OGH 8Ob526/93

OGH8Ob526/933.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Jelinek, Dr. Rohrer und Dr. Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** G*****, ***** vertreten durch Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in Zwettl, wider die beklagte Partei J***** G*****, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert S 60.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 10. Dezember 1992, GZ 2 R 223/92-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 16. Juli 1992, GZ 1 C 626/92-11, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Notariatsakt vom 21. August 1991 übertrugen die Eltern der Streitteile dem Beklagten eine Liegenschaft, bestehend aus mehreren Grundstücken, auf dem sich auch zwei Häuser, nämlich das vom Beklagten bewohnte Haus Nr. 81 und das vom Kläger bewohnte Haus Nr. 127 befindet. In diesem Notariatsakt verpflichtete sich der Beklagte, seinen Eltern das lebenslängliche und unentgeltliche Ausnahmsrecht, insbesondere das Wohnrecht im Haus Nr. 81, zu gewähren. Zur Sicherung dieses Wohnungsrechts erteilte der Beklagte seine Zustimmung zur Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung und wurde zugunsten der Übergeber ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt.

Weiters hielten die Eltern der Streitteile und der Beklagte in diesem Notariatsakt fest, daß sich auf der übergebenen Liegenschaft, auf der Parzelle 341/7, auch das Einfamilienhaus Nr. 127 befindet, das vom Sohn der Übergeber (dem Kläger) errichtet worden ist. Im Notariatsakt wird diese Tatsache vom Übernehmer ausdrücklich anerkannt und er verpflichtet sich, die Grundfläche für dieses Haus im Ausmaß von rund 200 m**2 unentgeltlich an den Kläger abzutreten und eine Urkunde in einer für das Grundbuch geeigneten Form zu unterfertigen. Der Grund für das Haus sollte dem Kläger lastenfrei übergeben werden. Die Zufahrt sollte anläßlich der Vermessung und Vertragserrichtung geregelt werden.

Vor Errichtung des Übergabsvertrages nahmen der Vater der Streitteile und der Beklagte eine annäherungsweise Vermessung des Grundstücksteiles vor, der an den Kläger abgetreten werden sollte. Wo dabei die Grenze zwischen den Gebäuden der Parteien angenommen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Vertragsparteien nahmen aber eine Grenze an, die gerade so weit von der Wand des Hauses des Klägers entfernt war, daß der Zugang entlang der Hauswand möglich war.

In der Folge beabsichtigte der Kläger anläßlich der Verbücherung des Kaufes einer angrenzenden Liegenschaft auch die Verbücherung der Abtretung des Grundes auf dem das von ihm erbaute Haus steht, durchführen zu lassen und sprach mit seinem Bruder über die Grenze im Hof und über die Zufahrtsmöglichkeiten. Was damals genau besprochen wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Vor Beginn der Vermessung für den Teilungsplan erklärte der Vermessungstechniker, daß wegen der Bauordnung die Grenze mindestens 3 m vom Haus des Klägers entfernt verlaufen müsse. Der Beklagte wollte anfangs die Grenze näher beim Haus des Klägers, war aber dann mit der vom Vermessungstechniker vorgeschlagenen Grenze einverstanden, weil er der Meinung war, daß er auf Grund des Übergabsvertrages dazu verpflichtet sei, wenn das nach der Bauordnung nicht anders möglich sein sollte.

Anläßlich der Vermessung vereinbarten die Parteien auch die aus dem streitgegenständlichen Vertrag ersichtlichen wechselseitigen Geh- und Fahrrechte, die vom Vermessungstechniker eingemessen und im Teilungsplan ersichtlich gemacht wurden. Die vereinbarte Grenze wurde in Gegenwart beider Parteien markiert.

Der Beklagte hätte dieser Grenze nicht zugestimmt, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, daß die Einhaltung eines 3 m-Abstandes vom Haus des Klägers rechtlich zwingend erforderlich sei.

