OGH 8Ob592/93

OGH8Ob592/939.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing.Günther W*****, und 2. J***** W*****, beide vertreten durch Dr.Karl und Dr.Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.G***** R*****, derzeit *****, vertreten durch Mag.DDr.Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert S 1,555.000 sA) infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Mai 1993, GZ 17 R 70/93-16, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27.Dezember 1992, GZ 24 Cg 184/92-10, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 61.174,08 (einschließlich S 7.009,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden Kläger und der Beklagte sind je zu einem Drittel Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1592 des Grundbuches KG Ober St.Veit. In dem dort befindlichen Wohnhaus Meytengasse 16 benützen die Kläger aufgrund des Mietvertrages vom 1.11.1968 - sie waren damals noch nicht Miteigentümer der Liegenschaft - die Wohnung Nr. 9 im Ausmaß von ca 75 m2 und der Beklagte aufgrund der vom Bezirksgericht Hietzing am 20.4.1988 angeordneten Benützungsregelung die Wohnung Nr. 6 im Ausmaß von ca 84 m2.

Mit der vorliegenden Klage begehren die beiden Kläger die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung der Liegenschaft.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, weil das Teilungsbegehren zur Unzeit und zu seinem Nachteil erhoben werde. Die Kläger könnten im Falle einer gerichtlichen Versteigerung in ihrer Wohnung verbleiben, während er die seine räumen müsse, die er erst 1989 mit Millionenaufwand adaptiert und für seine Bedürfnisse instand gesetzt habe. Das Teilungsbegehren gehe somit von einer außergewöhnlich ungleichen Interessenlage aus, weil die Zivilteilung in ihren Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung seinerseits verbunden wäre. Die Kläger hätten es bisher unterlassen, die Teilungsvoraussetzungen dadurch zu schaffen, daß sie ihm einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessenlagen angeboten hätten. Das Teilungshindernis wäre nicht von vorübergehender Natur, sondern könne nur durch die Mitwirkung der Kläger, etwa durch Einräumung eines Mietvertrages betreffend die schon bisher von ihm benützte Wohnung oder durch einen Verzicht auf ihre Mietrechte beseitigt werden, wozu sie aber bis jetzt nicht bereit gewesen wären. Im übrigen sei die Wohnung nicht praktisch unbenützt; er halte sich nur bis Mitte 1993 aus beruflichen Gründen in Holland auf, werde aber danach nach Wien zurückkehren und in die von ihm adaptierte Wohnung wieder einziehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens statt. Der Nachteil, daß der Beklagte die Wohnung, die er zuvor als Miteigentümer benützen durfte, im Falle einer Versteigerung nicht weiter benützen könne, sei ein Nachteil, der jeden Miteigentümer bei Veräußerung seiner Sache treffe und maximal dadurch berücksichtigt werden könne, daß eine angemessene Zeit mit der Teilung zugewartet werden müsse, bis er sich eine andere Wohnung beschaffen könne. Er benötige nach seinem eigenen Vorbringen in Wien erst ab Mitte 1993 eine Wohnung und hätte daher ausreichend Zeit für eine Wohnungssuche. Sofern der Beklagte die Wohnung adaptiert hätte, würde dadurch die Liegenschaft wertvoller, was sich im Kaufpreis niederschlage. Die Aufwendungen, die die einzelnen Miteigentümer auf die Sache tätigen, wären bei der Aufteilung des Kaufschillings, nicht aber im vorliegenden Teilungsverfahren zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurück; es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Das Tatbestandsmerkmal "zum Nachteil der Übrigen" bilde ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv einen Teilhaber treffende Umstände berücksichtigt werden könnten. Zu Recht habe der Beklagte auf die ungleiche Interessenlage hingewiesen, deren Auswirkungen zu einer erheblichen vermögensrechtlichen Benachteiligung seinerseits führten. Unter Hinweis auf die E SZ 41/185 und 57/45 meinte das Berufungsgericht die im § 830 ABGB normierten Aufhebungshindernisse stellten nur die gesetzliche Anerkennung und Konkretisierung der innerhalb von Schuldverhältnissen nach Treu und Glauben geschuldeten Rücksichtnahme auf die Interessen der Partner dar; ein mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung des anderen Miteigentümers verbundenes Teilungsbegehren sei abzuweisen. Dem Einwand, daß es dann den Klägern für immer verwehrt wäre, ein erfolgversprechendes Teilungsbegehren zu stellen, sei entgegenzuhalten, daß diese auf ihr Mietrecht verzichten könnten und es ihnen überdies unbenommen bliebe, einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessenlagen durch die Aufnahme geeigneter Bestimmungen in den Versteigerungsbedingungen herbeizuführen. Es lägen jedoch keine ausreichenden Grundlagen für die Beurteilung vor, ob die Interessenlage tatsächlich kraß ungleich wäre, was nur bei einem dringenden Wohnbedürfnis des Beklagten zu bejahen wäre; dies müsse im fortgesetzten Verfahren geprüft werden. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil die hier relevante Frage des Interessenausgleichs über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und in jüngerer Zeit nur eine oberstgerichtliche Entscheidung (SZ 41/185) mit ähnlichem, wenn auch nicht identem Sachverhalt vorliege.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und in der Sache selbst durch Bestätigung des Ersturteils zu erkennen oder dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung durch Abweisung der Berufung des Beklagten aufzutragen.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und er ist auch berechtigt.

