. Da das Kridadelikt sohin auch fahrlässig begangen werden könne, stünde dem Kläger hinsichtlich des wider ihn erhobenen Vorwurfes der Beihilfe zur betrügerischen Krida und der fahrlässigen Krida, von dem er letztlich freigesprochen worden sei, rückwirkender Versicherungsschutz zu. Dieser ende allerdings mit der Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung vom 2.12.1988 auf das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und 2 StGB, weil letzteres Delikt nur vorsätzlich begangen werden könne. Ab diesem Zeitpunkt stünde nur mehr ein Anspruch auf anteilige Deckung zu. Beim Ausschluß von Versicherungsschutz wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen handle es sich um einen sogenannten sekundären Risikoausschluß. Bei der Vereinbarung des rückwirkenden Versicherungsschutzes, wonach Deckung auch dann bestehe, wenn eine Einstellung des Verfahrens, ein rechtskräftiger Freispruch oder eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes erfolge und der Versicherungsnehmer wegen der vorsätzlichen Begehung eines Deliktes angeklagt werde, das auch fahrlässig begangen werden könne, handle es sich um einen sekundären Risikoeinschluß. Daß dieser sekundäre Risikoeinschluß auch jenen Fall umfasse, in dem rückwirkend zumindest anteilig Versicherungsschutz zu gewähren sei, wenn dem Versicherungsnehmer ein Delikt, das nur vorsätzlich begangen werden könne, oder ein Delikt, das sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden könne, vorgeworfen wurde und hinsichtlich dessen ein rechtskräftiger Freispruch bzw. eine rechtskräftige Verurteilung wegen Fahrlässigkeit erfolgt sei, hätte der Kläger beweisen müssen, zumal der Versicherungsnehmer die Verwirklichung des sekundären Risikoeinschlusses zu beweisen habe. Sollte daher dem vom Beklagten erhobenen Einwand der Verjährung, der Versicherungsschutz entfalle deshalb, weil der Kläger sich eines Anwaltes seiner Wahl bedient habe bzw. dem Einwand, der Kläger habe seiner Aufklärungspflicht nicht entsprochen, keine Berechtigung zukommen, dann hätte der Kläger jedenfalls Anspruch auf rückwirkenden Versicherungsschutz für jenen Teil des Strafverfahrens, in welchem er noch nicht wegen des Verbrechens der Veruntreuung angeklagt worden sei. Was den Vorwurf betreffe, der Kläger habe sich bei seiner Verteidigung nicht eines vom Versicherer beauftragten Rechtsanwaltes bedient, handle es sich bei dieser Bestimmung um eine (versteckte) Obliegenheit des Versicherungsnehmers. Bei grob fahrlässiger Verletzung dieser Obliegenheit bleibe der Versicherer insoweit zur Leistung verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegende Leistung gehabt habe. Der Kläger habe vorgebracht, er habe unmittelbar nach Einleitung des Strafverfahrens Verbindung mit der ***** Geschäftsstelle der Beklagten aufgenommen und um Aufnahme der Schadensanzeige ersucht. Dies sei ihm mit der Begründung verweigert worden, daß kein Versicherungsschutz bestehe. Mit dieser Behauptung sei der Kläger auch der ihm vorgeworfenen Obliegenheitsverletzung, er habe nicht unverzüglich eine Schadensmeldung erstattet und auch gegen das Schriftlichkeitsgebot des Art.16 ARB verstoßen, entgegengetreten. Hiezu habe das Erstgericht eine Feststellung getroffen, die in keinem Bezug zu den Beweisergebnissen stünde. Unbeachtlich sei der Vorwurf, solche Delikte stünden im Zusammenhang mit der Berufsausübung, da in der Privatrechtsschutzversicherung alle Tätigkeiten des Versicherten, die mit dem Beruf oder Betrieb direkt zusammenhingen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten, mitversichert seien. Dabei sei unmaßgeblich, daß der Kläger als leitender Angestellter im Betrieb seiner Gattin am Unternehmerrisiko teilnahm bzw. an den Straftaten seiner Gattin beteiligt war. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn zu erweitern haben. Keinesfalls sei der Anspruch des Klägers verjährt, zumal gemäß § 12 Abs.1 VersVG für den Beginn der zweijährigen Verjährungszeit der Schluß des Jahres maßgebend ist, in dem die Leistung verlangt werden könne. Die Verjährung setze sohin voraus, daß der Versicherungsanspruch fällig sei, d.h. daß der Berechtigte die Leistung des Versicherers einzufordern vermag. Da dem Kläger jedenfalls nur ein rückwirkender Versicherungsschutz zustehen könne und der Kläger erst in der Hauptverhandlung vom 2.4.1992 von dem wider ihn erhobenen Vorwurf der betrügerischen Krida freigesprochen worden sei und der Kläger vor Rechtskraft des Freispruches keinen Anspruch auf rückwirkenden Versicherungsschutz erfolgreich gegen die Beklagte geltend machen konnte, könne der Anspruch des Klägers nicht verjährt sein, zumal die Klage am 27.7.1992 eingebracht worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt.
