OGH 6Ob539/94

OGH6Ob539/9422.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** vertreten durch Dr.Gerald Hauska, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei *****Rechtsanwalt,***** wegen 136.952,53 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.November 1992, GZ 4 Cg 26/92-10, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 18. Mai 1993, AZ 1 R 43/93(ON 16), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben, das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung der Berufungsverhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht rückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Aus Anlaß der Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage erhob der Kläger als dienstbarkeitsberechtigter Besitzer eines auf einem Hanggrundstück errichteten Einfamilienhauses im Juli 1989 eine mit dem Antrag auf Erlassung eines einstweiligen Bauverbots verbundene Bauverbotsklage gegen die 15 Miteigentümer des unterhalb des Einfamilienhauses gelegenen Grundes und gegen die von den Miteigentümern als Bauherrn beauftragte Baugesellschaft als Bauführerin.

Der Kläger war in diesem Besitzstörungsverfahren ebenso wie die Beklagten anwaltlich vertreten.

Verfahrensgegenstand war die aus dem Aushub der Baugrube für die Wohnhausanlage drohende Gefahr einer Hangbewegung sowie die Zulänglichkeit der Sicherungsmaßnahmen gegen eine Hangrutschung, als deren Anzeichen der Kläger die in dem von ihm bewohnten Haus aufgetretenen und erweiterten Risse wahrgenommen hatte.

Nach Erlassung eines einstweiligen Bauverbotes und der Erörterung bautechnischer Sachverständigengutachten sorgten die Bauverbotsbeklagten für eine entsprechende Verbesserung der Hangsicherung. Demgemäß wurde das einstweilige Bauverbot zunächst eingeschränkt und letztlich mit Beschluß vom 11.Dezember 1989 im Hinblick auf die Ausführungen eines Sachverständigen aufgehoben. Am 27. Dezember 1989 wurde daraufhin eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 1.Februar 1990 anberaumt.

Der anwaltliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers, der die Klage verfaßt, in der einstündigen Tagsatzung vom 25.Juli 1989 vertreten, bei der mit einem nach übereinstimmenden Angaben beider Parteienvertreter mit einem 6/2-stündigen Zeitaufwand verbundenen außergerichtlichen Befundaufnahme durch den Sachverständigen am 4. August 1989 teilgenommen, am 16.August 1989 einen Antrag auf Gutachtenserörterung angebracht, zu dem Schriftsatzvorbringen der Besitzstörungsbeklagten in dem am 13.Oktober 1989 überreichten Schriftsatz Stellung genommen, in der dreistündigen Tagsatzung vom 16. Oktober 1989 vertreten, in einem am 14.November 1989 angebrachten Schriftsatz auf die in der Zwischenzeit feststellbaren Beobachtungen zu den Sicherungsmaßnahmen und den aufgetretenen neuen Rissen Mitteilung gemacht, in der vierstündigen Tagsatzung vom 15.November 1989, der einstündigen Tagsatzung vom 20.November 1989 sowie der vierstündigen Tagsatzung vom 22.November 1989, in der ein bedingter Vergleich geschlossen worden war, und nach Vergleichswiderruf noch in der einstündigen Tagsatzung vom 27.November 1989 vertreten und namens des Klägers (unter Zugrundelegung einer Kostenbemessungsgrundlage von 30.000 S) insgesamt (51.513,56 S + 4.548,24 S =) 56.061,60 S an Kosten verzeichnet hatte, kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 1990 das Mandatsverhältnis auf.

In dem Kündigungsschreiben wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zu prüfen sein werde, ob wegen eines nunmehr endgültigen Wegfalls der Gefährdung das Begehren auf Kostenersatz einzuschränken wäre.

Bei diesem Verfahrensstand suchte der Kläger am 25.Januar 1990 den Beklagten in dessen Anwaltskanzlei auf und erteilte ihm zur Fortsetzung des Bauverbotsverfahrens Prozeßvollmacht. Dazu übergab der Kläger seinem neuen Prozeßvertreter das Kündigungsschreiben des vormaligen Prozeßvertreters mit den Gedanken über eine Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz.

In der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 erläuterte der gerichtlich bestellte Sachverständige seine letzte Begutachtung über die Wirksamkeit der während des Bauverbotsstreites verbesserten Hangsicherungsmaßnahmen, wobei die Ausführungen des Sachverständigen darin gipfelten, daß (aus der vom Kläger bemängelten Bauführung) keine unmittelbare Bedrohung für das Einfamilienhaus, das der Kläger aufgrund eines Wohnrechtes benützte, mehr bestünde.

Daraufhin sprach der Kläger den Beklagten auf den Vorschlag des vormaligen Prozeßbevollmächtigten an und verlangte die Einschränkung des Bauverbotsbegehrens auf Kostenersatz.

Der Beklagte kam in der Überzeugung, daß eine Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz in der damaligen Verfahrenslage einer Klagsrücknahme mit entsprechenden Kostenersatzfolgen gleichgekommen wäre, dem Wunsch seines Mandanten nicht nach und erstattete vielmehr weiteres Prozeßvorbringen.

