OGH 15Os44/93

OGH15Os44/9318.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch, Dr. Schindler und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Elisabeth K* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Elisabeth K*, Thomas K*, Michael C* und Sigrid C* sowie die Berufung des Angeklagten Werner E* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Juni 1992, GZ 6 Vr 2407/87-184, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00044.9300000.1118.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

II. Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Elisabeth K*, Thomas K*, Michael C* und Sigrid C* werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

III. Die Berufung des Angeklagten Werner E* wird zurückgewiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen sämtlichen Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

I. Mit dem bekämpften Urteil wurden Elisabeth K*, Thomas K*, Werner E*, Michael C* und Sigrid C* (1) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 2 StGB, Sigrid C* auch "in Verbindung mit" § 12 (zu ergänzen: dritter Fall) StGB, und (2) des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB, Sigrid C* auch "in Verbindung mit"   12 (erneut zu ergänzen: dritter Fall) StGB, sowie Elisabeth K*, Werner E*, Michael C* und Sigrid C* (3) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben in G* und (zu 1 d auch) in O* teils im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter, teils als Beteiligte im Sinn des § 12 dritter Fall StGB die 1960 geborene Dr. Kathrin E* (zur Tatzeit: Kathrin K*)

(zu 1) mit Gewalt zur Duldung einer sogenannten "Deprogrammierung" in bezug auf ihre geistig-seelische Abhängigkeit von der Sekte "Norweger-Bewegung" durch den farbigen (US‑)Amerikaner Ted P* und dessen Begleiterin B* genötigt, indem

a) Elisabeth K*, Thomas K*, Werner E* sowie die beiden gesondert verfolgten (US-)amerikanischen Staatsangehörigen (Ted P* und B*) die Dr. Kathrin E* in ihrer Wohnung in G* gegen ihren Willen von Samstag, dem 25. April 1987 bis Montag, dem 27. April 1987 - Thomas K* bis 26. April 1987 - gefangen hielten,

b) Thomas K* und Werner E* darüber hinaus am 26. April 1987 die Griffe an den Fenstern und an der Balkontüre abmontierten, um Hilferufe und Fluchtversuche der Genötigten zu verhindern,

c) Elisabeth K*, Werner E* und die gesondert verfolgten (US-)amerikanischen Staatsangehörigen Ted P* und B* am 27. April 1987 der Dr. Kathrin E* vorerst mit einem Handtuch und später mit von Sigrid C* beigestelltem Leukoplast den Mund verschlossen, sie in der Folge an einen Sessel fesselten und Hilferufe mittels eines von Sigrid C* beigestellten Radiogerätes übertönten,

d) Elisabeth K*, Werner E*, Michael C* und Sigrid C* sowie die beiden (US-)amerikanischen Staatsangehörigen (Ted P* und B*) am Abend des 27. April 1987 die Dr. Kathrin E* gefesselt mit einem PKW nach O*, Bezirk D*, in die sogenannte "Z*mühle" der Ehegatten C* verbrachten und sie dort bis zu ihrer Flucht in der Nacht zum 29. April 1987 weiterhin gefangen hielten, wobei während der gesamten Zeit vom 25. bis 29. April 1987 die Deprogrammierungshandlungen entgegen dem Willen der Dr. Kathrin E* fortgesetzt und die Genannte durch die Gewaltausübung längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde;

(zu 2) Elisabeth K*, Thomas K*, Werner E*, Michael C* und Sigrid C* sowie die beiden (US-)amerikanischen Staatsangehörigen (Ted P* und B*) die Dr. Kathrin E* durch die zu 1) angeführte Handlungsweise widerrechtlich gefangen gehalten, wobei die Freiheitsentziehung auf solche Weise begangen wurde, daß sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete;

(zu 3) Elisabeth K*, Werner E*, Sigrid C* und Michael C* durch die zu 1 c) und d) angeführten Handlungsweisen die Dr. Kathrin E* am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt, wodurch subjektiver Kraftverlust an beiden Händen infolge Fesselung und ein Hämatom am linken Unterarm eintrat sowie das seelische Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Alle Angeklagten meldeten gegen dieses Urteil jeweils Nichtigkeitsbeschwerde (ohne Anführung von Nichtigkeitsgründen) und Berufung an.

Werner E* führte die Nichtigkeitsbeschwerde in der Folge nicht aus; seine Nichtigkeitsbeschwerde wurde daher mit dem mittlerweile rechtskräftigen Beschluß des Vorsitzenden des Schöffensenates vom 12. Februar 1993 (ON 189) gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen.

In den ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden werden von Elisabeth K* die Gründe der Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und b, 10 sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO, von Thomas K* jene der Z 1, 5, 5 a und 9 lit b dieser Gesetzesstelle und von Michael C* und Sigrid C* - die das Rechtsmittel gemeinsam ausführten - jene des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO geltend gemacht.

Keiner der Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu.

II. Zur Gerichtsbesetzungsrüge (Z 1) des Angeklagten Thomas K*:

Der Beschwerdeführer behauptet, an der bekämpften Entscheidung habe ein ausgeschlossener Richter teilgenommen, weil - wie er vorbringt - die Urteilsausfertigung augenscheinlich nicht vom Vorsitzenden des Schöffensenates (im zweiten Verfahrensgang), Richter des Landesgerichtes Dr. T*, sondern von Richter des Landesgerichtes Dr. G*, der im ersten Verfahrensgang als Vorsitzender des Schöffensenates fungierte, verfaßt worden sei.

Aufgrund der vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Aufklärungen (§ 285 f StPO), zu denen der Beschwerdeführer auch Stellung nahm (ON 194 und 197), steht fest, daß Richter des Landesgerichtes Dr. G* im zweiten Verfahrensgang nicht mitwirkte und insbesondere nicht die Urschrift des (schriftlichen) Urteils verfaßte und unterfertigte; lediglich durch ein Kanzleiversehen wurde auf einigen der an die Verteidiger zugestellten Ausfertigungen die Unterfertigungsstampiglie (§ 67 Abs 6 Geo) mit dem Namen des Richters Dr. G* verwendet.