Wenn auch die jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung Frotz, ÖZW 1974, 32, folgt, der einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis entspringenden schuldrechtlichen Aufhebungsanspruch annimmt und in den Aufhebungshindernissen die gesetzliche Anerkennung und Konkretisierung der innerhalb von Schuldverhältnissen nach Treu und Glauben geschuldeten Rücksichtnahme auf die Interessen der Partner sieht (JBl 1982, 209; SZ 57/45 ua), geht diese Rücksichtnahme nicht so weit, daß auf den Aufhebungsanspruch für unabsehbare Zeit Verzicht zu leisten wäre (MietSlg 34.069; SZ 57/45 ua). Infolge Unbedingtheit des Teilungsanspruchs bedarf das Teilungsbegehren auch nicht (von vornherein) der Begründung aus der Interessenlage der Kläger (MietSlg 34.068; JBl 1987, 382 ua), doch führt die Rücksichtnahme auf die Hindernisse einwendenden Teilhaber zur Interessenabwägung über Zumutbarkeit des Aufschubs (Frotz aaO 32; MietSlg 36.054; weitere Nachweise hiezu bei Gamerith in Rummel ABGB I2 Rz 3 zu § 830).

Die überwiegende oberstgerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt beim Tatbestandsmerkmal "zum Nachteil der Übrigen" auch subjektive Nachteile eines Teilhabers (SZ 14/196; 45/170; JBl 1984, 431; WoBl 1989/6). Jedoch muß es sich auch hier um vorübergehende Umstände handeln, die in Bälde wegfallen und nicht um Nachteile, die durch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft unter allen Umständen eintreten müssen (SZ 25/191; JBl 1984, 431; 1987, 382; weitere Nachweise bei Gamerith aaO Rz 11).

Der Verlust der Benützungsmöglichkeit der gemeinsamen Sache ist ein Umstand, der mit der Aufhebung der Gemeinschaft durch Zivilteilung grundsätzlich verbunden ist, sofern nicht das Eigentum an der Gesamtsache ersteigert wird, und ist unbestritten nicht vorübergehender Natur, weil er ohne Zutun der Kläger nicht beseitigt werden kann, sodaß die Voraussetzungen für die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft grundsätzlich vorliegen. Es ist nur zu prüfen, ob die Kläger aufgrund der nach Treu und Glauben geschuldeten Rücksichtnahme auf die Interessen des Beklagten (SZ 57/45 mwN) verpflichtet sind, eine gleiche wirtschaftliche Ausgangslage für alle drei Miteigentümer zu schaffen, widrigenfalls die Teilungsklage abzuweisen wäre.

Dies ist zu verneinen. Der der E SZ 57/45 zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil dort die Klägerin erst knapp vor Erhebung ihres Teilungsbegehrens wider Treu und Glauben ihren damals erst 21 Jahre alten Sohn ein lebenslängliches Fruchtgenußrecht eingeräumt und sich dadurch eine wesentlich günstigere Ausgangsposition bei einer Ersteigerung geschaffen hatte, als sie dem Beklagten zukam; ein solches Verhalten hat der Oberste Gerichtshof zu Recht als gegen die nach Treu und Glauben geschuldete Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners verstoßend beurteilt und er hat deshalb das Teilungsbegehren abgewiesen.

Ein solches Verhalten ist aber den Klägern hier nicht zur Last zu legen. Sie sind seit nahezu einem Vierteljahrhundert Mieter der Wohnung; von einem treuwidrigen "Erschleichen der Mietrechte" kann daher keine Rede sein. Um ihr Teilungsbegehren erfolgreich durchzusetzen, sind sie weder verpflichtet, auf ihre ihnen schon seit langem zustehenden Mietrechte zu verzichten, noch dem Beklagten vergleichbare Mietrechte einzuräumen, nur weil er die Wohnung - wie andere Miteigentümer auch - nur aufgrund einer Benüzungsregelung nutzen kann und dieses Benützungsrecht im Falle einer gerichtlichen Versteigerung verliert, sofern er die Liegenschaft nicht selbst ersteigern kann oder will und mit dem Ersteher zu keiner vertraglichen Regelung gelangt.

Bei einer Versteigerung können beide Miteigentümer das Eigentumsrecht und das aus diesem erfließende Benützungsrecht an der gemeinsamen Sache verlieren und sind daher in diesem Punkt gleichgestellt. Wenn einem Miteigentümer andere nicht aus dem Eigentum fließende Rechte, wie zB Mietrechte oder Servituten zustehen, kann das auf den Teilungsanspruch des anderen Miteigentümers keinen Einfluß haben. Wurden solche Rechte - wie hier - nicht treuwidrig erworben, liefe die vom Rekursgericht vertretene Ansicht darauf hinaus, daß einem Teilungsbegehren so lange ein Erfolg versagt bleiben müßte, bis die Kläger dem Beklagten vergleichbare Rechte einräumten oder auf die ihnen aus anderen Gründen zustehenden, nicht mit dem Eigentumsrecht verbundenen Rechte, verzichteten. Hiezu fehlt es aber an einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung; der in der E SZ 41/185 enthaltene Gedanke kann nicht aufrechterhalten werden.

Dem Teilungsbegehren ist daher stattzugeben, ohne daß geprüft werden müßte, ob der Beklagte in naher Zukunft ein dringendes Wohnbedürfnis hat. Aufgrund der konkreten Sachlage (Wohnbedürfnis in Wien nach eigenen Angaben erst in ca einem Jahr) benötigt er auch keinen weiteren Aufschub.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte