OGH 4Ob138/93

OGH4Ob138/9328.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei R*****verband *****, vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei A***** ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16.März 1993, GZ 4 R 41/93-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 27.November 1992, GZ 3 Cg 291/92k-5, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Vereinszweck des Klägers ist es, seinen Mitgliedern Rechtsschutz zu gewähren. Mag.Dieter P*****, Inhaber des Fotostudios "Foto-Video P*****" in K*****, ist Mitglied des Klägers. Am 15.9.1992 übertrug Mag.Dieter P***** dem Kläger gemäß § 74 Abs 2 UrhG alle ihm hinsichtlich zweier Lichtbilder (Hochzeitsaufnahme des Brautpaares Silvia und Dietmar P*****; Aufnahme eines Gewächshauses [Gartenhauses]) zustehenden Rechte nach §§ 73 ff UrhG einschließlich der Befugnisse nach § 74 Abs 3 und 4 UrhG, insbesondere des Rechts auf Bezeichnung als Lichtbildhersteller (Namensnennung) nach § 20 und § 74 Abs 3 UrhG zur treuhändigen Wahrnehmung im eigenen Namen, jedoch im Interesse des Genannten und für dessen Rechnung.

Mag.Dieter P***** hat vor der Übertragung aller Urheber- und Leistungsschutzrechte an den Kläger niemandem, insbesondere nicht Michaela S***** oder der Beklagten, Rechte übertragen, Nutzungsrechte eingeräumt oder Nutzungsbewilligungen erteilt. Die erwähnten Lichtbilder waren, wie alle Aufnahmen von Mag.Dieter P*****, mit der Herstellerbezeichnung "C Copyright, Fotohaus P***** ..." versehen.

Die Beklagte betreibt mit dem Sitz in L***** ein Einzelhandelsunternehmen und unterhält in ganz Österreich, ua in M*****, Filialen; sie übernimmt (ua) auch Fotoausarbeitungen.

Mag.Dieter P***** erfuhr, daß die Beklagte im Auftrag von Kunden "Bild-vom-Bild"-Abzüge (ds im fotografischen Verfahren von einer Aufnahme angefertigte "Zweitaufnahmen") herstelle. Um das zu überprüfen, ersuchte er Michaela S*****, von den erwähnten Aufnahmen "Bild-vom-Bild"-Abzüge in der Filiale der Beklagten in M***** in Auftrag zu geben. Michaela S***** wies, als sie die Aufnahmen beim Selbstbedienungsstand in der Filiale der Beklagten auf die im folgenden beschriebene Weise abgab, nicht darauf hin, daß sie keinerlei Nutzungsrechte eingeräumt oder Nutzungsbewilligungen erteilt habe. Die Beklagte führte den Auftrag durch.

Die Beklagte hat in ihrer Filiale in M***** (wie in anderen Filialen auch) einen Selbstbedienungsstand eingerichtet, an dem Kunden Fotoausarbeitungen in Auftrag geben können. Über dem Stand sind nachstehende "Allgemeine Geschäftsbedingungen" angeschlagen:

"1. Fotoarbeiten und ähnliche Dienstleistungen:

a) Bezüglich des Bestehens von Urheberrechten sind wir auf Erklärungen der Kunden angewiesen. Werden infolge unterlassener Unterrichtung durch die Ausführung des Auftrages Rechte, insbesondere Rechte Dritter, verletzt, so haftet der Kunde hiefür allein. Er hat uns von Ansprüchen Dritter freizustellen sowie alle bei uns anfallenden notwendigen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.

... "

Wünscht ein Kunde eine Filmausarbeitung oder eine Fotovervielfältigung, dann hat er den Vordruck auf einer Fotoausarbeitungstasche auszufüllen, den Film (die Fotos) einzulegen und die Tasche zu verschließen. Einen Abschnitt der Tasche nimmt der Kunde als Ausweis für seine Berechtigung an sich. Die Fotoausarbeitungstaschen werden in ein Fach eingelegt und in der Folge von einem Fotolabor - die Beklagte selbst führt keinerlei Fotoausarbeitungen durch - abgeholt. Das Fotolabor entwickelt die Filme und vervielfältigt die Fotos; es liefert die fertigen Fotos den einzelnen Filialen der Beklagten. Dort werden sie in Fächer eingeordnet und vom Kunden mit Hilfe seines Abschnittes selbst herausgesucht. Keiner der Mitarbeiter der Beklagten sieht die vom Kunden abgegebenen Filme oder Lichtbilder.

