OGH 15Os10/94

OGH15Os10/943.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adnan B***** und Imer I***** wegen des - zum Teil in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs 2 erster Fall und Abs.3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Adnan B***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. November 1993, GZ 6 f Vr 12613/93-53, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Doczekal (für B*****), jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

II. Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs.1 StPO die über die Angeklagten B***** und I***** gemäß § 13 Abs.2 SGG verhängte Geldstrafe (Wertersatzstrafe), soweit diese den Betrag von jeweils 300.000 (dreihunderttausend) S übersteigt, unter Aufrechterhaltung der Ersatzfreiheitsstrafe von je drei Monaten, aufgehoben und aus dem Urteil des Erstgerichtes ausgeschaltet.

III. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten B***** auch die Kosten des Verfahrens über seine (erfolglosen) Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtene Urteil (das auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch der beiden Angeklagten vom Vorwurf des Verkaufs von weiteren 900 Gramm Heroin enthält) wurden Adnan B***** und Imer I***** (dessen Urteil infolge Rechtsmittelverzichts beider Prozeßparteien in Rechtskraft erwachsen ist) wegen des zum Teil in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs.1 (zu ergänzen: vierter Fall), Abs.2 (zu ergänzen: erster Fall) und Abs.3 Z 3 SGG schuldig erkannt.

Danach haben Adnan B***** und Imer I***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) (zu ergänzen: den bestehenden Vorschriften zuwider) gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Heroin, in einer großen Menge, wobei sie die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begingen, dessen Menge zumindest das 25-fache der im Abs.1 des § 12 SGG angeführten Menge ausmachte, und zwar (I.) in der Zeit von Dezember 1992 bis 3.März 1993 bzw. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten durch Verkauf von insgesamt ca. 1.000 Gramm an die im Urteilstenor unter Punkt I.1.-7. genannten Personen in Verkehr gesetzt, (II.) am 5.März 1993 in Verkehr zu setzen getrachtet, nämlich (1.) durch versuchten Verkauf von 260,4 Gramm an den abgesondert verfolgten Stefan R***** und (2.) durch Bereithalten "von" (gemeint: zum) Verkauf von insgesamt 649,48 Gramm.

Der gegen dieses Urteil erhobenen, auf § 281 Abs.1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** kommt keine Berechtigung zu.

Der Rechtsmittelantrag des Beschwerdeführers geht zwar dahin, "das angefochtene Urteil aufzuheben", bezieht sich somit (uneingeschränkt) auf alle Urteilsfakten; in der Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde finden sich jedoch lediglich Ausführungen zum Schuldspruchfaktum II.2. Zu den Schuldspruchfakten I.1.-7. und II.1 entbehrt demnach die Nichtigkeitsbeschwerde der gebotenen deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Tatumstandes, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll (§ 285 a Z 2 StPO).

Mit der Behauptung des Rechtsmittelwerbers in der zu Punkt II.2. des Urteilssatzes ausgeführten Mängelrüge (Z 5), "Es gibt überhaupt keinerlei Indizien dafür, daß ich vom Depot dieser 649,48 g Heroin Kenntnis gehabt hatte"; "Die Feststellungen des Erstgerichtes diesbezüglich sind nicht gedeckt", sowie mit dem Vorwurf, die erstgerichtliche Annahme über die Unglaublichkeit der (diesbezüglichen) Verantwortungen der Angeklagten sei unzureichend begründet, wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern in Wahrheit lediglich nach Art einer - gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen - Schuldberufung die in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs.2 StPO) gewonnene Überzeugung der Tatrichter in Zweifel gezogen.

Der Beschwerde zuwider liegt nämlich keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung nur dann vor, wenn für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen überhaupt keine Gründe oder bloße Scheingründe oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Der bezeichnete Nichtigkeitsgrund liegt jedoch nicht vor, wenn die angeführten Gründe (dem Beschwerdeführer) bloß nicht genug überzeugend scheinen, oder neben dem folgerichtig gezogenen Schluß auch noch andere (für den Angeklagten) günstigere Schlußfolgerungen denkbar sind (vgl. Foregger-Kodek StPO6 § 281 S 397 f).

In dem hier aktuellen Fall hat das Schöffengericht aber ohnehin zureichend (§ 270 Abs.2 Z 5 StPO) und in Übereinstimmung sowohl mit den Denkgesetzen als auch mit der forensischen Erfahrung dargelegt, warum es der (den Besitz des in Rede stehenden Suchtgiftes überhaupt in Abrede stellenden) Verantwortung des Beschwerdeführers und jener erstmals in der Hauptverhandlung (S 507/I gefälligkeitshalber) gewählten Geschehensvariante des Angeklagten I***** den Glauben versagt, hingegen aus der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks erschlossen hat, daß es sich bei der tatverfangenen Heroinmenge von insgesamt 649,48 Gramm nicht um ein "Depot" des Baki, sondern um den gemeinsamen Heroinvorrat handelte, aus dem tatplangemäß in gewerbsmäßiger Fortsetzung des von ihnen groß aufgezogenen Suchtgifthandels durch sofortigen Zugriff jedes Angeklagten laufend (weitere) Abnehmer beteilt werden sollten (US 6, 8 und 10 ff).

