OGH 7Ob571/93

OGH7Ob571/9310.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Jedrzej S*****, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Jugendwohlfahrt-Außenstelle Lambach, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 19.Mai 1993, GZ R 474/93-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lambach vom 17.Dezember 1992, GZ P 59/92-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des mj.Jedrzej S***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Warschau-Praga vom 8.5.1981 geschieden; die elterliche Obsorge über das Kind wurde beiden Elternteilen übertragen, wobei der Wohnort des Kindes und der Mutter immer der gleiche sein müsse und beide Elternteile die Unterhaltskosten zu tragen haben. Dabei wurde der Anteil des Vaters mit monatlich 2.000,-- polnischen Zloty bestimmt. Der Minderjährige wohnt nunmehr mit seiner Mutter in Österreich und besitzt (seit 29.10.1992) die österreichische Staatsbürgerschaft.

Das Erstgericht bewilligte über Antrag der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Jugendwohlfahrt-Außenstelle Lambach, dem Minderjährigen für die Zeit vom 1.12.1992 bis 30.11.1995 Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von S 17,-- monatlich, d.i. der auf österreichische Währung umgerechnete Fremdwährungsbetrag von 2.000,-- polnischen Zl.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz diese Entscheidung ab in eine Abweisung des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Obwohl dem Gesetz keine Mindesthöhe des zu gewährenden Unterhaltsvorschusses zu entnehmen sei, dürfe die bewilligte Unterhaltsleistung nicht den Charakter einer Symbolleistung erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Jugendwohlfahrtsträger erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Den Intentionen des Unterhaltsvorschußgesetzes entsprechend (Broda in "Schwerpunkte der Familienrechtsreform in der XIV.GP des NR" RZ 1976, 7 "Der Staat soll in Vorlage treten") ist eine allgemeine oder generelle Unterhaltsbevorschussungspflicht der Republik Österreich nicht gegeben, sondern bestimmen gesetzlich geregelte Anspruchsvoraussetzungen, in deren Rahmen verschiedene Vorschußtypen zur Verfügung gestellt werden, den Anspruch auf Unterhaltsvorschußgewährung. Bevorschußt wird der gesetzliche Unterhalt eines mj. Kindes, soweit er in Form einer Geldrente zu bezahlen ist. Darüber hinausgehende Unterhaltsdefizite wie etwa die Ansprüche auf Betreuung und Erziehung sind vor allem im Weg des § 176 ABGB einer Regelung zuzuführen. Durch das UVG sollte die gesetzliche Unterhaltsstruktur nicht verändert werden; über den gesetzlichen Unterhalt hinausgehende Leistungen wären keine Unterhaltsvorschüsse mehr. Die Leistungen des Bundes werden nicht "anstelle" des Unterhaltes gewährt, sie sind auch keine Sozialleistungen im weiteren Sinn (vgl. Knoll, UVG in ÖA, 1.Lfg. Mai 1987 Rz 8). Der Revisionsrekurswerberin ist zuzugestehen, daß die Legislative keine Mindestbevorschussungssätze festgesetzt hat. Im vorliegenden Fall muß aber nicht untersucht werden, ob der Unterhaltspflichtige, dessen Leistung durch das Gesetz substituiert werden soll, möglicherweise höhere Leistungen als dem Titel, auf den sich das Unterhaltsvorschußbegehren stützt, entsprechend erbringen könnte und ob aus diesem Grund eine Art "Grundsatzbeschluß" auf Unterhaltsbevorschussung zu fassen wäre, weil, wie schon das Rekursgericht, der Ansicht anderer Gerichte zweiter Instanz folgend (EFSlg. 49.079, EFSlg. 60.484), zutreffend ausgeführt hat, der Staat nur dann für den Unterhaltspflichtigen in Vorlage treten soll, wenn dies den Intentionen des Gesetzes gerecht wird. Es ist gerichtsbekannt, daß sich der Wert des polnischen Zloty seit dem Bevorschussungsantrag von 100 zl = 0,085 öS auf 100 zl = 0,36 öS verringert hat. Daraus leitete sich wiederum die als gerichtsbekannt vorauszusetzende Tatsache ab, daß die mit der Auszahlung eines monatlichen Unterhaltsvorschusses von rund 6,-- S verbundenen Kosten weit höher liegen, als die dadurch bewirkte Zuwendung an das mj. Kind. Dies kann nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen. Wird dennoch die Bevorschussung einer derartigen symbolischen Unterhaltsleistung begehrt, muß bereits von einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Rechtswohltat des Unterhaltsvorschusses gesprochen werden. Auf die Bestimmung des § 4 Z 2 UVG wird hingewiesen (vgl. auch die Antwort des BMfJ vom 21.1.1977, ÖA 1977, 11 f).

Dem Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers war daher ein Erfolg zu versagen.

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