OGH 6Ob511/93

OGH6Ob511/9322.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Auer und Dr.Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Josef B*****, vertreten durch Dr.Michael Gabler und Mag.Dr.Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert gemäß § 60 Abs 2 JN: 837.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18.November 1992, GZ 13 R 147/92-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.März 1992, GZ 8 Cg 25/91-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das stattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 75.826,67 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 24.040 S Barauslagen und 8.631,11 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind zu einem Viertel (Klägerin) und zu drei Viertel (Beklagter) Miteigentümer der Liegenschaft EZ 946 KG J***** mit dem darauf errichteten Miethaus in W*****. Der Beklagte hat seinen Liegenschaftsanteil mit Kaufvertrag vom 1.6.1988 um den Gesamtkaufpreis von 626.000 S erworben. Die Klägerin erwarb ihren Liegenschaftsanteil am 26.9.1990 um 1,200.000 S.

Bereits mit Schreiben vom 7.10.1989 hatte der Immobilienmakler Dipl.Ing.Kurt D***** beim Beklagten angefragt, ob dieser an einem Verkauf seiner Liegenschaftsanteile interessiert sei und ihm eine unverbindliche Schätzung angeboten. Von Erwin C*****, einem Angestellten des Dipl.Ing.Kurt D*****, erfuhr der Beklagte vom Kaufinteresse eines namentlich nicht genannten Kunden. Er teilte aber dem Erwin C***** mit, daß er nicht verkaufen wolle, sondern vielmehr selbst am Erwerb des restlichen Anteiles interessiert sei.

Mit Schreiben vom 27.11.1990 boten die beiden Klagevertreter namens der Klägerin dem Beklagten einen Kaufpreis von 2,200.000 S für seinen Liegenschaftsanteil an; andernfalls wurde eine freiwillige Versteigerung der Liegenschaft vorgeschlagen. Daraufhin gab der Hausverwalter des Beklagten den Klagevertretern mit Schreiben vom 12.12.1990 bekannt, daß der Beklagte weder mit einem Verkauf seines Liegenschaftsanteils noch mit einer Versteigerung der Liegenschaft einverstanden sei und die Klägerin um Bekanntgabe ersuche, zu welchem Kaufpreis ihr Viertel-Anteil erworben werden könne. Mit Schreiben vom 18.12.1990 antworteten die Klagevertreter, daß die Klägerin zum lastenfreien Verkauf ihres Viertel-Anteiles um 3,500.000 S bereit sei.

Der Beklagte hatte geglaubt, daß der Geschäftsführer der Klägerin, Dr.Peter D*****, und sein Vater Dipl.Ing.Kurt D***** ein und dieselbe Person seien, weshalb die Klägerin schon seit Herbst 1989 Kenntnis von seiner mangelnden Verkaufsbereitschaft gehabt habe. Tatsächlich bestand aber zwischen Vater und Sohn D***** schon seit 20 Jahren weder ein privater noch ein geschäftlicher Kontakt. Es war nicht feststellbar, daß die Klägerin ihren Liegenschaftsanteil ausschließlich zu dem Zweck erworben hat, um den Beklagten durch die anschließende Erhebung einer Teilungsklage zu schädigen.

