OGH 11Os196/93

OGH11Os196/938.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Februar 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz L* wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23. November 1993, GZ 36 Vr 2191/93‑11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:E35284

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält - wurde Franz L* des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 4. Mai 1993 in Salzburg die am 20. Juni 1979 geborene - sohin unmündige - Heike N* durch Betasten ihrer Brust, der Oberschenkel und des Geschlechtsteiles auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die allein auf die Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die unberechtigt ist.

Zu Unrecht erachtet sich der Beschwerdeführer nämlich durch die Abweisung (97 iVm 112 f) der in der Hauptverhandlung vom 23. November 1993 gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Einvernahme des Alfred R* und Einholung eines jugendpsychologischen Sachverständigengutachtens, jeweils "zum Beweis dafür, daß die Aussagen der Heike N* und der Alexandra N* in wesentlichen Bereichen unrichtig waren", in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Voranzustellen ist, daß bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 41 zu § 281 Z 4).

Der in erster Instanz gestellte Beweisantrag (97) wird diesen formalen Voraussetzungen nicht gerecht. Ein solcher Antrag muß nämlich außer dem Beweisthema und Beweismittel noch angeben, inwieweit (sofern sich dies nicht schon aus der Sachlage ergibt) und aus welchen Gründen erwartet werden kann, daß die Durchführung des beantragten Beweises auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde. Da dem Beweisantrag nicht zu entnehmen ist, welche konkreten Umstände für eine Unglaubwürdigkeit der Zeugin Heike N* gesprochen hätten und im übrigen zu dem erst in der Beschwerdeschrift angeführten Thema - "Beobachtungen über das Verhalten der Heike N*" - ohnedies die Mutter (des Mädchens) Monika N*, aber auch Josefa L* (Ehefrau des Angeklagten und Mutter des beantragten Zeugen R*, der wiederum der Lebensgefährte der Monika N* ist) in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen wurden, läuft das bezügliche Begehren im Kern auf die Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises hinaus.

Verteidigungsrechte wurden aber auch durch die Ablehnung der Einholung eines jugendpsychologischen Sachverständigengutachtens nicht beeinträchtigt. Gemäß § 258 StPO kommt die Beweiswürdigung ausschließlich dem Gerichtshof zu, wobei die Richter sich auf Grund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindrucks von den Zeugen und vom Angeklagten sowie auf Grund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung über die Verläßlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben. Das Gutachten eines Psychiaters oder Jugendpsychologen ist nur in besonders gelagerten Fällen erforderlich, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, bei in der Hauptverhandlung zutage getretenen Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten, die ein für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit erforderliches Fachwissen verlangen, das bei den Mitgliedern des erkennenden Senates nicht ohne weiters vorausgesetzt werden kann (Mayerhofer‑Rieder aaO E 117 und 118). Eine derartige Untersuchung eines Zeugen setzt zudem, soll sie nicht - so wie hier angesichts des Fehlens jeglicher Begründung (vgl 97) für die Behauptung, daß die Aussage der Zeugin Heike N* "in wesentlichen Bereichen unrichig war" - abermals auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises abzielen, konkret erhebliche Bedenken gegen dessen allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit oder doch gegen seine (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit schlechthin voraus. Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verläßlichkeit eines Zeugen im gegebenen Anlaßfall sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (EvBl 1983/18 ua).

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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