Der Kläger begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, von Foto-Video P***** stammende Personen(Hochzeits)- und Gewächshausaufnahmen, an denen die Urheber- und/oder Leistungsschutzrechte diesem Fotografenbetrieb oder dem Kläger zustehen, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten bzw vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen. Dieses Verbot erstrecke sich insbesondere auf die Hochzeitsaufnahme des Brautpaares Silvia und Dietmar P***** (color) vom 18.Juli 1992 sowie auf die Aufnahme (color) eines Gewächshauses (Gartenhauses) vom 2.August 1992 nach der einen integrierenden Bestandteil des Urteilsspruches bildenden Beilage ./B.

Mit der Vervielfältigung und Verbreitung der beiden Aufnahmen ohne Zustimmung des berechtigten Lichtbildherstellers habe die Beklagte rechtswidrig gehandelt, zumal die Vervielfältigung ohne Herstellerbezeichnung bzw Namensnennung erfolgt sei.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Michaela S***** habe die Aufnahmen unter bewußter Vorspiegelung wahrheitswidriger Tatsachen selbst ohne Vorbehalt in eine Fotoausarbeitungstasche eingelegt und zur Bearbeitung übergeben. Sie habe sich nicht wie ein "gewöhnlicher" Kunde verhalten; ihr Vorgehen sei rechtsmißbräuchlich.

Durch den Auftrag, die Aufnahmen zur ***** in die Filiale der Beklagten zu bringen, habe Mag.Dieter P***** Michaela S***** die dazu notwendigen Rechte eingeräumt. Sie sei im übrigen nur Botin des Leistungsschutzberechtigten gewesen, so daß keine Rechtseinräumung notwendig war. Eine allfällige gedankliche Einschränkung sei als "venire contra factum proprium" unbeachtlich. Ein gegenteiliger Wille sei nicht erklärt worden, so daß gar nicht zu prüfen sei, ob eine protestatio facto contraria wirksam sei. Der Kläger versuche, der Beklagten eine Prüf- und Nachforschungspflicht aufzuerlegen, welche jedoch unerfüllbar sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Mit dem Michaela S***** erteilten Auftrag, die Aufnahmen vervielfältigen zu lassen, habe Mag.Dieter P***** sein Einverständnis zur Vervielfältigung erklärt. Michaela S***** sei als Botin tätig geworden. Wegen der ausdrücklichen Einwilligung des Lichtbildherstellers habe die Beklagte mit der Vervielfältigung nicht rechtswidrig gehandelt.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten die Vervielfältigung der Aufnahmen und wies das auf Untersagung der Verbreitung von Aufnahmen gerichtete Mehrbegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob eine Schutzrechtsverletzung vorliege, könne dahingestellt bleiben: Wer Fotokopien gewerbsmäßig herstelle, müsse dafür sorgen, daß bei dieser Tätigkeit nicht in die Ausschließlichkeitsrechte Dritter eingegriffen wird. Diese Verpflichtung könne nicht unter Berufung auf die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit geeigneter Gegenmaßnahmen auf die Kunden überwälzt werden. Der Hersteller der Vervielfältigungsstücke hafte auch dann, wenn ihn kein Verschulden trifft. Die Beklagte habe unabhängig davon, ob sie die Vervielfältigung durch einen Dritten vornehmen ließ, für die Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten einzustehen. Die Geschäftspraxis der Beklagten, ohne Bedachtnahme auf Ausschließungsrechte Dritter Fotografien zur Vervielfältigung zu übernehmen, durch einen beauftragten Unternehmer vervielfältigen zu lassen und die Vervielfältigungsstücke gegen Entgelt an den Besteller auszufolgen, begründe die konkrete Besorgnis einer unmittelbar bevorstehenden Verletzung Mag.Dieter P*****zustehender Schutzrechte durch die Beklagte. Die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage nach § 81 Abs 1 UrhG seien daher gegeben. Der Beklagten könne aber nur das Vervielfältigen und nicht auch das Verbreiten der Abzüge untersagt werden; sie habe keine Vervielfältigungsstücke verbreitet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Dem Kläger wurde die Mitteilung, daß ihm die Beantwortung des Revisionsrekurses der Beklagten freigestellt wird, am 15.6.1993 zugestellt. Er hat die Revisionsrekursbeantwortung am 13.7.1993, also nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 402 Abs 1 EO und somit verspätet, zur Post gegeben; die Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage besteht, ob der Inhaber von Ausschließlichkeitsrechten mit der Erteilung eines Testauftrages in die Herstellung von Vervielfältigungsstücken einwilligt; er ist aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die Beklagte durch die Ausführung des zu Testzwecken erteilten Auftrages die Ausschließlichkeitsrechte von Mag.Dieter P***** verletzt hat. Ist das zu bejahen, dann ist nicht mehr zu prüfen, ob das Verhalten der Beklagten eine vorbeugende Unterlassungsklage rechtfertigt.