Dieses Kanzleiversehen bei der Beurkundung der Übereinstimmung einer Ausfertigung mit der Urschrift bewirkte keine Teilnahme des genannten Richters an der Entscheidung, sondern vorerst nur einen äußeren Anschein einer solchen Möglichkeit, der mittlerweile als unzutreffend aufgeklärt und korrigiert wurde.

Von einer Nichtigkeit, wie sie die Beschwerde reklamiert, kann somit keine Rede sein.

III. Zur Verfahrensrüge (Z 4) der Angeklagten Elisabeth K*:

Die prozeßordnungsgemäße Ausführung (auch) einer Verfahrensrüge bedarf der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände, die den angerufenen Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285 a Z 2 StPO), mithin jenes Antrages, über den während der Hauptverhandlung nicht erkannt worden ist oder auf den sich ein bestimmtes Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes bezieht, durch welches nach Ansicht des Beschwerdeführers Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

Demnach wird ein Verfahrensmangel weder durch die von der Beschwerdeführerin in ihrer Verfahrensrüge mehrfach unternommene Wiederholung ihrer Verantwortung dargetan, noch durch den pauschalen Hinweis auf schriftliche (vorliegend in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung wiederholte) Beweisanträge und durch das unsubstantiierte Vorbringen, das Erstgericht wäre, hätte es beantragte "Beweismittel beigeschafft und verwertet", zu einem Freispruch gelangt.

Einer sachbezogenen Erwiderung zugänglich sind demnach nur die im folgenden behandelten Einwände in der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin:

1. Aus dem Umstand, daß in der Hauptverhandlung vom 5. November 1990 die Vorführung von Video- und Tonbandkassetten unter Anfertigung eines Textprotokolls beschlossen worden war (S. 386/III), wobei aber in der Folge diese Beweisaufnahme unterblieben ist, kann ein Verfahrensmangel schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die nächste Hauptverhandlung vom 20. Mai 1992 (S. 97 ff/IV), die - nun innerhalb der Monatsfrist - am 19. Juni 1992 fortgesetzt und mit Urteil beendet wurde (S. 189 ff/IV), gemäß § 276 a StPO neu durchgeführt worden ist, womit alle bisherigen Beschlüsse des Schöffengerichtes ihre Wirksamkeit verloren hatten (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 30).

Allerdings wurde ein entsprechender Antrag (auf Vorführung der Kassetten) durch Aufrechterhaltung der schriftlichen Beweisanträge, in denen ua ebenfalls das Abspielen der Bänder beantragt worden war, in der Hauptverhandlung vom 20. Mai 1992 erneuert (S. 120/IV iVm ON 169 und ON 175 a). Durch die Abweisung dieses Antrages (S. 122/IV) wurden indes Verteidigungsrechte unzweifelhaft erkennbar nicht beeinträchtigt.

Denn im Beweisantrag wurde nicht dargetan, daß sich Fernsehsendungen im ORF und in SAT 1 speziell mit der hier interessierenden Norweger-Bewegung befaßt haben; es wird vielmehr zur Sendung im ORF ausdrücklich vorgebracht, diese habe die Sekte der Scientology behandelt; während zur Sendung in SAT 1 nur behauptet wird, es seien "Sektenberichte abgegeben" worden (ON 169).

Das Abspielen eines Tonbandes über einen Vortrag der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R*, in welchem diese eine positive Aussage über eine "Deprogrammierung" getroffen haben soll (S. 120/IV), hinwieder war entbehrlich, weil Univ.‑Prof. Dr. R* als Zeugin speziell zum Fall der Kathrin K* (nunmehr E*) vernommen wurde und dabei ohnedies zum Inhalt ihres Vortrages befragt werden konnte (S. 191 ff/IV).

Was schließlich das Abspielen von Tonbändern der Norweger-Bewegung betrifft, so war dieses deshalb nicht geboten, weil daraus jedenfalls kein Schluß darauf zu ziehen war, daß jeder Abhörer solcher Bänder einer "Psychomutation" unterliegen müsse, und über den Effekt eines allfälligen Anhörens solcher Bänder auf Kathrin K* ohnedies ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde.

2. Auch der Antrag auf Beiziehung des Dr. Norbert Ne* als Sachverständigen wurde mit zutreffender Begründung abgewiesen (S. 121/IV).

Im vorliegenden Verfahren wurde als Sachverständiger Obermedizinalrat Dr. Z* beigezogen, der bezüglich des Zustandes der Kathrin K* zur Tatzeit ausführliche Gutachten erstattete (S. 73 ff/II, 161 ff/II, 381 ff/II, 495 f/III, 122 ff/IV).

Die Beschwerdeführerin vermochte in ihrem Beweisantrag nicht darzutun, daß die Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen erforderlich macht, oder daß der Befund Dris. Z* dunkel, unbestimmt, im Widerspruche mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen sei und sich derartige Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung dieses Sachverständigen beseitigen lassen. Im Beweisantrag ON 169 räumt die Beschwerdeführerin vielmehr ausdrücklich ein, Dr. Z* sei ein "erfahrener gerichtlicher Sachverständiger" (S. 75/IV). Die Zielsetzung des Beweisantrages geht vielmehr erklärtermaßen dahin, "ein völliges Umdenken in der Gesetzgebung und auch in der praktischen Anwendung der rechtlichen Grundlagen" zu erreichen. Damit verfehlt die Beschwerdeführerin aber in ihrer Argumentation die strafprozessualen Voraussetzungen für die Bestellung eines weiteren Sachverständigen (§§ 118 Abs 2, 125 StPO).

Davon abgesehen ist dem mit dem Beweisantrag ON 169 vorgelegten Protokoll Nr. 13 über eine Ausschußsitzung des Deutschen Bundestages zu entnehmen, daß sich Dr. Ne* zwar mit Angehörigen mehrerer Sekten befaßt hatte, nicht aber mit der Norweger-Bewegung (S. 216 ff des Protokolls), und sich erklärtermaßen seine Erfahrungen hauptsächlich auf die Scientology-Sekte beziehen (S. 34 f des Ausschußberichtes).

