OGH 9ObA210/93

OGH9ObA210/9329.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Roman Merth und Mag Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Maria Franziska O*****, Fachärztin für Anästhesie, ***** vertreten durch Dr.Lukas Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Ingrid Hochstaffl-Salcher, Rechtsanwältin in Wörgl, wegen Anfechtung einer Entlassung und Feststellung (Streitwert 1,200.000 S), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. März 1993, GZ 5 Ra 32/93-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.September 1992, GZ 47 Cga 269/91-24, in seinem klagestattgebenden Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.959,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.493,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat die von keiner Seite bekämpfte erstgerichtliche Feststellung, am 17.11.1991 habe ein Gespräch zwischen der Klägerin, dem Klagevertreter und dem Notgeschäftsführer der Beklagten stattgefunden, übernommen. Der Umstand, daß dieser Tag ein Sonntag war, spricht weder gegen die Richtigkeit dieser Feststellung noch kann daraus eine Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Berufungsurteiles abgeleitet werden. Die unter diesen Revisionsgründen weiters bekämpfte Feststellung, die Klägerin habe an zwei Tagen in der Woche im Sanatorium H***** gearbeitet, wurde vom Berufungsgericht zwar im Rahmen der Wiedergabe der erstgerichtlichen Feststellungen angeführt, aber, wie sich aus Seite 15 f des Berufungsurteils ergibt, nicht übernommen und folgerichtig auch nicht der rechtlichen Beurteilung der Sache zugrunde gelegt.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Rechtsfrage, ob die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden ist, zutreffend verneint (§ 48 ASGG).

Den Ausführungen der Revisionswerberin ist ergänzend noch folgendes zu erwidern:

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gab die Beklagte der Klägerin durch die Bereitstellung der Einrichtungen der Tagesklinik die Möglichkeit, als Anästhesistin im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zum jeweiligen Patienten (bzw seines behandelnden Arztes) freiberuflich tätig zu werden. Ihre ärztlichen Leistungen erbrachte die Klägerin daher in Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Patienten und nicht als Dienstnehmerin der Beklagten im Rahmen eines zwischen dieser und den Patienten abgeschlossenen Behandlungsvertrages. Anders als in den den Entscheidungen Arb 9.489, Arb 10.954 = DRdA 1992/32 (krit Löschnigg) sowie 9 Ob A 207/92 zugrundeliegenden Fällen wurde die Klägerin für ihre wesentlichen (ärztlichen) Leistungen nicht von der Beklagten, sondern von den jeweiligen Patienten honoriert, was entscheidend gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht. Die geringere Freiheit und Selbstbestimmtheit der Tätigkeit der Klägerin im Vergleich zu den übrigen Belegärzten ergab sich zwangsläufig daraus, daß eine Anästhesistin in der Regel Patienten nicht alleine behandelt, sondern von einem anderen Arzt zugezogen wird. Die beim Zusammenwirken mehrerer Ärzte und des erforderlichen nichtärztlichen Personals im Rahmen der Behandlung eines Patienten unerläßliche Koordination und Zeitplanung lag nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern war zugleich Voraussetzung für die Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin. Der Anwesenheitsdienst bzw die Rufbereitschaft der Klägerin dienten gleichfalls nicht nur den Interessen der Beklagten, die die Klägerin dafür honorierte, sondern auch dem Interesse der Klägerin, in Akutfällen als Anästhesistin beigezogen zu werden und im Rahmen ihrer Koordinationsaufgabe an allfälligen Änderungen des Operationsplanes mitzuwirken. Darüber hinaus war die Klägerin berechtigt, sich bei den Anwesenheitsdiensten durch einen anderen Anästhesisten vertreten zu lassen und machte davon auch Gebrauch. Für die Klägerin galt kein Konkurrenzverbot; fallweise erbrachte sie ärztliche Leistungen auch außerhalb der von der Beklagten betriebenen Tagesklinik. Zieht man in Betracht, daß der Klägerin durch den Vertrag mit der Beklagten ermöglicht wurde, als Anästhesistin freiberuflich tätig zu werden und daß sie ihre ärztlichen Leistungen in Erfüllung ihres Behandlungsvertrages mit den Patienten (allenfalls mit dem sie beiziehenden Arzt) erbrachte, daß der von der Beklagten honorierte Anwesenheitsdienst auch dieser freiberuflichen Tätigkeit diente und daß die Klägerin weder einem Konkurrenzverbot unterlag noch zur persönlichen Besorgung des Anwesenheitsdienstes verpflichtet war, dann überwiegen die gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprechenden Elemente im Rahmen eines beweglichen Systems (siehe Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag DRdA 1992, 93 ff). Der nahezu ausschließlichen Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Tagesklinik der Beklagten sowie ihrer Abhängigkeit von dem dort erzielten Verdienst kommt demgegenüber keine entscheidende Bedeutung zu (vgl Strasser aaO 99 und 102 f; Wachter DRdA 1992, 126).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 58 Abs 1 Satz 1 ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO.

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