OGH 2Ob522/94

OGH2Ob522/9417.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva P*****, vertreten durch Dr.Erwin Köll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei Kamal M*****, vertreten durch Dr.Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck als bestellter Verfahrenshelfer infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29. April 1993, GZ 1 a R 159/93-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 22. November 1992, GZ 11 C 479/92v-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit Mai 1989 Eigentümerin des Hauses in M*****. Der Beklagte hatte im März 1988 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein im ersten Obergeschoß des Hauses gelegenes Zimmer samt Mitbenützung des im selben Stockwerk befindlichen Klosetts, der Dusche und der Küche zu einem monatlichen Bestandzins von S 900,-

zuzüglich Stromkosten gemietet. Ob dem Beklagten die Überlassung der Räumlichkeiten an Dritte untersagt wurde, ist nicht feststellbar.

Die Klägerin begehrt in ihrer gerichtlichen Aufkündigung den Beklagten zur Räumung des Bestandobjektes zu verpflichten. Er bewohne seit Mai 1989 das von ihm gemietete Zimmer nicht mehr und sei im Herbst 1990 mit seinem Bruder nach H***** verzogen, wo er ein Haus mit einer Wohnfläche von 120 m2 samt Garten gemietet habe. Das in Bestand genommene Zimmer diene nicht mehr der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens, weil er noch im gemieteten Zimmer wohne. Er verfüge zwar über eine weitere Wohnmöglichkeit in H*****, halte sich aber abwechselnd in H***** und in M***** auf. Das gemietete Zimmer werde außerdem noch von der Schwester des Beklagten und deren zwei Kindern bewohnt. Die Weitergabe des Bestandobjektes an Dritte sei dem Beklagten nicht verboten worden und liege nicht vor.

Das Erstgericht hat die bewilligte gerichtliche Aufkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen. Es hielt neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß der Beklagte im Jahre 1990 in H***** ein Haus mit einer Nutzfläche von etwa 100 bis 120 m2 angemietet habe. Seine Gattin sei samt Kindern in dieses Haus gezogen. Ungeachtet dieses Umstandes habe der Beklagte in der Folge regelmäßig das streitgegenständliche Bestandobjekt benützt und jedenfalls drei Tage in der Woche dort gewohnt bzw. genächtigt, weil er allein sein wollte, um Ruhe vor seiner Familie zu haben. Im August 1989 kam die Schwester des Beklagten hochschwanger und mit einem weiteren Kind nach Österreich, wohnte zunächst bei Geschwistern und zog dann in das streitgegenständliche Bestandobjekt. Etwa neun Monate später kam noch ihr Ehegatte nach und benützte das Bestandobjekt ebenfalls regelmäßig. Im August 1992 mietete die Schwester des Beklagten mit ihrer Familie eine eigene Wohnung, die Schwester verwendet aber nach wie vor regelmäßig auch das streitgegenständliche Bestandobjekt und nächtigt dort.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht vorliege, weil das Bestandobjekt nach wie vor zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten diene. Im übrigen habe sich die Klägerin des Kündigungsgrundes verschwiegen, weil sie selbst eingeräumt habe, davon auszugehen, daß der Beklagte das Bestandobjekt seit etwa zwei Jahren nicht mehr benütze.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bei regelmäßiger Verwendung einer Wohnung zu Wohnzwecken sei das dringende Wohnbedürfnis im Sinne des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht mehr zu prüfen. Diese regelmäßige Verwendung der Wohnung sei dann anzuwenden, wenn der Mieter die aufgekündigte Wohnung wenigstens eines beachtlichen Zeitraumes in Jahr als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt ausnütze. Die Benützung des Bestandobjektes durch den Beklagten gehe über die eines bloßen Absteigequartiers hinaus. Ihm sei daher ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses zuzubilligen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es sich bei seiner Entscheidung an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert habe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat in seiner vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung die Bestätigung des Berufungsurteils beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 6 kann der Vermieter den Mietvertrag kündigen, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet wird, es sei denn daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist.

Dieser Kündigungsgrund setzt daher das vom Vermieter nachzuweisende Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken voraus (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 39 zu § 30 MRG, Würth in Rummel, ABGB2 Rz 31 zu § 30 MRG, ImmZ 1992, 297, WoBl 1993, 139). Nach der Rechtsprechung erfüllt die Benützung zweier Wohnungen an sich noch nicht den genannten Kündigungsgrund, wenn die Wohnung vom Mieter während eines beachtlichen Zeitraumes im Jahr oder mehrere Tage in der Woche als wirtschaftlicher und familiärer Mittelpunkt benützt wird (Würth aaO Rz 32 zu § 30 MRG, Würth-Zingher aaO Rz 41 zu § 30 MRG, Medwed, ÖJZ 1985, 289 ff, WoBl 1993, 139). Die Benützung einer Wohnung als gelegentliches Absteigequartier steht deren Verwendung zu Wohnzwecken entgegen. So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß eine nur fallweise Benützung der Wohnung zur Einnahme des Mittagessens (1 Ob 674/88) oder zur Vornahme einzelner Verrichtungen wie Baden und Wäschewaschen (7 Ob 516/89) zur Annahme einer Benützung der Wohnung für Wohnzwecke nicht ausreichen. Ausschlaggebend ist daher nur die Verwendung für Wohnzwecke. Die Revisionswerberin versucht unter Hinweis auf die Judikatur darzutun, daß im vorliegenden Fall der Beklagte die Wohnung nicht regelmäßig für Wohnzwecke verwendete. Selbst wenn man diese Ansicht teilte, wäre jedoch für die Klägerin nichts gewonnen. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt nämlich nach Lehre und Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken - durch wen immer - voraus (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 31 zu § 30 MRG; WoBl 1992/98 mwN). Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wurde die aufgekündigte Wohnung außer vom Beklagten auch noch von dessen Schwester und deren Familie benützt, der Beklagte und die Schwester benützen die Wohnung nach wie vor regelmäßig. Die Feststellung, die Schwester benütze die Wohnung nach wie vor, wurde von der Klägerin in der Berufung allerdings bekämpft. Unbestritten ist aber, daß die Schwester mit ihrer Familie die Wohnung früher benützte (dies entspricht auch der Aussage der Klägerin). Eine eigene Wohnung bekam die Schwester des Beklagten erst im August 1992. Ob sie seit damals die Wohnung in M***** "nach wie vor regelmäßig benützt" ist aber ohne Bedeutung. Maßgebender Zeitpunkt für eine Kündigung ist nämlich deren Zustellung. Nachträgliche Umstände können nicht berücksichtigt werden (Würth aaO, Rz 5 zu § 33; RZ 1990/82 ua). Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung am 17.April 1992 war der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG daher noch nicht verwirklicht.

Aus diesen Gründen haben die Vorinstanzen die Aufkündigung jedenfalls im Ergebnis mit Recht aufgehoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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