OGH 4Ob103/93

OGH4Ob103/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei D***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.Juni 1993, GZ 13 R 38/93-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2.April 1993, GZ 5 Cg 101/93-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten"; die Beklagte ist Verlegerin der Tageszeitungen "Kurier" und "Neue Kronen-Zeitung". Der Beklagten fließen die Anzeigen- und Vertriebserlöse dieser beiden Tageszeitungen zu; sie trägt das wirtschaftliche Risiko.

Am 3.3.1993 verteilte die Beklagte in Oberösterreich eine Gratisausgabe des "Kuriers". In einer Beilage wurde ein Philips-Radio-Wecker als Zugabe zu einem Jahresabonnement des "Kuriers", Ausgabe für Oberösterreich, angekündigt. Auch in einer im Jänner 1993 vertriebenen Ausgabe der "Neuen Kronen Zeitung" für Oberösterreich fand sich eine Beilage, in der ebenfalls ein Philips-Radio-Wecker als Zugabe für ein Jahresabonnement der "Neuen Kronen-Zeitung", Ausgabe für Oberösterreich, angekündigt wurde.

Der Radiowecker ist am linken oberen Rand in grauer Schrift mit "Philips", rechts unten, und zwar in etwas größeren weißen Buchstaben und weiß unterstrichen, mit "MEDIAprint" gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um ein Auslaufmodell, das bis zuletzt um 590 S verkauft wurde; die Beklagte hatte dafür 319 S gezahlt.

Am 12.2.1993 kündigte die Beklagte in einer Postwurfsendung ein "elegantes Manikürset" als Zugabe zu einem 4-Monate-Abonnement des "Kuriers", Ausgabe für Oberösterreich, an. Das Manikürset war in geöffnetem Zustand abgebildet; das außen angebrachte Kurier-Symbol war daher auf der Abbildung nicht zu sehen. Die Beklagte hatte das Manikürset um 91,10 S gekauft.

Ein "Kurier"-Abonnement kostet monatlich 155 S, ein Abonnement der "Neuen Kronen-Zeitung" 156 S. Beide Zeitungen liefert die Beklagte bei Bestellung eines Jahresabonnements einen Monat lang gratis. Das 4-Monate-Abonnement des "Kuriers" kündigte die Beklagte um 399 S ("50 % Preisersparnis") an.

Am 29.3.1993 bot die Beklagte der Klägerin folgenden Unterlassungsvergleich an:

"1. Die M***** GmbH & Co KG verpflichtet sich, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen für eine Bestellung eines 4-Monate-Abonnements des "Kuriers" das Gewähren eines Manikürsets oder eines gleichwertigen Gegenstandes anzukündigen, sofern dieses Manikürset nicht auffällig und dauerhaft als Reklamegegenstand gekennzeichnet ist.

..........."

Das Vergleichsangebot enthielt eine Veröffentlichungsermächtigung in den Tageszeitungen "Kurier" und "Neue Kronen-Zeitung". Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die Beklagte hausintern sichergestellt hat, daß Reklamegegenstände nur mit deutlich sichtbarem Reklameaufdruck abgebildet werden.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, im geschäftlichen Verkehr beim Verlegen und Vertreiben der periodischen Druckschriften "Kurier" und "Neue Kronen-Zeitung" in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen die Ankündigung das Gewähren einer unentgeltlichen Zugabe bei Bestellung eines Zeitungsabonnements, insbesondere das Ankündigen des Gewährens einer unentgeltlichen Zugabe in Form eines "Philips-Radio-Weckers" für die Bestellung eines 1-Jahres-Abonnements oder das Ankündigen des Gewährens einer unentgeltlichen Zugabe in Form eines Manikürsets für die Bestellung eines 4-Monate-Abonnements zu unterlassen. Die Werbeaktion der Beklagten verstoße gegen § 9 a UWG. Der Radiowecker sei wegen seines hohen Anscheinswertes kein Reklamegegenstand, das Manikürset keine geringwertige Kleinigkeit.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Radiowecker sei ein Reklamegegenstand. Sein Verkaufspreis liege erheblich unter dem Wert der Hauptware; sein Wert sei überdies durch den Reklameaufdruck und durch die Tatsache gemindert, daß es sich um ein Auslaufmodell handle. Das Manikürset trage den gut sichtbaren Aufdruck "Kurier". Es sei irrtümlich im geöffneten Zustand abgebildet worden; deshalb sei der Reklameaufdruck nicht sichtbar. Sofort nach Erkennen des Irrtums habe die Beklagte hausintern sichergestellt, daß Reklamegegenstände nur mit gut sichtbarem Reklameaufdruck abgebildet werden. Obwohl die Wiederholungsgefahr bereits dadurch weggefallen sei, habe die Beklagte der Klägerin noch zusätzlich einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Der Radiowecker sei kein Reklamegegenstand im Sinne des § 9 a Abs 2 Z 3 UWG, weil er zwar ausreichend gekennzeichnet, im Verhältnis zur Hauptware aber zu wertvoll sei. Maßgebend sei der übliche Verkaufspreis. Bei der Ankündigung des Manikürsets als Zugabe sei der Reklameaufdruck nicht sichtbar; das Set falle schon aus diesem Grund nicht unter § 9 a Abs 2 Z 3 UWG. Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil das Erstgericht die behaupteten Maßnahmen zur Vermeidung solcher Wettbewerbsverstöße nicht habe feststellen können und das Vergleichsanbot der Klägerin nicht alles biete, was sie im Verfahren ersiegen könne, sei doch weder die Veröffentlichung des Urteilskopfes noch die der Kostenentscheidung angeboten worden.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Ein Reklamegegenstand im Sinne des § 9 a Abs 2 Z 3 UWG liege nur vor, wenn der Gegenstand so deutlich als Reklamegegenstand gekennzeichnet ist, daß die Kennzeichnung auch bei flüchtigem Hinsehen auf den ersten Blick ins Auge fällt, und wenn sein Wert nicht außer jedem Verhältnis zu dem der Hauptware steht. Dabei sei zu berücksichtigen, mit welcher Intensität der Reklamegegenstand werbewirksam und damit in seinem Verkehrswert gemindert ist. Reklamewert und -zweck des Weckers seien gering. Sein Wert sei durch den Werbeaufdruck nicht entscheidend gemindert; als Zugabe sei er ein erheblicher Anreiz, das Zeitungsabonnement zu bestellen. Die Grundsätze der zu Koppelungsangeboten ergangenen Rechtsprechung könnten auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, weil die Gefahr eines übertriebenen Anlockens bei Koppelungsangeboten großzügiger zu beurteilen sei.

