OGH 7Ob591/93

OGH7Ob591/9324.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johanna Edith N*****, 2. Maria Magdalena M*****, und 3. Elemer M*****, alle vertreten durch Dr.Karl Zingher und Dr.Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Architekt Dipl.Ing.Elisabeth G*****, vertreten durch Dr.Helfried Rustler ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 24.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Juli 1993, GZ 41 R 152/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. November 1991, GZ 48 C 322/91v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses W*****, P*****platz 9. Das auf die K*****gasse ausgerichtete Mietobjekt Nr.VIIa wurde mit Mietvertrag vom 23.3.1942 der Mutter der Beklagten als Verkaufslokal und Werkstätte für Damenkleider vermietet. Die Beklagte ist in diesen Mietvertrag im Erbweg eingetreten. Laut Punkt 6 Z 4 des Mietvertrages darf der Mieter die Mieträume nicht untervermieten. Unstrittig ist, daß die Beklagte das Geschäftslokal mit Unternehmenspachtvertrag vom 28.5.1991 an Maria S***** verpachtet hat und daß diese dort einen Textileinzelhandel betreibt.

Mit der Behauptung, die Beklagte habe das Mietobjekt an Maria S***** ab 1.6.1991 zur Gänze untervermietet, begehren die Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Verpachtung des von ihr im angeführten Mietobjekt betriebenen Unternehmens zu unterlassen. Durch das lilafärbige Außenportal und die in den Auslagen ausgestellte Damenreizwäsche sowie die Lichtreklame würden Interessen des von den Eigentümern auf der Liegenschaft betriebenen Hotels W***** beeinträchtigt.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß das Lokal seit 1971 als Textileinzelhandelsunternehmen laufend verpachtet worden sei. Die Beklagte sei damit einverstanden gewesen, daß der Pachtvertrag des Vorpächters auf Maria S***** übergehe. Durch die langjährige Kenntnis von der Verpachtung hätten die Kläger auf einen etwaigen Unterlassungsanspruch, sollte sich ein solcher überhaupt aus dem Mietvertrag ergeben, verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß der vorgelegte Mietvertrag nur die das Klagebegehren nicht tragende Vereinbarung einer Untervermietung enthalte.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung. Es bewertete den Wert des Streitgegenstandes als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die Revision für zulässig. Rechtlich folgerte es aus dem unstrittigen Sachverhalt, daß nach § 1098 ABGB Mieter und Pächter grundsätzlich zur Untervermietung bzw. Unterverpachtung berechtigt seien, soferne ihnen dies nicht ausdrücklich untersagt werde. Eine Vereinbarung in diesem Sinn sei daher zulässig und zwischen den Parteien auch im Anwendungsbereich des § 11 MRG verbindlich. Die in der Entscheidung 6 Ob 613, 614/88 (= MietSlg. 40.151) vertretene Rechtsmeinung, ein vertraglich vereinbartes Untermietverbot verbiete jede Art der Gebrauchsüberlassung an Dritte, könne nicht geteilt werden, soferne sich dieses Verbot nicht auf Untervermietungen jeder Art beziehe. Die Kläger hätten aber nicht behauptet, daß bei Vertragsabschluß im Jahre 1942 mit dieser Bestimmung auch eine Verpachtung untersagt worden sei. Das vorliegende vereinbarte Untermietverbot inkludiere daher kein Verpachtungsverbot.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist berechtigt.

Die Revisionsausführungen, daß die deutsche Rechtslage zur Auslegung des Punktes 6 Z 4 des Mietvertrages heranzuziehen sei, ist irrelevant, weil im Abschlußzeitpunkt vom deutschen Rechtsbereich abweichende österreichische Normen in Geltung standen und weil Feststellungen über eine Parteiabsicht bei Vertragsabschluß fehlten. Zutreffend kritisieren die Rechtsmittelwerber aber das Abweichen der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur vorliegenden Auslegungsfrage, insbesondere das Abgehen von der Entscheidung 6 Ob 613, 614/88 (= NRsp 1989/28 = MietSlg. 40.151, 40.285 und 40.775), der ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrundelag. Die Rechtswirksamkeit eines vereinbarten Untervermietungsverbotes wird von den Streitteilen nicht in Zweifel gestellt (vgl. dazu zuletzt 7 Ob 582/89). Strittig ist nur der Umfang dieses Verbotes. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes fußt die Entscheidung 6 Ob 613, 614/88 auf den Vorentscheidungen MietSlg. 37.274, 33.324, 32.368 und 23.148 und wurde auch von der Lehre gebilligt (vgl. Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 318). Von der rechtsunkundigen Bevölkerung werden Vermietung und Verpachtung häufig einander gleichgestellt bzw. kein Unterschied darin erblickt. Zweck eines Untervermietungsverbotes für den Vermieter kann nur die Verhinderung einer Gebrauchsüberlassung des Bestandgegenstandes an Dritte sein. Daß eine solche zu verhindernde Gebrauchsüberlassung gerade über den Umweg der Unterverpachtung zulässig sein sollte, wäre sinnwidrig und müßte daher ausdrücklich vereinbart werden. Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung, daß Klauseln in Mietverträgen, mit denen eine Untervermietung verboten wird, gerade dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht festgestellt wurde, ob von den Parteien dazu etwas näheres gesprochen worden ist, nur dahin verstanden werden können, daß damit jede Art der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten umfaßt sein sollte. Der redlichen Mietvertragsparteien zusinnbare Zweck eines solchen Verbotes kann es nämlich nicht sein, die Rechtsform zu treffen, sondern vielmehr die faktische Überlassung des Gebrauchs an den Dritten zu verhindern. Es entspricht ebenso der herrschenden Rechtsprechung, daß ein Verstoß des Mieters gegen ein solches vertragliches Verbot den Vermieter berechtigt, die Unterlassung und Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes zu begehren (6 Ob 613, 614/88 mwN). Es trifft zwar zu, daß der Entscheidung 1 Ob 614/85 (= MietSlg. 37.274) eine Vertragsklausel des Inhalts, "daß Untervermietungen jeder Art nur mit Zustimmung der Hausverwaltung zulässig sind" zugrundelag, jedoch deckte diese Vertragsformulierung auch eine nur teilweise Untervermietung ab und ist in diesem Umfang als weitreichender anzusehen.

Dennoch ist die vorliegende Rechtssache noch nicht entscheidungsreif, weil die beklagten Parteien eine schlüssige Genehmigung durch stillschweigende Duldung und Kenntnis der Unterverpachtung durch die Beklagte seit 1971 behauptet haben. Dabei handelt es sich um eine relevante noch zu klärende Tatfrage. Obwohl für die Konkludenz, also die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen nach § 863 ABGB ein strenger Maßstab (arg. kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln) anzulegen ist, kann, da für die Anwendung der zitierten Bestimmung stets die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind, von den Einwendungen der Beklagten her, nicht ausgeschlossen werden, daß die Vermieter einer Verpachtung tatsächlich rechtswirksam zugestimmt haben. Bei der rechtlichen Beurteilung dieser Frage wird aber auch zu berücksichtigen sein, ob sich die Zustimmung der Verpächter nicht nur auf bereits ein bestehendes Pachtverhältnis bezogen hat und daher nicht im Sinne einer Zustimmungserklärung auch für weitere Verpachtungen auszulegen ist (vgl. 1 Ob 614/85 in MietSlg. 37.274). Unter Umständen könnte auch von Bedeutung sein, ob die neue Verpachtung im Gegensatz zur früheren wichtige Interessen des Bestandgebers verletzt (vgl. MietSlg. 33.324).

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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