OGH 15Os124/93(15Os125/93)

OGH15Os124/93(15Os125/93)26.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich Kurt K***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31.März 1993, GZ 6 b Vr 9764/92-68, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß § 494 a StPO gefaßten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I 1 b, in der rechtlichen Beurteilung der im Schuldspruch zu I 1 bezeichneten Taten als Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG und im Strafausspruch sowie demzufolge auch der zugleich mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO ergangene Beschluß aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung und mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich K***** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (I 1) sowie der Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG (I 2) und des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu I/) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

1. in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er

a) im Frühjahr 1991 dem abgesondert verfolgten Hayel B***** 10 Gramm Haschisch überließ und

b) in den Jahren 1991 und 1992 eine nicht mehr näher feststellbare Menge Heroin von zumindest 10 Gramm an Unbekannte verkaufte und

2. in der Zeit von Februar bis 22.Juni 1992 wiederholt erworben und besessen,

(zu II/) fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. am 26.Februar 1992 Verfügungsberechtigten der Firma F***** zwei Pullover im Gesamtwert von 1.998 S und

2. am 16.April 1992 Verfügungsberechtigten der Firma B***** Getränke im Gesamtwert von 518 S.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte lediglich gegen den Schuldspruch zu I 1 b; dies schon aus dem erstgenannten Grund zu Recht.

Das Schöffengericht hat zum bekämpften Schuldspruch festgestellt, daß der Angeklagte seit dem Jahr 1991 vom abgesondert verfolgten Hayel B***** 20 Gramm Heroin guter Qualität in Teilmengen von 1 bis 5 Gramm gekauft hat. Im Austausch gegen 2 Gramm Heroin hat der Angeklagten dem Hayel B***** einmal 10 Gramm Haschisch überlassen. Außerdem hat der Angeklagte von Manuela B***** 3 Gramm Heroin bezogen. Zumindest die Hälfte des von ihm erworbenen Suchtgiftes hat der Angeklagte gewinnbringend verkauft.

Letztere Feststellung stützten die Tatrichter auf die Aussagen der Zeugen Beate N***** und Oliver H***** sowie die Erwägungen, daß der Angeklagte keiner durchgehenden geregelten Beschäftigung nachging, lediglich eine geringe Notstandshilfe bezog und Diebstähle geplant habe, um sich seine Sucht auch finanzieren zu können; überdies habe er eine umfassende Vermittlertätigkeit zugestanden (US 8).

Mit Recht zeigt der Beschwerdeführer Begründungsmängel in bezug auf das ihm zur Last gelegte Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge in der Bedeutung des § 12 Abs. 1 SGG auf.

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Heroin die "Grenzmenge" ab 1,5

Gramm Reinsubstanz dieses Suchtgifts anzunehmen (EvBl. 1988/3 = RZ

1987/48; EvBl. 1988/131 = RZ 1989, 22); bei Haschisch beträgt diese Menge 20 Gramm THC (14 Os 58/88). Wenn der zumindest bedingte Vorsatz des Täters den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt, sind die Suchtgiftmengen der einzelnen Tathandlungen zusammenzuzählen (EvBl. 1980/20).

Im gegenständlichen Fall läßt das Ersturteil eine zureichende Begründung dafür vermissen, daß der Angeklagte zumindest die Hälfte des von ihm erworbenen Heroins gewinnbringend weiterverkauft hat.

Die Zeugen, auf welche sich das Urteil beruft, konnten über den Umfang des vom Angeklagten in Verkehr gesetzten Suchtgifts nichts aussagen. Die übrigen, oben wiedergegebenen Erwägungen der Tatrichter aber vermögen die bekämpfte Konstatierung nicht zu tragen. Denn der Mangel einer durchgehenden geregelten Beschäftigung, der Bezug einer lediglich geringen Notstandshilfe und geplante Diebstähle, um sich eine Sucht finanzieren zu können, sowie das Eingeständnis, eine umfassende Vermittlertätigkeit ausgeübt zu haben, lassen keinen verläßlichen Schluß darauf zu, daß der Angeklagte zumindest die Hälfte des erwähnten Heroins verkauft hat.

Dazu kommt, daß das Schöffengericht lediglich festgestellt hat, daß das vom Angeklagten erworbene Heroin von "guter Qualität" war; hinsichtlich des von ihm weitergegebenen Haschisch fehlt überhaupt eine Feststellung bezüglich des Wirkstoffgehaltes. Daraus aber läßt sich schlüssig nicht begründen, daß durch die Weitergabe von Heroin und 10 Gramm Haschisch insgesamt Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SGG in Verkehr gebracht wurde.

Die aufgezeigten Begründungsmängel erfordern eine weitere Klärung des Sachverhaltes und demnach die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung, in der der Suchtgifteigenkonsum des Angeklagten, die Menge des von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgifts in zeitlicher und mengenmäßiger Beziehung sowie der Wirkstoffgehalt der verfahrensgegenständlichen Suchtgifte mängelfrei begründet festzustellen sein werden. Erst dann wird beurteilt werden können, ob der Angeklagte eine "große Menge" Suchtgift in Verkehr gesetzt hat.

Übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde - ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdepunkte bedurfte - gemäß § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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