OGH 10ObS157/93

OGH10ObS157/937.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Hannig (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Irene F*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Walter Mardetschläger und Dr.Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 1993, GZ 34 Rs 21/93-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.November 1992, GZ 10 Cgs 157/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.811,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 301,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 9.Mai 1990 wurde die am 1.Mai 1927 geborene Klägerin hinsichtlich der mit Bescheid vom 24.Februar 1975 zuerkannten Witwenpension nach ihrem Ehegatten Josef F***** mit dem Betrag von S 89.883,50 abgefertigt, weil sie sich am 3.April 1990 mit dem am 25. Mai 1960 geborenen Türken D***** Ö***** wiederverehelichte. Diese Ehe wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 10.Oktober 1991 auf Klage der Staatsanwaltschaft Wien rechtskräftig für nichtig erklärt, weil die Ehe nur deshalb geschlossen wurde, um dem Mann die Möglichkeit zu verschaffen, eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 30. September 1992 wurde der Antrag der Klägerin vom 19.August 1992 auf Wiederaufleben der abgefertigten Witwenpension gemäß § 265 ASVG abgelehnt. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, daß die Klägerin an der Nichtigerklärung der Ehe nicht als schuldlos anzusehen sei.

Das Erstgericht wies das gegen diesen Bescheid erhobene auf Wiedergewährung der Witwenpension gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 265 Abs 2 lit b ASVG lebe der Anspruch auf Witwenpension wieder auf, wenn die (ehemalige) Witwenpensionsbezieherin an der Nichtigerklärung der Ehe als schuldlos anzusehen sei. Dies sei im gegenständlichen Fall zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Dem rechtlichen Vorwurf der Klägerin, das Erstgericht habe nicht begründet, warum ihre Schuldlosigkeit zu verneinen sei, hielt das Berufungsgericht entgegen, aus den Entscheidungsgründen des Ehenichtigkeitsurteiles gehe hervor, daß die dortigen Beklagten außer Streit gestellt hätten, die Ehe nur deshalb geschlossen zu haben, um dem Mann die Möglichkeit zu verschaffen, zunächst eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligunng zu erlangen und damit in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wenn auch nur der Urteilsspruch selbst in Rechtskraft erwachse, seien zu seiner Auslegung auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Klagestattgebende Statusurteile zeitigten eine allseitige Rechtskraftwirkung. Daher müsse auch in diesem Verfahren davon ausgegangen werden, daß die Eheschließung erfolgte, um dem Mann den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Bei dieser Sachlage sei aber das Verschulden beider Teile, somit auch jenes der Klägerin des gegenständlichen Verfahrens am Zustandekommen der nichtigen Ehe offenkundig und bedürfe keiner weiteren Begründung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Mit der Wiederverheiratung der Witwe erlischt ihr Anspruch auf Witwenpension. Gemäß § 265 Abs 1 ASVG gebührt der Witwe - mit einer hier nicht vorliegenden Ausnahme - aber eine Abfertigung in der Höhe des 35fachen Betrages der monatlichen Witwenpension, auf die sie im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat; das entspricht dem zweieinhalbfachen Jahresbetrag der Witwenpension. Wird die neue Ehe der Witwe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, lebt der Anspruch auf die Witwenpension auf Antrag nach § 265 Abs 2 ASVG wieder auf, wenn a) die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der in Abs 1 bezeichneten Person aufgelöst worden ist, b) bei Nichtigerklärung der Ehe diese Person als schuldlos anzusehen ist. Der Anspruch lebt mit dem der Antragstellung folgenden Monatsersten, frühestens mit dem Monatsersten wieder auf, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruches folgt.

Im vorliegenden Fall ist nur strittig, ob die Klägerin als schuldlos im Sinne des § 265 Abs 2 lit b ASVG anzusehen ist. Das Gesetz definiert nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Person in diesem Sinne als schuldlos anzusehen ist. Das die Nichtigkeit der Ehe aussprechende Urteil enthält auch keinen Schuldausspruch und zwar weder in seinem Spruch, noch in den Entscheidungsgründen. Daß die Ehe ausschließlich zu dem bereits genannten Zweck geschlossen wurde und daher nach § 23 Abs 1 EheG nichtig war, sagt nichts darüber aus, ob die Klägerin als schuldlos anzusehen ist. Da die Rechtsfolgen des § 265 Abs 2 ASVG die gleichen sind, wenn eine Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der das Wiederaufleben der Witwenpension begehrenden Person aufgelöst worden ist oder bei Nichtigerklärung der Ehe diese Person als schuldlos anzusehen ist, liegt es nahe, den Begriff der Schuldlosigkeit aus eherechtlichen Bestimmungen abzuleiten. § 31 Abs 1 EheG bestimmt:

