OGH 4Ob171/93

OGH4Ob171/9314.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Andreas Wabl, Abgeordneter zum Nationalrat, Großklein, Oberfahrenbach 48, vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Widerrufsveröffentlichung (Streitwert S 500.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 30.Juni 1993, GZ 2 R 84/93-68, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 5. Februar 1993, GZ 40 Cg 83/92-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Der Beklagte ist schuldig, die Behauptung, der am 14.8.1988 in der 'Neuen Kronen-Zeitung' ('Steirerkrone') unter dem Titel 'Steirischer Grün-Abgeordneter verletzte Beamten/jetzt Auslieferungsklage wegen Ansteckungsgefahr, Gendarm fordert Aids-Test für Wabl' veröffentlichte Artikel sei 'Nazijournalismus', und ähnliche Behauptungen zu unterlassen.

Das Mehrbegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, die im Unterlassungsgebot angeführte Behauptung gegenüber der APA, den Medieninhabern der periodischen Druckschriften 'Kurier' und 'Kleine Zeitung' sowie gegenüber den Lesern der periodischen Druckschriften 'Kurier' und 'Kleine Zeitung' zu widerrufen und diesen Widerruf über die APA und in den periodischen Druckschriften 'Kurier' und 'Kleine Zeitung' zu veröffentlichen, wird

abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 55.046,95 bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens 1. Instanz (darin S 6.253,99 Umsatzsteuer und S 17.523 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 36.431,88 bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.871,98 Umsatzsteuer und S 25.200 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung". In der Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung - Steirerkrone" vom 14.8.1988 erschien folgender Artikel, den Gerhard D***** verfaßt hatte:

"Steirischer Grün-Abgeordneter verletzte Beamten/jetzt Auslieferungsklage wegen der Ansteckungsgefahr.

Gendarm fordert: 'Aids-Test für Wabl!'

Dramatischer Beitrag zur Debatte um die Abgeordnetenimmunität: Der ***** Gendarmeriebeamte Walter F***** (34) fordert neben der 'Auslieferung' des steirischen Grün-Nationalrates Andreas Wabl wegen Körperverletzung auch die Durchführung eines Aids-Tests beim immunen

Mandatar. Grund: F***** war von Wabl blutig gekratzt worden.

'I trau mi net mehr, mei Frau anz'greifen, und meine drei Kinder kann i a net amoi mehr obussln' - Seit einem Einsatz gegen Draken-Gegner in Graz ist das Familienleben des Gendarmen Walter F***** zerstört. Die Angst vor der Immunschwäche Aids lähmt die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Liebesleben des dreifachen Familienvaters.

Die brisante Vorgeschichte: Am 10.Juni, kurze Zeit nach der Draken-Stationierung, war der Gendarmeriebeamte im Rang eines Revierinspektors im Bereich des Draken-Widerstandscamps am Grazer Flughafen Thalerhof als Ordnungshüter eingesetzt gewesen. Dabei war es zu 'Reibereien' zwischen Demonstranten und der Exekutive gekommen.

Die Folgen eines Handgemenges zwischen Fellner und dem grünen Parlamentarier Andreas Wabl: zwei blutende Kratzer, der eine 5, der andere 10 cm lang, am rechten Unterarm F*****s. Zwei Zeugen und der Distriktsarzt bestätigten die Verletzungen.

F***** will dem immunen Nationalrat zwar nicht unterstellen, daß er mit der Immunschwäche infiziert sei, aber, so der Inspektor zur 'Steirerkrone': "Der Abgeordnete hat zuvor mit anderen Aktivisten Kontakt ghabt, und die worn net unbedingt sauber.' Eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen Wabl ist von der Staatsanwaltschaft mittlerweile wegen Geringfügigkeit zurückgelegt worden, F***** verlangt aber dennnoch die Auslieferung des Mandatars.

'Der Herr Wabl muß sich einer Aids-Untersuchung unterziehen, er könnte mich ja angsteckt hobn', fordert F***** den grünen 'Kratzer' zur Blutabnahme mit anschließendem Immunschwächetest auf. Für den erlittenen seelischen Schaden will das Wabl-Opfer Schmerzensgeld einklagen. Die F*****-Forderungen vertritt dabei ausgerechnet der Grazer Rechtsanwalt Dr.Candidus C*****, der bisher bekanntlich den Draken-Gegnern nahe stand und nicht der (drakenbewachenden) Exekutive."

