Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 33.820,52 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 5.636,75 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das klagende Bauunternehmen kaufte am 14.Juni 1980 zur Errichtung von Einfamilienhäusern für Interessenten 11 der 14 Bauparzellen der sogenannten "F*****-Gründe" in Z***** (mit Baulandwidmung laut Flächenwidmungsplan und Bauplatzbewilligung der Gemeinde), die zur Gänze in der 500-m-Zone des § 5 Abs 1 Oberösterreichischen Natur- und LandschaftsschutzG 1982 (Oö NSchG 1982) am Ostufer des oberösterreichischen ***** oder *****Sees liegen. Am 22.April 1981 stellte die klagende Partei - bei der damals zuständigen Oberösterreichischen Landesregierung - schriftlich den Antrag auf Feststellung, daß durch die Errichtung von 11 Wohnobjekten auf den Grundstücken ... solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Nach Gutachtenserstellung fragte die mit 1.Jänner 1983 zuständig gewordene (§§ 5 Abs 1, 41 Abs 9 Oö NSchG 1982; ZfVB 1985/5/1785) Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Bezirksverwaltungsbehörde am 23.November 1984 bei der klagenden Partei an, ob sie ihren Antrag zurückziehe, eine bescheidmäßige Erledigung oder die Aussetzung des Verfahrens auf einen längeren Zeitraum wünsche. Die klagende Partei brachte am 21.Dezember 1984 einen Devolutionsantrag bei der Oberösterreichischen Landesregierung ein. Die Oberösterreichische Landesregierung wies mit Bescheid vom 28. Mai 1985, Zl. Argar-450003-8044-I/Sti-1985, den Devolutionsantrag der klagenden Partei - unangefochten - mit der Begründung ab, daß die Verfahrensverzögerung bzw Säumnis nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Naturschutzbehörde erster Instanz zurückzuführen sei, und mit Schreiben vom gleichen Tag die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck an, rasch eine Entscheidung herbeizuführen; letzteres unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß die Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, weil der Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung das öffentliche Intereese am Schutz der Seeuferlandschaft nicht überwiege. Mit Bescheid vom 9.Juli 1985, Zl. Agrar-4135-1983, wies die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Antrag der klagenden Partei im wesentlichen mit der Begründung ab, der betroffene Landschaftsabschnitt stelle ein wesentliches Element des Seeufers dar; die Wohnobjekte würden in der weitgehend unberührten und naturnah beschaffenen Landschaft einen starken Kontrast darstellen und somit als Fremdkörper wirken. Unabhängig von der Art der Bebauung würde damit ein maßgeblich störender Eingriff in das Landschaftsbild hervorgerufen. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes überwiege alle anderen Interessen. Dagegen erhob die klagende Partei am 29.Juli 1985 Berufung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.März 1986, Zl. 85/10/0147 (VwSlg 12.069/A = ZfVB 1986/5-6/2097), nach der Aktenlage dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung zugestellt am 4. April 1986, im "Parallelverfahren" eines anderen bauwilligen Liegenschaftskäufers einer Parzelle der sogenannten "F*****-Gründe", gleichfalls wegen naturschutzbehördlicher Feststellung, einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13.August 1985 wegen seiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit aufgehoben und darin ausgeführt, daß durch das dort angestrebte Bauprojekt ein Eingriff iS des § 5 Abs 1 erster Satz Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes vorliege und deshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen sei. Zwar sei das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes bei jedem See sehr hoch einzuschätzen. Bei den gegenüber zu stellenden "allen anderen" Interessen komme es auf den konkreten Eingriff an. Die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes (als einer Verordnung) vermöge schon ihrer Rechtsnatur nach künftige konkrete Projekte vom Standpunkt des Landschaftsbildschutzes nicht abschließend zu berücksichtigen; auch für Flächen mit der Widmung "Bauland" sei eine Feststellung der Naturschutzbehörde iS des § 5 Abs 1 Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1982 erforderlich. Allerdings sei bei Bestehen einer Baulandwidmung (bzw eines rechtswirksamen Raumordnungsplanes) eine dieser Widmung (bzw diesem Raumordnungsplan) entsprechende Bebauung als im öffentlichen Interesse und nicht bloß im privaten Interesse - wovon die Oberösterreichische Landesregierung ausgegangen sei - des