OGH 4Ob1/94

OGH4Ob1/9415.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) C*****gesellschaftmbH, ***** 2) Y*****gesellschaftmbH, ***** beide vertreten durch Fiebinger & Polak Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28.Oktober 1993, GZ 5 R 217/93-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23.Juli 1993, GZ 37 Cg 288/93-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung"

Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei wider die beklagten Parteien auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird

1) der erstbeklagten Partei ab sofort für die Dauer dieses Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von Elektrowaren in Annoncen, öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ihre Mitbewerber durch Verwendung des Götz-Zitates herabzusetzen und zu beleidigen, insbesondere für die von ihr vertriebenen Waren mit dem Hinweis `Solange unsere Kunden uns gut leiden können, können uns alle anderen` zu werben;

2.) der zweitbeklagten Partei ab sofort für die Dauer dieses Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken der Förderung des Wettbewerbs der erstbeklagten Partei in Annoncen, öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, die Mitbewerber der erstbeklagten Partei durch Verwendung des Götz-Zitates oder seiner Kurzform "... können uns alle anderen ....."

herabzusetzen und zu beleidigen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagten Parteien haben die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen."

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagten Parteien haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte vertreibt an verschiedenen Standorten in Österreich, darunter auch an drei Wiener Standorten Elektrogeräte. Sie ließ der "N***** Zeitung" vom 17.6.1993 eine achtseitige Werbeschrift beilegen, die von der mit der Werbung für die Erstbeklagte beauftragten Zweitbeklagten gestaltet worden war; die erste Seite der Werbeschrift bot sich dem Leser - verkleinert - wie folgt dar: Mit der Behauptung, daß die textliche Werbeaussage in ihrem letzten Halbsatz im Zusammenhang mit dem Einleitungssatz alle Mitbewerber der Erstbeklagten mit dem Götz-Zitat belege und diese daher in sittenwidriger Weise (§ 1 UWG) beleidige und pauschal herabsetze, beantragt der klagende Wettbewerbsverband (§ 14 UWG) zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Erstbeklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, daß sie beim Vertrieb von Elektrowaren in Annoncen, öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen, für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen ihre Mitbewerber durch Verwendung des Götz-Zitates herabsetzt und beleidigt, insbesondere für die von ihr vertriebene Waren mit dem Hinweis "Solange unsere Kunden uns gut leiden können, können uns alle anderen" wirbt, sowie der Zweitbeklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, daß sie in Annoncen, öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen, für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen die Mitbewerber der Erstbeklagten durch Verwendung des Götz-Zitates oder seiner Kurzform ".... können uns alle anderen ..." herabsetzt und beleidigt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Werbung enthalte nicht das Götz-Zitat, sondern sei mit den Worten "hassen" oder "gernhaben" zu vervollständigen. Selbst wenn man sie aber im Sinne des Götz-Zitates vervollständigen wollte, würde damit noch kein einziger Mitbewerber der Erstbeklagten oder dessen Unternehmen und Warenangebot beleidigt, geschweige denn herabgesetzt, ziele die Werbeaussage doch nicht nur und auch nicht vorwiegend auf die Mitbewerber der Erstbeklagten, sondern auf "alle anderen" Personen ab, die nicht ihre Kunden seien. Abgesehen davon, daß der Zweitbeklagten etwas verboten werden solle, was sie gar nicht getan habe, komme für sie als bloße Werbeberaterin eine wettbewerbsrechtliche Haftung nicht in Betracht.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Eine Bezugnahme auf Mitbewerber verstoße erst dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, wenn sie etwas Herabsetzendes, Gehässiges oder Schmähendes gegen den Konkurrenten oder dessen Angebot enthalte. Das sei aber hier nicht der Fall: Selbst wenn das Publikum die beanstandete Werbeaussage als Götz-Zitat verstünde, bezöge es sich keineswegs nur auf die Mitbewerber der Erstbeklagten, sondern auf alle Personen, die noch nicht deren Kunden seien. Das solcherart an alle Mitbewerber und sämtliche Nichtkunden der Erstbeklagten gerichtete - unausgesprochene bzw angedeutete - Götz-Zitat bedeute aber im Grund nur, daß diese Kreise der Erstbeklagten völlig gleichgültig seien. Die beanstandete Werbeaussage könne daher schon mangels Eignung zur Förderung des Wettbewerbs nicht die Grundsätze einer echten Leistungskonkurrenz beeinträchtigen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die beanstandete Werbung enthalte nach der durchschnittlichen Auffassung "des maßgeblichen Verbraucherkreises" keine die Mitbewerber der Erstbeklagten "pauschal abwertende oder verschmähende Behauptungen". Es liege daher auch keine das Wettbewerbsrecht berührende Geschäftsehrverletzung vor. Selbst wenn man die Werbeaussage im Sinne des Götz-Zitates vervollständigen wollte, bedeute sie nur, daß der Erstbeklagten alle Mitbewerber und sämtliche Nichtkunden völlig gleichgültig sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Der Kläger stützt den zu sichernden Unterlassungsanspruch ausschließlich auf § 1 UWG. Diese Bestimmung erfordert ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs", also in objektiver Hinsicht das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Beteiligten, will doch das Wettbewerbsrecht nur dasjenige geschäftliche Tun erfassen, das geeignet ist, die Wettbewerbslage irgendwie zu beeinflussen, also den oder die Mitbewerber in irgendeiner Weise berührt (Nordemann, Wettbewerbsrecht6, 40 Rz 26; ÖBl 1991, 13 und 237 ua; zuletzt etwa 4 Ob 118/93). Demgemäß kann nach § 14 UWG (ua) im Falle des § 1 UWG der Anspruch auf Unterlassung auch nur von einem Mitbewerber des Beklagten oder von einem Wettbewerbsverband geltend gemacht werden. Weil die erweiterte Klageberechtigung nach dieser Gesetzesstelle erst bei Wettbewerbsverstößen in Betracht kommt, die sich nur oder auch gegen eine unbestimmte Mehrheit von Mitbewerbern richten (sogenannte "marktbezogene Wettbewerbsverstöße": Köhler im Groß-Komm zUWG Rz 227 vor § 13 d UWG), genügt hier schon eine abstrakte Wettbewerbsbeziehung (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 188 f Rz 217 und 191 Rz 225 EinlUWG; 4 Ob 118/93). Deren Bestehen zwischen der Erstbeklagten und allen jenen Mitbewerbern, die - wie sie - Elektrowaren in den geschäftlichen Verkehr bringen, liegt aber auf der Hand.

