OGH 15Os16/94

OGH15Os16/943.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jean Marc S* und Alexandre Andre E* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 27. Dezember 1993, GZ 36 Vr 3518/93‑51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00016.9400000.0303.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die in Straßburg (Frankreich) wohnhaften Angeklagten Jean Marc S* und Alexandre Andre E* (A) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB sowie (B) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 30.Oktober 1993 im Gemeindegebiet von Reith i.A. (Tirol)

(zu A) anderen fremde bewegliche Sachen in einem (im Zweifel) 25.000 S nicht übersteigenden Wert durch Einbruch (mittels einer stabilen medizinischen Schere) in (versperrte) Transportmittel mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. dem Klaus St* und der Birgit K* aus einem Wohnwagen eine Geldtasche mit ca. 250 DM und 50.000 Lire weggenommen, sowie

2. dem Bernd W* aus dem weißen PKW der Marke Renault und

3. einem unbekannt gebliebenen Autolenker aus einem weißen PKW Bargeld in jeweils unbekannter Höhe wegzunehmen versucht;

(zu B) Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, nämlich eine von der Sparkasse D* für Klaus St* und Birgit K* ausgegebene Euroscheckkarte und einen Dienstausweis der Birgit K*, mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz unterdrückt, indem sie die Urkunden wegwarfen.

Diesen Schuldspruch bekämpften die Angeklagten mit getrennt ausgeführten, jeweils auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*

Zu Unrecht rügt dieser Angeklagte als Verfahrensmangel (Z 4) die Abweisung (S 257 iVm US 11 und 14 5.Absatz) des von seiner Verteidigerin in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung der erhebenden Beamten des Gendarmeriepostens Kramsach, nämlich des Inspektor H* zum Beweis dafür, "daß der Zeuge D* von sich aus einen der Tatverdächtigen angeblich als einen älteren Mann mit ca. 50 Jahren beschrieben hat und diesbezüglich kein Irrtum bzw. keine unrichtige Protokollierung vorliegt", sowie des Inspektor Ha* zum Beweis dafür, "daß der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Anhaltung leger gekleidet [war] und nicht wie vom Belastungszeugen angeführt Sakko und Anzug trug" (S 255 f).

Bei Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrages ist stets von den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen. Demnach können die ‑ wie vorliegend ‑ erst in der Beschwerdeschrift (verspätet) angestellten (zusätzlichen) Überlegungen darüber, ob der Zeuge D* die beiden Angeklagten "umgehend wiedererkannte, sowie zu seinen Angaben über das von den Angeklagten benützte Fahrzeug", die nur die Glaubwürdigkeit des Zeugen D* in Frage zu stellen trachten, keine Berücksichtigung finden (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 4 ENr. 41); davon abgesehen sind die angeführten Beweisthemen von vorneherein unerheblich, das heißt als ungeeignet, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben (Mayerhofer‑Rieder aaO ENr. 63, 63 a, 64 und 74). Dies umsoweniger, als der Zeuge D* die Tatverdächtigen bei den wiederholten ‑ wenngleich nicht in Form einer Wahlkonfrontation durchgeführten ‑ Gegenüberstellungen vor der Gendarmerie (S 27), dem Untersuchungsrichter (S 67 f) und in der Hauptverhandlung (S 249 ff) verläßlich als jene Männer erkannt hat, die zur fraglichen Zeit mit dem schwarzen Mercedes am Tatort anwesend waren (vgl. US 7, 9 ff). Im übrigen hat das Schöffengericht das Eingeständnis des Zeugen Reinhold D* in der Hauptverhandlung (S 259 oben), sich seinerzeit bei der (aktenkundigen) Altersangabe von 50 Jahren (S 47) "verschätzt" zu haben, weil er in der Einschätzung des Alters eines Menschen "vielleicht schlecht" sei, und gewisse "Diskrepanzen" in dessen Aussage ausdrücklich mitberücksichtigt (S 257 iVm US 9 letzter Absatz ff).

