OGH 8Ob25/93

OGH8Ob25/9318.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieghart Z*****, vertreten durch Mag.Thomas H*****, als bestellter Sachwalter, dieser vertreten durch Dr.Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei Harald W*****, vertreten durch Dr.Josef Posch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ungültigkeit von Wechselerklärungen infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1993, GZ 1 R 35/93-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.November 1992, GZ 6 Cg 112/91-35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung wird das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe wieder hergestellt, daß der Urteilsspruch in seinem ersten Absatz zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß für den Kläger aus der im Herbst 1989 erfolgten Unterfertigung und Begebung der beiden klagegegenständlichen Blanko-Wechsel an den Beklagten keine Verbindlichkeit besteht".

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 11.594,88 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 1.932,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte das Klagebegehren "Die Wechselerklärungen des Klägers auf den beiden, dem Kläger vom Beklagten vorgelegten Wechseln sind rechtsunwirksam", und brachte zur Begründung ua vor, er sei zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Blanko-Wechselakzepte wechselgeschäftsunfähig gewesen. Aus diesem Grunde seien überhaupt alle zwischen ihm und dem Beklagten in den Jahren 1989/1990 abgeschlossenen Geschäfte unwirksam. Der Beklagte wolle aber über die in seinen Händen befindlichen Blanko-Wechsel zum Nachteil des Klägers verfügen.

Der Beklagte bestritt die Richtigkeit des Klagevorbringens und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:

Die Streitteile lernten einander im Sommer 1989 kennen. Der Kläger interessierte sich für den dem Beklagten gehörigen Sportwagen Toyota Celica, Baujahr 1977 und der Beklagte verkaufte ihm dann das Fahrzeug. Er nahm in der Folge beim Beklagten Wohnung und verkaufte seinerseits einen ihm anteiligen Liegenschaftsanteil zum Kaufpreis von S 50.000,- und einen Waldanteil zum Preise von S 18.000,-. Zur Besicherung der Rechtsgeschäfte der Streitteile hat der Kläger im Herbst 1989 zwei Blanko-Wechsel die ihm vom Beklagten vorgelegt wurden, unterfertigt und dem Beklagten übergeben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht geschäftsfähig. Noch im Jahre 1989 wurde hinsichtlich seiner Person ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet; mit Beschluß vom 6.6.1990 5 SW 25/89 bestellte das Bezirksgericht Innsbruck für ihn einen Sachwalter zur Führung von zivilgerichtlichen Verfahren sowie zur Vermögensverwaltung und Vermögenssicherung.

Beide Streitteile vertraten die Ansicht, der erstgenannte Liegenschaftsanteil habe deswegen keinen höheren Wert als S 50.000,-, weil der Grund von mooriger Beschaffenheit sei und daher nicht zu Bauland gewidmet werden könne. Die umliegenden Grundstücke sind aber als Bauland ausgewiesen. Der Kläger war und ist der Ansicht, daß er "durch den Tausch zwischen seinem Grundstück und dem Auto des Beklagten ein vorteilhaftes Geschäft gemacht hat". Beide Streitteile halten das Auto für ein "Liebhaberauto", obschon hiebei von einem "Oldtimer" in Wahrheit nicht die Rede sein könne. Selbst wenn das Fahrzeug im Sinne der Behauptungen des Beklagten einen Marktwert von S 40.000,- gehabt hätte, würde dem ein zwischen den Streitteilen vereinbarter, wenngleich an sich schon zu geringer Grundstückswert von S 50.000,- sowie der tatsächliche Verkehrswert des Waldanteiles des Klägers von S 187.750,- gegenüberstehen. Aus den medizinischen Sachverständigengutachten des Univ.Prof. Dr.P***** geht hervor, daß beim Kläger ein Schwachsinn im Ausmaß einer leichten bis mittleren Debilität vorliegt; seine Allgemeinbildung und Fähigkeit zum Rechnen entspricht diesem Intelligenzniveau. Die Fähigkeit zum Planen und die Kombinationsgabe sind eingeschränkt. Der Kläger neigt zusätzlich noch dazu, seine eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, und besitzt den Hang, negativen Einflüssen rasch zu erliegen, sodaß dieser Mangel noch deutlicher zum Vorschein kommt. Auf Grund der Minderbegabung und der sichtbaren Persönlichkeitsretardierung war es aus psychiatrischer Sicht angezeigt, für ihn einen Sachwalter zu bestellen. Aus dem Gutachten des Dr.B***** vom 9.7.1992, der zur Frage der Geschäftsfähigkeit des Klägers Stellung nahm, folgt, daß dieser zur fraglichen Zeit nicht geschäftsfähig war. Er konnte zwar detailliert die gegenständlichen Geschäfte erklären und begründen, bei Recherchen über die tatsächlichen Wertverhältnisse zeigte sich aber, daß die gegenständlichen Geschäfte auf gänzlich unrealistische Einschätzungen beruhten. Der Kläger ist trotz der zeitlichen Distanz und der langen Nachdenkmöglichkeit immer noch im Glauben, daß er ein vorteilhaftes Geschäft abgeschlossen habe. Er ließ sich einreden, daß das Fahrzeug, ein vermeintlich wertvoller Oldtimer, einen Wert von S 170.000,-