3. Ebenso fehl geht die Rüge, daß anläßlich der Vernehmung des Zeugen No* entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen und dieser Zeuge nicht ausreichend befragt worden sei.

Das Verfahren vor den Strafgerichten ist - wie es auch dem Verfassungsgebot des Art 90 Abs 1 B-VG und des Art 6 Abs 1 MRK entspricht - grundsätzlich öffentlich. Ein Ausschluß der Öffentlichkeit kommt demnach nur dann in Frage, wenn eine der Voraussetzungen des § 229 StPO unzweifelhaft gegeben ist.

Der Verteidiger der Beschwerdeführerin beantragte vor Vernehmung des Zeugen No* den Ausschluß der Öffentlichkeit, "weil die Gefahr bestehe, von Sektenmitgliedern könnte es für den Zeugen aufgrund der Aussagen Repressalien geben" (S. 200/IV). Über diesen Antrag wurde im Sinn des § 238 Abs 1 StPO sofort entschieden; er wurde abgewiesen (S. 201/IV).

Die Richtigkeit eines Zwischenerkenntnisses ist anhand jener Verfahrenslage zu prüfen, die sich dem Schöffensenat zum Zeitpunkt der Antragstellung geboten hat (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 40 f); erst später vorgebrachte Argumente haben außer Betracht zu bleiben. Der in Rede stehende Antrag stützte sich aber lediglich auf eine durch keinerlei Konkretisierung untermauerte hypothetische Möglichkeit; eine solche vermag den Ausschluß der Öffentlichkeit weder nach § 229 Abs 1 StPO noch auch nach § 229 Abs 2 StPO zu rechtfertigen.

Handschriftliche Erklärungen einer Schwester des Zeugen wurden erst nach dem bekämpften Zwischenerkenntnis vorgelegt (S. 201/IV); ein darauf gegründeter weiterer Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit wurde nicht gestellt. Der Beschwerdeführerin mangelt es daher an einer Legitimation für ein darauf bezogenes Beschwerdevorbringen.

Einer als unzureichend empfundenen Befragung des Zeugen No* hinwieder hätte der Verteidiger der Beschwerdeführerin in Ausübung seines Fragerechtes entgegenwirken können. Die Behauptung, weitere Fragen an den Zeugen seien nicht zugelassen worden, findet keine Deckung in dem über den Gang der Hauptverhandlung vollen Beweis machenden Hauptverhandlungsprotokoll, dessen Berichtigung im übrigen von der Beschwerdeführerin gar nicht begehrt wurde. Abgesehen davon wird nicht dargetan, daß insoweit ein Senatsbeschluß ergangen sei, was überdies Voraussetzung für die Geltendmachung einer Verfahrensrüge wäre.

4. Soweit letztlich in der Verfahrensrüge auf "neueste Stellungnahmen über die Norweger-Bewegung" verwiesen und in diesem Zusammenhang jene des Dr. Anton Gö* sowie eine Schrift der Schweizer Rechtsanwälte Dr. Andreas Ti* und Beat De* genannt wird, übersieht die Beschwerdeführerin, daß inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls alle vorgelegten Urkunden und Schriftstücke - mit Ausnahme der am 19. Juni 1992 vorgelegten - verlesen wurden (S. 204/IV), somit auch die am 19. Mai 1992 mit dem Beweisantrag ON 175 a vorgelegte Stellungnahme des Dr. Gö* und die gleichzeitig vorgelegte Schrift der Rechtsanwälte Dr. Ti* und De*. Diese Schriften wurden somit Gegenstand der Beweisaufnahme vor dem Schöffengericht, womit insoweit ein Verfahrensmangel ausscheidet. Mit der Behauptung mangelnder Verwertung dieser Schriften wird hingegen der Sache nach ein Begründungsmangel (Z 5) geltend gemacht, wozu später Stellung genommen wird.

Soweit aber in der Mängelrüge (Z 5) der Beschwerdeführerin die Unterlassung der Beischaffung (und Verlesung) von Zivil- und Strafakten gerügt wird, wird umgekehrt in Wahrheit ein Verfahrensmangel (Z 4) geltend gemacht; indes zu Unrecht.

Denn inwiefern ein Zivilrechtsstreit um eine Wohnung und eine zurückgezogene Privatanklage - so die Tatsachenbehauptungen im Beweisantrag S. 19 f in ON 175 a - einen Aufschluß über den geistigen Zustand der Kathrin K* zum Tatzeitpunkt und die Vorstellungen der Beschwerdeführerin zu eben diesem Zeitpunkt geben könnten, läßt sich dem Beweisantrag nicht entnehmen.

Die Verfahrensrüge erweist sich demnach, soweit sie prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist, in keinem Punkt als berechtigt.

IV. Zu den Mängelrügen (Z 5):

A. Zur Mängelrüge der Angeklagten Elisabeth K*:

Die Beschwerde dieser Angeklagten verkennt zunächst das im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof geltende, sich aus § 288 Abs 2 Z 3 StPO ergebende Neuerungsverbot, wonach eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht darauf gegründet werden darf, daß das Erstgericht Umstände unbeachtet gelassen habe, die im erstinstanzlichen Beweisverfahren gar nicht hervorgekommen sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 E 16 ff).

Unbeachtlich und keiner weiteren Erörterung bedürftig sind demnach all jene weitwendigen Ausführungen in der Mängelrüge dieser Angeklagten, die sich mit erst mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegten Ablichtungen von Zeitungsartikeln und einer Einladung zu einer Podiumsdiskussion beschäftigen, wobei diese Unterlagen überdies überwiegend erst entstanden sind, nachdem das erstgerichtliche Urteil bereits gefällt worden war. Gleiches gilt im übrigen auch für einen von der Beschwerdeführerin selbst dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Zeitungsartikel; dies abgesehen davon, daß auf Schriftsätze von Angeklagten, die als Zusätze zu Nichtigkeitsbeschwerden gedacht sind, grundsätzlich kein Bedacht genommen werden kann (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 285 E 40).

