OGH 3Ob537/93

OGH3Ob537/9310.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Parteien 1. mj. Gunnar B*****, 2. mj. Aline B*****, 3. mj. Olaf B*****, und 4. mj Naemi B*****, in der Obsorge der Mutter Mag.Emilie B***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Oberwart ‑ Jugendamt, Hauptplatz 1, 7400 Oberwart, als Jugendwohlfahrtsträger, wider den Gegner der gefährdeten Parteien Waldemar B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen der Gewährung des vorläufigen Unterhalts für die minderjährigen Kinder nach § 382 a EO infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 18.August 1993, GZ R 498/93‑89, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Oberwart vom 4.Juni 1993, GZ P 32/92‑79, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0030OB00537.930.1110.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

 

Begründung:

 

Der Gegner ist der Vater der vier minderjährigen Kinder, die nun nicht mehr in seinem Haushalt betreut werden. Die Obsorge kommt seit der Scheidung der Ehe der Eltern mit dem Urteil vom 15.Juli 1992 der Mutter zu. Sie beantragte am 12.Mai 1992 die Bemessung des vom Vater für die Kinder zu leistenden Unterhalts mit S 2.500, S 2.100, S 2.100, und S 1.800, weil er seiner Verpflichtung nicht nachkomme. Für die Kinder schritt in der Folge der Jugenwohlfahrtsträger als Sachwalter ein. Er beantragte am 12.Jänner 1993 die Gewährung vorläufigen Unterhalts von monatlich S 1.400 je Kind und behauptete, nachdem die ohne Anhörung des Vaters erlassene einstweilige Verfügung vom 14.Jänner 1993 über den Rekurs des Vaters aufgehoben worden war, daß der Vater vor Beendigung seines Dienstverhältnisses S 30.000 im Monat verdiente und nun auch entsprechende Provisionseinkünfte als selbständiger Versicherungsmakler beziehe. Sein Berufswechsel dürfe nicht zu Lasten der Kinder gehen.

Das Erstgericht verhielt den Vater mittels der einstweiligen Verfügung zur Leistung vorläufigen Unterhalts von S 1.400 je Kind und Monat (Grundbetrag der Familienbeihilfe) ab 12.Jänner 1993 bis zur Beendigung des anhängigen Unterhaltsverfahrens, weil der Vater, wenn er in seiner selbständigen Tätigkeit einen Verlust von S 405.678,88 im Jahr 1992 erleide, diese aufgeben und wieder als Versicherungsangestellter mit dem früheren Monatsnettoeinkommen von S 30.000 tätig sein müsse.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Da das Vorbringen der Antragsteller nach dem § 382a Abs 4 EO für bescheinigt zu halten sei, soweit sich aus den Pflegschaftsakten nichts anderes ergebe, und über den Antrag ohne Anhörung des Gegners zu entscheiden sei, sei der Verfügung zugrunde zu legen, daß die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit als Versicherungsmakler zu keiner erheblichen Einkommensminderung führte. Die vom Gegner vorgelegte Einnahmen‑ und Ausgabenrechnung für das Jahr 1992 mit einem buchhalterischen Verlust von S 405.678,88 sei für steuerliche Zwecke bestimmt und gebe keine ausreichende Grundlage zur Unterhaltsbemessung. Da das Rekursgericht davon ausgehe, daß das Rekursverfahren bei einstweiligen Verfügungen nach § 382a EO einseitig sei und die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Verfahrensfrage uneinheitlich sei und auch der Frage erhebliche Bedeutung zukomme, inwieweit die gefährdete Partei die Behauptung des Gegners widerlegen müsse, er sei zur Leistung des Unterhalts außerstande, wenn Steuerbescheide vorliegen, die kein Einkommen ausweisen (LGZ Wien EFSlg 67.198), sei der Revisionsrekurs zulässig.

 

Rechtliche Beurteilung

Der vom Gegner erhobene Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 402 Abs 4 und § 78 EO nicht zulässig.

Da der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichtes bei jedem Kind S 50.000 übersteigt (§58 Abs 1 JN) und § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nach § 402 Abs 1 letzter Satz EO idF des Art II Z 4 der 3.Novelle zum Bezirksgerichtsorganisationsgesetz für Wien BGBl 1992/756 hier nicht gilt, ist der Revisionsrekurs zwar nicht jedenfalls unzulässig.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs aber nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 528 Abs 1 ZPO, der zufolge § 402 Abs 4 und § 78 EO im Verfahren über einstweilige Verfügungen nach dem zweiten Abschnitt des zweiten Teiles der Exekutionsordnung, worunter infolge der Einfügung des § 382a EO durch Art 1 Z 1 des BG über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige BGBl 1987/645 auch die Gewährung vorläufigen Unterhalts fällt, anzuwenden ist).