Der Artikel war auf der Titelseite wie folgt angekündigt:

"Grüner Wabl soll nun zu Aids-Test.

Der ***** Gendarm Walter F***** verlangt, daß sich der Grün-Parlamentarier Andreas Wabl einem Aids-Test unterzieht. Wabl hatte F***** bei einem Handgemenge blutig gekratzt (Seiten 8/9)."

Gerhard D***** hatte mit dem Beklagten vor der Veröffentlichung des Artikels keinen Kontakt aufgenommen. Am 16.8.1988 vereinbarte der Beklagte mit Gerhard D*****, daß dieser einen erklärenden Artikel sowie eine vom Beklagten verfaßte und von Gerhard D***** unterzeichnete Entschuldigung veröffentlichen sollte. Tatsächlich wurde am 17.8.1988 folgende Erklärung in der "Steirerkrone" veröffentlicht:

"Die 'Steirerkrone' möchte im Zusammenhang mit dem Bericht über die Aids-Test-Forderung von F***** klarstellen, daß es nie beabsichtigt war, den Nationalratsabgeordneten Andreas Wabl mit der Krankheit Aids persönlich oder politisch zu diffamieren. Für grobe Unterstellungen, die unserer selbst auferlegten Fairneß und journalistischen Ehre nicht angemessen waren, möchten wir uns entschuldigen. D*****".

In derselben Ausgabe der "Steirerkrone" erschien ein weiterer Artikel mit der Überschrift "Diffamierung von Grün-Abgeordneten nicht beabsichtigt - Hygieniker Möse beruhigt: 'Kein Aids-Fall durch Kratzer'". In diesem Atikel wurde (ua) mitgeteilt, daß die Staatsanwaltschaft Graz die Anzeige von Walter F***** mangels Strafwürdigkeit des Beklagten gemäß § 42 StGB zurückgelegt habe.

Am 17.8.1988 hielt der Beklagte gemeinsam mit Freda Meissner-Blau in Wien eine Pressekonferenz ab, an welcher ein Vertreter der Austria Presseagentur sowie Journalisten verschiedener Zeitungen teilnahmen. Im Verlauf dieser Pressekonferenz beantwortete der Beklagte die Frage einer Journalistin, wie er die ganze Angelegenheit empfinde, mit "Das ist Nazijournalismus". Der Beklagte meinte damit ausschließlich den ihn betreffenden Bericht der "Steirerkrone" vom 14.8.1988.

Über die Pressekonferenz verbreitete die Austria Presseagentur eine Aussendung, welche mit "Wabl: Das ist Nazijournalismus" überschrieben

war; in weiterer Folge wurde die Äußerung in Berichten verschiedener Zeitungen wiedergegeben.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die unwahre Tatsachenbehauptung, der am 14.8.1988 in der "Neuen Kronen-Zeitung" ("Steirerkrone") unter dem Titel "Steirischer Grün-Abgeordneter verletzte Beamten/jetzt Auslieferungklage wegen Ansteckungsgefahr, Gendarm fordert Aids-Test für Wabl" veröffentlichte Artikel sei "Nazijournalismus", und ähnliche unwahre Behauptungen zu unterlassen; die Klägerin stellt darüber hinaus ein Widerrufsbegehren sowie das Begehren, den Widerruf zu veröffentlichen. Der Beklagte habe mit der Behauptung, die "Neue Kronen-Zeitung" sei "Nazijournalismus", eine unrichtige kreditschädigende Tatsachenbehauptung aufgestellt. Die Klägerin stütze das Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf § 1330 Abs 2 und 1 ABGB.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe der "Neuen Kronen-Zeitung" niemals unterstellt, nationalsozialistisch zu sein oder nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. "Nazijournalismus" sei keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil. Damit seien auch nicht die typischen verbrecherischen Handlungen und Methoden des nazionalsozialistischen Regimes, wie Verletzung der Grund- und Menschenrechte, die Diskriminierung, Folterung und Massenvernichtung des jüdischen Volkes und anderer Bevölkerungsgruppen wegen ihrer nationalen oder rassischen Herkunft oder wegen ihrer politischen Gesinnung oder ihres sexuellen Verhaltens gemeint. Davon abgesehen, habe die Berichterstattung der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 14.8.1988 die typischen Elemente nationalsozialistischen Journalismus und nationalsozialistischer Propaganda aufgewiesen. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - unter Berufung auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten - zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß der Terminus "Nazijournalismus" kein etablierter Ausdruck der Gegenwartsprache sei; ihm entspreche kein eindeutiges und präferiertes Interpretationsmuster. Für den Begriff "Nazijournalismus" sei daher keine normative bzw einheitliche Definition anzusetzen, wobei die konnotative Besetzung des Ausdruckes "Nazi" und der damit gebildeten Composita jedoch auf eine negative Bedeutung festgelegt sei. Der Begriff "Nazijournalismus" enthalte eine Wertung. Aus dem Zusammenhang, in dem die Äußerung gemacht wurde, ergebe sich, daß auch keine konkludente Tatsachenbehauptung vorliege. Den Journalisten müsse klar gewesen sein, daß der Beklagte damit seine subjektive Meinung äußere. Ein Werturteil falle nicht unter § 1330 Abs 2 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die Revision nicht zulässig sei.