Mit der Behauptung, daß eine Realteilung schon wegen der baulichen Gestaltung der Liegenschaft unmöglich und untunlich sei, begehrt die Klägerin die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung. Sie sei an einem Erwerb der ganzen Liegenschaft interessiert gewesen, habe sich mit dem Beklagten aber nicht einigen können. Mit der Geltendmachung des Teilungsanspruches verfolge die Klägerin nur eigene wirtschaftliche Interessen, sie wolle aber den Beklagten damit nicht schädigen. Im Hinblick auf die verlängerte "Spekulationsfrist" des § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 sei der Klägerin ein Zuwarten bis zum 1.6.1998 unzumutbar.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Teilungsklage werde schikanös erhoben, weil die Klägerin schon beim Erwerb ihres Miteigentumsanteiles Kenntnis vom mangelnden Verkaufsinteresse des Beklagten gehabt und von Anfang an die Absicht verfolgt habe, ihn im Wege einer Teilungsklage "zwangsweise zu enteignen". Die Teilungsklage erfolge überdies zur Unzeit und zum Nachteil des Beklagten, weil dieser seinen Liegenschaftsanteil erst am 1.6.1988 als langfristige Geldanlage und zum Zwecke der Zukunftssicherung erworben habe. Der Beklagte müsse daher im Falle einer freiwilligen Versteigerung innerhalb der einkommensrechtlichen "Spekulationsfrist" vom Veräußerungserlös 50 % Einkommensteuer bezahlen und könne mit dem verbleibenden Betrag kein gleichwertiges Ersatzobjekt mehr beschaffen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ein sittenwidriger Rechtsmißbrauch durch schikanöse Erhebung des Teilungsbegehrens liege nicht vor, weil die Klägerin nicht die Schädigung des Beklagten beabsichtige, sondern eigene - wenn auch profitorientierte - wirtschaftliche Interessen verfolge. Aus § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 könne der Beklagte weder das Teilungshindernis der Unzeit noch jenes eines Nachteiles für ihn ableiten, bedeute doch die zehnjährige Spekulationsfrist, daß der Klägerin ein Zuwarten bis zum 1.6.1998 zugemutet werde. Ein so langer Zeitraum komme aber als Teilungshindernis nicht mehr in Betracht, laufe er doch nicht in naher Zukunft ab und sei demnach auch nicht mehr von bloßer vorübergehender Natur.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Mit Recht habe das Erstgericht zwar ein sittenwidriges und schikanöses Vorgehen der Klägerin verneint, aber übersehen, daß eine Aufhebung der Gemeinschaft auch dann zum Nachteil des anderen Miteigentümers sein könne, wenn diesem bei einer Veräußerung innerhalb einer bestimmten Frist eine unverhältnismäßige Steuerpflicht drohe. Das sei hier gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lit a und Abs 4 EStG 1988 der Fall, weil der Beklagte seinen Liegenschaftsanteil erst am 1.6.1988 erworben habe. Da ihm die Klägerin selbst hiefür 2,200.000 S geboten und ihren Viertel-Anteil im September 1990 um 1,200.000 S erworben habe, drohe dem Beklagten jedenfalls die Versteuerung eines entsprechenden Spekulationsgewinnes im Falle der Veräußerung der Liegenschaft innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung seines Anteiles. Dieser Nachteil sei von bestimmter und keineswegs unabsehbarer Dauer, sodaß eine Interessenabwägung vorzunehmen sei. Da die Klägerin die Teilungsklage bereits knapp vier Monate nach ihrem Anteilserwerb erhoben habe, sie aber schon vor ihrem Erwerb aus dem Grundbuch den Anschaffungszeitpunkt des Beklagten habe entnehmen können, sodaß ihr der zehnjährige Fristenlauf des § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 erkennbar gewesen sei, müsse ihr ein Zuwarten bis zum Ablauf dieser Frist zugemutet werden, zumal es sich dabei vom maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz an (nur) noch um rund 6 1/2 Jahre handle. Es liege daher das im § 830 ABGB normierte Aufhebungshindernis zum Nachteil des Beklagten vor.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach § 830 zweiter Satz ABGB kann jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, wobei § 843 ABGB den Vorrang der Naturalteilung normiert, im vorliegenden Fall aber unstrittig ist, daß eine solche in bezug auf die gemeinschaftliche Liegenschaft nicht möglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung räumt § 830 ABGB jedem Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache einen unbedingten Anspruch auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft ein (Klang in Klang2 III 1097; Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 830; Hofmeister in Schwimann, ABGB Rz 55 zu § 830; SZ 47/1; SZ 54/38; WoBl 1989/6; MietSlg 42.033 ua), worunter die jederzeitige Fälligkeit bei "Verlangen" und die Entbehrlichkeit eines besonderen Grundes für das Teilungsbegehren zu verstehen ist (MietSlg 34.068, 39.045, 42.033 ua). Das Verlangen auf Teilung der Gemeinschaft darf aber in keinem Fall zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen erhoben werden.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß dem Beklagten der Nachweis für die von ihm behauptete schikanöse und damit sittenwidrige Rechtsausübung der Klägerin nicht gelungen ist. Auf diese Einwendung ist der Beklagte im übrigen schon in seiner Berufung nicht mehr zurückgekommen. Der von ihm sonst noch geltend gemachte "Nachteil der übrigen" bildet jedoch gleichermaßen ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv nur einen Teilhaber betreffende Umstände berücksichtigt werden können (Gamerith aaO Rz 11 zu § 830; MietSlg 33.056; JBl 1984, 431; WoBl 1989/6; ImmZ 1990, 191; MietSlg 42.033 ua). So wie "Unzeit" hindert aber auch ein subjektiver Nachteil der übrigen die Aufteilung nur dann, wenn es sich um bloß vorübergehende Umstände handelt, die in Bälde wegfallen oder beseitigt werden können (Klang aaO 1098; Gamerith aaO; Hofmeister aaO Rz 63 und 122; SZ 57/45; MietSlg 39.041/33; WoBl 1989/6; EvBl 1990/93; MietSlg 42.033 ua). Eine Prüfung der Interessenlage hat dabei nur dann zu erfolgen, wenn in diesem Sinne ein Aufschub der Teilung überhaupt in Frage kommt (Gamerith aaO; SZ 31/79; ImmZ 1990, 191; MietSlg 42.033 ua), also wenn feststeht, daß das Teilungshindernis ein bloß vorübergehendes ist, welches in Bälde wegfällt (Hofmeister aaO Rz 68).

