OGH 8Ob584/93

OGH8Ob584/933.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula G*****, vertreten durch Dr.Sieglinde Lindmayr, Dr.Michael Bauer und Dr.Günter Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, wider die beklagte Partei Franz St*****, vertreten durch Dr.Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, wegen Unterhaltserhöhung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. April 1993, GZ 2 a R 101/93-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwaz vom 30. Dezember 1992, GZ 1 C 98/92i-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.812,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 302,08 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahre 1988 gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden; nach dem Urteilsspruch hat der nunmehrige Beklagte die Zerrüttung der Ehe überwiegend verschuldet. Bereits während der aufrechten Ehe schlossen die nunmehrigen Streitteile einen Unterhaltsvergleich, nach dessen Inhalt sich der nunmehrige Beklagte gegenüber der nunmehrigen Klägerin zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.300,- verpflichtete. Auf Grund einer Herabsetzungsklage wurde der Unterhaltsbetrag für die Zeit vom 18.12.1987 bis 14.4.1988 auf monatlich S 3.000,-, für die Zeit vom 15.4.1988 bis 30.9.1988 auf monatlich S 2.400,- und ab 1.10.1988 auf monatlich S 2.060,- herabgesetzt.

Mit der vorliegenden, am 10.4.1992 eingebrachten Klage beantragt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr für die Monate Jänner bis einschließlich April 1992 einen zusätzlichen Unterhaltsbeitrag von S 5.760,- (S 440,- mal 4) und ab 1.5.1992 einen zusätzlichen Unterhaltsbetrag von monatlich S 1.440,-, somit einen Gesamtunterhaltsbetrag von monatlich S 3.500,-, zu zahlen. Hiezu brachte sie vor, nach dem oben genannten Vergleich sei der Beklagte verpflichtet, ihr von seinem Einkommen 35 % als Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Dem habe seinerzeit der Betrag von S 3.300,- entsprochen und dieser Unterhalt sei demgemäß auch auf S 2.060,- herabgesetzt worden, als der Beklagte im Oktober 1988 nur Arbeitslosengeld in monatlicher Höhe von S 5.568,- bezogen habe. Da der Beklagte nunmehr aber seit Jänner 1992 eine monatliche Nettopension von S 9.148,90, insgesamt 14-mal jährlich beziehe, müsse er ihr 37 % hievon und somit gegenüber bisher S 2.060,- zumindest S 3.500,- an monatlichem Unterhalt leisten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil Vergleichsgrundlage auch der Abzug der Kosten für Miete und Strom gewesen sei, diese aber gestiegen seien und sich bei deren Abzug von seiner gestiegenen Nettopension keine Unterhaltserhöhung ergebe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es legte zugrunde, daß sich der Beklagte im genannten Vergleich nicht zur Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes seines jeweiligen Einkommens sondern eines ziffernmäßig festgesetzten Betrages von S 3.300,- verpflichtete. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe er monatlich netto S 8.900,- verdient. Seine Invaliditätspension betrage unter Berücksichtigung der Sonderzahlung nunmehr monatlich S 10.752,60. Da der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf § 94 ABGB beruhe, nehme sie am gebesserten Einkommen des Beklagten teil. Der zuerkannte Betrag von S 3.500,- liege noch unter dem üblicherweise zugebilligten Unterhalt von 33 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen.

Gegen den Zuspruch von S 5.760,- sA als zusätzlichen Unterhalt für die Zeit von Jänner bis April 1992 (S 1.440,- mal 4) erhob der Beklagte Berufung.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es einen Teilbetrag von S 4.752,- sA abwies. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