Bauwerbers gelegen. Dieses öffentliche Interesse an der Bebauung der Liegenschaft wäre ungeachtet einer baubehördlichen Entscheidung vom naturschutzrechtlichen Standpunkt wohl zu verneinen gewesen, wenn das Projekt der Widmung widerspreche, worauf der Hinweis im angefochtenen Bescheid auf das Fehlen eines dringenden "örtlichen Wohnraumbedarfes" abzielen könnte. Dazu fehlten allerdings Erörterungen im angefochtenen Bescheid, insbesondere in Hinsicht auf eine allfällige Konkretisierung (gesonderte Ausweisung) der Baulandwidmung nach § 16 Abs 2 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz. Zwar vermöge das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes das Interesse an einer privaten Bauführung, selbst wenn diese der Verwirklichung des örtlichen Raumordnungsplanes der Gemeinde diene (und daher auch im öffentlichen Interesse gelegen sei), überwiegen, was jedoch nicht immer zutreffen könne, andernfalls die von der Behörde vorzunehmende Interessenabwägung in einem derartigen Fall nicht erforderlich wäre. Um "alle anderen Interessen" entsprechend zu bewerten, bedürfe es der Einordnung in "private" und "öffentliche" (welche zusammentreffen könnten), weil einem öffentlichen Interesse im Regelfall größeres Gewicht zukomme als einem bloß privaten. Welches Gewicht dem bezeichneten öffentlichen Interesse an der Bebauung einer derartigen Liegenschaft zukomme, werde vom beabsichtigten konkreten Eingriff, sohin vom Projekt, abhängig sein.
Nach mehreren gutachtlichen Stellungnahmen samt Repliken der klagende Partei und nach dem die klagende Partei am 8.Jänner 1987 eine Säumnisbeschwerde nach § 132 B-VG erhoben hatte, gab die Oberösterreichische Landesregierung als Organ der Landesverwaltung in zweiter Instanz mit Bescheid vom 30.März 1987, Zl. N-450003-8044-1/Mü-1987, der Berufung der klagenden Partei keine Folge, wobei es im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß die Realisierung des Projektes einen maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild bewirken werde, zumal hiedurch der natürliche Charakter dieses Uferbereiches nachhaltig und irreversibel beeinträchtigt werde. Im Rahmen der Interessenabwägung gelange die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß die öffentlichen und privaten Interessen an der projektgemäßen Errichtung der elf Wohnobjekte nicht geeignet seien, das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes in diesem besonders schützenswerten Uferbereich des als Naturschutzgebiet festgestellten Z*****-Sees aufzuwiegen. Die Wohnungen sollten aller Voraussicht nach (nur) als Zweitwohnsitze dienen, weshalb das öffentliche Interesse an der Verbauung geringer einzustufen sei. Überdies könne mit diesen Grundstücken der Baulandbedarf, abgeleitet aus der Bevölkerungsentwicklung, mit den derzeit noch im Gemeindegebiet vorhandenen Bauplätzen für mindestens 25 Jahre gesichert werden. Schon die Zustimmung der Naturschutzbehörde im Verfahren zur Erstellung des Flächenwidmungsplanes sei unter dem Gesichtspunkt erfolgt, der ortsansässigen Bevölkerung im Falle eines dringenden Bedarfes an Wohnraum eine Bebauung dieser Grundstücke zu ermöglichen. Mit dieser "Bedingung" - die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan schon aus rechtlichen Gründen keinen Eingang habe finden können - habe die Naturschutzbehörde zum Ausdruck bringen wollen, daß das private Interesse eines schon bisher in der Gemeinde ansässigen Bauwerbers, der nun in seiner Heimatgemeinde einen Hausstand gründen wolle, und das öffentliche Interesse der Gemeinde daran allenfalls höher einzustufen sein werde als das eines Bauwerbers, der sich erstmals im Gemeindegebiet niederlassen wolle.
Der Verwaltungsgerichtshof hob im "Parallelverfahren" mit Erkenntnis vom 12.Oktober 1987, Zl. 87/10/0095 (ZfVB 1988/3/915), einen neuerlichen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung neuerlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und sodann mit Erkenntnis vom 23.November 1987, Zl. 87/10/0027,0094 (ZfVB 1988/4/1485), nach dem Akteninhalt der Oberösterreichischen Landesregierung zugestellt am 11.Jänner 1988, unter Hinweis auf sein obgenanntes Vorerkenntnis vom 17.März 1986, Zl. 85/10/0147, den von der nun klagenden Partei angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Daraufhin entschied die Oberösterreichische Landesregierung mit rechtskräftigem Bescheid vom 18.Juli 1988, Zl. N-450003-8044-1/Mü-1988, iS des Antrags der nun klagenden Partei unter Erteilung im einzelnen genannter Bedingungen und Auflagen für die Gestaltung des Projektes.
