OGH 9ObA288/93(9ObA289/93)

OGH9ObA288/93(9ObA289/93)22.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Alfred Schätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Ing.R***** B*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Willibald Rath und Dr.Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte und widerklagende Partei E***** AG, ***** vertreten durch Dr.Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,096.848,80 S brutto und 790.802,42 S netto und Feststellung (Gesamtstreitwert 2,087.641,20 S sA, Streitwert im Revisionsverfahren 1,790.998 S), infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Juni 1993, GZ 7 Ra 74, 76/92-129, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Jänner 1992, GZ 31 Cga 61/89-117, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Daß der Kläger und Widerbeklagte (im folgenden kurz: Kläger) als Verkaufsleiter in der Lage war, durch die von ihm abgegebenen Erklärungen die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden kurz: Beklagte) zu verpflichten, wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Der Kläger wendet sich im wesentlichen gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß er durch den Abschluß der Grundlage der Entlassungserklärung und der Schadenersatzansprüche der Beklagten bildenden Verträge die Grenzen seiner Dispositionsermächtigung überschritten habe. Dazu steht fest, daß dem Kläger das Zikular vom 4.4.1974 bekannt war. In diesem Zirkular war angeordnet, daß bei Verträgen und externer Korrespondenz bei Offerten über einem Betrag von 1,5 Millionen Schilling und bei Auftragsbestätigungen, die einen Wert von über 500.000 S betrefffen, die Unterschrift eines Mitgliedes des Vorstandes einzuholen ist; der Kläger war sohin weder allein noch gemeinsam mit seinem Vorgesetzten in der Filiale zur Abgabe der in Frage stehenden Erklärungen ermächtigt.

Der Kläger beruft sich nun darauf, daß er diese Vorgangsweise nie eingehalten habe, obwohl er Jahresumsätze von 160 Millionen Schilling erzielt habe. Da die Beklagte dies nicht beanstandet habe, sei anzunehmen, daß das Zirkular für ihn nicht mehr gegolten habe und er daher bei seinen Geschäftsabschlüssen nicht beschränkt gewesen sei.

Dem ist nicht zu folgen: Abgesehen davon, daß aus der Höhe des Jahresumsatzes kein Schluß auf den Umfang der einzelnen Geschäfte gezogen werden kann - dieser kann sich auch aus einer Mehrzahl von Geschäften ergeben, die jeweils die bestimmten Grenzen nicht überstiegen haben - handelte es sich hier um außergewöhnliche Geschäfte. Die Vertragssummen überschritten die Grenze, bis zu der der Kläger aufgrund der Anordnung des Dienstgebers allein abschließen konnte, um ein Mehrfaches; der Kläger ging namens der Beklagten Verpflichtungen ein (Preisnachlässe in Form von Gratislieferungen), die den gewöhnlichen Umfang derartiger Geschäftsabschlüsse weit überschritten. Daß sich der Kläger auch voll bewußt war, durch die Abschlüsse den ihm eingeräumten Dispositionsrahmen überschritten zu haben, ergibt sich deutlich auch daraus, daß er der Geschäftsleitung diese Geschäfte trotz ausdrücklicher Nachfrage nach Abschlüssen dieser Art verschwieg. Die Vorgangsweise des Klägers erfüllt daher den Entlassungstatbestand der Untreue gemäß § 27 Abs 1 Z 1 AngG.

Die Entlassung erfolgte auch rechtzeitig. Wenn der Kläger seinen Vorgesetzten auch bereits im August 1986 Andeutungen über die Geschäfte machte, steht doch fest, daß die Beklagte erst im Oktober 1986 von dritter Seite Kenntnis über die näheren Umstände erhielt und der Vorstand erst am 27. oder 28.Oktober 1986 in den Besitz der Vertragsurkunden gelangte, die eine Beurteilung der Vorgangsweise des Klägers zuließen. Damit war aber der Ausspruch der Entlassung des Klägers am 30.Oktober 1986 rechtzeitig. Im übrigen wurde der volle Umfang der Malversationen des Klägers erst im November 1986 bei einer Rücksprache mit dem Vertragspartner, der auch die vom Kläger beim Vertragsabschluß namens der Beklagten abgegebenen mündlichen Zusagen offenlegte, bekannt.

