OGH 14Os126/93

OGH14Os126/9324.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Massauer, Mag. Strieder und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gertrud G***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. April 1993, GZ 3 a Vr 6.799/92-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gertrud G***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie am 6.Juni 1992 in Wien Walter O***** dadurch, daß sie ihm ein Küchenmesser, Marke "Phantom", mit dem Aufdruck "superscharf" und einer Klingenlänge von 22 cm, im Bereich der rechten Unterschlüsselbeinregion "von rechts oben hinten nach unten innen vorne ca. 12 cm tief in den Körper stieß", wobei die Brustwand und das Lungengewebe durchtrennt wurden, eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt; die Tat hatte den Tod des Walter O***** durch Verbluten zur Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht hat die entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen im wesentlichen auf die für glaubwürdig erachtete Darstellung gestützt, welche die Angeklagte unmittelbar nach der Tat noch am Tatort gegenüber (dem in der Hauptverhandlung als Zeugen vernonmenen) Polizeibezirksinspektor Franz M***** gegeben hat (S. 465, 469 iVm S. 17, 445 f), und unter Heranziehung aller wesentlichen Verfahrensergebnisse dargetan, auf Grund welcher Erwägungen es die spätere (auf das Vorliegen einer Notwehrsituation ausgerichtete) Verantwortung der Angeklagten als widerlegt ansah.

Wenn sich die Angeklagte unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen, unzureichenden bzw. undeutlichen Begründung darüber beschwert, das Schöffengericht habe sich mit den einzelnen Details ihrer Verantwortung nicht ausreichend auseinandergesetzt, so zeigt sie damit keine formalen Begründungsmängel auf. Denn das Erstgericht war einerseits nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verpflichtet, alle Einzelheiten von Aussagen weitwendig im Detail zu erörtern und jeweils darauf zu untersuchen, inwieweit sie, isoliert betrachtet, für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen und andererseits auch nicht in der Lage, sich bei der Würdigung mit allen, insbesondere mit erst nachträglich ins Treffen geführten Argumenten zu befassen. Es hat jedenfalls unter aktengetreuer Wiedergabe der verwerteten Verfahrensergebnisse mit einer den Denkgesetzen entsprechenden - ausführlichen - Begründung (S. 465 ff) zum Ausdruck gebracht, aus welchen Erwägungen es der (späteren) Verantwortung der Angeklagten den Glauben versagte, so daß (auch) insoweit kein Begründungsmangel vorliegt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen steht die Urteilsannahme, wonach sich die Angeklagte von O***** losriß, einige Schritte in die Küche lief, dort ein scharfes Küchenmesser ergriff und sich mit dem Messer in der Hand wieder in das Vorzimmer zurückbegab (S. 463, 465), weder mit der (unter ON 25) im Akt erliegenden "Skizze der Tatort-Wohnung", noch mit einer ins Treffen geführten "Beengtheit der räumlichen Verhältnisse" im Widerspruch. Der zuvor beschriebene Standort der beiden Kontrahenten findet zudem in den vom Schöffengericht den Urteilsfeststellungen zugrundegelegten (ersten) Angaben der Angeklagten wie auch in dem Umstand eine ausreichende Stütze, daß auf dem Küchenfußboden keine Blutspuren vorgefunden werden konnten, während der Fußboden nahezu der gesamten übrigen Wohnräume (ausgenommen Bad und WC) "massiv mit Blut bedeckt" (S. 469 iVm ON 25), und nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.Missliwetz wie auch den eigenen Angaben der Angeklagten bei O***** unmittelbar nach der Stichverletzung eine sehr massive Blutung aufgetreten war (S. 442, 443).

Die von der Beschwerde vermißte Erörterung der Hämatomverfärbung der Angeklagten am Arm hinwieder betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache, weil das Schöffengericht ohnedies davon ausging, daß es im Verlauf eines (der in Rede stehenden Tathandlung vorangegangenen) Streites zu Tätlichkeiten des Walter O***** gegen die Angeklagte kam (S. 463, 465), die jedoch bereits beendet waren, als die Angeklagte "aus Zorn über die vorherigen Mißhandlungen O*****", diesem "einen wuchtigen Stich" mit dem Messer zufügte. Die Urteilsannahme hinwieder, daß die Angeklagte entgegen ihrer Behauptung nicht um Hilfe gerufen habe, findet dem Beschwerdevorbringen zuwider in den vom Schöffengericht dabei verwerteten Aussagen der Zeugen Gabriele S***** und Erwin M*****, die sich zur Tatzeit - ebenso wie der geschiedene Ehemann der Angeklagten Anton G***** - in der Wohnung aufhielten, eine ausreichende Stütze.

Zusammenfassend gesehen zeigt sich, daß die Mängelrüge, ohne eine Nichtigkeit im Sinn des angerufenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5) aufzuzeigen, insgesamt auf eine - nach wie vor - unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinausläuft.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die im wesentlichen unter Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge releviert, der von O***** gegen die Angeklagte "in mehreren Abschnitten" unternommene massive Angriff rechtfertige die Annahme einer Notwehr oder notwehrähnlichen Situation; denn die Beschwerde setzt sich dabei über jene - bereits zuvor dargelegten - Urteilskonstatierungen hinweg, wonach die Angeklagte aus Zorn über die vorangegangenen, jedoch bereits abgeschlossenen Mißhandlungen mit dem Messer auf O***** eingestochen hat; solcherart vergleicht die Beschwerde nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Ausführung des relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, den im Urteil in tatsächlicher Hinsicht als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz.

Dies gilt gleichermaßen für die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher die Beschwerdeführerin eine Beurteilung ihres Tatverhaltens unter dem Gesichtspunkt der irrtümlichen Annahme einer Notwehrsituation bzw. einer Putativnotwehrüberschreitung anstrebt. Dabei übergeht die Angeklagte aber die Urteilsfeststellung ihrer Absicht, Walter O***** schwer zu verletzen, ebenso wie die weiteren Konstatierungen für die rechtliche Konklusion, wonach weder eine Notwehr - noch eine Putativnotwehrsituation - vorgelegen hat und selbst bei Annahme einer Notwehrsituation die Tathandlung nicht gerechtfertigt wäre, weil sie "aus Zorn, also aus einem sthenischen Affekt, das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient" hätte (S. 473, 475).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung der Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

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