"Nazijournalismus" sei ein Werturteil und keine konkludente Tatsachenbehauptung; selbst ein unrichtiges Werturteil sei nicht nach § 1330 Abs 2 ABGB zu beurteilen. Da im gegenwärtigen Sprachgebrauch unter "Nazijournalismus" nicht bestimmte Praktiken der nationalsozialistischen Herrschaftsepoche verstanden würden, könne die Äußerung nicht dahin verstanden werden, daß der Beklagte damit dem Artikelverfasser und allenfalls auch der Medieninhaberin bestimmte Praktiken unterstellt habe. Selbst wenn angenommen würde, "Nazijournalismus" zeichne sich durch bestimmte negative Merkmale aus, wäre der Anspruch der Klägerin nicht begründet, weil der Beklagte bewiesen habe, daß ein wesentliches Merkmal von "Nazijournalismus" - neben den "formalen Techniken" insbesondere die Diffamierung "feindlicher Politiker" mit "Krankheitsetiketten" - zutreffe. Der Tatbestand der - zumindest fahrlässigen - Verbreitung unwahrer Tatsachen sei daher nicht erfüllt. Eine Ehrenbeleidigung könne zwar auch gegenüber einer juristischen Person begangen werden; da sich der Beklagte jedoch mit seiner Äußerung konkret auf den Artikel des Gerhard D***** bezogen habe, könne nur dieser, nicht aber auch die Klägerin als Medieninhaberin in ihrer Ehre verletzt worden sein. Dem Beklagten müßten auch rechtfertigende Umstände zugebilligt werden. Bei einer umfassenden Interessenabwägung rechtfertige die begreifliche Empörung des Beklagten über die Unterstellung, er leide an der Immunschwächekrankheit Aids, das Werturteil "Nazijournalismus". Der Beklagte habe damit das Maß der zulässigen Kritik nicht überschritten. Nach den besonderen Umständen des Falles sei auch nicht zu erwarten, daß der Beklagte seine Äußerung wiederholen werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind (stRsp: SZ 60/255 uva; Reischauer in Rummel, ABGB2, 746 § 1330 Rz 8; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174). Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, so daß das Verbreiten nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (MR 1993, 14 mwN). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen (ÖBl 1980, 130; SZ 60/255 uva). Tatsachen können auch "konkludent" behauptet werden; von einer solchen "konkludenten" Tatsachenbehauptung spricht man dann, wenn dem Urteil, das eine rein subjektive Auffassung wiedergibt, entnommen werden kann, daß es von bestimmten Tatsachen ausgeht (Koziol aaO 175; ÖBl 1980, 130; MR 1993, 14 uva). Daß das Verhalten eines Dritten auf Grund eigener gedanklicher Tätigkeit interpretiert und einer wertenden Stellungnahme unterzogen wird, schließt daher das Vorliegen einer Tatsachenmitteilung noch nicht aus (aM MR 1990, 184). Werturteile sind rein subjektive Aussagen, die einer objektiven Überprüfbarkeit entzogen sind (SZ 60/255 uva). Sie werden von § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfaßt, können aber als Ehrenbeleidigung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an. Das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgeblich (MR 1993, 17 mwN). Der Täter muß stets die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (s. SZ 61/193). Sachbezogene Kritik wird dann geübt, wenn das Werturteil den unbestrittenen oder bewiesenen Tatsachen entspricht. Nur eine korrekte, den Tatsachen entsprechende Information ermöglicht dem Adressaten eine selbständige Beurteilung des Geschehens und der geäußerten Kritik (MR 1993, 101 mwN).