habe. Er hört nicht auf guten Rat, sondern ist auch mit der ihm wohlmeinenden Mutter verfeindet, weil er sich von ihr bevormundet fühlt und nur für jene Beeinflussungen ein offenes Ohr hat, die ihm kurzfristige Wunscherfüllungen versprechen. Der von Dr.B***** erhobene Befund spricht im Einklang mit dem Vorgutachten des Univ.Prof.Dr.P***** für das Bestehen einer Oligophrenie vom Grade einer Debilität. Der Kläger ist nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte richtig zu erfassen und die Bedeutung von Vermögenswerten richtig einzuschätzen. Sein Denken und Urteilen vollziehen sich nach dem starren Schema eines kindlichen Wunschdenkens. Er vermag mögliche unangenehme Bedingungen eines Sachverhaltes nicht zu sehen und zu bewerten und ist somit in seiner Kritik - und Urteilsfähigkeit auf Grund einer geistigen Behinderung erheblich eingeschränkt.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht die Annahme zugrunde, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte mit dem Beklagten bzw. der Abgabe der klagegegenständlichen Wechselakzepte an einem Mangel entsprechender Verstandeskraft gelitten habe und auf Grund dieser Geistesschwäche gemäß § 865 ABGB keine gültigen Geschäfte habe schließen können; er sei im Herbst 1989 nicht wechselgeschäftsfähig gewesen. Damals habe er weder den Wert der veräußerten Liegenschaften noch die Bedeutung und Tragweite seiner Rechtsgeschäfte erkennen können. Da die Abgabe der Wechselakzepte nicht wirksam sei, bedürfe es keiner Auseinandersetzung mit dem Einwand, daß bei den Rechtsgeschäften eine Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes vorgelegen sei bzw sich der Kläger in einem eine Anfechtbarkeit begründenden Irrtum befunden habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten statt und wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß die Revision zulässig sei.

In seiner Entscheidungsbegründung das hat das Berufungsgericht zwar, die Verfahrensrüge und die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung verworfen, aber die Rechtsrüge als gerechtfertigt beurteilt. Zu dieser führte es aus:

Der Schluß des Erstgerichtes auf die mangelnde Wechselgeschäftsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Unterfertigung der klagegegenständlichen Wechselakzepte sei auf Grund der getroffenen Tatsachenfeststellungen gerechtfertigt. Beizupflichten sei dem Beklagten, daß das vorliegende Feststellungsbegehren des Klägers unzulässig sei. Die Unwirksamkeit einer Wechselunterschrift sei nämlich kein tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage, weil diese nicht auf Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, sondern auf Feststellung der Wirksamkeit einer (Rechts-)Handlung gerichtet sei. Feststellungsfähig wäre im gegenständlichen Fall allenfalls, ob zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine wechselrechtliche Verbindlichkeit entstanden sei oder noch aufrecht bestehe bzw. ob die Wechselerklärung des Klägers in bezug auf eine wechselrechtliche Verpflichtung des Klägers zum Beklagten als unwirksam anzusehen wäre. An einer derartigen Feststellung wäre wohl auch das rechtliche Interesse gegeben, da der Beklagte noch in seiner Klagebeantwortung behauptet habe, zur Begebung der Wechsel und zur Inanspruchnahme des Klägers hieraus auf Grund dessen Verbindlichkeiten ihm gegenüber berechtigt zu sein. Die fehlende Zulässigkeit der begehrten Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Wechselerklärung für sich allein müsse aber zur Klageabweisung führen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionswerber führt im wesentlichen aus, das Berufungsgericht habe gegen die ständige Rechtsprechung verstoßen, wonach ein Klagebegehren so zu verstehen sei, wie es im Zusammenhang mit der Klageerzählung gemeint sei und wonach das Gericht entweder zu einer richtigen Formulierung anzuleiten oder eine solche von Amts wegen vorzunehmen habe. Es erscheine nach dem gesamten Vorbringen des Klägers und insbesondere auch dem Einwand der mangelnden Wechselgeschäftsfähigkeit klar, daß er letztlich die Feststellung wünsche, es sei zwischen ihm und dem Beklagten keine wechselrechtliche Verbindlichkeit entstanden bzw. es bestehe keine solche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus nachfolgenden Gründen zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO) und auch gerechtfertigt:

Das vom Kläger gestellte Feststellungsbegehren ist zwar bei strenger rechtlicher Beurteilung seinem engen Wortlaut nach verfehlt, weil die Feststellung der Unwirksamkeit einer Erklärung schlechthin nicht zulässig ist, sondern nur ausgesprochen werden kann, mit welcher Rechtsfolge diese Erklärung als unwirksam anzusehen ist (EvBl 1960/118 S.214; 7 Ob 555/80; Fasching III 58).

Auch bei Feststellungsklagen kommt es aber nicht auf den strikten Wortlaut, sondern auf den wahren Sinn des Begehrens an (6 Ob 105, 106/61; SZ 43/160; 8 Ob 518/84; 1 Ob 542/92 uva). Maßgebend ist immer, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger nach dem Sinngehalt seines Sachvorbringens begehrt (SZ 47/36; JBl 1986, 55 ua).

Das Prozeßgericht ist verpflichtet, entweder den Kläger zu einer entsprechenden Umformulierung seines Klagebegehrens anzuleiten (§ 182 ZPO) oder dieses im Sinne des offenkundig verfolgten Rechtsschutzzieles selbst umzudeuten (4 Ob 51/88; ÖBl 1990, 159; 9 Ob A 157/88) und amtswegig neu zu formulieren (5 Ob 525/83). Es hat dem Urteilsspruch eine vom Feststellungsbegehren abweichende Fassung zu geben, wenn der Kläger sachlich nicht mehr oder etwas anderes erhält als gemäß seinem wörtlichen Begehren. Die von den Parteien umschriebenen Grenzen des Streitgegenstandes dürfen allerdings nicht überschritten werden (EvBl 1960/231 S.400; 9 Ob A 173/88 ua). Eine zulässige Umformulierung hat auch noch in höherer Instanz zu erfolgen (4 Ob 336/74; 7 Ob 54/86 ua) und ist auch noch vom Obersten Gerichtshof vorzunehmen (4 Ob 505/74; SZ 48/55; SZ 60/253 ua).

Die Außerachtlassung dieser Grundsätze durch das Berufungsgericht stellt fraglos einen derart erheblichen, weil die Durchsetzung eines berechtigten Rechtsschutzbegehrens vereitelnden verfahrensrechtlichen Mangel dar, (ÖBl 1987, 102; 8 Ob 635/92), daß hier die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen (5 Ob 511/92).