Ob die Erstbeklagte mit der in subjektiver Hinsicht erforderlichen Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (JBl 1991, 390; ÖBl 1991, 87 mwN; ÖBl 1992, 210). Im vorliegenden Fall liegt - weder eine Parteienbehauptung noch eine - den Obersten Gerichtshof bindende - Bescheinigungsannahme zur Wettbewerbsabsicht der Erstbeklagten - sei es im positiven oder negativen Sinn - vor. Gerade bei abfälligen Äußerungen über Mitbewerber spricht jedoch nach ständiger Rechtsprechung (JBl 1991, 390; ÖBl 1991, 87 mwN; ÖBl 1992, 210) schon nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht. Diese Absicht braucht freilich auch bei abfälligen Äußerungen nicht das einzige oder das wesentliche Ziel der Handlung gewesen zu sein; sie darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten (ÖBl 1991, 87 mwN; ÖBl 1992, 210). Letzteres ist aber jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Gewerbetreibender in seiner Werbung alle Mitbewerber mit dem Götz-Zitat belegt.

Daß die Zweitbeklagte als Werbegesellschaft zu den Mitbewerbern der Erstbeklagten in keinem Wettbewerbsverhältnis steht, verschlägt dann nichts, wenn sie bei der Gestaltung der beanstandeten Werbeaussage in der Absicht gehandelt hat, den Wettbewerb der Erstbeklagten zum Nachteil deren Mitbewerber zu fördern. In einem solchen Fall können nämlich auch Personen in die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einbezogen werden, die miteinander nicht konkurrieren; schalten sie sich in den Wettbewerb anderer ein, dann steht ihr Verhalten dem des Wettbewerbers gleich, den zu fördern sie beabsichtigen (ÖBl 1991, 15 mwN). Während bei Handlungen mit typisch wettbewerblichem Charakter oder bei Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses die Wettbewerbsabsicht schon nach der Lebenserfahrung zu vermuten ist, bleibt im Fall der Förderung fremden Wettbewerbs für eine solche tatsächliche Vermutung im allgemeinen kein Raum; vielmehr muß hier der Kläger die Absicht des Beklagten nachweisen (im Provisoralverfahren: bescheinigen), zugunsten des einen und zum Nachteil des anderen Mitbewerbers in den Wettbewerb einzugreifen (SZ 61/194; ÖBl 1991, 15 uva). Ein solcher Nachweis ist aber auch im Fall der Förderung fremden Wettbewerbs dann entbehrlich, wenn - wie hier - eine typisch darauf gerichtete Handlung vorliegt (ÖBl 1991, 237; 4 Ob 118/93): Da die auftragsgemäße Gestaltung einer Werbung durch ein Werbeunternehmen gar keinen anderen Zweck erkennen läßt als den einer Förderung des Wettbewerbs des Auftraggebers zum Nachteil seiner Mitbewerber, kann hier die dementsprechende Wettbewerbsabsicht keineswegs völlig in den Hintergrund getreten sein.