Was hingegen die mehrfachen (teilweise sehr erheblichen) Abweichungen der im Urteilstenor angeführten Heroinmengen von den in den Urteilsgründen festgestellten Suchtgiftmengen anlangt, müssen diese formellen Begründungsmängel (der Sache nach Z 5 des § 281 Abs.1 StPO) - soweit dadurch nicht die Basis für die Berechnung der Geld-(Wertersatz-)strafe berührt wird - auf sich beruhen, weil sie vom Beschwerdeführer in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpft wurden. Gleiches gilt für das dem Urteilsspruch zu Punkt II.1. zugrunde gelegte Quantum von 260,4 Gramm Heroin, obwohl vom Staatsanwalt unter Punkt II.1. des Anklagetenors (ON 38/I) nur der versuchte Verkauf einer Menge von 206,4 Gramm Heroin inkriminiert wird. Die entsprechenden Hinweise des nunmehr für den Angeklagten B***** einschreitenden Verteidigers im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof sind verspätet; ein amtswegiges Aufgreifen dieser formellen Nichtigkeitsgründe ist nicht möglich (§ 290 Abs.1 StPO).

Im bisher erörterten Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** zu verwerfen.

Aus deren Anlaß war jedoch im Sinne der Anregung der Generalprokuratur gemäß § 290 Abs.1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil insoweit mit einem unbekämpft gebliebenen Strafzumessungsfehler im Sinne des § 281 Abs.1 Z 11 erster Fall StPO zum Nachteil sowohl des Angeklagten B***** als auch des Angeklagten I*****, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, behaftet ist, als das Schöffengericht beim Ausspruch über die den beiden Angeklagten gemäß § 13 Abs.2 SGG auferlegte Geldstrafe (Wertersatzstrafe) von jeweils 330.000 S seine Strafbefugnis überschritten hat, indem es bei Bemessung deren Höhe (bei einem angenommenen Verkaufspreis von 600 S pro Gramm) tatsachenwidrig von der Menge "1,1 kg" Heroin (US 13: 1.100 Gramm x 600 S = 660.000 S) ausging, anstatt seiner Berechnung richtig (nur) das im Urteilsspruch festgestellte Quantum von "ca. 1.000 Gramm" (US 33: 1.000 Gramm x 600 S = 600.000 S) zugrunde zu legen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 11 ENr.32 und Mayerhofer-Rieder Nebenstrafrecht3 § 13 SGG ENr.31). Demgemäß war der Ausspruch über die Geldstrafe (Wertersatzstrafe), soweit dieser den Betrag von jeweils 300.000 S übersteigt, aufzuheben und aus dem erstgerichtlichen Urteil auszuschalten. Die vom Erstgericht ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe von je drei Monaten bleibt aus der Erwägung unberührt, daß sie auch in Ansehung einer (verbleibenden) Geldstrafe von je 300.000 S angemessen ist.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten B***** nach § 12 Abs.3 SGG eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Dabei wertete es als erschwerend "auch im Rahmen des § 12 Abs.3. Z 3 SGG die besonders große Menge des verhandelten Heroins und die mehrfache Qualifikation (Gewerbsmäßigkeit)", hingegen als mildernd die Unbescholtenheit (richtig: den ordentlichen Lebenswandel) des Angeklagten und dessen teilweises Geständnis (hinsichtlich des Inverkehrsetzens von 120 Gramm Heroin).

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte B***** die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe im wesentlichen mit der Begründung an, eine unterschiedliche Behandlung der Angeklagten (I***** wurde zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt) erscheine vollkommen unbegründet und auch unzulässig.

Die Berufung ist nicht im Recht.

Zwar kommt dem Rechtsmittelwerber der teilweise Versuch (im Schuldspruchsfaktum II.) zusätzlich als mildernd zugute; im übrigen hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt und - bei der aktuellen Strafdrohung des § 12 Abs.3 SGG von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe - auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Unrechtsfolge geschöpft, die sowohl dem gravierenden Unrechtsgehalt der Straftaten als auch der bedeutenden personalen Täterschuld des Berufungswerbers Rechnung trägt und somit auch unter Berücksichtigung des genannten zusätzlichen Milderungsumstandes nicht reduktionsbedürftig ist. Warum der Schöffensenat über I***** (nur) eine vierjährige Freiheitsstrafe verhängte, hat er zutreffend mit dessen (von Anfang an abgelegtem) "weitgehendem" Geständnis begründet, das im übrigen nach der Aktenlage auch zur Überführung des B***** entscheidend beitrug.

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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