Bei dem Vermessungstermin war beiden Parteien bewußt, daß zur Durchführung der Vereinbarung beim Notar "noch etwas gemacht" werden müsse; welche genauen Vorstellungen die Parteien diesbezüglich hatten, konnte nicht festgestellt werden.

Nach Errichtung des Teilungsplanes beauftragte der Kläger einen Notar mit der Vertragserrichtung. Der Beklagte erschien jedoch nicht zum vorgesehenen Termin und verweigerte in der Folge eine Vertragserrichtung im Sinn der Ergebnisse des Vermessungstermines.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, in den Abschluß des aus dem Spruch des erstgerichtlichen Urteils ersichtlichen Vertrages einzuwilligen, mit dem das auf Grund der Vermessungsurkunde gebildete Grundstück Nr. 341/7 im Ausmaß von 233 m**2 unentgeltlich an den Kläger abgetreten und wechselseitige Fahr- und Gehservituten eingeräumt sowie die notwendigen Erklärungen zur grundbücherlichen Durchführung abgegeben werden. Er bringt vor, die Streitteile hätten einvernehmlich die Vertragsurkunde erstellen lassen, nun weigere sich der Beklagte jedoch, einen dem Notariatsakt vom 21. August 1991 und der einvernehmlichen Vermessungsurkunde vom 10. Oktober 1991 entsprechenden Abtretungsvertrag mit ihm abzuschließen bzw. einen solchen zu unterfertigen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, er und seine Eltern seien davon ausgegangen, daß lediglich ein Teil des Grundstückes 241/7 in der Form hätte abgetreten werden sollen, daß die Grenze unmittelbar an der Außenseite des Hauses des Klägers vorbeiführe. Selbst wenn man von einer Vereinbarung anläßlich der Vermessung ausgehen sollte - was er bestreite -, sei seine Zustimmung durch einen vom Kläger bzw. von dritter Seite, nämlich dem Vermessungsingenieur, veranlaßten Irrtum herbeigeführt worden. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte er der Grenze laut dem Vermessungsplan nicht zugestimmt. Die Einhaltung eines bestimmten Abstandes vom Haus sei nach der niederösterreichischen Bauordnung nicht erforderlich gewesen. Er hätte sich daher in einem wesentlichen Irrtum befunden und diesen rechtzeitig aufgeklärt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit folgender Begründung statt:

Der Beklagte sei auf Grund der Vereinbarung anläßlich der Vermessung verpflichtet, den Grundstücksanteil samt den vereinbarten Servituten, wie im Vermessungsplan ersichtlich, abzutreten. Es handle sich um keine Schenkung, denn die Vereinbarung stelle lediglich eine Präzisierung der dem Kläger aus dem Übergabsvertrag gemäß § 881 Abs 3 ABGB zustehenden Rechte dar. Eine Anfechtung wegen Irrtums sei nicht möglich, weil es sich um einen Motivirrtum handle und der Kläger außerdem nicht im Sinn des § 875 ABGB an der Herbeiführung des Irrtums beteiligt gewesen sei. Der Irrtum sei auch nicht rechtzeitig aufgeklärt worden, da im Hinblick auf die Einigung bei der Vermessung diese weitergeführt und ein Plan angefertigt worden sei, für den der Kläger auch kostenpflichtig wäre, wenn die Vermessung nicht zur Verbücherung führen würde. Für das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen sei irrelevant, ob der Kläger eine Freilassungserklärung erwirken könne bzw. die Eltern der Streitteile verpflichtet seien, eine solche abzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung im wesentlichen aus den bereits vom Erstgericht genannten Gründen. Nach seiner Meinung hätte die 3 m-Grenze im vorliegenden Fall nicht eingehalten werden müssen. Im übrigen sei fraglich, ob es sich überhaupt um einen wesentlichen Irrtum handeln könne, weil der Irrtum, in dem sich der Beklagte befand, lediglich ein Flächenausmaß von knapp mehr als 10 % der abzutretenden Fläche, die überdies nicht exakt festgelegt gewesen sei, betreffe.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage des Rechtsirrtums als Geschäfts- bzw. Motivirrtum, ferner zur Frage der Abgrenzung zwischen Geschäfts- und Motivirrtum und desgleichen zur Frage, in welchem Umfang wirtschaftliche Dispositionen als Folge einer Erklärung erfolgt sein müßten, um die Rechtzeitigkeit der Aufklärung des Irrtums auszuschließen, lediglich eine relativ kasuistische Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen, weil zu den vorliegenden Fragen eine äußerst umfangreiche oberstgerichtliche Judikatur vorliegt und das Berufungsgericht die Rechtsfrage im Einklang mit dieser Judikatur gelöst hat. Daß die oberstgerichtliche Judikatur "relativ kasuistisch" ist, liegt in der Natur der Sache, weil sie sich eben auf den jeweils geltend gemachten Irrtum bezieht, dies ändert aber nichts daran, daß hieraus ein klares Bild für die Lösung der hier anstehenden Rechtsfragen gefunden werden kann und diese vom Berufungsgericht auch gefunden wurde.