Ist damit aber von einem Handeln beider Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs auszugehen, so ist für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der beanstandeten Werbeaussage der Eindruck entscheidend, den das Publikum (oder bei mehrdeutigen Angaben ein noch erheblicher Teil des Publikums) bei flüchtiger Wahrnehmung von der Mitteilung gewonnen hat (ÖBl 1990, 18 mwN). Entgegen der Meinung der Vorinstanzen mußte aber auch ein nur flüchtiger Betrachter der ersten Seite der in Rede stehenden Werbeschrift schon dem ersten Satz des Textes eine Bezugnahme auf die Konkurrenz der Erstbeklagten im dem Sinne entnehmen, daß sich diese von ihren Konkurrenten "hassen" läßt, damit sie ihre Kunden lieben. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums mußte daher auch das Wortspiel des zweiten Satzes dahin verstehen, daß alle Konkurrenten "die Erstbeklagte können", also mit der Kurzform des Götz-Zitates belegt werden. Abgesehen davon, daß dem Werbeslogan schon deshalb eine die Mitbewerber der Erstbeklagten unnötig bloßstellende aggressive Tendenz innewohnt, weil diese einer verwerflichen Gesinnung, nämlich des Hasses gegen sie wegen der "Liebe" ihrer Kunden zu ihr, geziehen werden, liegt in der an alle Mitbewerber mit der Kurzform des Götz-Zitates gerichteten Aufforderung jedenfalls eine pauschal herabsetzende grobe Beschimpfung. Durch den Gebrauch der weithin bekannten Kurzform des Götz-Zitates bringt nämlich der Mitteilende entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht bloß seine absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Adressaten der Erklärung zum Ausdruck; vielmehr wird eine solche Aufforderung allgemein als Bekundung der totalen Mißachtung verstanden. Eine derartige Geschäftsehrverletzung (Baumbach-Hefermehl aaO 505 ff Rz 317 ff zu § 1 d UWG) aller Mitbewerber der Erstbeklagten verletzt demnach nicht nur das Sachlichkeitsgebot (vgl ÖBl 1957, 25; ÖBl 1984, 5; ÖBl 1986, 63 ua), sondern ist auch eine typische Form des sittenwidrigen Behinderungswettbewerbs, weil sie den angesprochenen Interessenten keine Information über die eigenen Leistungen liefert, sondern - mit dem Mittel einer unsachlichen und aggressiven Stimmungsmache - allein darauf abzielt, die pauschal herabgesetzten Mitbewerber zu hindern, ihre Leistungen zum Vergleich zu stellen (Baumbach-Hefermehl aaO 463 Rz 208 zu § 1 dUWG; in diesem Sinne sogar für wahrheitsgemäße geschäftsschädigende Behauptungen über Mitbewerber: ÖBl 1992, 210 mwN); Pauschalangriffe gegen die Geschäftsehre auch in der Form von Beschimpfungen der gesamten Konkurrenz widersprechen demnach jedenfalls dem Sinn des Leistungswettbewerbs. Überdies trägt eine derartige Werbemethode schon im Hinblick auf ihren nicht geringen Auffälligkeitswert den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich und führt damit zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten, weil sich die Mitbewerber leicht zur Nachahmung im Wege ähnlich schockierender Beschimpfungen veranlaßt sehen können (Baumbach-Hefermehl aaO 158 Rz 138 EinlUWG; allgemein zu Folgenerwägungen Koppensteiner aaO 251 ff vgl auch SZ 56/156 zur sittenwidrigen Telfonwerbung).

Die von der Zweitbeklagten gestaltete Werbeaussage der Erstbeklagten verstößt daher gegen § 1 UWG. Dieser Verstoß fällt auch der Zweitbeklagten als Mittäterin zur Last, hat sie doch die Veröffentlichung der beanstandenden Werbeaussagen durch deren Gestaltung, also durch eigenes Verhalten, gefördert oder überhaupt erst ermöglicht (Köhler aaO Rz 205 vor § 13 d UWG; ÖBl 1984, 135; ÖBl 1991, 101 und 181 uva). Ihr ist daher auch das vom beantragten Verbot umfaßte Erscheinen der Werbeschrift zuzurechnen, zumal sie mit deren Veröffentlichung schon aufgrund ihrer auftragsgemäßen Gestaltungstätigkeit rechnen mußte.

Es war demnach in Stattgebung des Revisionsrekurses die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen, dabei aber dem Unterlassungsgebot die im Sinne des Antragsvorbringens gebotene klarere und deutlichere Fassung zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten aller drei Instanzen beruht in Ansehung des Klägers auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und §§ 41, 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO.

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