Das Erstgericht fällte über das auf Zahlung von 6,926.910,80 S sA gerichtete auf Amtshaftung gestützte Schadenersatzbegehren (ab 1. Jänner 1985 eingetretene Schäden, weil das Verfahren bei gesetzmäßiger Vorgangsweise bis Ende 1984 hätte abgeschlossen werden können) ein Zwischenurteil und sprach aus, daß die Klagsforderung dem Grunde nach - wegen Verstoß der zuständigen Naturschutzbehörden gegen § 73 AVG - zu Recht bestehe. Der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck seien jedenfalls ab 14.September 1983, als die klagende Partei nach Abschluß der iS des Rahmengutachtens vorgenommenen Umplanung eine bescheidmäßige Erledigung urgiert habe, alle wesentlichen Umstände für eine inhaltliche Prüfung des Antrages bekannt gewesen. Allenfalls noch erforderliche Entscheidungsgrundlagen hätte die Behörde in zumutbarer Weise jedenfalls binnen sechs weiterer Monate einholen können. Obwohl das Verfahren faktisch spruchreif gewesen sei, habe die Behörde erster Instanz erst aufgrund eines Devolutionsbescheides einen Bescheid erlassen. Auch die Berufungsbehörde habe erst nach fast zwei Jahren entschieden. Die aufwendigen Sachverhaltsermittlungen der zweiten Instanz mit Stellungnahmen des Gutachters und Gegendarstellungen der klagenden Partei seien überflüssig gewesen. Die klagende Partei treffe kein Mitverschulden iS des § 2 Abs 2 AHG, weil sie einen Devolutionsantrag und eine Säumnisbeschwerde erhoben habe.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, weil auch die von den Verwaltungsbehörden in ihren Bescheiden vom 9.Juli 1985 und 30.März 1987 getroffene Ermessensentscheidung auf einer zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vertretbaren Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung beruht habe, sodaß insgesamt gesehen eine einen Amtshaftungsanspruch rechtfertigende schuldhafte Verfahrensverzögerung durch die mit der Sache befaßten Naturschutzbehörden erster und zweiter Instanz nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei leitet ihre Amtshaftungsansprüche aus verspäteten und unvertretbar unrichtigen Entscheidungen der Oberösterreichischen Naturschutzbehörden ab. Da sowohl der Devolutionsantrag nach § 73 Abs 2 AVG als auch die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 132 B-VG iVm § 27 VwGG Rechtsmittel iS des § 2 Abs 2 AHG
sind (JBl 1992, 249 = AnwBl 1992, 143 mwN und Anm von Arnold; SZ
54/86 = JBl 1982, 658 ua) und ein durch einen Bescheid oder eine Verfahrensverzögerung potenziell Geschädigter zunächst verpflichtet ist, die ihm vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellten und eine Abwendung des Schadens noch ermöglichenden Rechtsbehelfe auszunützen, sind hier die behaupteten Verfahrensverzögerungen von der Einbringung des Antrages am 22.4.1981 bis zur Erhebung des Devolutionsantrages (21.Dezember 1984) im Naturschutzverfahren erster Instanz und bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde (8.Jänner 1987) im Naturschutzverfahren zweiter Instanz nicht geeignet, Grundlage eines Amtshaftungsanspruches zu sein. Die schuldhafte Unterlassung der Erhebung von Rechtsmitteln führt grundsätzlich - soweit der Schaden durch die Erhebung des Rechtsmittels abgewendet werden konnte - zum Anspruchsverlust (SZ 61/156 = JBl 1989, 113 ua). Nur für "unverbesserliche" Vollzugsakte soll Ersatz geleistet werden (JBl 1992, 249 mwN; EvBl 1990/47; SZ 61/211 ua; Schragel, AHG2 Rz 176). Dies gilt auch für Schäden, die mangels unvergänglicher Erhebung eines Devolutionsantrages nicht "unverbesserlich" waren.
