OGH 14Os139/93

OGH14Os139/935.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian Manfred S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 28.Juni 1993, GZ 37 Vr 26/93-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Bassler, und der Verteidigerin Dr.Christa Scheimpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch IV wegen des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB sowie im Strafausspruch (ausgenommen die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 2 StPO im Umfang der Aufhebung selbst erkannt:

Christian S***** wird von der Anklage, in der Zeit vom 23.Dezember 1992 bis zum 2.Februar 1993 in Saalfelden die am 5.Mai 1976 geborene mj. Iris E*****, hinsichtlich der ihre Mutter eine Abgängigkeitsanzeige erstattet hatte, und von der er wußte, daß sie gesucht wurde, dadurch, daß er ihr in seiner Wohnung bzw. der eines Bekannten Unterschlupf gewährte, vor ihrer erziehungsberechtigten Mutter Elbina E***** verborgen gehalten zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche, nämlich wegen des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 erster Deliktsfall und 15 StGB (I), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (II), des Vergehens des teils vollendeten und teils versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 136 Abs. 1 und 15 StGB (III) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB (V), wird über Christian S***** nach § 130 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und der §§ 31, 40 StGB durch Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7.April 1993, GZ 38 E Vr 769/93-8, eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 32 (zweiunddreißig) Monaten verhängt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian Manfred S***** zu Punkt I./ des Urteilssatzes des Verbrechens "des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 erster Deliktsfall und 15 StGB", zu Punkt II./ des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, zu Punkt III./ des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 136 Abs. 1 und 15 StGB, zu Punkt IV./ des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB (im Urteil irrtümlich: § 159 Abs. 1) und zu Punkt V./ des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer formell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt:

Mit dem auf die Schuldsprüche Punkt I./ bis III./ des Urteilssatzes bezogenen rechtlichen (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO) Einwand, er sei zu den in den Zeitraum vom 26.Dezember 1992 bis 14.Jänner 1993 fallenden Tatzeitpunkten infolge Drogenmißbrauchs nicht zurechnungsfähig gewesen, setzt sich der Beschwerdeführer über die gegenteiligen, ihn bei Ausführung der Rechtsrüge, bindenden Urteilsannahmen hinweg, wonach er bei Begehung der hier relevanten Tathandlungen durch den Genuß von Drogen wohl beeinträchtigt, nicht aber unfähig war, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (AS 77 Band II). Die Rechtsrüge entbehrt daher der gesetzmäßigen Darstellung.

Mit den darüber hinaus gegen den Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Bernhard Mitterauer und dessen Gutachten erhobenen Vorwürfen versucht der Angeklagte ersichtlich eine Mängelrüge (Z 5), allenfalls eine Tatsachenrüge (Z 5 a) zur Darstellung zu bringen, es fehlt jedoch auch an deren prozeßordnungsgemäßer Ausführung: Denn der Beschwerdeführer stellt nicht auf die gesamte, auch das Verhalten des Angeklagten bei wiederholten Betretungen auf frischer Tat mit nachfolgender Flucht berücksichtigende Argumentation des Schöffensenates ab (AS 109, 111 Band II), sondern versucht, in der Art einer in der Senatsgerichtsbarkeit unzulässigen Schuldberufung aus der Schilderung seiner psychischen und physischen Verfassung zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 4.Jänner 1993 und seiner Vernehmung am 5. Jänner 1993 durch die Gendarmeriebeamten - den Ausführungen des Sachverständigen (AS 38 bis 40; 109, 111 Band II) zuwider und rückwirkend auch auf die in Rede stehenden weiteren Tatzeitpunkte - für ihn günstigere Schlußfolgerungen zu erwirken. Solcherart zeigt er weder einen formellen Begründungsmangel einer entscheidungswesentlichen Urteilsannahme auf (Z 5), noch weist er auf aktenkundige Umstände hin, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken (Z 5 a).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, das Schöffengericht hätte "zur endgültigen Klärung der Frage der Zurechnungsunfähigkeit" ein weiteres neuropsychiatrisches Gutachten eines anderen Sachverständigen einholen müssen, verkennt er, daß diesem Vorbringen - abgesehen von den hier fehlenden Voraussetzungen (§§ 125, 126 StPO) - nur im Rahmen einer Verfahrensrüge (Z 4) näher getreten werden könnte, es aber insoweit schon an der prozessualen Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung gestellten und der Abweisung verfallenen oder übergangenen Beweisantrages des Beschwerdeführers gebricht.

Die Einwände der Beschwerde (Z 9 lit. a) gegen den Schuldspruch laut Punkt IV./ des Urteilssatzes können unerörtert bleiben, weil dieser Teil des Erkenntnisses aus einem anderen, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Grund verfehlt ist:

Gemäß § 195 Abs. 4 erster Satz StGB ist der Täter nämlich nur auf Antrag des Erziehungsberechtigten zu verfolgen. Da ein Verfolgungsantrag der Albina E***** dem Akt nicht entnommen werden kann (ON 19 in ON 25 und AS 41 Band II), mangelt es an der vom Gesetz geforderten Verfolgungsvoraussetzung (§ 2 Abs. 4 StPO). Der Schuldspruch Punkt IV./ des Urteilssatzes ist daher zum Nachteil des Angeklagten mit Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behaftet, die gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war. Der Angeklagte war daher vom diesbezüglichen Anklagevorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.

Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist seine Rechtsrüge (Z 9 lit. a) gegen den Schuldspruch V./ des Urteilssatzes, die sich (erneut) in der bloßen Bestreitung der Richtigkeit festgestellter Tatsachen erschöpft. Denn die Beschwerdebehauptung, die von ihm angefertigten und im Straßenverkehr verwendeten Kraftfahrzeugkennzeichentafeln wären infolge ihrer primitiven Anfertigung absolut untauglich gewesen, Straßenaufsichtsorgane zu täuschen, steht im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen, wonach die von ihm produzierten Kennzeichen aus einiger Entfernung polizeilichen Kennzeichen täuschend ähnlich waren (AS 107 Band II). Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge erfordert aber ein Festhalten an dem im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis eines Rechtsirrtums.

Schließlich versagt auch das gegen die Annahme gewerbsmäßiger Begehung des Diebstahls (Punkt I./ des Urteilssatzes) gerichtete Beschwerdevorbringen (richtig Z 10). Zutreffend weist zwar der Beschwerdeführer darauf hin, daß gewerbsmäßige Begehung einer strafbaren Handlung die Absicht voraussetzt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Er übersieht jedoch in seinem folgenden Vorbringen, daß die vom Täter angestrebte fortlaufende Einnahme nicht sein einziges Einkommen sein muß, vielmehr zur Gewerbsmäßigkeit schon das Anstreben eines Zuschusses zum sonstigen Einkommen des Täters genügt (mwN Leukauf-Steininger3 RN 3-5 zu § 70 StGB). Demgemäß unterstellte der Schöffensenat - dem Beschwerdevorbringen zuwider - dem Angeklagten nicht Einkommenslosigkeit (AS 71 Band II), sondern konstatierte, daß dieser die Einbruchsdiebstähle in Personenkraftwagen und Garagen in der Absicht beging, "einen finanziellen Zuschuß zu seinem sonstigen Einkommen (Sozialhilfe) zu erwirken" (AS 79 Band II).

Soweit der Beschwerdeführer meint, eine "fortlaufende bzw. wiederkehrende Begehung" sei "schon aus zeitlichen Gründen auszuschließen", weil die inkriminierten Taten in einem Zeitraum von wenigen Tagen, nämlich in der Zeit vom 26.Dezember 1992 bis zu seiner Verhaftung am 4.Jänner 1993, gesetzt wurden, ist ihm zu erwidern, daß Gewerbsmäßigkeit nicht erfordert, daß der Täter die Straftat innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wiederholt hat. Vielmehr genügt die - (im Extremfall) schon bei der ersten und einzigen (versuchten) Tat - erkennbare und vom Schöffensenat aus dem Gesamtverhalten des - einschlägig vorbestraften und keiner geregelten Arbeit nachgehenden - Angeklagten, der innerhalb eines kurzen Zeitraumes von nur 10 Tagen an 5 Tagen insgesamt 25 Diebstähle, zum Teil durch Einbruch, in Personenkraftwagen und Garagen beging - mängelfrei erschlossene (AS 79; 117 Band II) Absicht, sich durch die Wiederholung der Straftat eine für längere Zeit wirksame Einnahmsquelle zu erschließen. Zum anderen läßt der Beschwerdeführer jene Urteilsfeststellungen außer acht, wonach er nicht vorhatte, "diese Tathandlungen in absehbarer Zeit abzusetzen", die "Einbruchsserie" vielmehr nur durch seine Betretung auf frischer Tat und seine Verhaftung gestoppt wurde (AS 79 Band II).

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt sohin keine Berechtigung zu.

Bemerkt sei, daß dem Erstgericht in der rechtlichen Subsumtion und der Wahl des Strafsatzes zugunsten des Angeklagten ein Rechtsfehler unterlaufen ist, der mangels eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft allerdings nicht mehr korrigiert werden kann. Denn der Angeklagte hat nach dem Urteilsspruch (Punkt I./1./) und den Urteilsgründen (AS 79 Band II) wiederholt auch Einbruchsdiebstähle in der Absicht gesetzt, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dies würde jedoch rechtsrichtig die Subsumtion unter § 130 StGB Satz 2, zweiter Fall, und die Anwendung des höheren (von einem bis zu 10 Jahren reichenden) Strafsatz des § 130 StGB (vgl. AS 67; 119 Band II) bedingt haben.

Bei der zufolge des Teilfreispruches notwendig gewordenen Strafneubemessung fielen als erschwerend ins Gewicht die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und auch verschiedener Art, die Fortsetzung der deliktischen Tätigkeit über eine längere Zeit, ferner der Umstand, daß der Angeklagte wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten schon mehrmals verurteilt worden ist und sein rascher Rückfall; mildernd waren demgegenüber sein Geständnis, daß die Straftaten teilweise beim Versuch geblieben sind, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung sowie die Beeinträchtigung seines Geisteszustandes durch Drogen- und Medikamentenmißbrauch, dem allerdings ein zusätzlich strafbares Verhalten zugrunde liegt, wie dem im Spruch bezeichneten Urteil (Schuldspruch nach § 16 Abs. 1, 2, 4 bis 6 und Abs. 2 Z 1 SGG; 4 Monate Freiheitsstrafe), auf welches gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen war, zu entnehmen ist. Bei gemeinsamer Aburteilung wären 36 Monate Freiheitsentzug angemessen gewesen, sodaß die nun verhängte Zusatzstrafe in der im Spruch bezeichneten Höhe festzusetzen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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