§ 1330 Abs 2 ABGB erfaßt das Verbreiten kreditschädigender Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit der Verbreitende kannte oder kennen mußte. Die Beweislast für die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung trifft den Kläger. Ist aber die kreditschädigende Tatsachenbehauptung zugleich eine Ehrenbeleidigung, dann hat der Betroffene nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen; die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung trifft den Täter (stRsp EvBl 1991/24 uva; s. auch Reischauer aaO 749 § 1330 Rz 17).

Aktiv legitimiert ist sowohl bei Ansprüchen nach § 1330 Abs 1 ABGB als auch bei Ansprüchen nach § 1330 Abs 2 ABGB derjenige, der von den ehrenrührigen (kreditschädigenden) Behauptungen betroffen ist. Das kann auch eine juristische Person sein, weil auch juristische Personen sowohl einen wirtschaftlichen Ruf haben als auch passiv beleidigungsfähig sind (MR 1990, 57; ÖBl 1992, 140; s. auch MR 1993, 14). Eine Gefährdung des wirtschaftlichen Rufes einer juristischen Person kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die über eine physische Person verbreiteten Tatsachen mit dem Betrieb des Unternehmens in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und daher auch auf das Unternehmen selbst bezogen werden können (JBl 1990, 660; Reischauer aaO 746 § 1330 Rz 7). Das gleiche gilt bei ehrenrührigen Behauptungen; auch hier ist die juristische Person als Betroffene aktiv legitimiert, wenn der oben erwähnte Zusammenhang besteht und die Behauptungen daher auch auf das Unternehmen selbst bezogen werden können.

Der Unterlassungsanspruch steht sowohl bei Angriffen auf den wirtschaftlichen Ruf einer Person als auch bei Angriffen auf die Ehre bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auch dann zu, wenn den Täter kein Verschulden trifft (SZ 56/124; SZ 61/193 uva). Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die ernstliche Besorgnis besteht, der Beklagte werde weitere Verletzungshandlungen begehen (ÖBl 1972, 20 uva). Dabei kommt es vor allem auf die Willensrichtung des Täters an, für welche insbesondere sein Verhalten während des Rechtsstreites wichtige Anhaltspunkte bieten kann (SZ 45/14; SZ 56/124 uva). Wer seine Handlung im Prozeß verteidigt und weiterhin ein Recht zu diesem Verhalten behauptet, gibt in der Regel schon dadurch zu erkennen, daß es ihm um die Vermeidung weiterer Eingriffe nicht ernstlich zu tun ist (stRsp ÖBl 1982, 24 uva).

Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch setzt ein Anspruch auf Widerruf einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung voraus, daß den Täter ein Verschulden trifft (Reischauer aaO 751 § 1330 Rz 22). Das Recht auf Widerruf und der Unterlassungsanspruch stehen nebeneinander zu (SZ 50/111 ua); beim Widerruf, nicht aber beim Unterlassungsgebot, kann auch die Veröffentlichung begehrt werden (WBl 1988, 99); die Veröffentlichung des Widerrufs hat in gleich wirksamen Form zu erfolgen wie die Tatsachenbehauptung selbst (SZ 50/111).

Sowohl die Ehre als auch der wirtschaftliche Ruf einer Person ist ein absolutes Recht. Nicht jede Beeinträchtigung eines absoluten Rechts ist rechtswidrig; die Rechtswidrigkeit kann vielmehr nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden (SZ 56/124 mwN;

s. auch Reischauer aaO 745 § 1330 Rz 7 a; SZ 51/146; SZ 61/210 uva). Stets müssen dem Interesse am gefährdeten Gut auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden; eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer untragbaren Einschränkung der Interessen anderer und auch jener der Allgemeinheit führen (SZ 56/124 mwN).

Der Beklagte hat einen von Gerhard D***** verfaßten und von der Klägerin veröffentlichten Artikel als "Nazijournalismus" bezeichnet. Dieser Vorwurf stand demnach mit dem Betrieb des Unternehmens der Klägerin in unmittelbarem Zusammenhang, so daß die Klägerin - unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Wertung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt - als davon (Mit)betroffene aktiv legitimiert ist.