Was die behauptete Unvertretbarkeit der Entscheidungen betrifft, so ist davon auszugehen, daß nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung ein amtshaftungsbegründendes Verschulden darstellt. Im Amtshaftungsverfahren ist, anders als im Rechtsmittelverfahren, nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung des Organs richtig war, sondern auch - bei Unrichtigkeit derselben - ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (SZ 63/106, SZ 62/6; 1 Ob 17/92 ua). Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit Verschulden des Organes wird allerdings angenommen, wenn die Entscheidung von einer klaren Rechtslage oder einer ständigen Rechtsprechung als Entscheidungshilfe ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht (SZ 63/106, SZ 62/6; 1 Ob 17/92 uva; Schragel aaO Rz 147). Wenn zu einer bestimmten Gesetzesstelle höchstgerichtliche Judikatur - hier des Verwaltungsgerichtshofes - noch nicht zur Verfügung steht, liegt Unvertretbarkeit der Rechtsanwendung vor, wenn der Wortlaut einer gesetzlichen Regelung keine Zweifel über den Inhalt aufkommen läßt und mit der Absicht des Gesetzgebers übereinstimmt, nicht aber, wenn das Gesetz für eine Ermessensentscheidung keine bindenden Richtlinien aufstellt.
Gemäß § 5 Abs 1 erster Satz des mit 1.Jänner 1983 in Kraft getretenen Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1982, LGBl 1982/80 (die Novelle LGBl 1988/72 ist hier noch unanwendbar) - welche Bestimmung dem ersten und zweiten Satz der vorhergehenden Regelung des § 1 Abs 2 Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes LGBl 1964/58 (Öo NSchG 1964) entspricht - ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, daß solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Vor der Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides hat die Behörde das Gutachten eines Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz einzuholen (§ 5 Abs 1 zweiter Satz Oö NSchG 1982). Eine bescheidmäßige Feststellung kann auch unter Bedingungen, befristet oder mit Auflagen erteilt werden, soweit dies zur Wahrung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes erforderlich ist (§ 5 Abs 2 Oö NSchG 1982). Das Gesetz hat das Ziel, die heimische Natur und Landschaft in ihren Lebens- und Erscheinungsformen zu erhalten, sie zu gestalten und zu pflegen und dadurch dem Menschen eine ihm angemessene bestmögliche Lebensgrundlage zu sichern (öffentliches Interesse am Natur- und Landschaftsschutz; § 1 Abs 1 Oö NSchG 1982; VwSlg 12699/A = ZfVB 1989/1/133). Nach den Materialien zu § 5 Abs 1 Oö NSchG 1982 (Bericht des Ausschusses für volkswirtschaftliche Angelegenheiten des Oberösterreichischen Landtages betreffend das Naturschutzgesetz 1982, abgedruckt bei Neuhofer-Sapp, Oberösterreichisches Baurecht und Umweltschutz, 2.Auflage 1985) werden die bisher bereits für alle Seen geltende 500-m-Seeuferschutzzone und die Formulierung des bisherigen Tatbestandes des § 1 Abs 2 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1964 beibehalten. Die Seeuferschutzzone bestehe bereits seit 40 Jahren, und ohne die uneingeschränkte Beibehaltung dieses Seeuferschutzes sei eine gänzliche Bebauung der Seeufer kaum zu verhindern. So wie Grund und Boden nicht vermehrbar sei, so sei insbesondere auch jede Bebauung der Seeufer ein nicht wieder gutzumachender Verlust des Erholungswertes der Seeuferlandschaft für die Zukunft. Wegen der besonderen Schönheit der unberührten Seeuferlandschaft komme hier dem Schutz des Landschaftsbildes eine überragende Bedeutung zu ... Die Materialien enthalten somit nichts zur Frage, wann öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes alle anderen Interessen überwiegen und nach welchen Kriterien eine solche Interessenabwägung vorzunehmen ist. Nach der früheren Rechtslage waren zufolge § 1 Abs 1 Oö NSchG 1964 Eingriffe, die das Landschaftsbild stören, verboten, wenn dadurch solche öffentlichen Interessen an seiner Erhaltung, die alle anderen Interessen überwiegen, verletzt würden; gemäß Abs 2 leg.cit. war jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten. Dieses Verbot galt, solange nicht ausdrücklich festgestellt wurde, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.