Die Beurteilung der Frage, ob unternehmerische Tätigkeiten (im vorliegenden Fall Fehlentscheidungen, die zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Klägers führten) vom Privatvollschutz-Rechtsschutzversicherungsvertrag mitumfaßt sind - laut Polizze Beilage 1 wurde dem Kläger aufgrund der ARB 1965/82 (deren Inhalt zwar nicht ausdrücklich festgestellt wurde, von denen aber die Vorinstanzen und die Parteien ausgehen) im Rahmen des Privatvollschutzes auch Strafrechtsschutz im Privat- und Berufsbereich ... zugesagt - kann im vorliegenden Fall ebenso wie die Frage der vom Kläger nicht verfaßten schriftlichen Schadensmeldung dahingestellt bleiben, weil das dem Kläger von der Anklagebehörde zur Last gelegte Delikt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zu jenen zählt, bei denen der Versicherer Deckung zu gewähren hat.
Nach Artikel 1 Abs 1 lit b der ARB 1965/82 gewährt der Versicherer Versicherungsschutz bei der Verteidigung in einem Strafverfahren, das entweder von einem Gericht oder von einer Verwaltungsbehörde (Polizei) wegen fahrlässiger, nicht aber vorsätzlicher strafbarer Handlungen oder Unterlassungen (Delikte) eingeleitet wurde; bei Delikten, die sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden können, wird im Falle der Anklage wegen Vorsatzes rückwirkend Versicherungsschutz gegeben, wenn eine Einstellung des Verfahrens, ein rechtskräftiger Freispruch oder eine rechtskräftige Verurteilung wegen Fahrlässigkeit erfolgt. Kein Versicherungsschutz dagegen besteht in jedem Falle der Verurteilung wegen Vorsatzes und unabhängig vom Ausgang des Verfahrens bei Delikten, die nur vorsätzlich begangen werden können und bei Verbrechen gegen das Leben.
Der Kläger war ursprünglich der Beihilfe zur betrügerischen Krida nach § 156 StGB, dann aber auch wegen fahrlässiger Krida nach § 159 StGB, all dies wegen desselben Tatbestandes und letztlich wegen eines neu dazugekommenen Tatbestandes auch wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 StGB angeklagt.
Nach herrschender Lehre stellt § 159 StGB nicht die fahrlässige Begehungsform des Vorsatzdeliktes nach § 156 StGB dar (vgl. Leukauf-Steininger § 156 StGB Rz 20; Kienapfel, Strafrecht BT2 § 156 Rz 6; Liebscher in Wiener Kommentar § 159 StGB Rz 1); nur der Deliktsfall nach § 159 Abs.1 Z 2 StGB stellt nach Ansicht eines Teiles dieser Kommentatoren in einem Teilbereich das fahrlässige Pendant zur "betrügerischen Krida" (und zur Begünstigung eines Gläubigers) dar (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 159 Rz 27; Kienapfel aaO § 159 Rz 38). Eine abschließende Stellungnahme zu diser strafrechtlichen Frage erübrigt sich aber. Die eingangs zitierten ARB sehen Versicherungsschutz unter den dort genannten Voraussetzungen nur dann vor, wenn das zur Last gelegte Delikt sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann, also volle Tatbestandsidentität besteht (vgl. Prölss/Martin VVG25 § 4 ARB Anm.18). Diese Auffassung teilen auch Harbauer (Rechtsschutzversicherung5 § 4 Abs.3a Rz 182 f) und Böhme (Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung9 § 4 Rz 60). Bei einer nur teilweise möglichen Tatbestandsidentität der dem Kläger von der Anklagebehörde vorgeworfenen Delikte ist sohin kein Versicherungsschutz zu gewähren.
