OGH 5Ob540/93

OGH5Ob540/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Flossmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisenkasse G*****, reg.Gen.m.b.H., ***** G*****, H*****straße 25, vertreten durch Dr.Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei Raiffeisenkasse T*****, reg.Gen.m.b.H., ***** T*****, vertreten durch Dr.Roderich Santner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen S 157.369 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4.Mai 1993, GZ 1 R 92/93-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31.Dezember 1992, GZ 3 Cg 171/92-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Im Juli 1989 erteilten die Ehegatten Johann und Marie-Luise P***** der H***** GmbH (im folgenden kurz Firma H*****genannt) den Auftrag zur Lieferung und Errichtung eines Holzhauses zum Preis von S 1,014.738. Nach Punkt III. der Vertragsbedingungen hatten die Auftraggeber die Zahlung des Kaufpreises durch eine Bankgarantie sicherzustellen. 50 % des Kaufpreises sollten bei der ersten Anlieferung bezahlt werden, weitere 40 % nach Baufortschritt und 10 % bei Rohbauübergabe.

Am 12.2.1990 gab die beklagte Partei gegenüber der Firma H***** eine als Bankgarantie bezeichnete Erklärung ab, die im wesentlichen lautet: "Herr Johann P***** und Frau Marie-Luise P***** haben uns mitgeteilt, daß sie Ihnen gegenüber eine Bankgarantie für Kaufvereinbarung vom 1.7.1989 Punkt III. der Vertragsbedingungen bis zum Höchstbetrag von S 1,014.738 beizubringen hat. Im Auftrag der genannten Firma übernehmen wir hiemit diese Haftung und verpflichten uns, Ihnen im Rahmen des vorerwähnten Höchstbetrages und innerhalb der Haftungsdauer alle Beträge, welche Sie gegen obige Firma aus dem genannten Titel geltend machen sollten, ohne Prüfung des Rechtsgrundes und ohne Einwände binnen 8 Tagen ab Einlangen Ihrer schriftlichen Aufforderung, die spätestens am Ablauftag dieser Garantie bei uns vorliegen muß, zu vergüten. ... Unsere Haftung erlischt mit der Rückgabe dieses Schreibens, spätestens aber zum oben angeführten Zeitpunkt."

In der Folge trat die Firma H***** die Ansprüche aus der Bankgarantie an die klagende Partei ab. Aufgrund der Bankgarantie rief die klagende Partei bei der beklagten Partei Geld ab, wenn sie von der Firma H***** die Mitteilung erhalten hatte, daß entsprechend dem Baufortschritt wieder ein Betrag zur Zahlung fällig sei.

Aus einem nicht mehr feststellbaren Grund wurde am 28.9.1990 als Prolongation der ursprünglichen Bankgarantie eine neue ausgestellt, in welcher nunmehr statt der Firma H***** die klagende Partei als Begünstigte eingetragen war. Diese Bankgarantie wurde mehrmals, zuletzt am 9.7.1991, prolongiert und lautet wie folgt: "Familie Johann und Marie-Luise P***** haben uns mitgeteilt, daß sie Ihnen gegenüber eine Bankgarantie für Rest aus Kaufvereinbarung vom 1.7.1989, Punkt III. der Vertragsbedingungen, Firma H***** GmbH, zediert an die Raffeisenbank G*****, reg.Gen.m.b.H. bis zum Höchstbetrag von S 157.369 mit einer Laufzeit bis einschließlich 31.12.1991 beizubringen hat." Im übrigen weist die Bankgarantie den gleichen Wortlaut wie diejenige vom 12.2.1990 auf.

Nachdem über die Firma H***** der Konkurs eröffnet worden war, forderte die klagende Partei (am 18.11.1991) die beklagte Partei zur Zahlung des Garantiebetrages auf, ohne bei der Firma H***** oder dem Masseverwalter Rücksprache gehalten oder von diesen eine Mitteilung erhalten zu haben, daß der Restkaufpreis fällig sei. Tatsächlich hatte die Firma H***** ihre Leistungen gegenüber den Ehegatten P***** bis dahin nicht vollständig erbracht, was damit zusammenhing, daß die Ehegatten P***** auch die noch ausstehenden Lieferungen und Montagen nicht abgerufen hatten. Diese restlichen Lieferungen und Arbeiten wurden nicht durchgeführt, und es wurde auch keine Rechnung an die Ehegatten P***** mehr gelegt. Die von der Firma H***** in Rechnung gestellten Leistungen hatten die Ehegatten P***** bezahlt.