Sowohl nach alter (§ 1 Abs 2 Oö NSchG 1964) wie nach neuer (§ 5 Abs 1 Oö NSch 1982) Rechtslage hatte somit die Verwaltungsbehörde zu "Eingriff in das Landschaftsbild" und "Interessenabwägung" zwei Rechtsfragen (ZfVB 1991/4/1581) zu lösen, wobei sie mangels inhaltlicher Änderungen des Gesetzes in den hier relevanten Punkten auch bei Beurteilung eines der neuen Rechtslage zu unterstellenden Sachverhaltes auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichteshofes zur alten Rechtslage als Entscheidungshilfe zurückgreifen konnte. Vorerst war die Frage zu lösen, ob ein Eingriff, somit eine - nach ihrer Natur nicht bloß vorübergehende - Veränderung der Natur, die zufolge ihres öffentlichen Eindruckes das Landschaftsbild maßgebend verändert, vorliegt. Im Erkenntnis vom 22.Juni 1977, Zl. 1276/76 = VwSlg 9357/A, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die Behörde in freier Beweiswürdigung der durchgeführten Erhebungen festzustellen habe, ob das geplante Vorhaben eine maßgebende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes - als Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft (VwSlg 11253/A) - darstelle oder nicht. Werde diese Frage verneint, ergebe sich hieraus bereits die Pflicht zur Feststellung, daß das Verbot des § 1 Abs 2 (Oö) NSchG (1964) für den Beschwerdefall nicht zu gelten habe. Dies entspreche der im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 28.Juni 1976, Z. 246/76 = VwSlg 9097/A = ZfVB 1976/4/850, dargelegten Rechtsanschauung. Voraussetzung für die Feststellung, ob eine maßgebende Beeinträchtigung vorliege und ob die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung eines bestimmten Vorhabens überwiegen, sei ein Ermittlungsverfahren, welches auf Grund einer ausreichenden Beschreibung des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorhandenen Landschaftsbildes und der Einwirkungen des Vorhabens auf dieses Landschaftsbild eine Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage ermögliche. Beim vorliegenden, aus 11 Wohnobjekten bestehenden Gesamtprojekt war die Tatsache eines Eingriffs in das Landschaftsbild unbestritten; in der Beurteilung des Eingriffes wird den Naturschutzbehörden auch von der klagenden Partei eine unvertretbar unrichtige Rechtsauffassung nicht vorgeworfen.
Wenn aber ein Eingriff iS des § 1 Abs 1 Oö NSchG 1964 bzw § 5 Abs 1
Oö NSchG 1982 vorlag, war und ist nun von Amts wegen eine
Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interessen an der
Erhaltung des Landschaftsbildes im allgemeinen und hier eines
Seeufers im besonderen und "allen anderen", das heißt allen für ein
konkretes eingereichtes Projekt, somit für den Eingriff sprechenden
Interessen zwingend vorgesehen. Eine dem Gesetz entsprechende
Interessenabwägung setzt(e) ausreichende Feststellungen über die
Intensität des drohenden Eingriffes in das Landschaftsbild und über
das Gewicht der gegen den Eingriff sprechenden anderen (auch
privaten) Interessen voraus. Dabei ist die Intensität des Eingriffes
durch das Projekt, bestimmt durch Größe, architektonischer Gestaltung
und verwendeten Baustoffe (so bereits der Verwaltungsgerichtshof in
seinem Erkenntnis vom 15.April 1980, Zl. 320/79 = ZfVB 1981/1/116 zu
§ 1 Abs 1 Oö NSchG) bedeutsam. Eine für den Antragsteller im
Naturschutzverfahren günstige Feststellung kommt schon dann in
Betracht, wenn die einander gegenüber zu stellenden genannten
Interessen zumindest gleichwertig sind. Von dieser Rechtsauffassung
(so ua VwSlg 12699/A = ZfVB 1989/1/133) mußten die Organe der
beklagten Partei nicht erst mit Zustellung des das
"Parallelverfahren" betreffenden Erkenntnisses des
Verwaltungsgerichtshofes vom 17.März 1986, Zl. 85/10/0147 = VwSlg
12069/A, Kenntnis haben, weil sich die Lösung dieser Frage bereits
aus dem Gesetz selbst ergibt (arg.: "... überwiegen ...") und im
übrigen bereits im Erkenntnis vom 26.November 1976, Z. 1808/76 = ZfVB
1977/3/994, ausgesprochen wurde. Auch daß es auf den konkreten
Eingriff ankam, war durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
ebenso klargestellt (Erkenntnisse vom 28.November 1976, Z. 1808/76 =
ZfVB 1977/3/994 und vom 31.Mai 1979, Z. 653/78 = VwSlg 9859/A) wie
die Tatsache, daß bei Bestehen einer Baulandwidmung bzw eines
rechtswirksamen Raumordnungsplanes eine dieser Widmung bzw diesem
Raumordnungsplan entsprechende Bebauung der Liegenschaft als im
öffentlichen und nicht bloß im privaten Interesse des Bauwerbers
gelegen zu beurteilen ist (Erkenntnisse vom 22.Juni 1977, Z. 1276/76
= VwSlg 9357/A = ZfVB 1977/6/2229, und VwSlg 9358/A = ZfVB
1978/1/122) und auch private Interessen Berücksichtigung zu finden
hatten (Erkenntnisse vom 22.März 1979, Z. 802/77 = ZfVB
1979/5-6/1965, und 28.Mai 1976, Z. 475/76 = ZfVB 1976/3/478).
