OGH 9ObA20/94

OGH9ObA20/9423.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke und Mag.Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Felix E*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr.Hans Werner Mitterauer, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, Auerspergstraße 11, 5020 Salzburg, dieser vertreten durch Dr.Peter Cardoner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ing. Herbert S***** Fahrschule *****, vertreten durch Dr.Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 48.040,70 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Oktober1993, GZ 13 Ra 52/93-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9.Juni1993, GZ 20 Cga 65/93 y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.623,04,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahren (darin enthalten S 603,84,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.8.1989 bis 31.1.1993 als angestellter Fahrlehrer beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde vom Beklagten mit dem noch im November 1992 dem Kläger zugegangenen Schreiben vom 25.11.1992 zum 31.1.1993 gekündigt. Auf das Dienstverhältnis sind die Bestimmungen des Kollektivvertrages für Angestellte in den Kraftfahrschulen Österreichs anzuwenden. Punkt XII des Kollektivvertrages bestimmt: "Beide Seiten können das Dienstverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist nur jeweils zum Letzten eines Kalendermonats kündigen".

Der Kläger begehrt vom Beklagten S 48.040,70 brutto sA als Kündigungsentschädigung. Die Kündigung sei frist- und terminwidrig, weil gemäß § 20 Abs 2 AngG das Dienstverhältnis nur mit Ablauf eines Kalendervierteljahres durch Kündigung gelöst werden könne. Eine Vereinbarung iSd § 20 Abs 3 AngG sei nicht getroffen worden. Die Bestimmungen im Kollektivvertrag seien nichtig, weil zwar eine Kündigung zum Letzten eines Kalendermonats gemäß § 20 Abs 3 AngG durch Einzelvereinbarung aber nicht durch Kollektivvertrag vereinbart werden könne.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Normen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stünden in einem typischen Zusammenhang mit demselben und seien daher von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG umfaßt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Nach Lehre und Rechtsprechung sei nur der typische, wesentliche oder regelmäßig wiederkehrende Inhalt eines Arbeitsvertrages einer kollektivvertraglichen Regelung zugänglich. Ein solcher liege hier vor, weil die Regelung von Kündigungsterminen und Kündigungsfristen typische Inhaltsnormen seien, die den Hauptanteil der kollektivvertraglichen Regelungen stellen und neben dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses im engeren Sinn auch die Normen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses umfassen. Typisch sei, was für den Arbeitsvertrag wesentlich sei, oder in diesem regelmäßig wiederkehre. Dies seien aber die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis wie Arbeit -und Entgeltpflicht bzw die mit diesen aufs engste verknüpften Beendigungsnormen. Der Ansicht Martinek-M. und W. Schwarz, AngG7, 399 f, 402, daß die Möglichkeit, den 15. oder letzten eines Kalendermonates als Kündigungstermin zu bestimmen, nur der individuellen Vereinbarung zugänglich sei, sei nicht zu folgen.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien gemäß § 2 Abs 2 lit 2 ArbVG bezüglich der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfaßt als zulässigen Inhalt kollektivvertraglicher Normen nur den typischen, wesentlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Inhalt eines Arbeitvertrages (ZAS 1983/9 [Geppert] = DRdA 1983/11 [krit. Wachter]; WBl 1987, 195; ZAS 1993/1 [Strasser] mwLituJudN; WBl 1993/292 = RdW 1993, 283 mwN), wozu auch die Regelungen über die Beendigung von Dienstverhältnissen gehören (Strasser in Floretta - Strasser ArbVGHdKomm 26; ZAS 1983/9 [Geppert], WBl 1987, 195). Bei der für alle Arbeitsverhältnisse gegebenen Typizität von Beendigungsnormen kommt es auf die Auffassung einer bestimmten Berufsgruppe oder die Verkehrsauffassung (Strasser aaO, 27; Firlei, Mitbestimmung durch Inhaltsnormen FS Floretta, 469 [473 f); ZAS 1983/9 [Geppert]) im vorliegenden Fall nicht an.

Das zwingende gesetzliche Arbeitsvertragsrecht führt nicht zur rechtlichen Einengung der Rechtssetzungsmacht der Kollektivvertragsparteien, sondern stellt diesen nur ein bestimmtes Regelungsniveau als Basis bzw als Schranke zur Verfügung (Strasser aaO, 27). Wo der Gesetzgeber daher eine Norm dispositiv gestaltet, läßt er deren Abänderung durch einen Kollektivvertrag zu (Tomandl, Ist das Angestelltengesetz kollektivvertragsdispositiv? in FS Hämmerle 411). Ebensowenig wie durch Einzelarbeitsvertrag können zwingende gesetzliche Regelungen, darunter auch die in § 40 AngG eingeräumten Rechte durch Kollektivvertrag abbedungen werden, soferne das Gesetz hiezu nicht seine ausdrückliche Ermächtigung erteilt. Eine mit zwingendem Recht in Widerspruch stehende Kollektivvertragsbestimmung ist nicht rechtsgültig und daher wirkungslos (Grillberger, Kollektivvertragsdispositives Recht DRdA 1973, 41 [42, 46], Kocevar, die Verfallsklausel in den Kollektivverträgen DRdA 1977, 222 [226,]; aM Tomandl aaO 421; ZAS 1971/8 [Tomandl], JBl 1973, 277; ZAS 1976/16 [Hoyer], Arb 10.809, siehe auch WBl 1993, 292 = RdW 1993, 283).

Die im § 40 AngG angeführten Rechte des Angestellen aufgrund des § 20 Abs 2 bis 5 AngG können daher nur insoweit durch Kollektivvertrag oder Einzelvertrag abgeändert oder beschränkt werden, als sie vom Gesetzgeber nicht als zwingende Norm formuliert wurden. Nach § 20 Abs 3 AngG kann zwar die Kündigungsfrist nicht unter die im Abs 2 leg cit bestimmte Dauer herabgesetzt werden, jedoch kann vereinbart werden, daß die Kündigungsfrist am 15. oder letzten einen Kalendermonates endet. Das Gesetz läßt sohin eine Einzelvereinbarung zu, sodaß auch in diesem Rahmen eine kollektivvertragliche Regelung im Punkt XII des Kollektivvertrages die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht überschritt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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