Das Schöffengericht folgte bei seinen Konstatierungen hinsichtlich des psychischen Zustandes der Dr. Kathrin E* im Tatzeitpunkt dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Z*, das die Tatrichter als klar, sachlich, widerspruchsfrei und nachvollziehbar beurteilten (US 16). Es kam somit insoweit seiner formalen Begründungspflicht nach.

Die Beurteilung der Beweiskraft einer Sachverständigenexpertise obliegt allein der Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes. Demnach wird mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin, in denen sie dem Sachverständigen vorwirft, er verharmlose den Einfluß der Norweger-Bewegung auf ihre Tochter, habe sich mit "der vorhandenen Literatur und den Tonbändern" überhaupt nicht auseinandergesetzt, habe keine Kongresse besucht und kenne auch die Fachliteratur nicht, die Beschwerdeführerin wisse "in diesem Fall wohl besser (als der Sachverständige) die Auswirkungen auf ein Mitglied der Norweger-Bewegung", ausschließlich die im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht anfechtbare Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft, nicht aber ein formaler Begründungsmangel aufgezeigt. Davon abgesehen stehen die Behauptungen, der Sachverständige habe sich mit Fachliteratur nicht vertraut gemacht und mit den Tonbändern nicht auseinandergesetzt, in eklatantem Widerspruch zu den Bekundungen des Sachverständigen (S. 127/IV, 167/II, 168/II, 384/II). Unerheblich ist dabei die Frage, ob der Sachverständige alle zu einem bestimmten Thema erschienenen Publikationen gelesen hat, genügt doch wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge auch das Studium einer entsprechenden Auswahl von Fachliteratur.

Das Schöffengericht gelangte zur Überzeugung, daß die Verantwortung der Beschwerdeführerin, die Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* habe ihr erklärt, die Tochter Kathrin stehe unter schwerer Psychose und Präparanoia sowie Hypnose, sei eine ihrer schwersten Fälle und wäre der typische Fall für eine Deprogrammierung, unzutreffend ist und stützte sich dabei auf die Aussage der genannten Zeugin, der es Glauben schenkte (US 20). Auch insoweit kam das Erstgericht somit seiner formalen Begründungspflicht mängelfrei nach.

Indem die Beschwerdeführerin der Zeugin eine Falschaussage unterstellt, weil sie als Psychologin ohne ärztliche Ausbildung "öffentlich vor Gericht eine solche Aussage (über ihren Rat der Deprogrammierung) nie bestätigen wird", oder behauptet, die Zeugin sei einer Androhung von Repressalien unterlegen, unternimmt sie neuerlich einen unzulässigen Angriff auf die erstrichterliche Beweiswürdigung, wobei sie überdies - soweit sie Bekundungen der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* als widersprüchlich bezeichnet -, einzelne Passagen der Aussage der Zeugin aus ihrem Zusammenhang löst und negiert, daß die Zeugin wiederholt mit Nachdruck erklärt hat, grundsätzlich und nachdrücklich gegen die Methode der Deprogrammierung zu sein (S. 344, 345, 347, 357, 361/II, 192 f/IV) und der Beschwerdeführerin gewiß keinen derartigen Ratschlag erteilt zu haben (S. 344, 345, 347/II, 191/IV), und bekundet hat, daß Kathrin K* bei dem einzigen, wenngleich mehrstündigen Gespräch mit ihr zwar unter Sekteneinfluß stand, jedoch geistig gesund und keiner psychiatrischen Behandlung bedürftig war (S. 360/II), im Gespräch vernünftig reagierte und ihr Studium, das sie ursprünglich abbrechen wollte, nach diesem Gespräch fortsetzte (S. 347, 349/II), und daß (nur) jene psychologische Gefährdung infolge des Spannungsverhältnisses zwischen Mutter und Tochter durch weitere freiwillige Gespräche abgebaut werden sollte (S. 359/II, 195, 198/IV).

Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erneut ihre Verantwortung als glaubwürdiger darzustellen versucht als die Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R*, zeigt sie abermals keinen formalen Begründungsmangel des erstgerichtlichen Urteils auf, in welchem die nunmehrige Verantwortung der Beschwerdeführerin ihrer - vom Sachverständigen Dr. Z* bekundeten - überwertigen fixen Idee zugeschrieben wird (US 20).

Die Feststellung, daß bei Kathrin K* zur Tatzeit keine Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und kein Anhaltspunkt für einen hypnotischen oder posthypnotischen Einfluß vorlag, stützte das Erstgericht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Z*, aber auch auf die Tatsache, daß die Genannte bereits die Matura abgelegt hatte und vor Abschluß des Medizinstudiums stand (US 16 ff). Auch insoweit liegt daher eine formal mängelfreie Begründung vor.

Mit dem Einwand, der Abschluß eines Studiums sei kein tragfähiges Indiz für geistige Freiheit, bekämpft die Beschwerdeführerin erneut bloß die erstrichterliche Beweiswürdigung. Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Erstgericht übernommenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z* wendet, wonach die Beschwerdeführerin zufolge ihrer Fixierung in bezug auf Sekten diskussionsunfähig ist. Ein formaler Begründungsmangel wird weder in der einen noch in der anderen Richtung aufgezeigt.

Daß Dr. Kathrin E* keinesfalls einer "Zwangsverheiratung" mit einem Angehörigen der Norweger-Bewegung unterzogen wurde (US 22), nahm das Schöffengericht aufgrund der Aussage der als glaubwürdig befundenen Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R*, die bekundet hatte, daß sich die Genannte auf die bevorstehende Hochzeit gefreut habe, als erwiesen an. Auf welche Weise aber Dr. Kathrin E* ihren Ehemann kennengelernt hatte, ist nicht entscheidungswesentlich; genug daran, daß sie diese Verbindung ohne Zwang einging. Die Spekulationen der Beschwerdeführerin, ihre Tochter hätte es "als Sektenmitglied ertragen" müssen, "sich auf eine Hochzeit mit einem Mann durch Zwangsverheiratung freuen zu müssen", entbehren - abgesehen davon, daß es sich bei diesen Ausführungen wieder nur um eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung handelt - einer aktenmäßigen Grundlage.