Auch die begehrte Einvernahme des Zeugen Ha* zu einem ‑ fallbezogen ‑ gar nicht entscheidenden Umstand hat das Erstgericht zutreffend mit der Begründung abgelehnt, daß zwischen Tatzeit und der am nächsten Tag erfolgten Festnahme der Angeklagten, die zugegebenermaßen beide ein Sakko mit‑ bzw. anhatten (S 248 unten), genügend Zeit für einen Kleiderwechsel war.

Die Verteidigerin des Angeklagten S* hatte sich des weiteren dem Antrag des Verteidigers des Angeklagten E* angeschlossen, mit welchem die Vernehmung des Inspektors H* zum Beweis dafür beantragt wurde, "daß der Zeuge D* tatsächlich sich damals an einen weiteren PKW erinnerte, sohin kein Mißverständnis bei der Protokollierung vorliegt, der Erstangeklagte die Tat sohin nicht begangen hat" (S 255).

Auch die insoweit erhobene Verfahrensrüge des Beschwerdeführers S* geht ‑ ebenso wie jene des Angeklagten E* - fehl.

In den Beschwerdeargumentationen wird nämlich übersehen, daß das Schöffengericht bei Begründung seines abweisenden Zwischenerkenntnisses (S 257) bezüglich eines nach Abfahrt der Angeklagten zugefahrenen "deutschen PKW" ersichtlich vom mangelnden Erinnerungsvermögen des Zeugen D* in der Hauptverhandlung und nicht von einem Mißverständnis bei der Protokollierung seiner Aussage vor der Gendarmerie ausging (US 9 unten und 10 unten). Einen Ausschluß der Täterschaft des Beschwerdeführers durch die Aussage des beantragten Zeugen H* zu erbringen, war das angeführte Beweisthema aber schon vom Ansatz her ungeeignet, wobei auch hier gilt, daß all die über das in erster Instanz bezeichnete Beweisthema hinausgehenden weitwendigen Beschwerdeeinwände als verspätet vorgebracht und demnach als unbeachtlich auf sich beruhen müssen.

Mit dem undifferenziert auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Beschwerdevorwurf, die Urteilsfeststellung (US 6), derzufolge die beiden Angeklagten "in den Morgenstunden" (anstatt ‑ wie von ihnen behauptet ‑ um 8 Uhr) von Straßburg in Richtung München aufgebrochen und gegen 11.30 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Schloß Matzen im Gemeindegebiet von Reith i.A. vorgefahren seien, stehe im Widerspruch zu den Erfahrungen des täglichen Lebens, sei durch den Akteninhalt nicht gedeckt bzw. stelle eine Undeutlichkeit dar, wird weder ein formaler Begründungsmangel (Z 5) aufgezeigt, noch werden damit erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erweckt (Z 5 a).

Der vom Beschwerdeführer vermißten Feststellung über die exakte Abfahrtszeit der Angeklagten von Straßburg kommt nach Lage des besonderen Falles keine entscheidende Bedeutung zu. Der Beschwerde zuwider ist es nämlich keineswegs "geradezu denkunmöglich", daß die Angeklagten ‑ selbst unter der Annahme, am 30.Oktober 1993 um ca. 8 Uhr von Straßburg aufgebrochen zu sein ‑ bei der von ihnen gewählten (entgegen den den Begriff der Aktenwidrigkeit verkennenden Beschwerdeausführungen aktengetreu konstatierten) Reiseroute über München (vgl. BV S* S 39 = 153, der hier allerdings die Abfahrt auf 9 Uhr verlegt) sowie unter Berücksichtigung ihrer Fahrweise mit einem PKW der Marke Mercedes 220 E (vgl. S 27 = 125 und 147, wonach sie im Ortsgebiet von Schwaz nachweislich eine Geschwindigkeit von 106 km/h einhielten) gegen 11.30 Uhr am Tatort sein konnten, wo sie vom Zeugen D* gesehen wurden (US 8‑9). Unter diesem Aspekt kommt auch dem (im Urteil unerwähnt gebliebenen) Schreiben der Brigitte R*, der Lebensgefährtin des Angeklagten E* (S 255, 259), nicht jene Bedeutung zu, die ihm der Beschwerdeführer beimißt, zumal nach einer Mitteilung der Schwester des Angeklagten E* dieser bereits am 28.Oktober 1993 mit dem am Vortag gemieteten PKW aus Frankreich mit dem Ziel Österreich abgefahren sein soll (S 127, 155).