Hat auch nur einer der Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt, so finden auf das Verhältnis der Ehegatten in vermögensrechtlicher Beziehung die im Falle der Scheidung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Dabei ist eine Ehegatte, dem die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung bekannt war, wie ein für schuldig erklärter Ehegatte zu behandeln. Da das Ehegesetz Ehen, die mit Nichtigkeitsgründen behaftet sind, zweifellos verhindern will, verhält sich rechtswidrig, wer eine Ehe in Kenntnis ihrer Nichtigkeit eingeht (Welser, Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185 [188]). Schlechtgläubigkeit ist demnach positive Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes (Pichler in Rummel, ABGB**2 II, Rz 3 zu §§ 29 bis 32 EheG mwN). Für die Schlechtgläubigkeit ist eherechtliche Verschuldensfähigkeit Voraussetzung, die dann gegeben ist, wenn die betreffende Person die Fähigkeit hat, einzusehen, daß die konkrete Ehe mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht geschlossen werden soll und die Person außerdem in der Lage ist, dieser Einsicht gemäß zu handeln (Welser aaO 190).

Bei Nichtigerklärung einer Ehe wäre ein Ehegatte grundsätzlich dann als schuldlos im Sinn des § 265 Abs 2 lit b ASVG anzusehen, wenn ihm die Nichtigkeit nicht bekannt war. Ob ihm die Nichtigkeit bekannt sein mußte, ist nicht zu prüfen, weil es auf die positive Kenntnis oder Nichtkenntnis ankommt, nicht aber auf fahrlässige Unkenntnis (vgl Wentzel, Schwind in Klang**2 I/1 638).

Für die Namens- und Staatsangehörigkeitsehe ist im Sinn des § 23 Abs 1 EheG wesentlich, daß bei Eheschließung die Absicht beider Ehegatten

1. auf Nichtbegründung ehelicher Lebensgemeinschaft und 2. ausschließlich oder vorwiegend auf den Erwerb des Familiennamens oder der Staatsangehörigkeit des anderen Partners gerichtet ist (zur geschlechtsneutralen Analogie vgl. SZ 61/262). Bei Absicht nur eines Ehegatten, d.h. bei Vorliegen des Willens nur auf Seite eines der Brautleute wird möglicherwiese das Recht des anderen Ehegatten begründet, die Aufhebung der Ehe nach §§ 37 oder 38 EheG zu begründen (Wentzel in Klang**2 I/1 583; Pichler aaO, Rz 1 zu § 23 EheG).

Im Ehenichtigkeitsprozeß haben die nunmehrige Klägerin und ihr damaliger Ehegatte außer Streit gestellt, daß die Ehe nur deshalb geschlossen wurde, um dem Mann die Möglichkeit zu verschaffen, zunächst eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu erlangen und damit in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben; die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft war nach den Feststellungen des Gerichtes von den beiden Ehegatten nie beabsichtigt; sie ist auch nicht erfolgt. Damit steht aber fest, daß der Klägerin die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung bekannt war und sie daher nicht als schuldlos im Sinne des § 265 Abs 2 lit b ASVG anzusehen ist. Daß sie bereit gewesen sei, die Ehe zu vollziehen, dem Mann den Haushalt zu führen, für ihn zu kochen und die Wäsche zu waschen, ist eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung. Es kommt auch nicht auf den in der Revision hervorgehobenen Lebenswandel der Klägerin an, der von Arbeit und Enthaltsamkeit geprägt gewesen sei. Daß sie das Unrechtmäßige des Eingehens einer nichtigen Ehe nicht einzusehen vermochte, wird von ihr nicht behauptet und ist nach den Umständen des Falles auch nicht anzunehmen. Den Vorinstanzen ist daher zuzustimmen, daß der Anspruch auf die abgefertigte Witwenpension nicht wieder aufleben kann.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die Hälfte ihrer Revisionskosten zuzusprechen (SSV-NF 5/88 u. a.). Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt allerdings nur 50.000 S (§ 77 Abs. 2 ASGG).

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