Als die Ehegatten P***** vom Versuch der klagenden Partei erfuhren, die Bankgarantie in Anspruch zu nehmen, teilte Johann P***** der klagenden Partei mit, daß der Firma H***** dieser Betrag nicht zustehe und damit auch sie keine Ansprüche geltend machen könne. Daraufhin schickte die klagende Partei den Ehegatten P***** Unterlagen für die Anmeldung ihrer Forderungen im Konkurs der Firma H*****. Dies geschah unter der Annahme, daß die Ehegatten P***** durch die Abberufung der Bankgarantie für eine der Firma H***** gar nicht zustehende Forderung geschädigt werden könnten.

Nunmehr begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei S

157.369 s.A. aus dem uneingelösten Garantieversprechen.

Dem hält die beklagte Partei entgegen, daß die Abberufung der Bankgarantie gegen die guten Sitten verstoße, rechtsmißbräuchlich sei und dem im Punkt III. der Kaufvereinbarung festgelegten Sicherungszweck widerspreche. Die Firma H***** habe das Bauwerk nie fertiggestellt und übergeben, sodaß die Kaufpreisrestforderung nicht fällig sei. Außerdem weise das Werk Mängel auf. Von allen diesen Umständen sei die klagende Partei in Kenntnis gesetzt worden; daß sie trotzdem auf Einlösung der Bankgarantie bestehe, sei nichts anderes als der Versuch, Verbindlichkeiten der insolventen Firma H***** abzudecken. Die beklagte Partei hat daher die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

In einer Erwiderung auf dieses Vorbringen bestritt die klagende Partei jeglichen Rechtsmißbrauch. Vor allem sei ihr nicht bekannt gewesen, ob und inwieweit die Kunden der beklagten Partei effektive Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Firma H***** hatten. Die Ehegatten P***** seien mit den von ihnen zu erbringenden Eigenleistungen in Verzug geraten; wären diese fristgerecht erbracht worden, hätte die Firma H***** das Objekt noch vor Konkurseröffnung fertiggestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die klagende Partei rechtsmißbräuchlich sei, weil die durch die Bankgarantie gesicherten Leistungen nicht erbracht worden seien und sich die klagende Partei nie für berechtigt habe halten können, die Garantie abzurufen. Schon bei Aufwendung der geringsten Sorgfalt hätte die klagende Partei durch Rückfrage bei der Firma H***** feststellen können, daß die gesicherte Forderung nicht existierte.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Es sei gar nicht strittig, daß die Haftungserklärung der beklagten Partei als Bankgarantie zu qualifizieren sei. Auch gegen die Geltendmachung der daraus resultierenden Ansprüche durch die klagende Partei habe die beklagte Partei keinerlei Einwendungen erhoben. Tatsächlich halte die Rechtsprechung die Abtretung der Rechte des Begünstigten aus einem Garantievertrag für zulässig, wenn der Inhalt des Rechtes durch die Abtretung keine Änderung zum Nachteil des Garanten erfährt (SZ 60/266; ÖBA 1989, 818). Trotz Ausstellen der Bankgarantie vom 9.7.1991 auf den Namen der klagenden Partei sei jedoch diese nicht als unmittelbar Begünstigte zu behandeln. Im Text der Bankgarantie werde nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es um die Sicherung einer Restforderung aus dem Kaufvertrag zwischen der Firma H***** und den Ehegatten P***** geht und diese an die klagende Partei abgetreten wurde. Demnach könne die Garantieerklärung der beklagten Partei nur so verstanden werden, daß die Firma H***** - entsprechend der ursprünglichen Bankgarantie vom 12.2.1990 - Begünstigte bleiben sollte.

Mit der vorliegenden Bankgarantie habe sich die beklagte Partei ohne Prüfung des Rechtsgrundes und ohne Einwände binnen 8 Tagen ab Einlangen der schriftlichen Aufforderung zur Zahlung des Kaufpreisrestes verpflichtet. Es liege im Wesen einer solchen Bankgarantie, dem Begünstigten auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, zunächst einmal Zahlung zu verschaffen (JBl 1985, 425; ÖBA 1989, 814 ua). Soweit dazu gefordert werde, der Begünstigte müsse die Erfüllung der in der Garantie genannten Voraussetzungen anläßlich der Abrufung eindeutig und schlüssig darlegen (Canaris, Bankvertragsrecht3 Rz 130 f; ÖBA 1990, 636), sei die klagende Partei dieser Verpflichtung nachgekommen, weil sie in ihrem Schreiben vom 18.11.1991, mit dem sie die Garantie abrief, eindeutig erklärte, den Restbetrag aus der Errichtung des Holzhauses aufgrund der dafür zugesagten Garantie einzufordern. Der Hinweis in der Bankgarantie auf Punkt III. der Vertragsbedingungen bezeichne nur das Grundgeschäft und bedeute nicht, daß die klagende Partei bei Abrufung der Garantie die Fälligkeit darzulegen hätte oder der beklagten Partei daraus eine weitere Einrede ermöglicht werden sollte. Hätten die Vertragsteile eine derartige Voraussetzung für die Abrufung der Garantie beabsichtigt, dann hätten sie eine entsprechende Klausel in die Garantieerklärung aufnehmen müssen.

Nach dem Inhalt der Bankgarantie seien der beklagten Partei Einwendungen aus dem Valuta-Verhältnis versagt. Charakteristisch für die Garantie sei nämlich die mangelnde Akzessorietät vom Grundverhältnis (Koziol, Der Garantievertrag, 32 und 59; JBl 1985, 425; JBl 1990, 177). Aus dem Zweck einer Garantie, dem Begünstigten rasch und ohne langwierigen Streit das Geld zu verschaffen, und ihrer Unabhängigkeit vom Valuta-Verhältnis folge aber auch, daß der Garant Gegenforderungen aus diesem Verhältnis nicht einredeweise geltend machen kann, und zwar selbst dann nicht, wenn der Dritte (im vorliegenden Fall die Ehegatten P*****) ihm diese Ansprüche übertragen hat (Koziol aaO, 58; RdW 1991, 288). Allfällige Gewährungsleistungs- und Schadenersatzansprüche der Ehegatten P***** aus dem Grundgeschäft seien daher nicht zu prüfen.

Der Einredeausschluß beim Garantievertrag sichere dem Begünstigten die sofortige Leistung und die vorteilhaftere Beklagtenrolle bei der nachträglichen Bereinigung allfälliger Streitigkeiten. Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten sei jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, daß er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten würde hier eine mißbräuchliche Rechtsausübung darstellen (Koziol aaO, 56; ÖBA 1992, 573 ua). Voraussetzung für die Annahme eines solchen Rechtsmißbrauchs sei, daß zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis bestehe; der Schädigungszweck müsse augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (ÖBA 1992, 167 und 573).

Für den Vorwurf des Rechtsmißbrauches werde allgemein gefordert, daß das Nichtbestehen eines Anspruchs des Begünstigten im Valuta-Verhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt. Es entspreche der herrschenden Rechtsprechung, daß dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, daß er keinen Anspruch hat (ÖBA 1992, 573 mwN).

Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann erweise sich das bisherige Verfahren als mangelhaft im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO, weil nicht geklärt wurde, ob der klagenden Partei eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie vorgeworfen werden kann. Das Begehren auf Zahlung vor Fälligkeit der gesicherten Forderung, das vom Erstgericht als sittenwidrig beurteilt wurde, begründe für sich allein noch nicht den Vorwurf eines Rechtsmißbrauchs (vgl ÖBA 1992, 573). Dazu sei vielmehr erforderlich, daß die beklagte Partei beweisen kann, sie hätte der klagenden Partei zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie eindeutige und durchschlagende Beweise vorlegen können, daß aus dem Valuta-Verhältnis zwischen der Firma H***** und den Ehegatten P***** kein Anspruch besteht oder daß der klagenden Partei dieser Umstand von vorneherein bekannt war. Es müsse also feststehen, daß der klagenden Partei keine Leistung gebührte, ihr das auch bewußt war und sie trotzdem auf Einlösung der Garantie beharrt. Es könne aber nicht gesagt werden, daß eine mißbräuchliche Inanspruchnahme einer Bankgarantie immer schon dann vorliegt, wenn sich nachträglich die fehlende Berechtigung des Begünstigten im Valuta-Verhältnis herausstellt. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Rechtsmißbrauchs sei jener der Inanspruchnahme der Garantie. Im Interesse der Funktionsfähigkeit einer Bankgarantie könne es grundsätzlich nicht zugelassen werden, daß die Bank die Zahlung zunächst einmal "auf Verdacht" verweigert und dann im Prozeß Gründe und/oder Beweismittel präsentiert, die sie erst später aufgefunden hat (Canaris, Einwendungsausschluß und Einwendungsdurchgriff, ÖBA 1987, 779; Dullinger, JBl 1990, 179). Ließe man ohne weitere Voraussetzungen den Einwand der mangelnden Berechtigung des Begünstigten im Valuta-Verhältnis von Seiten des Garanten zu, würde die Abstraktheit der Bankgarantie zugunsten der Akzessorietät aufgegeben, was im Widerspruch zum Wesen der Bankgarantie stünde (Dullinger aaO; ÖBA 1992, 573).

Im fortgesetzten Verfahren werde deshalb das Erstgericht genaue Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Kenntnis die klagende Partei von dem der Bankgarantie zugrunde liegenden Geschäft im Zeitpunkt der Inanspruchnahme hatte, sowie ob und wann ihr von der beklagten Partei eindeutig nachgewiesen wurde, daß der Firma H***** kein Anspruch aus dem Grundgeschäft zusteht. In diesem Zusammenhang werde auch von Bedeutung sein, wann der Konkurs über die Firma H***** eröffnet wurde und ob der klagenden Partei bekannt war oder bekanntgegeben wurde, inwieweit die noch nicht oder nicht vollständig erfüllten Verträge vom Masseverwalter erfüllt werden sollten (§ 21 KO). Konkret werde von bedeutung sein, ob das gegenständliche Holzhaus fertiggestellt werden sollte oder mit einer Fertigstellung schon im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der Firma H***** nicht mehr zu rechnen war sowie ob und wann die klagende Partei davon Kenntnis erlangte. Nur wenn danach festgestellt werden kann, daß die klagende Partei die fehlende Berechtigung im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie kannte, sei es, weil ihr die näheren Umstände des Grundgeschäftes ohnedies aus den geschäftlichen Beziehungen zur Firma H***** bekannt waren, sei es, daß ihr von Seiten der beklagten Partei rasch und eindeutig nachgewiesen wurde, daß ihr kein Anspruch aus dem Valuta-Verhältnis zustand, werde ein Rechtsmißbrauch zu bejahen sein.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtees enthält den Beisatz, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß zur Frage, ob für den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs das Nichtbestehen eines Anspruchs des Begünstigten im Valuta-Verhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie evident sein muß oder der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgeblich ist, keine gesicherte Rechtsprechung vorliegt.