Die Beschwerdeführerin vermag auch keinen formalen Begründungsmangel in Ansehung der im Urteil vorgenommenen Beschreibung des Verhaltens der Zeugin Dr. E* anläßlich ihrer Vernehmung vor dem Schöffengericht (US 20) aufzuzeigen. Daß die Zeugin normal, sehr gut und überlegt antwortete, steht mit dem Protokoll über ihre Vernehmung (S. 50 ff/III) im Einklang. Die Beschwerdebehauptung, sie habe völlige Gefühllosigkeit gezeigt, findet in den Akten keine Deckung und stünde im übrigen auch im Widerspruch zum Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Z*. Dies ganz abgesehen davon, daß eine emotionelle Zurückhaltung der Zeugin in einem Strafverfahren gegen Verwandte durchaus verständlich schiene. Aus einer derartigen Zurückhaltung könnte im übrigen - entgegen der Beschwerdeargumentation - nicht darauf geschlossen werden, daß die Zeugin auch die Zwangsdeprogrammierung widerspruchslos hätte über sich ergehen lassen.

Inwiefern dem Schöffengericht bei Erörterung der Aussage der Zeugin G* eine Widersprüchlichkeit unterlaufen sein sollte, kann den Beschwerdeausführungen nicht entnommen werden. Daß es im Fall des Sohnes der Zeugin G* beim Deprogrammieren tatsächlich zu keiner Gewaltanwendung kam, weil dieser hiebei mitmachte, stellte das Schöffengericht fest (US 26), ebenso aber auch, daß für den Fall des mangelnden Einverständnisses des Sohnes ein Einsperren, also eine Freiheitsentziehung, geplant war (US 25), wozu es allerdings nicht kam. Diese Feststellungen sind logisch durchaus miteinander vereinbar.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, das Erstgericht habe sich mit vorgelegten Beweismitteln nicht befaßt, bezieht sie sich konkret (verfehlt in der Verfahrensrüge) nur auf die Stellungnahme des Dr. Gö* und die Schrift der Rechtsanwälte Dr. Ti* und De* sowie (in der Mängelrüge) auf die "Unterlagen von Ka*".

Diese Beweismittel waren indes nicht erörterungsbedürftig, weil sie keine entscheidenden Tatsachen betrafen.

Die Stellungnahme des Dr. Gö* besagt überhaupt nichts zur hier relevanten Frage einer Zwangsdeprogrammierung (Beilage zu ON 175 a). In der Schrift der Rechtsanwälte Dr. Ti* und De* hinwieder wird nur auf die Möglichkeit einer Erpressung von Sektenmitgliedern, die unter hypnotischem Einfluß stehen, verwiesen (Beilage zu ON 175 a). Ein solcher hypnotischer Einfluß war aber vorliegend nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Z* bei der Zeugin Dr. Kathrin E* nicht gegeben. In der Schriftensammlung des Dr. Ka* (erliegend in einer hellgrünen Beilagenmappe) findet sich bei verschiedenen Autoren eine Erwähnung der Deprogrammierung (S. 34, 108, 124, 128 f, 190), doch liegt all diesen Meinungsäußerungen eine freiwillige Mitwirkung des bisherigen Sektenmitgliedes an dieser Maßnahme zugrunde; in einem Beitrag (S. 151) wird sogar ausdrücklich statuiert, daß niemand "durch Zwang zum Aussteigen gebracht werden" darf, ein Postulat, das ohnedies den Ausführungen des Schöffengerichtes entspricht.

Nicht nachvollziehbar sind jene Beschwerdeausführungen, wonach "der Vorgang in der Z*mühle" unrichtig dargestellt und "eine völlig verfehlte Wertung des Abmontierens der Fensterflügel vorgenommen" worden sei. Denn daß in der Z*mühle Fensterflügel abmontiert worden seien - was im übrigen nur eine Fluchtmöglichkeit erleichtert hätte - wurde vom Erstgericht nicht festgestellt.

Auf die Spekulation, Dr. Kathrin E* werde Selbstmord begehen, mußte das Schöffengericht angesichts der konstatierten geistigen Gesundheit der Genannten zur Tatzeit nicht eingehen, ebensowenig auf die weitere Spekulation, daß sich die Genannte nach der Zwangsdeprogrammierung über die Erlösung aus einer "Gruppenparanoia" bedankt hätte.

B. Zur Mängelrüge des Angeklagten Thomas K*:

Bei der Relevierung von Aktenwidrigkeiten verkennt der Angeklagte diesen Begriff. Der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 185 ua).

Derartiges wird indes nicht behauptet, sondern es werden Schlußfolgerungen des Schöffengerichtes bekämpft.

Soweit aber Feststellungen des Erstgerichtes als mit der Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* nicht übereinstimmend angefochten werden, verfällt auch dieser Beschwerdeführer, so wie die Mitangeklagte Elisabeth K*, in den Fehler, einzelne Passagen der Aussage aus ihrem Zusammenhang zu nehmen und den Kern des Aussageinhaltes, nämlich daß die Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* die Schwester des Beschwerdeführers als geistig gesund und vernünftig reagierend ansah, keinesfalls eine Deprogrammierung anriet, keine psychiatrische Behandlung für erforderlich hielt, sondern (bloß) eine weitere psychologische Behandlung, um - ähnlich wie schon mit dem beim ersten Gespräch erzielten Erfolg des Ablassens von einem Studiumabbruch - durch weitere psychologische Behandlungen (von Mutter und Tochter) auf freiwilliger Basis eine weitere Annäherung zu erzielen, zu vernachlässigen. Eine Aufforderung oder Ermunterung zu einer Zwangsdeprogrammierung läßt sich jedenfalls der Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* in keiner Weise entnehmen.

C. Zur Mängelrüge der Angeklagten Michael und Sigrid C*:

Auch diese beiden Angeklagten beschränken sich darauf, zwei Passagen aus der Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* herauszugreifen und den weiteren Aussageinhalt zu übergehen. Damit vermögen sie gleichfalls einen formalen Begründungsmangel nicht darzutun. Es genügt auf das zuvor Gesagte zu verweisen.

