OGH 8Ob540/93

OGH8Ob540/939.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, ***** vertreten durch Dkfm. DDr.Gerhard Grone, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing.H***** M*****, vertreten durch Dr.Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, wegen Räumung (Streitwert S 500.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 16.Dezember 1992, GZ R 458/92-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 3.Juni 1992, GZ 1 C 452/91h-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.069,20 (einschließlich S 3.178,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende GmbH begehrt vom Beklagten die Räumung der in ihrem Alleineigentum befindlichen Liegenschaft. Er habe die auf dieser Liegenschaft befindlichen Räumlichkeiten zusammen mit seiner Ehegattin, die Alleingesellschafterin der klagenden GmbH gewesen sei, prekaristisch bewohnt. 1990 habe die Ehegattin des Beklagten ihre Geschäftsanteile ihren leiblichen Kindern geschenkt, die mit dem Beklagten nicht verwandt seien. Kurz darauf sei sie verstorben; seither benütze der Beklagte die Liegenschaft titellos und habe eine Räumungsaufforderung nicht beachtet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß ihm die ehemalige Geschäftsführerin der klagenden Partei, seine verstorbene Gattin, ein lebenslängliches Wohnungsrecht eingeräumt habe; bei der Liegenschaft habe es sich um die Ehewohnung gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Weitere über die Eigentumsverhältnisse der Liegenschaft hinausgehende Feststellungen habe es nicht treffen können, da keine der Parteien zur Parteienvernehmung gekommen sei; eine ausreichende Entschuldigung sei nicht vorgebracht worden. Es wäre Sache der klagenden Partei gewesen, die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Zum Beweis dieser Umstände habe sie sich auf Parteienvernehmung berufen. Mangels Durchführbarkeit derselben hätte sie die behaupteten Tatsachen nicht unter Beweis stellen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und verpflichtete den Beklagten zur Räumung; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Die gegen den titellosen Inhaber einer Wohnung eingebrachte Räumungsklage sei als Eigentumsklage zu beurteilen; dabei habe die klagende Partei ihr Eigentum und die Innehabung durch den Beklagten, dieser aber ein Recht zur Benützung der Sache zu behaupten, und, wenn es umstritten sei, zu beweisen. Das Eigentum der klagenden Partei an der zu räumenden Liegenschaft habe das Erstgericht festgestellt; die Innehabung der Sache durch den Beklagten sei nicht strittig. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, einen zur Benützung der im Eigentum der klagenden Partei stehenden Liegenschaft geeigneten Rechtstitel unter Beweis zu stellen. Da dem Beklagten der Beweis des Bestehens des ihm angeblich eingeräumten lebenslänglichen Wohnungsrechts nicht gelungen sei, sei dem Klagebegehren stattzugeben. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur erheblichen Rechtsfrage der Behauptungs- und Beweislast bei einer auf titellose Benützung nach Widerruf des Prekariums gestützten Räumungsklage nicht einheitlich sei (MietSlg 22.083 gegen MietSlg 36.025) und zur Frage, ob in der Räumungsklage ein Widerruf des behaupteten Prekariums zu erblicken sei, veröffentlichte oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar wegen der erwähnten, wenn auch viele Jahre auseinanderliegenden Judikaturdifferenz als zulässig anzusehen, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Beklagte hält seinen Einwand, ihm sei ein lebenslängliches Wohnrecht eingeräumt worden, in der Revision nicht mehr aufrecht, sondern versucht, seinen Anspruch nunmehr auf ein familienrechtliches Mitbenützungsrecht zu stützen. Der Oberste Gerichtshof habe in MietSlg 40.078 erkannt, daß ein Ehegatte, der sein Recht zur Benützung einer Wohnung auch von dem dem anderen Ehegatten, wenn auch nur prekaristisch, eingeräumten Benützungsrecht ableiten könne, nicht ohne Widerruf des dem anderen Ehegatten eingeräumten Prekariums vom Wohnungsgeber auf Räumung belangt werden könne. Die klagende Partei habe nicht behauptet, daß sie die prekaristische Gebrauchsüberlassung gegenüber seiner verstorbenen Gattin bzw der Verlassenschaft widerrufen habe; sie habe auch nicht angegeben, wann der Widerruf ihm gegenüber erfolgt sein solle.

Zu Recht stützt sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MietSlg 36.025 und lehnt die ältere, in MietSlg 22.083 vertretene Meinung ab, weil diese den allgemeinen Beweislastregeln widerspricht.

Stützt der Eigentümer sein Räumungsbegehren ausschließlich darauf, daß der Beklagte die auf der Liegenschaft befindlichen Räumlichkeiten infolge Widerrufs des Prekariums ohne Rechtstitel benützt, ist eine solche gegen den titellosen Inhaber der Wohnung eingebrachte Räumungsklage als Eigentumsklage zu beurteilen. Die klagende Partei hat nach allgemeinen Beweislastregeln ihr Eigentum und die Innehabung durch den Beklagten, der Beklagte aber ein Recht zur Benützung der Sache zu behaupten und, wenn es bestritten ist, zu beweisen (MietSlg 36.025 mwN). Der Beklagte hätte daher das Prekarium oder einen sonstigen Rechtstitel (der im Revisionsverfahren aber nicht mehr behauptet wird) zu beweisen gehabt. Im vorliegenden Fall erübrigt sich zwar der Beweis der Einräumung des Prekariums durch den Beklagten, weil die klagende Partei in ihrer Klage selbst davon ausgeht. Damit ist aber für den Beklagten nichts gewonnen. Zwar ist es Sache der klagenden Partei, das Erlöschen des Benützungsrechts unter Beweis zu stellen; in der Erhebung der Räumungsklage liegt aber jedenfalls der Widerruf des dem Beklagten persönlich eingeräumten Prekariums (MietSlg 40.078), sodaß es keines weiteren Nachweises des Widerrufs des Prekariums ihm gegenüber bedarf.

Wenn auch der Eigentümer nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen kann, die ihr Benützungsrecht aus dem Benützungsrecht des Vertragspartners des Eigentümers abzuleiten in der Lage sind (zB Ehegatte und Kinder) und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen (MietSlg 42.018 mwN), gilt das nur so lange, als das die Mitbenützung rechtfertigende familienrechtliche Rechtsverhältnis noch besteht. Das prekaristische Mitbenützungsrecht des Ehegatten endet aber im Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung (vgl MietSlg 40.078) oder Tod. Eines gesonderten Widerrufs des Prekariums gegenüber der Verlassenschaft nach seiner verstorbenen Gattin bedarf es nicht, weil das dieser gewährte jederzeit frei widerrufliche Benützungsrecht - anders als zB ein Mietverhältnis (MietSlg 42.018 mwN) - durch deren Tod von selbst erloschen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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