In seiner Entscheidungsbegründung führte das Berufungsgericht zur Rechtsrüge des Beklagten folgendes aus: Auch der nach § 69 Abs 2 EheG geschuldete Unterhaltsbeitrag unterliege der Regelung des § 72 EheG, wonach für die Vergangenheit Unterhalt von der Zeit an gefordert werden könne, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtsanhängig geworden sei. Sache der Klägerin sei es, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 EheG zu behaupten und nachzuweisen. In der Frage des Verzuges habe sich die Klägerin inhaltlich lediglich auf die Behauptung gestützt, der Beklagte sei auf Grund des bereits mehrfach erwähnten gerichtlichen Vergleiches vom 28.12.1980 verpflichtet, ihr von seinem monatlichen Einkommen 37 % zu bezahlen. Dies bedeute zwar, daß es im Falle einer Einkommenssteigerung keiner Einmahnung bedurft hätte, um den Beklagten hinsichtlich der daraus folgenden Erhöhungsbeträge in Verzug zu setzen, doch habe sich die vorgenannte Behauptung im Sinne der erstgerichtlichen Feststellung als unrichtig erwiesen. Eine demgemäß doch erforderliche In-Verzugsetzung habe die Klägerin im Verfahren erster Instanz (und auch in der Berufungsbeantwortung) nicht behauptet, sie könne auch aus den Umständen nicht erschlossen werden, zumal sogar die Verzugszinsen von der Klägerin erst "ab Klagstag" begehrt worden seien. Somit verweise die Berufung zu Recht darauf, daß hier Unterhalt für die Vergangenheit frühestens ab "Rechtshängigkeit" im Sinne des § 72 EheG zugesprochen werden könnte. Diese sei allerdings nicht, wie der Berufungswerber meine, im Hinblick auf die Zustellung der Klage an seinen Verfahrenshelfer frühestens "Ende April 1972" eingetreten. Nach Lehre und Rechtsprechung entspreche der aus dem deutschen Verfahrensrecht stammende Begriff "Rechtshängigkeit" der "Gerichtsanhängigkeit" im Sinne des § 41 JN und diese sei hier am 10.4.1992, dem Tag des Einlangens der Klage beim Erstgericht, eingetreten. Ab diesem Tag seien somit die Voraussetzungen des § 72 EheG erfüllt, weshalb der Beklagte schuldig sei, der Klägerin den aliquoten Anteil des im Berufungsverfahren der Höhe nach unstrittigen Erhöhungsbetrages von S 1.440,- zu zahlen, also S 1.008,- (S 1.440,- dividiert durch 30 mal 21).

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Klägerin Revision mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß ihr auch der vom Berufungsgericht abgewiesene Teilbetrag von S 4.752,- sA zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin bringt vor, das Berufungsgericht lasse sich bei seiner Entscheidung vom Beschluß des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 510/91 leiten, wonach die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 EheG die klagende Partei treffe. Der in der genannten Entscheidung ausgesprochenen Rechtsansicht habe sich - worauf das Berufungsgericht in seinem Zulässigkeitsausspruch selbst verweise - der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen 8 Ob 627/87 und 6 Ob 545/91 aber nicht angeschlossen. In der ersteren dieser beiden Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen ausgesprochen, um den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen und gegebenenfalls ihre Beweisanträge zu ergänzen; in der letztgenannten Entscheidung habe er die Ansicht vertreten, daß Einwendungen von der beklagten Partei zu erheben gewesen wären. Dieser Rechtsansicht schließe sich die Revisionswerberin an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist aber nicht gerechtfertigt.

Nach der Anordnung des § 72 EheG kann der Unterhaltsberechtigte für die Vergangenheit die Erfüllung seines Unterhaltsanspruches "erst von der Zeit an fordern, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist......."

Demgemäß ist für die Zeit vor der Klageeinbringung der Verzug des Unterhaltspflichtigen eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung. Es obliegt grundsätzlich dem Kläger, jene Tatbestände zu behaupten und zu beweisen, aus denen nach dem materiellen Recht sein Anspruch entstanden ist (8 Ob 334/67; 2 Ob 28/84; SZ 60/231 ua).

Zum Verzug gemäß § 72 EheG bedarf es nach der Lehre (vgl die Nachweise bei Zankl in Schwimann ABGB Rz 4 zu § 72 EheG) zumindest einer durch eine außergerichtliche, inhaltlich bestimmte Mahnung erfolgten Zahlungsaufforderung an den Unterhaltspflichtigen (so auch Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1, 2 zu § 72 EheG).

