OGH 10ObS227/93

OGH10ObS227/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ewald G*****, Gärtnergehilfe, ***** vertreten durch Dr. Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, weiter Weitergewährung der entzogenen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 1993, GZ 32 Rs 60/93-60, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9. März 1993, GZ 16 Cgs 69/91-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schuldig, dem Kläger die mit Ablauf des Monates Juli 1991 gemäß § 99 ASVG entzogene Invaliditätspension ab dem 1. August 1991 im gesetzlichen Ausmaß weiter zu gewähren. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß der Kläger trotz Besserung seines Gesundheitszustandes auch ab dem 1. August 1991 nicht in der Lage sei, seinen erlernten und überwiegend ausgeübten Beruf als Gärtnergehilfe zu verrichten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, übernahm dessen Feststellungen und trat auch der rechtlichen Beurteilung bei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die allein noch strittige Frage, ob der Kläger Berufsschutz als gelernter Gärtnergehilfe beanspruchen kann, wurde von den Vorinstanzen zutreffend bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung des

erkennenden Senates (SSV-NF 4/27 = SZ 63/33, zust. Heider, DRdA 1991,

252; SSV-NF 5/123; 10 ObS 315/92 = SSV-NF 7/7 - in Druck; zuletzt 10

ObS 183/93), der die Revision außer dem Vorwurf der Gesetzwidrigkeit keine rechtlichen Argumente entgegenhält, ist ein Lehrling nicht im erlernten Beruf tätig; Lehrlinge üben überhaupt keine Berufstätigkeit im Sinne des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG aus, sodaß die Lehrzeit bei Prüfung der Frage, ob in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG eine erlernte Berufstätigkeit ausgeübt wurde, außer Betracht zu bleiben hat. Das Lehrverhältnis endet gewöhnlich entweder mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit oder vor dieser Zeit, wenn der Lehrling die Lehrabschlußprüfung erfolgreich ablegt (vgl § 14 BAG; WBl 1992, 162). Nach dem hier einschlägigen (bis 31. August 1991 in Kraft gestandenen) § 10 der NÖ land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsordnung 1979, nö LGBl 5030-0, erfolgte die Ausbildung zum Gehilfen durch die Lehre in einem anerkannten Lehrbetrieb bei einem anerkannten Lehrherrn. Die Lehrzeit dauerte 3 Jahre. Nach ordnungsgemäßer Beendigung der Lehrzeit und erfolgreichen Besuch der Berufsschule bzw. der Fachkurse war der Lehrling zur Gehilfenprüfung zuzulassen. Bei dieser Prüfung hatte er nachzuweisen, daß er sich jenes Maß an Kenntnissen und Fertigkeiten angeeignet hat, das ihn zur Ausübung der dem jeweiligen Sondergebiet der Landwirtschaft eigentümlichen Tätigkeit befähigt (Ausbildungsziel). Durch die erfolgreiche Ablegung dieser Prüfung erwarb er die Berufsbezeichnung "Gehilfe" mit der Bezeichnung des Sondergebietes (zB "Gärtnergehilfe"). Nach § 15 der mit 1. September 1991 in Kraft getretenen NÖ land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsordnung 1991 lautet die Berufsbezeichnung nunmehr "Facharbeiter" in Verbindung mit der Bezeichnung des Lehrberufes, also im Fall des Klägers "Gärtner-Facharbeiter".

Nach den Feststellungen war der Kläger nach Ablauf der Dauer der Lehrzeit ab 3. Juli 1981 ausschließlich im Beruf des Gärtnergehilfen tätig. Bis zur erfolgreichen Ablegung der Lehrabschlußprüfung (Gärtnergehilfenprüfung) am 11. Dezember 1981 war er damit zumindest als angelernter Gärtnergehilfe tätig (vgl. SSV-NF 3/122 = RZ 1992, 127/51; 10 ObS 183/93), auch wenn er nur Teiltätigkeiten dieses Berufes verrichtete. Damit ergibt sich aber, daß er - ausgehend von insgesamt 62 Beitragsmonaten unter Ausklammerung der 3-jährigen Lehrzeit (36 Monate) - im Beobachtungszeitraum 26 Beitragsmonate außerhalb des Lehrverhältnisses erworben hat, von denen 15 - also mehr als die Hälfte - der gelernten (angelernten) Tätigkeit zuzurechnen sind. Dem stehen nur 10 Beitragsmonate als Hilfsarbeiter und 1 Monat als Koch- und Kellnerlehrling gegenüber. Es brauchte also aus rechtlichen Erwägungen nicht festgestellt zu werden, daß der Kläger die Gehilfenprüfung zunächst (am 23. Juni 1981) nicht bestand.

Kann der Kläger aber Berufsschutz als Gärtnergehilfe in Anspruch nehmen, dann besteht kein Zweifel, daß er weiterhin die Voraussetzungen für die Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG erfüllt, weil er diesen oder einen vergleichbaren Beruf nach wie vor nicht ausüben kann. Sein Begehren auf Weitergewährung der gemäß § 99 ASVG entzogenen Leistung ist berechtigt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Kostenbemessungsgrundlage ist allerdings nicht der geltendgemachte Betrag von 100.000 S, sondern gemäß § 77 Abs 2 ASGG idF Art XXXVII Z 6 WGN 1989 ein solcher von nur 50.000 S. Die verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung waren daher entsprechend zu reduzieren.

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