Der Verhandlungsrichter schloß noch in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 die Verhandlung im Bauverbotsstreit und verkündete den Endbeschluß auf Abweisung des nicht eingeschränkten Bauverbotsbegehrens.

Nach der schriftlichen Ausfertigung des klagsabweislichen Endbeschlusses beruhte die Entscheidung auf der Erwägung, daß nach Ausführung und sachverständiger Überprüfung der vom Kläger gewünschten Hangsicherungsmaßnahmen für das von ihm als Wohnungsberechtigten benutzte Einfamilienhaus aus einer Fortführung des Baues keine Gefahr mehr gegeben sei; der Kläger hätte sein Begehren auf Kostenersatz einschränken müssen, da er das Bauverbotsbegehren aber aufrechterhalten habe, sei dieses letztlich abzuweisen gewesen.

Der vom Beklagten namens des Kläges erhobene Kostenrekurs hatte insofern Erfolg, als die vom Kläger dem Bauverbotsbeklagten zu ersetzenden Prozeßkosten anstatt auf der Kostenbemessungsgrundlage von 30.000 S gemäß § 10 Z 1 RATG auf jener von 8.000 S und damit nur mit 100.946,58 S bemessen wurden.

Der Kläger forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 31.März 1990 vom Beklagten als seinem zweiten Vertreter im Bauverbotsstreit wegen weisungswidrig unterlassener Klagseinschränkung auf Kostenersatz Schadenersatz bis spätestens 21.April 1992 für den ihm erwachsenen Prozeßaufwand.

Diesen bezifferte er mit der ihm auferlegten Ersatzpflicht in Höhe

von 100.946,58 S

zuzüglich der eigenen, seinem ersten

Prozeßbevollmächtigten zu leistenden

Kosten im Betrag von 60.486,72 S,

also mit der Kostenbelastung von 161.433,30 S,

wovon der Kläger allerdings Forderungen

des Beklagten aus seinem Honorarprozeß

samt Exekutionskosten im Gesamtbetrag

von 21.269,57 S

in Abzug brachte, das sind 140.163,73 S.

Der Beklagte lehnte jeden Schadenersatz ab.

Der Kläger brachte hierauf seine Schadenersatzklage auf Zahlung eines Betrages von 140.163,73 S samt 4 % Zinsen seit 22.April 1992 an. Er schränkte sein Begehren wegen weiterer Gegenforderungen im Betrag von zusammen 3.211,20 S auf 136.952,53 S samt 4 % Zinsen seit 22.April 1992 ein.

Der Kläger begehrte damit die Verurteilung des Beklagten zu dem mit 136.952,53 S bezifferten Betrag, den der Beklagte über den Betrag von zusammen 24.480,77 S hinaus als Schadenersatz wegen weisungswidriger Prozeßführung als Schadenersatz schulde.

Diese klageweise verfolgten Schadenersatzforderungen des Klägers wurden zugunsten einer Bank zur Hereinbringung einer 400.000 S übersteigenden Forderung gepfändet und dem betreibenden Gläubiger zur Einziehung überwiesen.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Dazu vertrat es den Standpunkt, daß der Kläger dem Beklagten ausdrücklich nur die Nichtbefolgung seiner Weisung zur Klagseinschränkung (und nicht auch eine Unterlassung der aus dem Vertretungsauftrag geschuldeten Aufklärung über die Prozeßaussichten und Rechtsfolgen einer Aufrechterhaltung des Bauverbotsbegehrens einerseits und einer Einschränkung des Begehrens auf Kostenersatz nach Erörterung des ergänzenden Gutachtens in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990) als haftungsbegründendes Verhalten zur Last gelegt habe, eine solche Weisung des Klägers aber vom Prozeßgericht erster Instanz nicht als erwiesen angenommen worden sei. Davon abgesehen wäre dem Kläger der ihm oblegene Kausalitätsbeweis der unterbliebenen anwaltlichen Aufklärung für die Verfahrenskostenlast nicht gelungen, weil keinesfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen weden könne, im Bauverbotsstreit wäre eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 als noch rechtzeitig und damit für die Kostenersatzpflicht ausschlaggebend befunden worden.

Das Berufungsgericht ging nach teilweiser Beweiswiederholung in Abweichung von den erstinstanzlichen Feststellungen davon aus, daß der Kläger dem Beklagten in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 nach Erörterung des ergänzenden Gutachtens unter Bezugaufnahme auf die Anregung seines früheren Prozeßbevollmächtigten aufforderte, das Begehren auf Kostenersatz einzuschränken, der Beklagte diesem Wunsch aber in der Überzeugung, dies könnte die dem Kläger drohenden Kostenersatzfolgen nicht mehr abwenden, bewußt nicht entsprach.

In rechtlicher Beurteilung folgerte das Berufungsericht, erst durch die im Zug des Bauverbotsstreites von den dortigen Beklagten vorgenommenen Hangsicherungsmaßnahmen sei die Gefährdung des vom Kläger bewohnten Hauses gebannt worden, dies sei im Zuge der Gutachtenserörterung (in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990) klargestellt worden; damit (und erst damit) sei der Kläger im Bauverbotsstreit klaglos gestellt worden. In dieser Prozeßlage wäre die Einschränkung des Bauverbotsbegehrens auf Kostenersatz objektiv geboten gewesen. Die gegenteilige Prozeßvertretung des Klägers durch den Beklagten sei nicht entschuldbar.

Im Falle der (aus schuldhafter Vertragsverletzung des Beklagten unterbliebenen) Einschränkung des Bauverbotsbegehrens auf Kostenersatz (nach Erörterung des Gutachtens in der Tagsatzung vom 1. Februar 1990) wäre dem Kläger Verfahrenskostenersatz zugesprochen worden (und nicht er zu Kostenersatz an die Prozeßgegner verpflichtet worden). Dazu legte das Berufungsgericht ohne jede weitere Erörterung zugrunde, daß dem Kläger im Bauverbotsstreit die dort verzeichneten Kosten in voller Höhe zuerkannt worden wären, daß dem Kläger also nicht nur die ihm auferlegte Kostenersatzpflicht zur Zahlung eines Betrages

von 100.946,58 S

erspart geblieben wäre, sondern vielmehr

ihm die (auf der Bemessungsgrundlage von

30.000 S) verzeichneten Kosten im

Gesamtbetrag von 60.486,72 S

zugesprochen worden wären (und auch bei

den Bauverbotsbeklagten einbringlich

hätten gemacht werden können). Da der

Kläger aber von dem mit 161.433,30 S

zu beziffernden Vermögensnachteil nur einen

um 24.480,77 S

verminderten Teilbetrag ersetzt begehre, sei

ihm der Unterschiedsbetrag von 136.952,53 S

als Schadenersatz zuzusprechen.

Das Berufungsgericht änderte das klagsabweisliche erstinstanzliche Urteil im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens ab, verurteilte aber im Hinblick auf die Forderungsexekution zur Leistung an den Forderungspfandgläubiger.

Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Der Beklagte erhebt gegen das abändernde Berufungsurteil außerordentliche Revision mit dem auf Wiederherstellung des klagsabweislichen erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag.

Die Zulässigkeitsbeschwerde stützt er dabei auf folgende für die angefochtene Entscheidung als erheblich erachteten Rechtsfragen:

1. die nach Ansicht des Revisionswerbers vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommene Rechtzeitigkeit und damit kostenersatzrechtliche Erheblichkeit einer Klagseinschränkung des Bauverbotsbegehrens auf Kostenersatz erst in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990.

2. die nach Ansicht des Revisionswerbers vom Berufungsgericht zu Unrecht als unvertretbar gewertete Rechtsansicht, daß eine Klagseinschränkung in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 dem Kläger kostenersatzrechtlich keinesfalls mehr zu nutzen vermocht hätte und

3. die vom Berufungsgericht unterstellte Berechtigung des Klägers, seine Kosten im Bauverbotsstreit auf der Bemessungsgrundlage von 30.000 S ersetzt zu erhalten.

Auf diese drei Punkte sowie angebliche Feststellungsmängel gründete der Kläger auch seine Rechtsrüge, überdies bemängelte er die bloß teilweise vorgenommene Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht.

Der Kläger strebt mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon wegen der zur Beurteilung der Beweiswiederholung zu lösenden Verfahrensrechtsfrage nach dem Umfang der gebotenen neuerlichen Beweisaufnahmen zulässig.

Sie ist auch berechtigt.

Das Berufungsgericht unterstellte, daß der Kläger im Bauverbotsstreit, wäre seine Klagebegehren in der letzten Tagsatzung nach der Gutachtenserörterung auf Kostenersatz eingeschränkt worden, obsiegt hätte. Dazu nahm das Berufungsgericht als erwiesen an, daß der Kläger im Hinblick auf die Stellungnahme seines früheren Prozeßbevollmächtigten vom Beklagten die Vornahme der Klagseinschränkung begehrt hat, der Beklagte diesem Wunsch seines Mandanten aber - ohne ihm seine Erwägungen dazu aufzudecken - nicht nachgekommen ist.

Die berufungsgerichtliche Feststellung, daß der Kläger vom Beklagten in der Tagsatzung vom 1.Februar 1990 verlangt hat, das Bauverbotsbegehren auf Kostenersatz einzuschränken, beruht auf einer auf die Vernehmung der Parteien eingeschränkten Beweiswiederholung, bei der von einer neuerlichen Vernehmung der in erster Instanz vernommenen Zeugen (Verhandlungsrichter, Sachverständiger und Gegenvertreter) abgesehen worden war. Dies begründet einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens, weil das Berufungsgericht im Falle einer Beweiswiederholung grundsätzlich alle zu einem bestimmten Beweisthema in erster Instanz aufgenommenen Beweise aufzunehmen hat (Fasching Lehrbuch2 Rz 1808).

Dies rügt der Revisionswerber zu recht.

Allein schon deshalb war der Revision im Sinne ihres Aufhebungsantrages stattzugeben.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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