OGH 13Os113/93

OGH13Os113/9329.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Markel, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst T***** und Peter W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Peter W***** sowie die Berufung des Angeklagten Ernst T***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 2.April 1993, GZ 9 b Vr 1.318/92-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, der Angeklagten und ihrer Verteidiger Mag.Martin und Dr.Tröthandl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ernst T***** und Peter W***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 StGB (Punkt A/I. des Urteilssatzes) und der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (A/II.), Ernst T***** auch des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach haben am 11.November 1992 in Tribuswinkel, und zwar

(zu A) Ernst T***** und Peter W***** (als Mittäter)

I. die Doris E***** durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die wiederholte Äußerung, sie würden sie widrigenfalls abstechen, zur Duldung des Beischlafes mit Ernst T***** genötigt;

II. die Doris E***** durch die wiederholte gefährliche Drohung, sie würden sie abstechen, sohin mit dem Tode, zur Unterlassung der Anzeigenerstattung wegen der unter A/I. angeführten Vergewaltigung genötigt;

(zu B) Ernst T***** (allein) außer den Fällen des § 201 StGB die Doris E***** durch die unter A/I. beschriebene gefährliche Drohung, zur Vornahme und Duldung von geschlechtlichen Handlungen genötigt, indem er seine Finger in ihre Scheide einführte und sie zwang, sein Glied zu massieren.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft nur der Angeklagte Peter W***** mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch fechten beide Angeklagten mit Berufung an.

Keines der Rechtsmittel ist begründet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter W*****:

Aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 4) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme des Zeugen Emil B***** zum Beweis dafür, daß "entgegen der Aussage der Zeugin E***** und des Zeugen H***** die beiden Letztgenannten (doch) ein geschlechtliches Verhältnis hatten, und um ihre Liebesstunden abhalten zu können, dies in der Wohnung des B***** getan haben" (S 202).

Dieses Beweisthema betraf weder einen entscheidenden Tatumstand noch war es geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin E***** zu erschüttern. Das Schöffengericht konnte sich durch deren zweimalige ausführliche Vernehmung in der Hauptverhandlung (S 126 ff, 198 ff) und die Einvernahme einer Reihe von Personen aus ihrem Bekanntenkreis ein ausreichendes Bild von der Persönlichkeit der Zeugin machen, sodaß es keines weiteren Kontrollbeweises bedurfte (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 E 99 zu § 258). Verteidigungsrechte des Angeklagten W***** wurden daher durch die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme nicht verletzt.

Dem Einwand (Z 5) einer Unvollständigkeit des Urteils zuwider haben sich die Tatrichter mit den Aussagen der Zeugen Herbert G*****, Anton K*****, Friedrich W***** und Günter A***** hinlänglich auseinandergesetzt, indem sie zum Ausdruck brachten, daß die zur geänderten Verantwortung des Angeklagten W***** befragten Zeugen dessen (neue) Darstellung nicht zu verifizieren vermochten (US 12).

Die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Angeklagte W***** weder eine Begründung für seine Änderung der bei Gendarmerie und beim Untersuchungsrichter gegebenen Darstellung des Tatgeschehens noch eine sinnvolle Erklärung für seine nunmehr gewählte Verteidigungsvariante abgeben konnte (US 12), ist auch keineswegs aktenwidrig (Z 5). Ein solcher Begründungsmangel läge nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, dieser sohin im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 185 zu § 281 Abs. 1 Z 5). Mit Bezugnahme auf den inhaltlich eine Wertung der Änderung der Verantwortung des Zweitangeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung - und nicht ein Zitat aus dem Akt - darstellenden Ausspruch des Schöffengerichtes kann daher dieser Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht werden.

Die Feststellung, wonach beide Angeklagten (schon) zum Zeitpunkt des Anhaltens des vom Beschwerdeführer gelenkten PKW auf dem Feldweg vorhatten, daß Ernst T***** an Doris E***** den Beischlaf durchführe (US 6), konnte das Erstgericht zwanglos aus den Angaben des Vergewaltigungsopfers über das nachfolgende Verhalten der beiden Täter ableiten. Insoweit hat das Schöffengericht seiner Pflicht zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) bereits dadurch hinlänglich Rechnung getragen, daß es sich ganz allgemein und ohne Einschränkung auf die Aussage der Zeugin E***** berief.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), in welcher der Beschwerdeführer Mangel am Tatbestand infolge fehlender Erektion beim Angeklagten T***** geltend macht, übersieht, daß das Verbrechen nach dem § 201 Abs. 1 StGB schon mit dem Unternehmen (ua) des Beischlafes vollendet ist. Demnach genügt es, daß die Nötigung erfolgreich ist und das Tatopfer den Beischlaf vorzunehmen oder zu dulden beginnt (EvBl. 1991/13 = JBl. 1991, 255; Leukauf-Steininger Komm3 RN 8, 24; Foregger-Serini, StGB(MKK)5 Erl. V, je zu § 201). Somit ist eine Erektion des Gliedes beim Täter für die Erfüllung des Tatbestandes der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 StGB nicht von Bedeutung.

