Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 19.501,20 (darin enthalten S 3.250,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 5. Mai 1971 geborene Klägerin, eine deutsche Staatsbürgerin, unternahm am 3. Juli 1985 anläßlich eines Ferienaufenthalts in Mürzsteg mit einem vom Jugendgästehaus A***** angemieteten Fahrrad einen Ausflug, kam zu Sturz und verletzte sich schwer. Der Ferienaufenthalt war von der beklagten Partei entgeltlich vermittelt worden.
Die Klägerin fordert nunmehr von der beklagten Partei S 600.000,-- Schmerzengeld; außerdem soll gerichtlich festgestellt werden, daß ihr die beklagte Partei für alle in Zukunft entstehenden unfallskausalen Schäden zur Gänze haftet. Dieses Feststellungsbegehren ist nach dem Vorbringen der Klägerin so zu verstehen, daß es sich auf die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht einklagbaren (und daher auch in einem Parallelverfahren beim Landgericht Düsseldorf nicht eingeklagten) Ansprüche auf Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung bezieht.
Die Haftung der beklagten Partei wurde damit begründet, daß der Sturz der Klägerin auf eine mangelhafte Beschaffenheit des Fahrrades zurückzuführen sei und es die (für die Beaufsichtigung der Kinder im Jugendgästehaus zuständigen) "Beauftragten der beklagten Partei" verabsäumt hätten, sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Fahrrades zu überzeugen. Im Zuge des Verfahrens hat die Klägerin dann noch vorgebracht, daß sie (bzw. ihre Mutter) der beklagten Partei ein Entgelt für den Ferienaufenthalt zahlte, daß die beklagte Partei zur Beaufsichtigung der Kinder im Jugendgästehaus verpflichtet war und daß sie sich bei der Erfüllung dieser Pflicht der Mitarbeit von Erfüllungsgehilfen iSd § 1313a ABGB bediente. Da der Unfall auf das Alleinverschulden eines Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei zurückzuführen sei, für das diese wie für eigenes Verschulden einzustehen habe, hafte die beklagte Partei für den entstandenen Schaden.
Die beklagte Partei hat die Abweisung des Klagebegehrens u.a. mit der Begründung beantragt, daß auf den Schadensfall das Recht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden sei und die Klägerin daher weder Schmerzengeld noch Verunstaltungsentschädigung verlangen könne.
Letzteres, nämlich die mangelnde Ersatzfähigkeit ihres durch Schmerzen und die Verunstaltung verursachten Schadens nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, stellte die Klägerin ausdrücklich außer Streit. Im gegenständlichen Fall sei jedoch nach Art 3 und 6 des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht österreichisches Recht anzuwenden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da das Haager Straßenverkehrsübereinkommen nur für die außervertragliche zivilrechtliche Haftung gelte, die Klägerin jedoch eindeutig eine Vertragshaftung der beklagten Partei in Anspruch nehme, komme deutsches Recht zur Anwendung.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es führte aus:
Die Anwendbarkeit des Haager Straßenverkehrsübereinkommens, BGBl 1975/387, beziehe sich ausschließlich auf Schadenersatzansprüche, die außervertraglich entstanden sind. So bleibe beispielsweise für die Anwendung des Übereinkommens kein Raum, wenn ein Beförderungsvertrag vorliegt (Vrba - Lampelmayer - Wulff - Gegenbaur, Schadenersatz in der Praxis, Rz 927, mit Hinweis auf die Entscheidung ZVR 1985/43).
Die Klägerin stütze ihr Begehren nicht auf ein Delikt, sondern mache als Haftungsgrund mangelhafte Vertragserfüllung mit den Modalitäten einer Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB geltend. Damit biete das Haager Übereinkommen keinen Anknüpfungspunkt für die Anwendung österreichischen Rechts.