Ersichtlich nur die Angeklagte Sigrid C* macht als Begründungsmangel geltend, daß sich das Schöffengericht nicht mit jenem Teil der Aussage der Mitangeklagten Elisabeth K* beschäftigt habe, wonach sie die Beschwerdeführerin Sigrid C* um Leukoplast und Radio ersucht und angedroht habe, sich umzubringen, wenn sie diesen Wünschen nicht entspreche.

Dazu ist vorerst klarzustellen, daß Elisabeth K* eine Ankündigung eines Selbstmordes nur im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Leukoplast zum Verkleben des Mundes des Tatopfers behauptete (S. 325/III), nicht aber in bezug auf das gesonderte und zeitlich später erfolgte Ersuchen um Beistellung eines Radiogerätes zur Übertönung dennoch möglicher Schreie des Opfers.

Wird dies berücksichtigt und weiters erwogen, daß von keinem der Angeklagten vorgebracht wurde, die mit weiterer erheblicher zeitlicher Verschiebung erfolgte Verbringung des Opfers in die abgelegene, von den Eheleuten C* zur Verfügung gestellte "Z*mühle" sei unter einer noch immer aktuellen ernstzunehmenden Selbstmorddrohung der Angeklagten Elisabeth K* erfolgt, so erweist sich der gerügte Umstand als nicht entscheidungswesentlich. Denn es verbleiben jedenfalls die Tatmodalitäten der Beistellung des Radiogerätes, die Zurverfügungstellung der "Z*mühle", die Verbringung des Tatopfers im gefesselten Zustand dorthin und die Versorgung der - allenfalls erhebliche Zeit - in der "Z*mühle" zum Zweck der Zwangsdeprogrammierung verbleibenden Personen mit Lebensmitteln, die jede für sich den Schuldspruch zu tragen vermögen.

Daß erst im zweiten Verfahrensgang eine Selbstmorddrohung der Angeklagten Elisabeth K* behauptet wurde (S. 325, 346/III) - im ersten Verfahrensgang findet sich in wiederholten Vernehmungen hiezu kein Vorbringen einer derartigen Äußerung der Angeklagten Elisabeth K*, sondern einzig nur die eine bloß subjektive Befürchtung darstellende Behauptung der Angeklagten Sigrid C*, sie hätte befürchtet, daß sich Elisabeth K* "etwas antut" (S. 124/II) - sei demnach nur am Rande vermerkt.

V. Zu den Tatsachenrügen (Z 5 a):

A. Zur Tatsachenrüge der Angeklagten Elisabeth K*:

Die Bestimmung des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO statuiert einen eigenständigen Nichtigkeitsgrund, der in einer Nichtigkeitsbeschwerde nach den dort aufgestellten Kriterien darzustellen ist. Mit dem Vorbringen, daß die unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO getätigten Ausführungen auch als Ausführungen für den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gelten sollen, wird demnach die Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Im übrigen aber erschöpft sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin neben dem - bereits behandelten - Einwand einer nicht als ausführlich genug angesehenen Vernehmung des Zeugen No* und einem Bedauern, daß der Gerichtspräsident Dr. Mü* - dessen Vernehmung in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht beantragt worden war und der im übrigen auch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine unmittelbaren Wahrnehmungen gemacht hatte, sondern nur aus ihren Erzählungen informiert gewesen sein konnte (S. 82/IV) - nicht als Zeuge gehört wurde, in einer Wiederholung der Verantwortung der Beschwerdeführerin, der die Tatrichter nicht gefolgt sind.

Damit werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen prozeßordnungsgemäß dargetan; dies insbesondere auch nicht mit der abschließenden Behauptung, eine (zwangsweise) Deprogrammierung mit einer "auf geringstes Minimum reduzierten" Gewaltanwendung in Anwesenheit der Mutter und des Bruders des Tatopfers und bekannter Personen könne keinen Zwang darstellen.

B. Zur Tatsachenrüge des Angeklagten Thomas K*:

Soweit dieser Angeklagte in seiner Tatsachenrüge (gleichwie in der Mängelrüge) auf "aufgezeigte massive Aktenwidrigkeiten der erstrichterlichen Feststellungen" Bezug nimmt, kann er auf das zum Begriff der Aktenwidrigkeit bereits Gesagte verwiesen werden.

Der erneute Hinweis auf die Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen erstrichterliche Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, zumal - wie bereits wiederholt erwähnt - der Kern der Aussage dieser Zeugin dahin geht, daß Dr. Kathrin E* zum Zeitpunkt des Kontaktes mit ihr psychisch gesund war und sie eine Zwangsdeprogrammierung keinesfalls angeraten, sondern vielmehr abgelehnt hat.

Soweit aber eine mangelnde amtswegige Erforschung des Sachverhaltes durch Unterlassung der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Sektenwesen moniert wird, ergeben sich ebenfalls keine erheblichen Bedenken gegen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes. Denn angesichts der vornehmlich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Z* und die Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* gestützten, durchaus einleuchtenden und nachvollziehbaren Tatsachenfeststellung in bezug auf die psychische Gesundheit der Dr. Kathrin E* und ihre Willensfreiheit zum Tatzeitpunkt bedurfte es keiner (amtswegigen) Beweiserhebung darüber, wie weit sich Sekteneinfluß allenfalls auf andere Personen auswirken könnte. Eine Inkompetenz des Sachverständigen Dr. Z* konnte - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - nicht mit Grund dargetan werden; daß die Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* "ohnedies sektenerfahren" ist, wird vom Beschwerdeführer dagegen ausdrücklich eingeräumt.

VI. Zu den Rechts- bzw Subsumtionsrügen (Z 9 lit a und b sowie Z 10):

Die Angeklagte Elisabeth K* gliedert zwar ihre Ausführungen nach den eben bezeichneten Nichtigkeitsgründen, hält sich aber inhaltlich ihrer Ausführungen nicht an diese Systematik. Indes bedarf es nicht einer Zuordnung der einzelnen Darlegungen zu den jeweils in Frage kommenden Nichtigkeitsgründen, weil sie insgesamt - ebenso wie die Rechtsrügen der Angeklagten Thomas K* sowie Michael und Sigrid C* - nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt sind.