Mit der gegen die Beurteilung seiner Beteiligung an der Vergewaltigung der Doris E***** als unmittelbare Täterschaft gerichteten Subsumtionsrüge (Z 10) verkennt der Beschwerdeführer - abgesehen von der rechtlichen Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 12 StGB und der daraus resultierenden Unanfechtbarkeit einer diesbezüglichen Fehlbeurteilung im Rahmen des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO -, daß es sich beim Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 StGB idF der Strafgesetznovelle 1989, BGBl. 1989/242, um kein eigenhändiges Delikt handelt. Unmittelbarer Täter ist somit jeder, der das Tatopfer zur Vornahme oder Duldung (ua) des Beischlafes unter Anwendung von schwerer Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben nötigt, auch wenn er auf die Vornahme des Beischlafes durch ihn selbst nicht abzielt, sondern diese bloß einem anderen (Mittäter) ermöglicht (EvBl. 1991/13, 1990/32; Leukauf-Steininger Komm3 § 201 RN 26). Das Erstgericht hat daher das festgestellte Verhalten des Angeklagten W***** zu Recht der ersten Täterschaftsform des § 12 StGB unterstellt.

Gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB wendet der Beschwerdeführer (der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) Feststellungsmängel hinsichtlich der Bedeutung und Tragweite der Drohung sowie deren Auswirkung auf das Opfer ein. Er übergeht hiebei die Konstatierung, daß Doris E*****, die schon durch die vorangegangenen Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben Angst vor den Angeklagten hatte (US 7), durch die weiteren Drohungen so eingeschüchtert war, daß sie über den Vorfall vom 11.November 1992 erst am 17.November 1992 die Anzeige erstattete (US 8 f). Diese Feststellungen reichen für die rechtliche Beurteilung der Eignung der Drohung, der Bedrohten begründete Besorgnis einzuflößen (US 14 f), vollkommen aus. Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Einwand unter Hinweis auf das "Milieu der Beteiligten" für ihn günstigere Sachverhaltsannahmen anstrebt, zu denen sich das Erstgericht aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht veranlaßt sah, führt er seine Beschwerde nicht dem Gesetz gemäß aus.

Ein gleiches gilt für die Bekämpfung der Verbrechensqualifikation nach dem § 106 Abs. 1 Z 1 StGB unter dem Prätext eines materiellrechtlichen Feststellungsmangels. Ein Tage nach der Tat stattgefundenes Gespräch des behaupteten Inhalts zwischen dem Beschwerdeführer und der Zeugin Doris E***** ist für die Sache in jeder Hinsicht bedeutungslos. Jedenfalls reicht das vom Erstgericht festgestellte Tatsachensubstrat (US 8 f) in Verbindung mit den im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung ergänzten Feststellungen (US 11, 14 f) für die Bejahung der Qualifikation nach dem § 106 Abs. 1 Z 1 StGB - auch in subjektiver Hinsicht - aus.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter W***** war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte nach den §§ 28 Abs. 1, 201 Abs. 1 StGB über Ernst T***** zwei Jahre, über Peter W***** achtzehn Monate Freiheitsstrafe. Letzterem wurde gemäß dem § 43 a Abs. 3 StGB ein Strafteil von zwölf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Es wertete bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art und die wegen Gewaltdelikten erlittenen Vorverurteilungen als erschwerend; als mildernd hingegen ihren Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Mit der Berufung, die Ernst T***** erst im Gerichtstag ausgeführt hat, streben die Angeklagten jeweils eine Herabsetzung der Strafe, Peter W***** zudem die gänzliche bedingte Strafnachsicht, in eventu die Festsetzung des nicht bedingt nachgesehenen Strafteils mit dem gesetzlichen Mindestmaß an.

Auch den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Von einer untergeordneten Tatbeteiligung des Angeklagten W***** kann nach Lage des Falles keine Rede sein. Seine nachträgliche Aufforderung an den Angeklagten T*****, von einer Fortsetzung seines strafbaren Verhaltens (B) Abstand zu nehmen, vermag nach den Umständen einen ins Gewicht fallenden besonderen Milderungsgrund nicht zu begründen. Die Alkoholisierung kann keinem der Berufungswerber zugute kommen, weil eine Vorwurfsabwägung (§ 35 StGB) jedenfalls nicht zu ihren Gunsten ausfällt. Im übrigen wurde ihnen ein Beitrag zur Wahrheitsfindung zu Unrecht als Milderungsgrund zugebilligt, weil das konsequente Bestreiten jeder Nötigungshandlung die Beweisführung eher erschwert hat und im übrigen nur ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung mildernd sein kann.

Im Hinblick auf sein Vorleben ist auch das Begehren des Angeklagten Peter W***** nach weitergehender Strafnachsicht nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einer Ermäßigung der Strafen in keiner Richtung veranlaßt.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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