Diesen Aufhebungsbeschluß hat die beklagte Partei fristgerecht mit Rekurs angefochten. Sie ist der Ansicht, daß durch den in der Bankgarantie enthaltenen Hinweis auf das Grundgeschäft (konkret auf Punkt III. der Vertragsbedingungen) eine akzessorische Bindung der Bankgarantie an die "Fälligkeitsstufen der Kaufvereinbarung" hergestellt wurde. Das Klagebegehren hätte also schon deshalb abgewiesen werden müssen, weil die klagende Partei die Fälligkeit des Kaufpreisrestes gar nicht behauptet hat. Sie wäre verpflichtet gewesen, wenigstens den Eintritt des Garantiefalles zu behaupten und substantiiert die Erfüllung des ausdrücklich angesprochenen Sicherungszweckes darzulegen. In der Entscheidung 1 Ob 607/89 (JBl 1990, 177 = RdW 1990, 11) habe der Oberste Gerichtshof klar zum Ausdruck gebracht, daß das Valuta-Verhältnis Einfluß auf das abstrakte Zahlungsversprechen in der Bankgarantie haben kann, wenn der Sicherungszweck entsprechend umschrieben ist. In einem solchen Fall seien Einwendungen aus dem Valuta-Verhältnis bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung möglich. Der beklagten Partei hätte daher der Nachweis der mangelnden Fälligkeit des Kaufpreises und damit der Bankgarantie nicht abgeschnitten werden dürfen. Im übrigen sei ohnehin aktenkundig, daß die klagende Partei nach Abberufung der Bankgarantie unverzüglich auf die mangelnde Fälligkeit des Kaufpreises infolge unterbliebener Fertigstellung des Hauses hingewiesen wurde. Die klagende Partei habe diesen Umstand auch gar nicht in Abrede gestellt, sondern immer nur auf die völlige Abstraktheit der Bankgarantie hingewiesen. Damit habe für die beklagte Partei gar kein Anlaß bestanden, irgendwelche "liquiden Beweismittel" für die mangelnde Fälligkeit der gesicherten Forderung zu liefern. Es sei insoweit von einem schlüssigen Verzicht der klagenden Partei auf weitere Beweise auszugehen. Sie hätte sich bei Einhaltung kaufmännischer Sorgfalt jederzeit selbst davon überzeugen können, daß die garantierte Kaufpreisforderung mangels Fertigstellung des Hauses der Ehegatten P***** nicht fällig war. Der Rekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes vollinhaltlich zu bestätigen.

Von der klagenden Partei liegt dazu eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den Rekurs mangels Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Da die Begründung des angefochtenen Beschlusses in allen Punkten zutreffend erscheint und der vorliegende Rekurs keine stichhältigen Gegenargumente aufzeigt, genügt eine kurze Stellungnahme zu den angesprochenen Rechtsfragen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Sie hat damit zu beginnen, daß zum Wesen der Bankgarantie der Ausschluß von Einwendungen aus dem Grundgeschäft gehört (Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 880 a ABGB mwN). An diesem Einwendungsausschluß ist auch im gegenständlichen Fall festzuhalten, weil die beklagte Partei nie bestritten hat, aufgrund eines materiell abstrakten Garantieversprechens in Anspruch genommen zu werden. Die in ihrer Erklärung enthaltene Wendung, "ohne Prüfung des Rechtsgrundes und ohne Einwände binnen 8 Tagen ab Einlangen der schriftlichen Aufforderung" zu zahlen, ließe gar keine andere Auslegung zu (vgl SZ 50/66; SZ 56/55; JBl 1985, 425; ÖBA 1987, 500; ÖBA 1992, 573 ua).

