OGH 11Os133/93

OGH11Os133/9323.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Hager, Dr. Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf V* wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 12. Juli 1993, GZ 39 Vr 891/93‑39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kerschbaumer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33853

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte Rudolf V* habe durch das ihm zu Punkt I des Schuldspruchs angelastete Tatverhalten Stanko V* zur Herausgabe eines Betrages von 550 S genötigt, ferner in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Verbrechen der vollendeten schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Rudolf V* ist schuldig, er hat am 6. März 1993 in N* Stanko V* durch die Äußerung: "Wenn du innerhalb von zehn Minuten nicht 550 S für das Holz bezahlst, hole ich das Messer und steche dich ab", mithin durch Drohung mit dem Tode, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe eines Betrages von 550 S, zu nötigen versucht und hiedurch das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB begangen.

Hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last fallenden Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB (Punkt II), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt III) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt IV) wird der Angeklagte Rudolf V* nach § 106 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpfte Teilfreisprüche enthält, wurde Rudolf V* (I) des Verbrechens der schweren Nötigung nach "§ 106 Abs. 1 Z 1" (richtig: §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1) StGB sowie der Vergehen (II) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB, (III) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und (IV) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in N*

(I) am 6. März 1993 Stanko V* durch die Äußerung: "Wenn du innerhalb von zehn Minuten nicht 550 S für das Holz bezahlst, hole ich das Messer und steche dich ab", mithin durch Drohung mit dem Tode, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe eines Betrages von 550 S, genötigt;

(II) nachangeführte Personen mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

a) am 22. Februar 1993 Milena J* und Luka J* durch die Äußerung, sie alle umzubringen;

b) am 14. März 1993 Stojan J*, Ostoja S*, Milena J*, Mileva J* und Luka J* durch die Äußerung: "Ich bringe euch alle um";

c) am 15. März 1993 Stanko V* durch die Äußerung: "Dann passiert dir einmal was", und Milena J* durch die Äußerung: "Ich bringe dich um";

(III) am 14. März 1993 Luka J* durch Versetzen eines Fußtrittes in den Bauch, der Schmerzen im Bauchbereich zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt:

(IV) fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert zerstört, und zwar:

a) am 6. März 1993 einen Teller im Werte von 50 S des Stanko V* dadurch, daß er mit der Faust ‑ so das Erstgericht ‑ "draufschlug", bis der Teller zerbrach;

b) am 14. März 1993 zwei Türen der Maria E* dadurch, daß er mit einem Hammer dagegenschlug, und einen Elektroherd des Stojan J* dadurch, daß er mit einem Hammer "draufschlug".

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte in den Schuldspruchfakten I, II c, III und IV b mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit a (sachlich auch Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher nur teilweise Berechtigung zukommt.

Zu Punkt I des Schuldspruchs (schwere Nötigung):

Soweit der Angeklagte ‑ nominell unter Z 9 lit a, der Sache nach Z 10 ‑ geltend macht, das ihm zu diesem Schuldspruchfaktum angelastete Tatverhalten wäre bloß als versuchte ‑ statt vollendete ‑ schwere Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB zu beurteilen gewesen, ist er im Recht:

Nach den Urteilsfeststellungen veranlaßte die (auf die Durchsetzung eines vermeintlichen Anspruchs abzielende) Drohung des Angeklagten, er werde V* mit einem Messer "abstechen", sollte dieser nicht binnen zehn Minuten einen Betrag von 550 S für überlassenes Holz bezahlen, den Bedrohten lediglich zur Zusage, die geforderte Zahlung zu leisten, sobald seine Gattin das Karenzgeld erhalten habe (US 8 und 19). Solcherart hat der Bedrohte aber noch nicht damit begonnen, tatsächlich den verlangten Geldbetrag zu bezahlen und sich so in der vom Täter geforderten Weise zu verhalten (vgl Leukauf‑Steininger, StGB3, RN 28 zu § 105, mwN). Dann erst wäre der als Erfolgsdelikt konzipierte Tatbestand der Nötigung vollendet gewesen. So hat der Angeklagte hingegen lediglich den Versuch (§ 15 StGB) des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB zu verantworten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der ein rechtliches Interesse an der Wahrnehmung des erstgerichtlichen Beurteilungsfehlers hat, war daher insoweit Folge zu geben, ohne daß auf weitere Beschwerdeeinwände gegen die Annahme der Deliktsvollendung (Z 5 und 5 a) einzugehen war.

Zu Punkt II c des Schuldspruchs (gefährliche Drohung):

Zu Unrecht hält der Angeklagte (Z 9 lit a) die Beurteilung der in diesem Punkt inkriminierten Äußerung "dann passiert dir einmal was" als Todesdrohung im Sinne der Deliktsqualifikation nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB für rechtsirrig. Die Frage nach dem (tätergewollten) Sinn‑ und Bedeutungsinhalt einer Äußerung ist nämlich eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage (Mayerhofer‑Rieder, StPO3, ENr 46 und 47 zu § 281; Leukauf‑Steininger, StGB3, RN 23 zu § 74). Diese auch das innere Vorhaben des Angeklagten mitumfassende Tatfrage ‑ wobei nach herrschender Auffassung bedingter Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale genügt (vgl Leukauf‑Steininger aaO, RN 20 zu § 105 und RN 12 zu § 106) - erörterte das Erstgericht mit dem Hinweis auf den Zusammenhang des inkriminierten Ausspruchs mit den übrigen Drohungen sowie mit dem sonstigen Tatverhalten des Angeklagten. Es erblickte in diesem Ausspruch ‑ durchaus denkrichtig – eine nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB qualifizierte Todesdrohung (US 19). Von einer rechtsfehlerhaften Tatbeurteilung sohin angesichts dieser Urteilsfeststellungen keine Rede sein.

Zu Punkt III des Schuldspruchs (Körperverletzung):

Der dagegen erhobenen Mängelrüge (Z 5) zuwider begründete das Schöffengericht die Urteilsfeststellungen über den als Tatfolge aufgetretenen drei bis vier Tage dauernden Schmerzzustand ‑ abweichend vom Urteilstenor ist auf US 9 von Brustschmerzen anstatt Bauchschmerzen als Folge des Fußtrittes gegen den Bauch die Rede ‑ mit dem Hinweis auf die zeugenschaftlichen Angaben des betroffenen Luka J* mängelfrei (US 6 und 13 iVm AS 85, 128 und 209). Da diese Feststellungen über die Folgen des Fußtrittes zwangsläufig nur auf den Bekundungen des Verletzten über sein durch die Tat entstandenes subjektives Befinden beruhen, vermißt der Angeklagte zu Unrecht Urteilsausführungen über entsprechende Wahrnehmungen anderer Personen.

Es versagt aber auch die gegen diesen Schuldspruch (III) gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a), weil schon ein Auftreten von Schmerzen, das nicht auf pathologische Veränderungen zurückzuführen ist, eine Schädigung an der Gesundheit bedeutet, wenn ein vom Betroffenen als Leiden empfundener Schmerzzustand von einiger (wenn auch nicht besonders langer) Dauer vorliegt und dieser Zustand zeitlich über die unmittelbare Einwirkung auf den Körper hinausreicht (vgl Leukauf‑Steininger aaO, RN 10 zu § 83 StGB; Mayerhofer‑Rieder, StGB3, ENr 10 a zu § 83). Ein solcher Schmerzzustand, der die tatbildmäßige Erheblichkeitsschwelle unzweifelhaft überschreitet, ist hier aber schon im Hinblick auf die konstatierte Dauer der von Luka J* erlittenen Schmerzen zu bejahen. Da es sich bei der Verletzung am Körper und der Schädigung an der Gesundheit um gleichwertige Begehungsweisen ein und desselben Deliktes handelt, ist eine Abgrenzung dieser beiden Begriffe, die in exakter Weise ohnehin kaum möglich ist, rechtlich nicht geboten (vgl Leukauf‑Steininger aaO, RN 11 zu § 83 StGB; Mayerhofer‑Rieder, StPO3, ENr 41 zu § 281 Abs. 1 Z 10). Die Tatbeurteilung durch das Erstgericht als Vergehen nach § 83 Abs. 1 StGB ist daher zutreffend.

Zum Punkt IV b des Schuldspruchs (Sachbeschädigung):

Der Beschwerdeauffassung (Z 9 lit a) zuwider bedurfte es bei der vorliegenden Fallgestaltung keiner näheren Spezifizierung der vom Angeklagten herbeigeführten Sachschäden im Rahmen der Entscheidungsgründe. Bewirken doch die konstatierten Hammerschläge gegen Türen sowie gegen einen Elektroherd ‑ schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ‑ regelmäßig eine Beeinträchtigung der jeweiligen Sachsubstanz.

Sohin ist jedenfalls von einer Beschädigung derselben iS des § 125 StGB auszugehen (vgl Leukauf‑Steininger aaO, RN 6 zu § 125 StGB). Im übrigen sind die hier aktuellen Beschädigungen den Lichtbildern im Erhebungsbericht der Gendarmerie zu entnehmen, auf den in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird (US 6 iVm S 141, 143 und 147 in ON 21).

Die undifferenzierte Bezeichnung sämtlicher Tathandlungen als "Zerstören" im Urteilstenor ist angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit sämtlicher Begehungsweisen des § 125 StGB bedeutungslos. Es liegt demnach auch zu diesem Urteilsfaktum ein Feststellungsmangel nicht vor.

Im nicht berechtigten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Die auf Grund des Teilerfolges der Nichtigkeitsbeschwerde notwendig gewordene Strafneubemessung war nach § 106 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB vorzunehmen. Dabei waren erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, der äußerst rasche Rückfall sowie das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, mildernd die eingeschränkte, unter den spezifischen Rahmenbedingungen der Anlaßtaten besonders nachteilig wirksamen Dispositionsfähigkeit des Angeklagten, sein teilweises Geständnis und der Umstand, daß die schwere Nötigung beim Versuch geblieben ist.

Davon ausgehend entspricht eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten der tat‑ und täterbezogenen Schuld. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung basiert auf der angeführten Gesetzesstelle.

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