Das Manikürset wäre auch dann kein Reklamegegenstand im Sinne des § 9 a Abs 1 Z 3 UWG, wenn der Reklameaufdruck zu sehen gewesen wäre. Der Klägerin fielen somit zwei im wesentlichen gleichartige Wettbewerbsverstöße zur Last; jenen mit der Ankündigung des Manikürsets als Zugabe habe die Klägerin vor dem Verstoß mit dem Radiowecker begangen. Das nur das vorangegangene wettbewerbswidrige Verhalten betreffende Vergleichsanbot könne die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen, weil es nicht geeignet sei, den ernsten Willen der Klägerin zu bescheinigen, künftige Störungen zu unterlassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage gibt, ob auch nach dem Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz (BGBl 1992/147) an dem Erfordernis festzuhalten ist, daß der Wert des Reklamegegenstandes erheblich unter dem der Hauptware liegen muß; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte will aus der Tatsache, daß § 9 a Abs 2 Z 3 UWG in der Fassung des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes BGBl 1992/147 auch das Ankündigen von Reklamegegenständen als Zugabe gestattet, während § 3 Abs 1 lit b Zugabengesetz nur das Gewähren solcher Gegenstände als Zugaben von dem das Ankündigen, Anbieten und Gewähren von Zugaben erfassenden allgemeinen Verbot des § 1 ZugabenG ausgenommen hatte, ableiten, daß der Gesetzgeber den Anlockeffekt toleriere, den ein wertvoller Reklamegegenstand als Zugabe hat; jede andere Auffassung wäre mit der Tatsache, daß Gewinnspiele mit einer Gesamtgewinnsumme von S 300.000 zulässig sind, unvereinbar. Das ist folgendes zu sagen:

Rechtsprechung und Lehre haben zu § 3 Abs 1 lit b ZugabenG die Auffassung vertreten, daß der Wert von Reklamegegenständen nicht außer jedem Verhältnis zum Wert der Hauptware stehen darf, vielmehr erheblich unter dem der Hauptware liegen muß (ÖBl 1980, 106 ua; siehe Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 133; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II, 77). Das Erfordernis eines erheblich geringeren Wertes wird aus dem Zweck der gesetzlichen Zugabenbeschränkung und aus dem Begriff der Zugabe als Nebenware abgeleitet.

Ein Reklamegegenstand dient in erster Linie als Werbeträger und ist deshalb in seinem Wert gemindert. Seine Kennzeichnung als Werbegegenstand muß so auffallend sein, daß man ihn nicht verwenden kann, ohne daß die Aufmerksamkeit des Benützers auf die Bezeichnung des werbenden Unternehmens gelenkt wird (stRsp: ÖBl 1978, 158 ua).