Damit dürfen der beklagten Partei auch nicht unter dem Vorwand der Wahrung des konkreten Sicherungszweckes der Garantie Einwendungen aus dem Grundgeschäft eröffnet werden. Einwendungen, die sich aus dem Inhalt der Garantieerklärung ergeben, stehen dem Garanten zwar immer zu (ÖBA 1987, 500; SZ 61/63; JBl 1990, 177 ua), doch darf dies nicht zu einer Aufweichung der Selbständigkeit der echten Garantieverpflichtung führen, ist diese erst einmal - wie im gegenständlichen Fall - als solche erkannt. Die Verfehlung des Sicherungszwecks einer Garantie könnte daher nur dann eine Einwendung des Garanten begründen, wenn er sich die genaue Angabe des Sicherungszwecks in der Abruferklärung ausbedungen hätte und die Einforderung des Garantieversprechens im konkreten Fall diesen formellen Anforderungen nicht entspricht. Insoweit greift das Argument, daß der Garant seine Gutstehungsverpflichtung nur einlösen muß, wenn alle für die Risikoübernahme gesetzten Bedingungen peinlich genau erfüllt sind (vgl ÖBA 1989, 814; WBl 1989, 127; WBl 1989, 284; ÖBA 1990, 636; ÖBA 1993, 730). In der bloßen Bezugnahme auf das Valuta-Verhältnis bei der Abgabe eines Garantieversprechens liegt jedoch kein solcher Vorbehalt. Vor allem erlaubt dieser (auch in Bankgarantien) allgemein übliche Hinweis keinen Schluß auf eine akzessorische Haftung, weil dadurch primär nur umschrieben werden soll, welche Leistung eines bestimmten Dritten dem Begünstigten garantiert werden soll (Koziol, Garantievertrag, 7 f; Dullinger - Rummel in ÖBA 1987, 504 zu 2 Ob 579/86; ÖBA 1991, 822). Von einer akzessorischen Bindung der gegenständlichen Bankgarantie an die Kaufpreisforderung der Firma H***** aus der Vereinbarung vom 1.7.1989 und deren abgestufte Fälligkeit, wie sie nach Meinung der Rechtsmittelwerberin allein schon durch die Erwähnung des Grundgeschäftes in der Garantieurkunde hergestellt worden sein soll, kann daher keine Rede sein.

Ebensowenig ist dem Argument der Rechtsmittelwerberin zu folgen, daß der Anspruch der klagenden Partei auf die Garantiesumme schon deshalb nicht zu Recht bestehe, weil sie die Fälligkeit der gesicherten Kaufpreisrestforderung nicht dezidiert behauptet und ihrer Verpflichtung nicht entsprochen habe, den Eintritt des Garantiefalls (im besonderen die Erfüllung des Sicherungszweckes) substantiiert darzulegen. Es wurde schon erwähnt, daß die konditionale Verknüpfung der Garantieleistung mit diesen formellen Voraussetzungen der Einforderung eines besonderen Vorbehalts der beklagten Partei bedurft hätte. Zur Inanspruchnahme einer Garantie ist nämlich die Substantiierung der Gründe im allgemeinen nicht erforderlich (ÖBA 1988, 601 mit Anm von Koziol, 605); nur die Verletzung einer entsprechenden Klausel des Garantievertrages würde die Abrufung der Garantieleistung unwirksam machen.

Damit ist auch klargestellt, daß die klagende Partei nicht gehalten war, in ihrer Abruferklärung die Fälligkeit der gesicherten Kaufpreisrestforderung zu behaupten. Daß eine entsprechende Angabe zur Bedingung für die Wirksamkeit der Abruferklärung gemacht worden wäre, ist nämlich dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß auf die damit zusammenhängenden Rechtsfragen nur unter dem Gesichtspunkt der rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme der Bankgarantie einzugehen ist, wobei die mangelnde Fälligkeit der gesicherten Forderung für sich allein noch nicht den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begründen könnte (ÖBA 1992, 573). Das gilt jedenfalls dann, wenn mit dem Eintritt der Fälligkeit in absehbarer Zeit zu rechnen ist und dem Schuldner aus der "vorzeitigen" Abrufung der Garantieleistung kein besonderer Schaden droht (vgl Koziol in ÖBA 1992, 578 zu 8 Ob 645/91). Die hiefür maßgeblichen Umstände sind, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, noch zu klären.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zum Tatbestand einer rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme von Garantieleistungen entsprechen der aktuellen Judikatur (ÖBA 1992, 573 mit Anm von Koziol) und bedürfen keiner weiteren Erörterung. Demnach wird das Klagebegehren abzuweisen sein, wenn der insoweit beweispflichtigen beklagten Partei der Nachweis gelingt, daß die klagende Partei (bzw im Hinblick auf das obene erwähnte Verschlechterungsverbot ihr Zedent, die Firma H*****) im Zeitpunkt der Abrufung der Garantie wußte, daß der gesicherte Anspruch nicht bestand und mit seiner Entstehung auch nicht mehr zu rechnen ist (vgl GesRZ 1993, 166). Gleiches gilt, sollte die klagende Partei aus purer Schädigungsabsicht gehandelt haben (ÖBA 1992, 573). Rechtsmißbrauch wird jedoch auszuschließen sein, wenn die klagende Partei von ihrer Berechtigung zur Inanspruchnahme der Bankgarantie ausging und sich erst nachträglich die Unhaltbarkeit ihres Standpunktes herausstellen sollte (Koziol, ÖBA 1992, 577). Nur auf diese Weise könnte nämlich die Bankgarantie ihre Funktion erfüllen, eine der Barzahlung ähnliche Sicherheit zu bieten (vgl 5 Ob 1524/92).