Tatsachen- und Rechtsirrtum stehen grundsätzlich gleich. Der Irrtum über gesetzliche Vorschriften bildet nur dann einen Geschäftsirrtum, und zwar einen Erklärungsirrtum, wenn die Parteien diese gesetzlichen Vorschriften durch Verweisung zum mittelbaren Inhalt einer Erklärung gemacht haben; andernfalls handelt es sich bei nicht unentgeltlichen Verträgen um einen unbeachtlichen Motivirrtum (MietSlg. 19.057, 20.606; 1 Ob 88/75 u.a.).

Der Beklagte hatte keine unrichtige Vorstellung von den innerhalb des Geschäftes liegenden Punkten (JBl 1976, 145 u.v.a.); er wußte vielmehr genau, daß die Grundstücksgrenze 3 m vom Haus des Klägers entfernt verlaufen sollte; er irrte lediglich über die rechtliche Notwendigkeit einer solchen Entfernung. Sein Motiv zur Zustimmung war die ihm vom Vermessungsingenieur genannte rechtliche Notwendigkeit. Ein solcher Motivirrtum berechtigt aber nicht zur Anfechtung des Vertrages. Der Beklagte ist daher zum Abschluß und zur Unterfertigung des streitgegenständlichen Vertrages in verbücherungsfähiger Form verpflichtet.

Damit erübrigen sich Ausführungen zu den von den Vorinstanzen an sich zutreffend angestellten weiteren Erwägungen, daß der Beklagte auch bei Beurteilung seines Rechtsirrtums über die Bauvorschriften als Geschäftsirrtum mangels Vorliegens der Voraussetzungen zur Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB nicht zur Vertragsanfechtung berechtigt wäre.

Soweit der Revisionswerber in seiner Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe gegen die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entschieden, insbesondere ergebe sich aus der Entscheidung EFSlg 48.578, daß ein Rechtsirrtum im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beachtlich sei und zur Vertragsanpassung führe, ist zu bemerken, daß sich jener Fall von dem vorliegenden dadurch unterscheidet, daß es sich dort um eine Unterhaltsvereinbarung handelte. Auch dort wurde die Vertragsaufhebung wegen Rechtsirrtums (die Pensionszusage in Höhe von 50 % an die Gattin erfolgte, weil beide Parteien davon ausgingen, der Gattin stünde keine eigene Pension zu) abgelehnt, weil ein unbeachtlicher Motivirrtum vorliege, eine Vertragsanpassung wegen geänderter Verhältnisse infolge der allen Unterhaltsvereinbarungen stets zugrundeliegenden clausula rebus sic stantibus jedoch bejaht. Eine solche kommt hier nicht in Betracht; von einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse kann hier nicht die Rede sein.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, sodaß sein Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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