Zwar wird die Ansicht vertreten, es sei bei Vorwurf sowohl vorsätzlich, als auch fahrlässig begehbarer Straftaten nach Gewicht und Bedeutung der verschiedenen Vorwürfe im Gesamtzusammenhang zu "quotieren", Deckung also nur anteilig zu gewähren (Prölss/Martin aaO
am Ende; Böhme aaO am Ende; Harbauer aaO Rz 179); der Kläger spricht (zumindest) eine derartige Versicherungsdeckung in der Rekursbeantwortung (wie bereits in seiner Berufung) an. Eine Trennung des Verfahrensaufwandes erscheint im vorliegenden Fall jedoch nicht geboten, weil der Kläger zunächst allein wegen eines nur vorsätzlich begehbaren Delikts (betrügerische Krida) angeklagt war, wobei diese Anklage in der Folge wegen eines weiteren derartigen Delikts (Veruntreuung) ausgedehnt wurde, sodaß die gleichfalls später erfolgte Anklageausdehnung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts (fahrlässige Krida) im Hinblick auf das Gewicht und die Bedeutung des Vorwurfs vorsätzlich begehbarer Delikte und den Zusammenhang des Fahrlässigkeitsdelikts mit diesen nicht entscheidend ins Gewicht fällt.
Wollte man aber eine Quotierung entsprechend dem Verfahrensaufwand doch als angezeigt ansehen, scheiterte ein Erfolg des Klägers daran, daß er nach der von ihm behaupteten mündlichen Ablehnung des Versicherungsschutzes durch die Geschäftsstelle der beklagten Partei nach der (behaupteten) mündlichen Anzeige der Einleitung des Strafverfahrens gegen ihn wegen des vorsätzlichen Delikts der Beihilfe zur betrügerischen Krida - die nach den vorstehenden Ausführungen vollkommen zu Recht erfolgt wäre - keine Anzeige erstattete, als die Anklageausdehnung hinsichtlich des Fahrlässigkeitsdelikts nach § 159 StGB erfolgte. Da sich der Kläger seiner Pflichten als Versicherungsnehmer entsprechend dem Art.6 der ARB, wie aus der von ihm behaupteten Anzeige unmittelbar nach Einleitung des Strafverfahrens hervorgeht, durchaus bewußt war, ist ihm diese Unterlassung zumindest als eine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen (Prölss-Martin aaO 1737); ein Einfluß dieser Obliegenheitsverletzung auf den Umfang der Leistung des Versicherers kann im Zweifel nicht verneint werden (vgl. Prölss-Martin aaO 1738 f und Harbauer aaO 394). Darüber hinaus aber wäre die Leistung aus dem Versicherungsvertrag insoweit gemäß § 12 Abs.1 VersVG - die Anklageausdehnung erfolgte am 4.12.1987 - längst verjährt; durch ein Unterlassen oder Hinausschieben der Anzeige kann der Beginn der Verjährung nicht hinausgeschoben werden (Prölss-Martin aaO 161; vgl. auch Bruck-Möller VersVG8 259 ff und Harbauer aaO 383). Dem Rekurs der beklagten Partei war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Der vorbereitende Schriftsatz der Beklagten vom 5.11.1992 war zwar zulässig, diente aber nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Darin wird der der beklagten Partei schon bei Erstattung der Klagebeantwortung bekannte Strafakt detaillierter wiedergegeben. Daß das Strafverfahren Hauptgegenstand des durchzuführenden Beweisverfahrens sein wird, war aber schon im Stadium der Klagebeantwortung klar, andere entscheidungswesentliche Beweisanträge wurden aber im Schriftsatz ON 4 nicht gestellt und konnten daher auch nicht der folgenden Beweisbeschlußtagsatzung dienen.
Die Entscheidung über die Kosten des Kostenrekurses stützt sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
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