Worauf sich im konkreten Fall der Vorwurf einer rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme der Bankgarantie gründen ließe, sollte ein Wissen der klagenden Partei um die Nichtexistenz der gesicherten Forderung oder ein dem § 1295 Abs 2 ABGB zu unterstellendes Verhalten ausscheiden, hat bereits das Berufungsgericht dargelegt. Ein ganz wesentliches Kriterium wird sein, ob die klagende Partei über durchschlagende Beweise verfügte, daß der Firma H***** wegen der noch ausstehenden Fertigstellung des Hauses - auch unter Beachtung des § 1168 ABGB - keine Forderung gegen die Ehegatten P***** zustand und daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma H***** die endgültige Nichterfüllung des Werkvertrages (auch nicht durch den Masseverwalter) bedeutete. Das im vorliegenden Rekurs unterstellte Wissen der klagenden Partei um die mangelnde Fälligkeit der gesicherten Forderung wäre für sich allein nicht ausreichend und befreite die beklagte Partei auch nicht von ihrer Beweislast, der klagenden Partei liquide Beweismittel für die Nichtexistenz einer Restkaufpreisforderung oder deren - wenn überhaupt - in weiter Zukunft liegende Fälligkeit an die Hand gegeben zu haben.

Zu bestätigen ist schließlich noch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es auf den Wissensstand bzw die Beweislage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie ankommt, ob dem Begünstigten der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs zu machen ist oder nicht (ÖBA 1992, 573 mit Anm von Koziol). Die für die Gegenmeinung zitierte Judikatur (JBl 1990, 177) betraf einen nicht vergleichbaren Fall und ist, soweit ihr die allgemeine Aussage einer Maßgeblichkeit des Sachverhalts bei Schluß der Verhandlung über die gerichtliche Einforderung der Garantieleistung unterstellt werden kann, durch die nachfolgende Diskussion in Judikatur und Lehre überholt (Koziol in ÖBA 1992, 577 f mwN). Zu beachten ist allerdings, daß es bei der Beurteilung der Rechtsmißbräuchlichkeit des Verhaltens eines Garantiebegünstigten nicht nur auf den unmittelbaren Zeitpunkt seiner Abruferklärung ankommen kann. Da auch das Beharren auf Erbringung der Garantieleistung rechtsmißbräuchlich wäre, wenn dem Begünstigten völlig eindeutig nachgewiesen wird, daß ihm aus dem Valuta-Verhältnis kein Anspruch zusteht (Koziol, ÖBA 1992, 578) und dem Schuldner Gelegenheit zur liquiden Beweisführung dieses Umstandes gegeben werden muß, werden der Beurteilung, ob Rechtsmißbrauch vorliegt, doch die Umstände und Entwicklungen eines gewissen Zeitraums zugrunde zu legen sein. Bei Beachtung der besonderen Sicherungsfunktion einer Garantie darf er nur nicht zu lang sein. Man wird daher Rechtsmißbrauch annehmen können, wenn der Begünstigte noch innerhalb der vereinbarten oder nach den Regeln des § 904 ABGB bestimmten Leistungsfrist Kenntnis von der mangelnden Existenz der gesicherten Forderung bzw den dafür vorhandenen liquiden Beweisen erhält und dennoch auf Auszahlung der Garantieleistung besteht. An der Richtigkeit der dem Erstgericht vom Berufungsgericht erteilten Aufträge zur Verfahrensergänzung ändert sich freilich durch diese Klarstellung nichts.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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