Bezüglich der Gegenforderung bekämpft der Kläger im wesentlichen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Fest steht, daß sich die S***** OHG anläßlich der Übernahme des langfristigen Vertrages über die Durchführung von Installationsarbeiten in der Vereinbarung mit der D***** GmbH verpflichtet hatte, in den folgenden 6 - 9 Jahren von allen Fakturenbeträgen einen Nachlaß von 30 % zu gewähren, um diesem Unternehmen den Ausfall zu ersetzen, den es durch die Insolvenz des vorher beschäftigten Installationsunternehmens erlitten hatte. Der Kläger verpflichtete sich dann namens der Beklagten, der S***** OHG die von ihr der D***** GmbH gewährten Fakturennachlässe durch unentgeltliche Warenlieferungen zu erstatten. Nach dem vorgesehenen Gesamtfakturenbetrag entsprach dies Gratislieferungen im Wert von etwa 3 Millionen Schilling. Ab 1985 wurde der Fakturennachlaß der S***** OHG gegenüber der D***** GmbH auf 15 % herabgesetzt. Davon ist im Revisionsverfahren auszugehen; dem Obersten Gerichtshof ist eine Überprüfung der Feststellungsgrundlage verwehrt.

Durch diese Zusage war die Beklagte gebunden. Auch die Lieferung von Waren im Wert von 223.105,98 S beruhte auf dieser Vereinbarung, so daß die Beklagte diese Lieferung auch nicht mit Aussicht auf Erfolg in Rechnung stellen konnte. Die Beklagte ist im übrigen verpflichtet, auf Grund dieses Vertrages auch in Zukunft weitere Lieferungen ohne Fakturierung zu erbringen. Daß der Kläger mit dieser Zusage die Absicht verfolgte, die S***** OHG als Kundin langfristig an die Beklagte zu binden, ändert nichts daran, daß er die Beklagte eigenmächtig verpflichtete, im vereinbarten Umfang Gratislieferungen zu erbringen, wodurch dieser ein Schaden in der Höhe des Wertes der unentgeltlichen Lieferungen entstand.

Da der Kläger vorsätzlich handelte, ist er zur vollen Schadloshaltung verpflichtet. In seiner Revision beruft er sich darauf, daß der Beklagten durch die Zusage der Gratislieferungen auch Vorteile erwachsen seien; die S***** OHG sei dadurch an die Beklagte gebunden worden; es wäre daher festzustellen gewesen, in welchem Umfang die Beklagte durch diese neuen Umsätze Vorteile erlangt habe; die Erlöse aus diesen Warenverkäufen wären den Gratislieferungen gegenüberzustellen gewesen; dabei hätte sich ergeben, daß der Beklagten kein Nachteil entstanden sei. Auf diese Einwendung ist nicht einzugehen. Der Ausgleich eines eingetretenen Schadens durch einen dem Geschädigten zugutekommenden Vorteil ist eine anspruchsvermindernde oder -vernichtende Gegeneinwendung. Die Behauptungs- und Beweislast für anrechenbare Vorteile trifft den Schädiger, der die Minderung oder den Entfall seiner Ersatzpflicht geltend macht (SZ 60/49 = JBl 1987, 524 mwN). Voraussetzung für die Berücksichtigung des Vorteilsausgleiches bei der Entscheidung über ein Schadenersatzbegehren ist daher, daß der Schädiger konkrete Behauptungen darüber aufstellt, wodurch und in welcher Höhe dem Geschädigten ein Vorteil erwachsen ist (8 Ob 83/86). Der Kläger hat jedoch im Verfahren vor dem Erstgericht ein solches Vorbringen nicht erstattet. Er nahm lediglich anläßlich des Bestreitens des Vorbringens der Widerklage im Verfahren 31 Cg 185/89 auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Geschäfte auf die Beklagte Bezug, beschränkte sich dabei jedoch auf die Behauptung, daß die Aufträge im Zusammenhang mit den sonstigen Geschäften mit der S***** OHG immer noch vorteilhaft gewesen seien; im übrigen brachte er vor, er habe beabsichtigt, dieses Unternehmen an die Beklagte zu binden. Damit zeigte er aber nicht auf, in welcher Weise und in welchem Umfang die Beklagte durch die von ihm zugesagten Gratislieferungen letztlich einen Vorteil erlangt hätte. Er hätte konkret dartun müssen, wie sich die Gratislieferungen, die er unberechtigt zugesagt und veranlaßt hatte, zum Vorteil der Beklagten ausgewirkt hätten und welcher Vorteil ihr dadurch entstanden sei. Sein Prozeßvorbringen beschränkte sich auf vage Behauptungen und bot daher keine Grundlage für eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleiches. In der Revision verdeutlicht er das diesbezügliche Vorbringen wohl etwas, doch handelt es sich dabei um Neuerungen, auf die einzugehen dem Revisionsgericht verwehrt ist.

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung nicht für zulässig erklärt. Eine Überprüfung dieser Entscheidung ist daher ausgeschlossen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 392 Abs 2 ZPO.

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