Die Beklagte bestreitet aus zwei Gründen, mit der Ausführung des Auftrages gesetzwidrig gehandelt zu haben:

Das Erstgericht hat festgestellt, daß Mag.Dieter P***** Michaela S***** keine Rechte übertragen hat; er hatte sie nur ersucht, von den ihr übergebenen Aufnahmen zu Testzwecken "Bild-vom-Bild"-Kopien bei der Beklagten in Auftrag zu geben. Mag.Dieter P***** hat damit weder eine Erklärung abgegeben noch ein Verhalten gesetzt, das auf eine Rechtsübertragung schließen ließe. Im Gegenteil: Das Ersuchen zu überprüfen, ob die Beklagte Aufträge zur Herstellung von "Bild-vom-Bild"-Kopien übernimmt, ohne sich zu vergewissern, ob der Berechtigte der Vervielfältigung zugestimmt hat, ist nur dann sinnvoll, wenn damit keine Zustimmung zur Vervielfältigung verbunden ist. In einem solchen Ersuchen liegt somit weder die ausdrückliche noch die schlüssige Erklärung, mit der Vervielfältigung einverstanden zu sein. Es ist kein vernünftiger Grund zu sehen, warum Mag.Dieter P*****einer Vervielfältigung hätte zustimmen sollen, wenn er überprüfen wollte, ob die Beklagte Aufnahmen ohne Zustimmung des Berechtigten vervielfältigt (s. § 863 ABGB). Das schließt es aus, in der Übergabe der Aufnahmen zur Erteilung des Testauftrages eine schlüssige Rechtseinräumung zu sehen; andernfalls wäre es dem Berechtigten verwehrt, das Verhalten Dritter durch Testaufträge zu überprüfen.

Die Beklagte behauptet, Michaela S***** habe sich nicht wie eine "gewöhnliche" Kundin verhalten. Sie habe die Beklagte arglistig irregeführt, weil sie nicht darauf hinwies, von Mag.Dieter P*****keinerlei Rechte übertragen, Nutzungsrechte eingeräumt oder Nutzungsbewilligungen erteilt erhalten zu haben. Durch die widerspruchslose Abgabe der Fotos habe sie konkludent erklärt, daß an

den Lichtbildern keinerlei Urheberrechte bestünden und daß durch die Vervielfältigung nicht in Rechte Dritter eingegriffen werde.

Die Beklagte bezieht sich mit diesem Vorbringen auf die Rechtsprechung zum unzulässigen Verhalten von Testkäufern. Diese dürfen nicht mit verwerflichen Mitteln auf einen Verstoß hinwirken; sie dürfen sich nicht anders verhalten als "gewöhnliche" Kunden (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 1 dUWG Rz 246; ÖBl 1986, 9 mwN).

Das kann der von Mag.Dieter P*****eingesetzten Testperson nicht vorgeworfen werden; sie hat die Fotos genauso abgegeben wie andere Kunden auch. Daß sie, was die Beklagte beanstandet, nicht darauf hingewiesen hat, von Mag.Dieter P***** keine Rechte übertragen erhalten zu haben, ist kein Einsatz verwerflicher Mittel. Die Beklagte fordert damit im Ergebnis, Michaela S***** hätte ihre Funktion als Testperson offenlegen müssen. Daß Testperonen heimlich vorgehen, macht aber ihr Verhalten nicht unzulässig (Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1986, 9 uva); andernfalls wäre der Test von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die Beklagte hat demnach mit der Ausführung des von Michaela S***** erteilten Auftrages gegen § 15, § 20 Abs 1, § 74 Abs 1 und 3 UrhG verstoßen; sie kann ihr gesetzwidriges Verhalten nicht damit rechtfertigen, daß sich der Berechtigte einer Testperson bedient hat.

Da somit feststeht, daß sich die Beklagte bereits einmal gesetzwidrig verhalten hat - sie kann sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, weder auf die Unzumutbarkeit noch auf die Unmöglichkeit einer Überprüfung der Berechtigung ihrer Kunden berufen -, ist der Unterlassungsanspruch des Klägers berechtigt, ohne daß zu prüfen wäre, ob die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage gegeben sind.

Das Rekursgericht hat dem Sicherungsantrag im Ergebnis zu Recht insoweit stattgegeben, als er sich gegen die Vervielfältigung von Fotos richtet; der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Beklagten beruht auf §§ 402, 78 EO; §§ 41, 50 ZPO.

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