Die Rechtsprechung vertritt grundsätzlich ebenfalls diesen Standpunkt. In diesem Sinne wurde in der in JBl 1991, 589 abgedruckten Entscheidung eine inhaltlich bestimmte, zur Konkretisierung des geltend gemachten Unterhaltsanspruches führende Mahnung gefordert. In dem vom Berufungsgericht angeführten, der Entscheidung 2 Ob 510/91 zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin ua rückständigen Unterhalt für die letzten drei Jahre begehrt, ohne ein Vorbringen im Sinne des § 72 EheG zu erstatten, also insbesondere, ohne den Verzug des Unterhaltspflichtigen zu behaupten. Das Revisionsgericht billigte die berufungsgerichtliche Rechtsansicht, daß gemäß § 72 EheG der Klägerin die diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast obliege. In dem vom Berufungsgericht weiters angeführten, zu 8 Ob 626/87 (= teilweise veröffentlicht in EF 57.283, 57.280) ergangenen Aufhebungsbeschluß wurde vom nunmehr erkennenden Senat ausgeführt, es lasse sich auf der gegebenen Feststellungsgrundlage noch nicht beurteilen, wann die Klägerin den ihr behauptetermaßen zustehenden erhöhten Unterhalt betragsmäßig bestimmt eingemahnt habe. Dem Parteienvorbringen entsprechend stehe nur fest, daß die Klägerin seit ihrem Schreiben vom ........, also noch innerhalb eines Jahres vor Einbringung der Klage, "versucht" habe, mit dem Beklagten diesbezüglich eine vergleichsweise Regelung zu treffen, es fehlten jedoch Feststellungen dazu, wann sie diese Ansprüche außergerichtlich tatsächlich konkretisiert geltend gemacht und damit den Verzug des Beklagten im Sinne des § 72 EheG ausgelöst habe. Solange nicht feststehe, wann der Beklagte in Verzug geraten sei erscheine die Rechtssache nicht spruchreif.

Damit hatte es der Senat im vorgenannten Fall auf der Grundlage des von der Klägerin in der Verzugsfrage erstatteten Vorbringens für erforderlich gehalten, diesen Punkt näher aufzuklären, weshalb er dem Erstgericht auftrug, gemäß § 182 Abs 1 ZPO "den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen und gegebenenfalls die Beweisanträge zu ergänzen." Entgegen der Ansicht der nunmehrigen Revisionswerberin ging er hiemit aber nicht von der Behauptungs- und Beweispflicht des Unterhaltsberechtigten für den eingetretenen Verzug des Unterhaltsverpflichteten ab.

In der schließlich vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung 6 Ob 545/91 verwies der Oberste Gerichtshof zunächst im Sinne der vorstehenden Darlegungen ebenfalls ausdrücklich darauf, daß es dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten obliege, seinen früheren Ehepartner "durch ein konkretes Unterhalts-(Erhöhungs-)Begehren in Verzug zu setzen, falls er einen Unterhaltsanspruch für Zeiten vor einer prozessualen Geltendmachung nicht verlieren wolle". Die nachfolgenden Ausführungen, die Regelung des § 72 EheG sei nicht als Verjährungsbestimmung aufzufassen, dennoch sei ihre Anwendung "von einer entsprechenden Einwendung des Beklagten abhängig, die sodann allerdings die Behauptungs- und Beweislast des den Ehegattenunterhalt fordernden Streitteiles hinsichtlich der Erfüllung aller Voraussetzungen für die Anspruchgeltendmachung auslöse", stehen, wie dem Berufungsgericht und der Revisionswerberin zuzugeben ist, hiezu allerdings in Widerspruch.

Diesen Ausführungen kann aus den oben dargestellten Gründen nicht gefolgt und dem gegenteiligen Standpunkt der Revision, der Beklagte habe seinerseits den mangelnden Verzug einzuwenden, daher nicht beigetreten werden.

Demgemäß war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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