Auch sonst sei keine ausreichende Inlandsbeziehung ersichtlich, die die Anwendung österreichischen Rechts zuließe. Der gegenständliche, einem Reiseveranstaltungsvertrag ähnliche Vertrag sei nämlich in der Bundesrepublik Deutschland zwischen einer deutschen Staatsangehörigen und einer Körperschaft öffentlichen Rechts mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlsosen worden und stelle damit die stärkere Beziehung jedenfalls zum Recht der Bundesrepublik Deutschland her. Dementsprechend habe ja auch die Klägerin in einem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf ihre Transportkosten eingeklagt und nach deutschem Recht zugesprochen erhalten. Auf österreichisches Recht berufe sie sich jetzt offenbar nur deshalb, weil ihr das deutsche Recht einen Schmerzengeldanspruch versagt. Eine Rechtswahl, die zur Anwendung des österreichischen Rechts führen könnte, sei weder behauptet worden noch zu erkennen. Damit habe es bei der Anwendung deutschen Rechts zu bleiben, das der Klägerin unbestrittenermaßen keinen Anspruch auf Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung gewährt.
Das Urteil des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die Revision zulässig sei. Die Frage des anzuwendenden Rechts sei nämlich von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO.
In der nunmehr vorliegenden Revision beharrt die Klägerin auf der Anwendbarkeit österreichischen Rechts, weil die beklagte Partei "nach deliktischen Gesichtspunkten hafte". Sie sei auf Grund des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages zu deren Beaufsichtigung verpflichtet gewesen und hafte für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen nach den Bestimmungen der §§ 1297, 1313a ABGB. Deren Versäumnisse bei der Überprüfung des Fahrrades seien - gemessen am objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 1297 ABGB - als grob fahrlässig zu werten. Als Mitarbeiter des Jugendfahrtendienstes der beklagten Partei seien diese Aufsichtspersonen dienstlich verpflichtet gewesen, die Kinder zu betreuen, was wiederum gemäß § 1313a ABGB die Haftung der beklagten Parteibe wirke. Auch der Umstand, daß sich im IPRG gar keine Anknüpfungspunkte für eine Haftung nach schuldrechtlichen Gesichtspunkten (gemeint ist wohl: für eine vertragliche Schadenersatzpflicht) finden lassen, spreche für die Anwendung von Deliktsrecht und damit für die Maßgeblichkeit des Haager Straßenverkehrsübereinkommens. Der vom OLG Düsseldorf im Parallelverfahren vertretenen Ansicht, es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung zwischen der Klägerin und den beklagten Parteien, sei nicht zu folgen, weil es nicht angehe, bei der Suche nach dem anzuwendenden Recht bereits ausländisches Recht anzuwenden.
Der Revisionsantrag geht dahin, das angefochtene Urteil entweder im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Von der beklagten Partei liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsausführungen wenden sich nicht gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß das Klagebegehren nur im österreichischen Recht begründet sein könnte und daß sich die Anwendung des österreichischen Rechts wiederum nur über das Haager Straßenverkehrsübereinkommen herbeiführen ließe, weil das IPRG nur Anknüpfungspunkte zum deutschen Recht aufzeigt. Die rechtliche Erörterung des Streitfalls kann sich daher auf die Anwendbarkeit des Haager Straßenverkehrsübereinkommens beschränken.
Art 1 des genannten Übereinkommens stellt klar, daß es sich ausschließlich auf die außervertragliche, also deliktische Haftung bezieht (Schwind, IPR, Rz 486). Die in Art 3 angeordnete Verweisung auf das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, gilt daher nur für Schadenersatzansprüche, die nicht auf der Verletzung von Pflichten aus vertraglichen Schuldverhältnisse beruhen (vgl. Schwimann in Rummel**2, Rz 3 zu § 48 Abs 1 IPRG, in dem ebenfalls den Begriff "außervertragliche Schadenersatzansprüche" verwendet wird).