Hiezu wurde bereits ausgesprochen, daß ein zum Nachteil eines Miteigentümers gereichendes Teilungshindernis auch darin liegen kann, daß ihm bei einem Verkauf innerhalb der zweijährigen (seit der Novelle BGBl 1960/285: fünfjährigen) Sperrfrist des § 23 EStG 1953 eine unverhältnismäßige Steuerpflicht droht (SZ 36/6; JBl 1965, 207) bzw der Verkaufserlös bei einer Veräußerung vor Ablauf von fünf Jahren seit der Anschaffung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lit a und Abs 4 EStG 1972 ganz oder teilweise als Spekulationsgewinn zu versteuern wäre (SZ 54/38). Das Berufungsgericht hat aber übersehen, daß in allen diesen Fällen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz (Gamerith aaO Rz 6; ImmZ 1973, 156; MietSlg 32.050 ua; zuletzt etwa 4 Ob 1608/91) nicht mehr die vollen Sperr- bzw "Spekulationsfristen" von zwei bzw fünf Jahren offen waren, sondern das Hindernis höchstens noch drei Jahre (im Fall der SZ 54/38) währte. Auch im Fall der Entscheidung 4 Ob 1608/91, die schon zu den verlängerten Fristen des § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 ergangen ist, war nur mehr eine Restfrist von einem Jahr offen. Die Frist für das Vorliegen eines der erhöhten Steuerpflicht unterliegenden Spekulationsgeschäftes beträgt nunmehr zehn Jahre; sie verlängert sich sogar auf 15 Jahre, wenn für das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach seiner Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 EStG 1988 abgesetzt wurden. Auch bei Zivilteilung einer Liegenschaft und der damit verbundenen Feilbietung liegt eine Veräußerung im Sinne des § 30 Abs 1 EStG 1988 vor (Hofstätter-Reichel, EStG 1988 Rz 18 zu § 30 mwN auf die Rechtsprechung des VwGH). Daraus folgt, daß der Beklagte einen Umstand als Teilungshindernis geltend macht, welcher zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz noch mindestens 6 1/2 Jahre andauerte. In einem solchen Fall fehlt es aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes schon an der erforderlichen bloß vorübergehenden Natur des als Teilungshindernis geltend gemachten Umstandes, kann dieser doch frühestens erst in 6 1/2 Jahren und damit nicht mehr in naher Zukunft, geschweige denn in Bälde, wegfallen. Aus der Unbedingtheit des Aufteilungsanspruches folgt aber, daß immer nur eine angemessene Aufschiebung der Aufteilung stattfinden kann (EvBl 1990/93 mwN). Anders als im Fall der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 57/45, wo die dortige Klägerin das als Teilungshindernis anerkannte lebenslängliche Fruchtgenußrecht ihrem Sohn erst knapp vor Erhebung des Teilungsbegehrens selbst eingeräumt hatte, ist im vorliegenden Fall der Klägerin in bezug auf das vom Beklagten geltend gemachte Teilungshindernis kein derartiger Verstoß gegen die von ihr aus dem Gemeinschaftsverhältnis nach Treu und Glauben geschuldete Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners vorwerfbar. Sie muß daher auch nicht eine Beschränkung der Rechtsausübung auf einen längeren oder gar unabsehbaren Zeitraum hinnehmen.

Dem vom Beklagten geltend gemachten Nachteil fehlt daher schon wegen der dem anderen Teilhaber an der Gemeinschaft angesonnenen unzumutbaren Dauer des Aufschubes der Teilung auf mindestens 6 1/2 Jahre hinaus die für ein Teilungshindernis unerläßliche bloß vorübergehende Natur, sodaß auch eine weitere Interessenabwägung nicht mehr stattzufinden hatte.

Schon aus diesem Grunde war der Revision Folge zu geben und das der Teilungsklage stattgebende Ersturteil wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im zweiter und dritter Instanz beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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