Das Begehren des Klägers war - der Klageerzählung in Verbindung mit dem Urteilsantrag zufolge - unzweideutig auf die gerichtliche Feststellung gerichtet, daß für ihn aus der im Herbst 1989 erfolgten Unterfertigung und Begebung der beiden - ihm vom Beklagten zu diesem Zwecke vorgelegten - Blanko-Wechsel an den Beklagten keine Verbindlichkeit besteht, weil er, der Kläger, zu diesem Zeitpunkt nicht wechselgeschäftsfähig gewesen sei. Dieses wahre Begehren kann nur im Zusammenhang mit dem materiellen Recht gesehen werden: Der Schutz des Geschäftsunfähigen geht im Wechselrecht dem Verkehrsschutz derart vor, daß dieser die Gültigkeit der Wechselverpflichtung betreffende Einwand jedem Inhaber des Papiers, also auch dem Zweit- und jedem weiteren Erwerber entgegengesetzt werden kann und demnach als absoluter ausschlußunfähiger Einwand gilt (Baumbach-Hefermehl, WuSchGes 18, Rdn 33, 34 zu Art 17 WG). Dieser Mangel war beim Kläger sowohl nach seinen Behauptungen (Seite 2 der Klage: Er, der Kläger, sei "zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Blanko-Wechselakzepte" ..... wechselgeschäftsunfähig" gewesen, dh. zum Zeitpunkt der Unterfertigung und auch der Begebung der Papiere) als auch nach den gleichlautenden Feststellungen der Vorinstanzen (Urteil des Erstgerichtes Seite 6 = Seite 165 der Akten: "Im Herbst 1989 hat Z***** (Anm. der Kläger) ...... zwei Blanko-Wechsel, die ihm vom Beklagten vorgelegt wurden, unterfertigt und dem Beklagten übergeben") im Zeitpunkt der Wechselunterfertigung und im Zeitpunkt der darauf erfolgenden Begebung der Wechsel vorhanden, sodaß der gesamte, für die Enstehung einer Wertpapierverbindlichkeit erforderliche Vorgang (Unterschrift und Begebung) von Nichtigkeit erfaßt ist, weil die allein mögliche nachträgliche Genehmigung dieser Handlungen des wechselgeschäftsunfähigen Klägers durch seinen nunmehrigen Sachwalter verweigert wurde, wie sich aus der vorliegenden Klage klar ergibt. Demgemäß ist das Klagebegehren sinngemäß in Wahrheit auf die Feststellung der fehlenden Verbindlichkeit beider Handlungsakte - und nicht bloß, wie das engformulierte Begehren gelautet hat, bloß der Unterschrift - gerichtet. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes soll es im wohlverstandenen Interesse des schutzwürdigen Klägers aber (§ 21 Abs 1 ABGB) auch nicht bloß auf die Feststellung der wechselrechtlichen Unverbindlichkeit gerichtet sein, weil gerade bei Blanko-Wechseln - sollten sie nicht dem zwingenden Inhaltsgebot des Art 1 (iVm Art 2) WG entsprechend vervollständigt werden - auch die Gefahr der Umdeutung (Konversion) in kaufmännische oder bürgerlichrechtliche Anweisungen (§ 363 HGB bzw §§ 1400 f ABGB) besteht, so daß der Ausspruch der fehlenden Verbindlichkeit aus den beiden Papieren, die hier streitgegenständlich sind, auch für diesen Fall Wirksamkeit entfalten soll.

In der Sache selbst wird die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Klägers zur fraglichen Zeit vom Beklagten gar nicht in Frage gestellt, so daß Ausführungen dazu entbehrlich sind. Das Feststellungsinteresse ist in Anbetracht der für den Kläger drohenden Gefahr, daß der Beklagte die in seinen Händen befindlichen Papiere mißbräuchlich verwendet, offenkundig.

Somit war der Revision Folge zu geben und im Sinne des Urteilsspruches zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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