Hier stützt die Klägerin ihre Schadenersatzansprüche auf die Verletzung von Vertragspflichten der beklagten Partei. Sie macht ihr zum Vorwurf, die geschuldeten Betreuungsleistungen nicht oder unzulänglich erbracht zu haben. Daß sie dieses Verhalten als "deliktisch" wertet, ändert nichts an der in Wahrheit in Anspruch genommenen Vertragshaftung der beklagten Partei, weil es auf das Tatsachenvorbringen und nicht auf dessen - unrichtige - rechtliche Qualifikation ankommt.
Für die Abgrenzung zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung ist die österreichische Auffassung maßgeblich (Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 155 f). Daher gilt der das österreichische Schadenersatzrecht beherrschende Grundsatz, daß im allgemeinen nur für rechtswidriges Verhalten gehaftet wird (§ 1294 ABGB) und daß eine Unterlassung - wie es § 1301 ABGB ausdrückt - nur dann rechtswidrig ist, wenn eine besondere Verbindlichkeit verletzt wird, das Übel zu verhindern (vgl. SZ 50/110; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I9, 445; Gschnitzer - Faistenberger - Barta - Eccher, Österr. Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz**2, 439 f; Reischauer in Rummel**2, Rz 3 zu § 1294 ABGB). Diese besondere Verbindlichkeit soll sich im gegenständlichen Fall aus dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag ergeben, der somit die eigentliche Grundlage für die in Anspruch genommene Haftung der beklagten Partei ist. Eine generelle Rechtspflicht zur Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt gegenüber absolut geschützten Rechtsgütern Dritter, wie sie die Klägerin aus § 1297 ABGB herleitet, um der beklagten Partei deliktisches Verhalten zu unterstellen, käme schon nach dem Gesetzeswortlaut nur für Handlungen in Frage.
Damit ließe sich die Anwendung des Haager Straßenverkehrsübereinkommens auf den gegenständlichen Schadensfall nur noch damit begründen, daß eine gesetzliche, d.h. außervertragliche Haftung für Dritte in Anspruch genommen wird. Tatsächlich sieht Art 2 Z 3 des Übereinkommens in einer Ausnahmeregelung seine Anwendung für die Haftung des "Geschäftsherrn" vor. Damit ist jedoch, wie sich aus dem Kontext - vor allem in Hinblick auf Art 1 Abs 1 des Übereinkommens - ergibt, die Haftung für das deliktische Verhalten eines Dritten gemeint, das nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit steht. Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen (die hier unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 1313a ABGB geltend gemacht wird und damit primär die Verletzung vertraglicher Pflichten anspricht) unterliegt dem für die Erfüllungspflicht maßgebenden Schuldstatut (Schwimann in Rummel**2, Rz 3 zu § 48 IPRG). Auch den Kreis der Gehilfen, für deren deliktisches Verhalten der Geschäftsherr einzustehen hat, schränkt die Ausnahmeregelung auf die ansonsten Haftpflichtigen, primär also auf die beteiligten Verkehrsteilnehmer ein (vgl. Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 157). Ausgeschlossen von der Anwendung des Haager Straßenverkehrsübereinkommens sind daher insbesondere jene Fälle, in denen für Personen gehaftet werden soll, derer sich ein für Kinder auf Grund von Sonderrechtsbeziehungen Obsorgepflichtiger bedient hat (vgl. Schwind aaO, Rz 493).
Genau diese Haftung wird hier von der Klägerin geltend gemacht. Sie wirft der beklagten Partei die Verletzung vertraglicher Obsorgepflichten vor, weil jene Personen, die sie zur Erfüllung dieser Pflichten heranzog, die Untersuchung eines gemieteten Fahrrades auf seine Verkehrstauglichkeit verabsäumt haben. Diese Hilfspersonen waren nach dem Klagsvorbringen, das sich ausdrücklich auf einen dem § 1313a ABGB zu unterstellenden Sachverhalt beruft, gleichsam der verlängerte Arm der beklagten Partei bei der Wahrnehmung eigener Vertragspflichten, weshalb kein Fall einer außervertraglichen Haftung iSd Art 1 Abs 1 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens vorliegt.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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