Bei der Entscheidung über eine auf einen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund gestützte Nichtigkeitsbeschwerde hat nämlich der Oberste Gerichtshof die Richtigkeit der Gesetzesanwendung auf der Grundlage des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhaltes zu prüfen. Die Ausführung einer solchen Nichtigkeitsbeschwerde hat daher von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt auszugehen. Sie erfordert das Festhalten an dem gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleichung mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und den Nachweis, daß das Erstgericht bei der Beurteilung dieses festgestellten Sachverhaltes einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn sie eine im Urteil festgestellte Tatsache bestreitet, wenn sie sich auf eine Tatsache stützt, die im Urteil nicht festgestellt ist, oder wenn sie einen Umstand verschweigt, der im angefochtenen Urteil festgestellt ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 E 30 uva).

A. Eben dies trifft auf die Rechtsrüge der Beschwerdeführerin Elisabeth K* zu; denn sie negiert die Feststellungen des angefochtenen Urteils, indem sie

a) erneut unter Verletzung des Neuerungsverbotes auf die "nunmehrigen Berichte aus Norwegen" (die erst mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegt wurden und außerdem zum erheblichen Teil aus der Zeit nach der Fällung des Urteils erster Instanz stammen) verweist und daraus mit der Behauptung, sie habe derartiges "vorausgedacht", für sie günstiger scheinende Schlußfolgerungen abzuleiten trachtet, dem Sachverständigen Dr. Z* unterstellt, er würde nunmehr zu einem anderen Gutachten kommen sowie sich in Spekulationen darüber verliert, daß die Norweger-Bewegung möglicherweise in Norwegen auch (?) bald verboten werden wird,

b) auf das Verhalten des (in einem anderen Strafverfahren abgeurteilten) Otto M* verweist, das mit dem vorliegenden Strafverfahren in keinerlei Konnex steht und hier deshalb außer Betracht zu bleiben hat,

c) unterstellt, daß ihre Tochter zur Tatzeit in ihrer Willensentscheidung nicht frei gewesen sei, sondern durch die Zwangsmaßnahme der Deprogrammierung erst ihre eigene Selbstbestimmung erhalten sollte (dagegen Feststellungen US 16 f),

d) eine körperliche Schädigung ihrer Tochter als gegeben annimmt, die sie zu Selbstmord und schwerster Gesundheitsgefährdung geführt hätte (dagegen Feststellungen US 14, 18, 23, 24),

e) behauptet, durch das Versperren der Tür und das Abmontieren von Griffen und Schnallen (in der Wohnung in Graz) sei ein "wesentlicher Schutz" für das Tatopfer geschaffen worden (dagegen Feststellung US 11: Vereitelung von wirksamen Hilferufen und Fluchtversuchen),

f) Spekulationen darüber anstellt, daß ihre Tochter nach vollständiger Durchführung der (zwangsweisen) Deprogrammierung sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bedankt hätte und ein Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer nicht in Erwägung gezogen worden wäre,

g) ihren Vorsatz negiert (dagegen Feststellung US 22 f) und

h) behauptet, infolge ihrer Anwesenheit als Mutter seien ein qualvoller Zustand bzw besondere Qualen für das Tatopfer nicht entstanden (dagegen die Feststellungen über die Anwesenheit auch anderer, dem Tatopfer vollkommen fremder Personen mit der Androhung des Ted P*, die Zwangsdeprogrammierung bis zu einem Jahr fortzusetzen sowie über Knebelung und Fesselung (US 13, 29).

B. Der Beschwerdeführer Thomas K* geht gleichfalls nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt aus, indem er die These aufstellt, das Erstgericht habe "zur Gänze unterlassen, Feststellungen, die die subjektive Tatseite anlangen, zu treffen". Damit negiert er jene die Feststellung der subjektiven Tatseite inkludierenden Ausführungen des erstgerichtlichen Urteils (US 28), wonach auch dem Beschwerdeführer - und vor allem ihm als Familienmitglied des Tatopfers - der Umstand bekannt war, daß seine Schwester bereits seit Jahren der Norweger-Bewegung anhing, ihm aber ebenso bekannt war, daß sie dennoch ohne Schwierigkeiten die Matura ablegen konnte und zum Tatzeitpunkt als nahezu 27-jährige Frau vor Abschluß des Medizinstudiums stand, also an ihren geistigen Fähigkeiten nicht gelitten hatte.

Jene Ausführungen dieses Beschwerdeführers aber, in denen er aus der Aussage der Zeugin Univ.‑Prof. Dr. R* und aus seiner Aussage für ihn günstigere Feststellungen abgeleitet wissen will als sie das Erstgericht traf, stellen sich, weil damit nicht einmal ein Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO behauptet wird, als im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässige Schuldberufung dar.

Soweit er hingegen behauptet, eine "pauschale Negation" (gemeint: eine gleichzeitige Negation hinsichtlich mehrerer Angeklagter) eines Irrtums über das Vorliegen eines "rechtzeitigen" (gemeint wohl: rechtfertigenden) Sachverhaltes sei unzulässig, macht er ebenfalls keine Rechtsrüge, sondern der Sache nach eine Mängelrüge (Z 5) geltend; indes zu Unrecht. Denn bei Vorliegen gleichartiger Erwägungen entspricht eine zusammenfassende Feststellung auch hinsichtlich mehrerer Angeklagter durchaus dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Das Erstgericht verneinte die irrtümliche Annahme einer Notstandssituation. Die demnach an sich überflüssigen Ausführungen unter der Hypothese eines solchen Irrtums (US 28 f) tragen somit den Schuldspruch gar nicht. Daher gehen auch Einwendungen des Beschwerdeführers dagegen zwangsläufig ins Leere und es bedarf keines näheren Eingehens darauf.