Durch das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz BGBl 1992/147 hat sich nun die Gesetzeslage insofern geändert, als Reklamegegenstände nicht bloß gewährt, sondern auch angekündigt (und angeboten) werden dürfen. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, daß er im Anlockeffekt von Reklamegegenständen keine unsachliche Beeinflussung der Kaufentscheidung sieht. Davon abgesehen, hat der Gesetzgeber aber mit dem Ausnahmetatbestand des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG keine Regelung geschaffen, die an der Fortgeltung der in der Rechtsprechung zu § 3 Abs 1 lit b ZugabenG aufgestellten Grundsätze für die neue Gesetzeslage zweifeln ließe. Wenn nun das Ankündigen von Reklamegegenständen als Zugabe erlaubt ist, am Zugabenverbot aber insofern festgehalten wird, als ganz allgemein das Ankündigen von Zugaben verboten bleibt (§ 9 a Abs 1 Z 1 UWG), dann kann das Erfordernis eines erheblich geringeren Wertes für Reklamegegenstände auch jetzt nicht zweifelhaft sein. Diese Auffassung wird auch dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1 lit b ZugabenG unverändert in § 9 a Abs 2 Z 3 UWG übernommen hat, obwohl angenommen werden muß, daß ihm die erwähnte Rechtsprechung bekannt war.

Die neueste Rechtsprechung zu Vorspannangeboten (MR 1993, 117) führt - entgegen der Auffassung der Beklagten - zu keiner anderen Beurteilung. Anders als bei Vorspannangeboten geht es hier nicht darum, ob die Koppelung zweier Waren, von denen eine zu einem unter dem üblichen Preis liegenden Preis angeboten wird, sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, sondern um die Frage, ob gegen das im Gesetz ausdrücklich enthaltene Verbot, Zugaben anzukündigen, verstoßen wird. Nicht die Frage, ob die Beurteilung als sittenwidrig von der Wertrelation der beiden Waren abhängt (siehe MR 1993, 117), ist daher maßgebend, sondern die Frage, ob der Ausnahmetatbestand des § 9 a Abs 2 Z 3 UWG nur dann verwirklicht ist, wenn der Wert des Reklamegegenstandes erheblich unter dem der Hauptware liegt, weil eine erhebliche Wertdifferenz für Reklamegegenstände als zulässige Zugaben begriffswesentlich ist. Die bei Vorspannangeboten wesentliche Erwägung, welches Kriterium die Sittenwidrigkeit bewirkt, hat der Gesetzgeber für Zugaben durch § 9 a Abs 1 UWG beantwortet: Das Ankündigen einer unentgeltlichen Nebenware (Leistung) führt zum verpönten Kauf aus sachfremden Motiven und ist daher unzulässig.

Die Rechtsprechung zu Vorspannangeboten (MR 1993, 117) ist aber für den vorliegenden Fall insofern von Bedeutung, als auch hier der Eindruck maßgebend sein muß, den die angesprochenen Verkehrskreise vom Wert des Reklamegegenstandes haben. Der Radiowecker war im Einzelhandel um 590 S erhältlich; sein Wert war aber in zweifacher Hinsicht gemindert: einerseits durch die Tatsache, daß es sich um ein Auslaufmodell handelte, andererseits dadurch, daß er mit "MEDIAprint" gekennzeichnet war. Diese Wertminderung ist freilich in beiden Fällen nur gering: Radiowecker sind kein der Mode unterworfener Gegenstand; daß möglicherweise Ersatzteile nach einiger Zeit nicht mehr erhältlich sind, fällt bei Elektrokleingeräten in der Regel nicht ins Gewicht, werden sie doch bei einem Defekt wegen der mit einer Reparatur verbundenen hohen (Arbeits-)Kosten üblicherweise ausgetauscht und nicht repariert. Ein Radiowecker kann - anders als, wie das Rekursgericht richtig ausführt, zB ein T-Shirt (ÖBl 1992, 56) - verwendet werden, ohne daß gleichzeitig, außer gegenüber dem unmittelbaren Benützer, für Mediaprint geworben wird. Sein Gebrauchswert ist, wenn überhaupt, nur insofern gemindert, als (in der Regel) eine Verwendung als Geschenk entfällt.

Damit ist es aber ausgeschlossen, den Radiowecker der Beklagten als Reklamegegenstand iS des § 9a Abs 2 Z 3 UWG zu werten. Reklamegegenstände sind, wie oben erwähnt, Gegenstände, die in erster Linie der Werbung dienen; diese Werbung für das reklametreibende Unternehmen muß mit ihrem Gebrauch untrennbar verbunden sein und im Vordergrund stehen (s ÖBl 1992, 56). Ein Gegenstand, der, wie der Radiowecker der Beklagten, einen nicht unerheblichen (Gebrauchs)Wert hat und in diesem Wert durch den Reklameaufdruck, wenn überhaupt, nur unwesentlich gemindert ist, ist kein Reklamegegenstand iS des Gesetzes.

Die Beklagte hat deshalb mit der Ankündigung, einen Radiowecker als Zugabe zu gewähren, gegen § 9a Abs 1 UWG verstoßen; dieses Verbot ist auch nach der UWG-Novelle 1993 BGBl 227 aufrecht geblieben und für Zugaben zu periodischen Druckwerken sogar verschärft worden. Damit ist aber, wie die Beklagte selbst zugesteht, durch das Angebot eines vollstreckbaren Vergleiches die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen. Die angefochtene Entscheidung war vielmehr zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO; §§ 41, 50, 52 ZPO.

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