OGH 2Ob569/93

OGH2Ob569/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien Fa.***** P***** GmbH & Co KG und 2.) ***** P***** GmbH, beide ***** vertreten durch DDr.Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Ingrid S*****, wegen S 46,160.373,24 sA, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9.Juni 1993, GZ 4 R 87, 88/93-11, womit infolge Rekurses der gefährdeten Parteien der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 22. März 1993, GZ 9 Cg 37/93g-8, in seinem Punkt 1 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdeten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Kreisgerichtes W***** vom 17.7.1985 wurde zu S 45, 46/85 der Konkurs über das Vermögen der gefährdeten Parteien eröffnet und Dkfm.Dr.Walter S***** zum Masseverwalter bestellt. Nach seinen Tod am 30.9.1988 wurde Dr.Erich D*****, Rechtsanwalt in W*****, zum neuen Masseverwalter bestellt. Beide Insolvenzverfahren sind nach wie vor anhängig.

Mit dem am 23.2.1993 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragten die gefährdeten Parteien zur Sicherung einer Geldforderung von S 46,160.373,24 gemäß § 379 Abs 3 Z 3 EO ein Drittverbot gegen die *****bank ***** reg.GenmbH. zu erlassen. Dazu wurde vorgebracht, der ehemalige Masseverwalter Dkfm.Dr.Walter S***** habe den gefährdeten Parteien einen Schaden in der Höhe von S 46,160.373,24 zugefügt, für diesen Schaden hafteten die Verlassenschaft nach Dkfm.Dr.Walter S***** und seine Witwe Ingrid S*****. Der nunmehrige Masseverwalter Dr.D***** habe erklärt, gegen seinen Vorgänger und ehemaligen Mandanten Dr.S***** sowie gegen dessen Witwe nicht einzuschreiten. Es seien daher die gefährdeten Parteien selbst zum Einschreiten berechtigt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mit der Begründung ab, nur der Massevewalter sei antragslegitimiert. Eine Ausscheidung sei nicht behauptet und bescheinigt worden. Die begehrten Ansprüche seien vermögensrechtlicher Natur, weshalb sie auch nur vom Masseverwalter verfolgt werden könnten.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der gefährdeten Parteien wurde mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde; es wurde ausgesprochen, der ordentliche Revisionsrekurs sei nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, allfällige (Schaden-)Ersatzansprüche gegen die Verlassenschaft nach dem verstorbenen (ehemaligen) Masseverwalter seien vom neuen Masseverwalter zu verfolgen bzw. durchzusetzen, erst nach Konkursaufhebung könnten sie vom (ehemaligen) Gemeinschuldner selbst mittels Klage geltend gemacht werden. Vor der Konkursaufhebung sei über Ansprüche gegen den Masseverwalter wegen eines durch pflichtwidrige Führung seines Amtes dem gemeinsamen Befriedigungsfonds aller Konkursgläubiger zugefügten Vermögensnachteiles im Rechnungslegungsverfahren nach den § 121 ff KO zu entscheiden. Werde vor Beendigung eines Konkursverfahrens ein Masseverwalters seines Amtes enthoben, seien die Ansprüche gegen den ehemaligen Masseverwalter im Rechtsweg geltend zu machen. Es sei zwar in der Rechtsprechung vereinzelt eine Art "Not-Verfügungsberechtigung bzw. Prozeßführungsberechtigung" des Gemeinschuldners selbst bejaht worden (JBl 1965, 323 = EvBl 1965/224) doch sei diese Ansicht in der Entscheidung EvBl 1966/99 stark eingeschränkt worden. Der eine Verfügungsberechtigung der gefährdeten Parteien und damit deren Prozeßfähigkeit verneinenden Rechtsansicht schloß sich das Rekursgericht an.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die gefährdeten Parteien verweisen auf die Entscheidung JBl 1965, 323 = EvBl 1965/224, wonach der Gemeinschuldner berechtigt sei, auch während des Konkursverfahrens Schadenersatzansprüche aus Pflichtverletzungen des Masseverwalters selbständig geltend zu machen. Auch in EvBl 1965/408 habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß der Gemeinschuldner zur Einbringung einer Streitanmerkung gemäß § 66 GBG legitimiert sei, wenn er eine Schmälerung der Masse durch ein strafbares Verhalten des Masseverwalters behaupte. Die Entscheidung EvBl 1966/99 könne dieser Auffassung nicht entgegengehalten werden, weil ihr eine Klagsführung zugrundeliege, im vorliegenden Fall handle es sich aber um einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der auf Grund der Dringlichkeit noch vor Einleitung eines Erkenntnisverfahrens eingebracht worden sei. Es sei dem Gemeinschuldner nicht zuzumuten, mit dem Antrag bis nach Beendigung des Konkursverfahrens zuzuwarten, weil er durch die erfolgreiche Geltendmachung vielleicht in die Lage käme, einen Zwangsausgleich abzuschließen. Zum Unterschied zu dem der Entscheidung EvBl 1966/99 zugrundeliegenden Sachverhalt richte sich der vorliegende Antrag nicht gegen ein amtierendes Konkursorgan, sodaß auch eine Geltendmachung des Anspruches im Rechnungslegungsverfahren ausscheide. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß der Gemeinschuldner während des Konkursverfahrens nach wie vor Eigentümer seines Vermögens bleibe. Um diese Eigentümerposition wahrnehmen zu können, bedürfe der Gemeinschuldner ausreichender Sicherungsrechte um einer Verschleppung seines Vermögens rechtzeitig und wirksam entgegenzutreten zu können. Neben den von der Judikatur bereits anerkannten Rechtshandlungen (Erhebung einer Amtshaftungsklage; Erwirkung einer Streitanmerkung nach § 66 GBG im Grundbuch) stelle auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine solche Rechtshandlung dar, zu der der Gemeinschuldner zur Sicherung der Konkursmasse legitimiert sei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Auszugehen ist von den Bestimmungen der §§ 1, 81 KO, nach denen der Gemeinschuldner die Verfügungsberechtigung über das Konkursvermögen verliert, während der Masseverwalter Rechtsstreitigkeiten zu führen hat, die die Masse ganz oder teilweise betreffen. Zu auch den Gläubigern gegenüber wirksamen Handlungen hinsichtlich des Konkursvermögens ist der Gemeinschuldner im Sinne der herrschenden Rechtsprechung insoweit befugt, als diese Rechtshandlungen den Interessen der Konkursgläubiger nicht widerstreiten, sondern vielmehr der Erhaltung der Masse dienen (EvBl 1965/99 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung widerstreitet die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen durch den Gemeinschuldner nicht den Interessen des Konkursgläubigers sondern dient vielmehr der Erhaltung der Masse (JBl 1965, 323 = EvBl 1965/224; EvBl 1965/420; 1 Ob 63/65; 1 Ob 30/89 ua). Gegen die Rechtsansicht, der Gemeinschuldner könne Amtshaftungsansprüche klageweise geltend machen, weil diese Handlung den Interessen der Konkursgläubiger nicht widerstreite, wurde zwar von der Lehre Kritik erhoben (Welser, Sachverständigenhaftung und Insolvenzverfahren, Nz 1984, 92 [98]), doch ist hierauf im vorliegenden Fall nicht einzugehen, weil - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - auch unter Zugrundelegung dieser Meinung dem Gemeinschuldner kein Klagerecht und auch kein Recht zur Stellung eines Sicherungsantrages zusteht.