Der Gegner (Vater) trägt keine solche Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung an den Obersten Gerichtshof heran. Er wendet sich in seinem Revisionsrekurs gegen die Gewährung des vorläufigen Unterhalts, weil die Angemessenheit des Höchstbetrages nach § 382a Abs 2 EO ungeprüft geblieben sei, die Unterhaltsverpflichtung der Mutter der Kinder nicht berücksichtigt wurde, seiner Darstellung nicht gefolgt wurde, daß er in der Phase seiner Geschäftsgründung nur Verluste erleide und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts unbestimmt und inhaltsleer gewesen sei.

All dem kommt nicht die im § 528 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung zu. Das Vorbringen im ursprünglichen Antrag wurde vor der Entscheidung des Erstgerichtes durch den gesetzlichen Vertreter der Kinder ergänzt; daß ein Monatsbetrag von S 1.400 zur Deckung aller Bedürfnisse der Kinder im Alter zwischen vier und elf Jahren unzureichend ist, bedarf keiner Begründung; die Mutter erfüllt nach § 140 Abs 2 ABGB ihre Unterhaltspflicht durch die Führung des Haushalts, in dem sie die Kinder betreut. Sie muß darüber hinaus zum Unterhalt der Kinder beitragen, soweit der Vater zur vollen Deckung der Bedürfnisse der Kinder nicht imstande ist. Ob der Vater nach den konkreten als bescheinigt anzusehenden Umständen in der Lage ist, zumindest den geringfügigen Unterhalt im Betrag der Familienbeihilfe nach dem FamLAG an seine Kinder zu leisten, stellt keine erhebliche Frage dar.

Die Schaffung des mittels einstweiliger Verfügung durchzusetzenden Anspruchs auf vorläufigen Unterhalt Minderjähriger verfolgte das Ziel, in den davon betroffenen Fällen bis zur Entscheidung im Verfahren über die Unterhaltsbemessung rasch eine Unterhaltsleistung zu gewähren. Das Gesetz ordnet deshalb an, daß das Vorbringen des minderjährigen Kindes für bescheinigt zu halten ist, soweit sich nicht aus den Akten anderes ergibt, und daß über den Antrag ohne Anhörung des Gegners zu entscheiden ist (§ 382a Abs 4 letzter Satz EO). Ihm bleibt die im § 399a EO vorgesehene Erwirkung der Einschränkung oder Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Wurde der Gegner entgegen der Anordnung des § 382a Abs 4 letzter Satz EO doch gehört und bescheinigt er vor Erlassung der einstweiligen Verfügung, daß er dem Kind offenbar nicht in dieser Höhe oder überhaupt nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, so wird darauf wohl Bedacht zu nehmen sein. Ob aber in diesem Einzelfall bescheinigt wurde, daß der Vater, der zunächst S 30.000 im Monat als Versicherungsangestellter verdiente, nach Aufnahme der Tätigkeit als selbständiger Versicherungsmakler nur mehr Verluste erleidet und außerstande wäre, bei anderer Tätigkeit seinen Kindern den selbst bei schlechten Lebensverhältnissen der Eltern geschuldeten Unterhalt in der Höhe eines Familienbeihilfenbetrages je Kind und Monat zu leisten, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar.

Die vom Rekursgericht wegen einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als erheblich angesehene Frage, ob im Rechtsmittelverfahren nach der Gewährung vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO der § 521a ZPO sinngemäß anzuwenden ist (§ 402 Abs 1 EO), stellt sich nicht. Das Erstgericht hat eine Ausfertigung der Rekursschrift dem Vertreter der Kinder zugestellt (13.Juli 1993). Die Frist von vierzehn Tagen (§ 402 Abs 3 EO) war zur Zeit der Entscheidung des Rekursgerichtes am 18.August 1993 schon abgelaufen, ohne daß eine Rekursbeantwortung erstattet worden ist. Darauf, ob die Frist für die Rekursbeantwortung abzuwarten gewesen wäre (RZ 1990/119) oder ob das Rechtsmittelverfahren in diesem Fall einseitig ist (8 Ob 579/93; 1 Ob 576/93), kommt es also nicht an. Der Revisionsrekurswerber kommt darauf (zu Recht) auch nicht zurück.

Der Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bindet den Obersten Gerichtshof nicht (§ 526 Abs 2 und § 528 Abs 1 ZPO iVm § 402 Abs 4 und § 78 EO).

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