Der Einwand, durch den bei ihnen vorgefundenen Prospekt, welcher "nur am Arlberg‑Straßentunnel verteilt wird", sei nachgewiesen, daß sie ‑ wie von ihnen behauptet ‑ tatsächlich über den Arlberg nach Innsbruck gefahren seien, deckt sich weder mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach er die von der Polizei sichergestellten Prospekte bei einem Informationsstand in Innsbruck erhalten habe (S 246 unten), noch mit den Einlassungen des Angeklagten E*, er habe sich die Prospekte wahrscheinlich bei der Mautstelle des Arlberg‑Tunnels besorgt (S 247 oben).

Keinen entscheidenden Umstand betrifft die erstgerichtliche Überlegung, daß Marc S* wegen "derartiger Einbrüche mit einer Schere bereits bekannt ist und deswegen auch bestraft wurde" (US 13 letzter Absatz); sie findet insoweit außerdem in den sicherheitsbehördlichen Berichten über eine Erhebung bei der Kriminalpolizei Freiburg (S 27 unten bis 29 oben und S 129) eine zureichende Stütze.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*

Soweit auch dieser Angeklagte sich durch die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Inspektor H* in seinen Verteidigungsrechten benachteiligt erachtet (Z 4), kann auf die bezüglichen Ausführungen zur Verfahrensrüge des Angeklagten S* verwiesen werden.

Auch das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) deckt sich im wesentlichen mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen des Mitangeklagten S*. Es genügt daher ‑ um Wiederholungen zu vermeiden ‑ der Hinweis auf die Erledigung dieses Anfechtungspunktes, zumal selbst unter den hier ins Treffen geführten Berechnungen und hypothetischen Annahmen mit Fug nicht behauptet werden kann, daß es "geradezu denkunmöglich" sei, in dreieinhalb Stunden von Straßburg nach Reith i.A. zu fahren. Demnach liegt auch der in der Beschwerdeschrift hervorgekehrte "innere Widerspruch" nicht vor. Ein solcher wäre nur dann gegeben, wenn das Urteil verschiedene entscheidende Tatsachen festgestellt hätte, die sich gegenseitig ausschließen, oder wenn die gezogene Schlußfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können (vgl. Foregger‑Kodek StPO6 § 281 S 397). Die Beschwerdeargumente laufen vielmehr im Kern ebenso wie jene des Angeklagten S* bloß auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter hinaus, die ihre denkmögliche, zureichend begründete Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten aus der Gesamtheit der Beweisergebnisse und Indizien erschlossen haben. Formale Begründungsmängel haften daher dem angefochtenen Urteil nicht an.

Das Gesagte gilt auch für die Tatsachenrüge (Z 5 a), in der zunächst erneut bloß jene bereits in der Mängelrüge relevierten Einwände wiederholt und sodann isoliert eine Reihe von "Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Zeugen D* dargestellt" werden, aus denen der Beschwerdeführer ‑ nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung ‑ erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen ableitet. Der Nichtigkeitswerber vermag weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (hier konkret: wie das im PKW Mercedes aufgefundene Prospekt des Arlbergstraßentunnels ‑ S 127 ‑ in den Besitz der Angeklagten gekommen ist, hiezu genügt der Hinweis auf deren divergierende Verantwortung S 246 unten und 247 oben; ferner die Vernehmung der Gendarmeriebeamten) zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der entscheidenden Tatsachenfeststellungen oder/und gegen die Richtigkeit der in einer Gesamtschau der maßgebenden Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlichen Eindrucks erfolgten tatrichterlichen Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (vgl. Mayerhofer‑Rieder aaO § 281 Z 5 a ENr. 2‑4).

Nicht nachvollziehbar ist letztlich der Rechtsmittelantrag, "nach § 288 a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten". Denn der Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren, in welchem ein Oberlandesgericht gar nicht angerufen wurde, von vorneherein nicht verwirklicht worden sein.

Aus den dargelegten Gründen waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten dem Oberlandesgericht Innsbruck zufällt (§ 285 i StPO).

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