Von dem vorliegenden Sicherungsantrag, mit welchem, ohne daß es zu einer Überlassung der zu sichernden Forderung an den Gemeinschuldner gemäß § 119 Abs 5 KO gekommen wäre, außerordentlich hohe Schadenersatzansprüche gegen die Witwe des ehemaligen Masseverwalters geltend gemacht werden, kann nicht mit Grund gesagt werden, daß er die Interessen der Konkursgläubiger nicht berühre. Gemäß § 391 Abs 2 EO ist nämlich, wenn eine einstweilige Verfügung vor Einleitung des Prozesses bewilligt wird, im Beschlusse eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung kann daher nur im Zusammenhang mit der (in der Folge einzubringenden) Klage gesehen werden. Für eine solche besteht aber eine Gefährdung der Interessen der Gläubiger auf Grund der Belastung der Masse mit einem allfälligen (vgl EvBl 1966/99) Prozeßkostenrisiko. Dazu kommt, daß auch der Masseverwalter bei Ausübung der ihm nach der Konkursordnung obliegenden Tätigkeiten gehemmt sein müßte, wenn er zu gewärtigen hätte, er (oder sein Nachlaß oder seine Witwe) könnten im Fall einer dem Gemeinschuldner nicht genehmen Maßnahme von diesem belangt werden und hätten das hohe Risiko der Uneinbringlichkeit einer Kostenersatzforderung zu tragen (EvBl 1966/99).

Diese Rechtsansicht entspricht auch der in der Bundesrepublik Deutschland einhelligen Lehre und Rechtsprechung (siehe Kilger, KO15, Rz 4 zu § 82; Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, Komm z KO10, Rz 5 zu § 82; Jaeger, Komm z KO8, Rz 11 zu § 82), wonach Ansprüche gegen den Verwalter wegen Masseschädigung während des Konkursverfahrens nur von einem neu ernannten Verwalter, nicht dagegen vom Gemeinschuldner geltend gemacht werden können.

Der erkennende schließt sich sohin der Ansicht der Vorinstanzen, wonach der Gemeinschuldner zur Geltendmachung des Sicherungsantrages nicht berechtigt ist, an, so daß spruchgemäß zu entscheiden war,

Die Entscheidung über Kosten gründet sich auf §§ 78 EO, 41, 50 ZPO.

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