Zwar ist der Behörde bei den nach § 5 Abs 1 Oö NSchG zu treffenden Feststellungen kein Ermessen eingeräumt (VwSlg 12.156/A = ZfVB 1987/1/167, aber auch bereits ZfVB 1976/3/478; Moosbauer, Das Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982. Eine Bestandaufnahme der Rechtsprechung des VwGH in öGZ 1991/10, 10 ff, 11), weil die für und gegen den Eingriff sprechenden Interessen zu gewichten und einander gegenüber zu stellen sind. Von ihrer Pflicht zur Interessenabwägung sind auch hier die Naturschutzbehörden beider Instanzen ausgegangen. Strittig war nun hier, welche für den Bau sprechenden Interessen als "alle anderen Interessen" zu berücksichtigen waren, was weder den Gesetzen selbst (Oö NSchG 1964 und 1982) noch den Materialien dazu im einzelnen zu entnehmen war und wozu - somit nur zu Teilaspekten - der Verwaltungsgerichtshof in den oben wiedergegebenen Entscheidungen Stellung genommen hat. Zusammengefaßt und vereinfacht findet man aus Verfassung, Naturschutzgesetzen und Rechtsprechung, daß die im Einzelfall notwendig werdenden Interessenabwägungen überprüfbar, umfassend/systematische (hinsichtlich der Ermittlungen und der Begründung) und konsistent bzw gleichförmig (gleichförmige Bewertung gleicher Sachverhalte) sein soll (Dolp, Bemerkungen aus der Praxis zur naturschutzrechtlichen Interessenabwägung in öGZ 4/1990 8 ff mwN, 10). Diesen Grundsätzen entspricht die hier zu beurteilende, keineswegs vollkommen eindeutige und weitgehend nur durch unbestimmte Gesetzesbegriffe ("öffentliches Interesse" etc) determinierten Interessenabwägung der beiden Naturschutzinstanzen. Dabei kam es unbestritten auf Aussehen, Größe ect des Projektes der klagenden Partei in der an sich geschützten Landschaft an, womit auch hier, entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung, der Eingriffsfrage Bedeutung zukam und die Rechtsansichten des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung in seinem Erkenntnis im "Parallelverfahren" mit einem anderen, viel kleineren Projekt nicht die Bedeutung zukam, die die Revision vermeint. Weiters waren bei dieser Einzelfallentscheidung in Wahrheit einer streng rationalen Bewältigung entzogene Wertungsfragen über widerstreitende ökonomische, ökologische, soziale und gesellschaftliche Konflikte zu lösen (Dolp aaO 10 mit einer zutreffenden Aufzählung der schwierigsten Probleme einer Güterabwägung) und schließlich war vor allem das Gewicht (VwSlg 10098/A; Dolp aaO 9) der einzelnen, einander gegenüber zu stellenden Interessen an mit den daraus resultierenden, weder im Gesetz noch in dessen Wertungen einwandfrei erkennbaren Abwägungsklauseln maßgebend. Bei dieser Sachlage kann die Auffassung der Naturschutzbehörden - in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - nicht als unvertretbar bezeichnet werden, mögen sie auch als ein von mehreren Argumenten bei der Interessenabwägung den fehlenden Wohnbedarf der einheimischen Bevölkerung berücksichtigt haben.
Fragen der Verjährung müssen nicht mehr untersucht werden. Der Revision ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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