C. Auch die Rechtsrügen der Beschwerdeführer Michael und Sigrid C* verfehlen durchwegs das Gebot, von den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen auszugehen, indem diesen unter dem Prätext, "nähere Umstände eingehend zu erläutern" in breiter Ausführung eine eigene, in den wesentlichen Punkten von den Urteilsfeststellungen jedoch abweichende Sachverhaltsvariante gegenübergestellt wird.

In den daran anschließenden Ausführungen gehen die beiden Beschwerdeführer entgegen den Feststellungen des erstgerichtlichen Urteils über die psychische und physische Gesundheit der Dr. Kathrin E* zur Tatzeit und des Fehlens einer "Steuerung" durch die Norweger-Bewegung (US 14, 28) von einer "vollkommenen Fremdbestimmtheit" der Genannten aus, zu deren Abhilfe die Zwangsdeprogrammierung "letzte Rettungsmöglichkeit" gewesen sei, womit sie sich (abermals) vom konstatierten Urteilssachverhalt entfernen.

Eben dies trifft auch auf die Beschwerdeführerin Sigrid C* zu, soweit sie eine im erstgerichtlichen Urteil nicht festgestellte "Drohung" der Angeklagten Elisabeth K* mit Selbstmord für den Fall der Weigerung, sie zu unterstützen, als gegeben unterstellt und behauptet, sie sei der Meinung gewesen, die "Verwendung der erbetenen Gegenstände" (Leukoplast und Radioapparat!) diene lediglich einer "Gesprächstherapie".

Ähnliches gilt für das Beschwerdevorbringen, beide Beschwerdeführer hätten nur "aus purer Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft" die "Z*mühle" "zur Verfügung gestellt", was in den Urteilsfeststellungen keine Deckung findet.

Des weiteren weichen die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen, sie seien aufgrund von Schilderungen der Mitangeklagten Elisabeth K* davon ausgegangen, daß Dr. Kathrin E* die Willensfreiheit entzogen und allenfalls deren Gesundheit durch Sekteneinflüsse beeinträchtigt gewesen sei, von der Urteilsfeststellung ab, wonach auch ihnen zufolge des Umstandes, daß Dr. E* trotz jahrelanger Zugehörigkeit zur Norweger-Bewegung die Matura gemacht und ein akademisches Studium nahezu abgeschlossen hatte, ein Irrtum über deren geistige und körperliche Gesundheit und Selbstbestimmungsfähigkeit nicht unterlaufen war (US 23 f, 28).

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge der beiden Beschwerdeführer auch, soweit sie behaupten, Dr. E* habe deshalb, weil außer den beiden Amerikanern nur ihr bekannte Personen an den gegen sie gesetzten Zwangsmaßnahmen teilgenommen hatten, nicht um ihre persönliche Sicherheit bangen müssen; dies steht im Gegensatz zu den Urteilskonstatierungen (US 13), wonach die Genannte eine waghalsige Flucht durch Abseilen aus dem 1. Stock der "Z*mühle" mit zusammengeknoteten Leintüchern unternahm und ihr seelischen Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt wurde (US 13 f).

Soweit letztlich in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) der beiden genannten Beschwerdeführer ausgeführt wird, ihre Bestrafung sei aus generalpräventiven Gründen nicht geboten, ist nicht erkennbar, welcher Strafaufhebungsgrund oder welche Umstände, die eine Verfolgung ausschließen sollen, damit geltend gemacht wird, zumal die österreichische Rechtsordnung keine Bestimmung kennt, derzufolge ausschließlich wegen des Mangels eines generalpräventiven Strafbedürfnisses ein Schuldspruch zu unterbleiben hätte.

VII. Zur Strafzumessungsrüge (Z 11) der Angeklagten Elisabeth K*:

Die Beschwerdeführerin, die im Rahmen der Strafzumessungsrüge einen Freispruch begehrt, verkennt ersichtlich das Wesen dieses von ihr angerufenen Nichtigkeitsgrundes. Zum einen könnte die erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nur zu einer Aufhebung des Strafausspruches oder zu einer Strafneubemessung, niemals aber zum Freispruch führen; zum anderen wird mit dem Vorbringen, daß spezialpräventive Gründe keine Bestrafung der Beschwerdeführerin erforderten, weil sie sich seit der Tat an die österreichischen Rechtsvorschriften halte, der abermals angestellten Spekulation, ihre Tochter hätte ihr gedankt, wenn ohne ihre Flucht sie noch anhaltender der Zwangsdeprogrammierung unterzogen worden wäre, und dem erneuten Hinweis auf Beilagen, "die als integrierender Bestandteil der Nichtigkeitsbeschwerde gelten" sollen, auch nicht annähernd einer der drei Fälle gesetzwidriger Strafbemessung, auf welche § 281 Abs 1 Z 11 StPO abstellt, zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.

VIII. Aus den angeführten Gründen waren die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Elisabeth K*, Thomas K*, Michael C* und Sigrid C* teils als offenbar unbegründet, in weiten Teilen aber als nicht gesetzmäßig dargestellt, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen der genannten Angeklagten fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

IX. Zur Berufung des Angeklagten E*:

Der Angeklagte E* hat nach Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde - die, wie erwähnt, zurückgewiesen wurde - und Berufung angemeldet; er führte bei der Anmeldung auch hinsichtlich der Berufung keine Beschwerdepunkte an und unterließ eine Ausführung der Berufung.

Da er nicht nur zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, sondern auch zur ungeteilten Hand mit den weiteren vier Angeklagten gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Betrages von 100 S an die Privatbeteiligte Dr. Kathrin E* verurteilt wurde, mithin mehrere Unrechtsfolgen über ihn verhängt wurden, hätte es einer Erklärung dahin bedurft, ob er sich durch den Ausspruch über die Strafe oder durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (oder durch beide) beschwert erachtet (§ 294 Abs 4 StPO).

Mangels einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Beschwerdepunkte war daher seine Berufung schon vom Obersten Gerichtshof bei der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen (§ 294 Abs 4 StPO iVm § 296 Abs 1 und 3 StPO).

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