Die beanstandete Äußerung ist in einer Pressekonferenz gefallen, deren Gegenstand die den Beklagten diffamierende Berichterstattung der Klägerin war. Der Beklagte hat dabei die Frage einer Journalistin, wie er die ganze Angelegenheit empfinde, mit "Das ist Nazijournalismus" beantwortet. Für die anwesenden Journalisten bestand damit kein Zweifel, daß sich die Äußerung ausschließlich auf den Artikel der "Steirerkrone" bezog und der Beklagte damit die Berichterstattung der Klägerin im konkreten Fall (negativ) beurteilte. In dem Zusammenhang, in dem sie gemacht wurde, war die beanstandete Äußerung somit ein Werturteil, welches von den Zuhörern nicht als richtig oder falsch beurteilt, sondern nur subjektiv angenommen oder abgelehnt werden konnte (s. Anm Korn zu MR 1991, 146). Für eine Überprüfung der Richtigkeit fehlt aber auch jeder Anhaltspunkt, welchen der möglichen Bedeutungsinhalte des Begriffes "Nazijournalismus" der Beklagte nach dem Verständnis der Zuhörer seiner Kritik zugrunde gelegt hat, was eine Beurteielung als "konkludente Tatsachenbehauptung" ausschließt (s. SZ 60/255 zur Qualifikation der Äußerung "Ich habe eingesehen, daß man aus der FPÖ keine liberale Partei machen kann" als Werturteil). Als Werturteil ist aber die beanstandete Äußerung nicht § 1330 Abs 2, sondern § 1330 Abs 1 ABGB zu unterstellen. Nach dieser Bestimmung steht neben dem Unterlassungsanspruch nur ein Anspruch auf Schadenersatz, nicht aber auch ein Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung zu.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben: Der Beklagte hat allein schon durch sein Verhalten im Prozeß zu erkennen gegeben, daß er seine Einstellung nicht geändert hat; er behauptet weiterhin, den beanstandeten Artikel zu Recht als "Nazijournalismus" bezeichnet zu haben.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist allerdings nur dann begründet, wenn eine umfassende Interessenabwägung ergibt, daß ihre Interessen nicht geringer als die des Beklagten zu bewerten sind. Der Klägerin muß ein Interesse zugebilligt werden, nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht zu werden; der Vorwurf, "Nazijournalismus" zu betreiben, bringt sie in die Nähe eines strafbaren Verhaltens (s. § 3 VG). Der Beklagte hat mit der beanstandeten Äußerung auf einen von der Klägerin veröffentlichten Artikel reagiert, in welchem ihm unterstellt wurde, an Aids und damit an einer ansteckenden Krankheit erkrankt zu sein, die in weiten Teilen der Bevölkerung Angst und Ablehnung hervorruft. Seine Entrüstung über die diffamierende Berichterstattung mag verständlich erscheinen; sie kann aber die Anschuldigung, daß die Klägerin einen Journalismus betreibe, der einem strafbaren Verhalten zumindest nahekommt, nicht rechtfertigen, zumal ja dem Beklagten die Möglichkeit offengestanden wäre, gegen die Klägerin eine Klage nach § 1330 ABGB einzubringen. Ein Abwägen der beiderseitigen Interessen läßt jedenfalls kein Überwiegen der Interessen des Beklagten erkennen. Auch das Recht der freien Meinungsäußerung kann einen so schwerwiegenden Angriff auf die Ehre, wie ihn der Beklagte durch den Vorwurf des "Nazijournalismus" zu verantworten hat, nicht rechtfertigen. Aus denselben Erwägungen kann auch nicht von zulässiger politischer Kritik gesprochen werden, wenngleich es auch, wie der Beklagte zutreffend ausführt, ihre Aufgabe ist, aufzurütteln, zu provozieren und zu schockieren.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist daher begründet.

Nicht berechtigt ist der Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung, weil - wie oben dargelegt - ein solcher Anspruch nur zusteht, wenn eine kreditschädigende Tatsachenbehauptung iS des § 1330 Abs 2 ABGB vorliegt. Da aber "Nazijournalismus" in dem Zusammenhang, in dem der Beklagte die Äußerung gemacht hat, als Werturteil aufzufassen ist, war auch der Spruch entsprechend zu fassen; die auf die unrichtige rechtliche Qualifikation durch die Klägerin zurückgehende Bezeichnung von "Nazijournalismus" als "unwahre Tatsachenbehauptung" hatte zu entfallen.

Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war somit Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO. Die Klägerin ist mit 3/5 durchgedrungen, mit 2/5 ist sie unterlegen. Sie hat daher Anspruch auf Ersatz von 1/5 ihrer Kosten und 3/5 ihrer Barauslagen.

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